Kauderwelsch: Kaffee und Küken

KOMMENTAR • von Florian Eßer

(Illustration: Florian Eßer / AKUT)

(Illustration: Florian Eßer / AKUT)

Man spiele »Stadt-Land-Fluss«, ersetze die Begriffe »Land« und »Fluss« durch »Kultur« und »Entwicklung« und stoppe beim Buchstaben »B«. B wie Bonn, B wie bedroht und B wie bergab. So, fertig. Trotzdem kriege ich jetzt nicht mehr Punkte als meine imaginären Mitspieler, da alle fünf zu denselben drei Lösungen gekommen sind. Klar. Die liegen ja auch nahe, wenn man sich die kulturelle Entwicklung Bonns (und jeder anderen Stadt) einmal genauer anschaut.

In einem Land vor unserer Zeit jedoch, als das Gras noch grüner und der Kaffee noch aromatischer war, konnten auch kleinere Buchhandlungen und Kaffeehäuser überleben. Ihre Umgebung wies genügend Ressourcen für ein Leben nebeneinander auf und die Welt war in Ordnung. Sicher, ab und an kam es auch dazu, dass ein kleiner Laden von einem Größeren gefressen wurde, aber unterm Strich blieb die ganze Sache im Gleichgewicht. Dann aber kam es zum kulturellen Kometeneinschlag und zum großen Sterben der Schwächeren. Für viele der kleinen Betriebe brach ab diesem Punkt nämlich die Eiszeit an. Hauptsächlich waren es Konsum-Kakerlaken wie Starbucks, Backwerk und Amazon, die überlebten, die Herdentiere der schnellen und unpersönlichen Abfertigung.

Quantität statt Qualität heißt es da, denn die pure Anzahl der Filialen reicht aus, um den alteingesessenen Platzhirschen das Geweih zu stutzen. Man stelle sich eine sterbende Heuschrecke vor, die von einer Legion von Ameisen nach und nach zerlegt wird. Die Natur kann grausam sein – der Einzelhandel ebenfalls.

Darunter leiden dann aber in erster Linie diejenigen Endverbraucher, die auf familiäre Atmosphäre und sonstige Gesellschafts-Esoterik Wert legen. Wer aber nach der ZDFneo-Perle »Hauptsache wach und Hackbraten« lebt, dem kann’s natürlich egal sein.

Ein Coffee-to-go für die Strecke zwischen Primark und dem Infostand von UNICEF, oder sich bei Mäcces zur fünften Todsünde hinreißen lassen – wer kennt das nicht? Ich möchte nicht den ersten Stein werfen, sondern lediglich feststellen, dass man die Zukunft der kulturellen Entwicklung nicht aus dem Kaffeesatz eines Backwerk-Cappuccinos zu lesen braucht, wenn man sich einfach mal umgucken und fragen würde: Was soll der Quatsch?

Bei aller Bequemlichkeit und den praktischen Aspekten des konsumorientierten Ketten-Karussells, muss ich mir eingestehen, dass aus leichtem Schwindel schnell wahre Übelkeit werden kann, falls sich das Ding im selben Tempo noch weiterdrehen sollte. Denn: Dein Vorname auf dem Kaffeebecher wird überflüssig, wenn dich die Leute im Café mit selbigem kennen und ansprechen. Ein nettes Gespräch mit der gegenderten Buchhändler_In macht mehr Spaß als ein rascher Mausklick und individuelle Geschäfte verschönern das Stadtbild mehr, als die x-te Neonreklame irgendeines kulturlosen Retorten-Klons.

Man kommt ohnehin nicht drumherum, kriminelle Großkonzerne zu unterstützen, sei es, weil man Fußballfan ist, oder Coca-Cola super schmeckt. Allerdings kann man darauf achten, dass vom Aussterben bedrohte Kleinhändler nicht gänzlich aus dem Stadtbild getilgt werden. Das tilgt wiederum nicht die Mitarbeiterausbeutung und die großflächige Verkleisterung mit Billigprodukten von unserem Planeten, aber unterstützt die regionale Wirtschaft und die kulturelle Vielfalt in unserer direkten persönlichen Umgebung.

Schön wär’s, aber vielleicht ist es auch eine utopische Vorstellung, denn die Realität sieht schließlich anders aus: Mehr, mehr, mehr und das am besten in solch einem Tempo, dass die Küken schon frittiert aus dem Schredder purzeln, oder im Idealfall bereits zu Nuggets verarbeitet aus den Eiern schlüpfen, die ihre mit Antibiotikum verseuchte Hühnermama in den Käfig gepupst hat.

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