KOMMENTAR von Florian Eßer
Ich treffe Lumpi, den trinkenden Hund, am Tresen einer renovierungsbedürftigen Kneipe, um mit ihm über Hochschulpolitik zu sprechen. Die Kneipe heißt »Wahllokal« und ist eine heruntergekommene Spelunke, in die sich nur selten jemand verirrt. Auch Lumpi kommt nur her, wenn sonst keine bessere Alternative zu finden ist. Ich setze mich auf den Barhocker neben ihn und winke den Wirt herüber: »Zwei Kölsch und zwei Schnäpse. Lumpi, Korn oder Wodka?« – »Schwierige Frage. Weißt du, zwischen Schnäpsen und Parteien wählen zu müssen ist im Grunde dasselbe«, antwortet Lumpi, »denn egal wie man sich entscheidet; das Ergebnis ist am Ende zum Kotzen«.
Ich belasse es beim Kölsch. »Der Unterschied ist nur, dass man beim Schnaps weiß, was man sich bestellt. Da steht auf dem Etikett genau das drauf, was auch drin ist. Da wundert man sich nicht, wenn es einem am nächsten Tag hundsmiserabel geht. Wodka lügt nicht. Parteien aber sind wie Hundefutterdosen. Das Bild vorne ist appetitlich und wirbt mit dem »besten von Rind & Huhn« – der Inhalt aber ist zum Ekeln«. Ich bestelle doch noch zwei Wodka. Lumpi legt seine Zigaretten auf die Theke und fischt sich eine aus der Packung. »Oder hier«, sagt er und deutet mit der Kippe auf den Warnhinweis. »Da steht auch alles drauf. ›Rauchen führt zu Impotenz‘. Wenn Politiker bloß auch mal so ehrlich wären.« – »Die führen aber auch nicht zu Impotenz«, versuche ich zu intervenieren, aber Lumpi kläfft dazwischen: »Da ist das Problem auch eher die Inkompetenz. Wenn mir schon irgendjemand »Sitz« und »Platz« befehlen muss, dann kann man doch wenigstens erwarten, dass die Leute wissen, was sie da tun. Stattdessen locken sie einen bloß mit kleinen Geschenken, hier ein Knöchelchen, da ein Küchlein und wenn man dann dick und vollgestopft ist, lassen sie die Falle zuschnappen. Aber nicht mir mir!« – »Du hast heute an vier Ständen von Parteien Kaffee getrunken und Kekse gegessen und allen versprochen, deine Stimme für sie abzugeben…« – »Man soll die Hand nicht beißen, die einen füttert, aber wählen muss ich die Hand deswegen noch lange nicht!« – »Scheiße, dass kannste doch nicht bringen. Das ist ja wie Zeche prellen!« – »Ich sehe dein Problem nicht. Feuer?«
Ich krame in meiner Hosentasche und ein Keks purzelt aus der Jeans. Lumpi hebt ihn auf und stopft ihn sich in den Mund. »Lecker, mit Mandeln. Hast du noch einen?« – »Ne. Hab’ ich alle schon beim Kaffee gegessen« – »Beim Kaffee von der XYZ-Partei?« – »Jo, das ist der bes…« Lumpi wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu.
Wir schweigen eine Weile, dann bestelle ich noch einmal zwei Kölsch und zwei Wodka: »Geht auf mich!« – »Du wärst ein guter Politiker geworden«, sagt Lumpi und wir stürzen die Gläser hinunter. »Wenn niemand wählen geht, dann ist das am Ende doch auch alles für die Katz«, lalle ich und auch Lumpi scheint sich bierselig mit dem Gedanken anzufreunden. »Aber wen soll man bitte wählen?« – »Na, im Zweifel die mit dem besten Kaffee.« – »Aber nur wenn die noch Mandelkekse haben!« – »Sowieso«, sagt Lumpi, »meine Stimme gibt’s ja schließlich nicht umsonst.«
»Lass uns zahlen, dann gucken wir nach den Keksen.« Ich durchsuche mein Portmonee nach Geld: »Kannst du mir was leihen?«, frage ich Lumpi, aber der schüttelt den Kopf: »Ne, aber ich kann bis drei zählen«. Das tut er und bei »Zwei« beginne ich zu laufen.