»Selbstdelegitimierung vom Feinsten«

Die Grüne Hochschulgruppe ist sauer Die bis dahin stärkste Gruppe im Studierendenparlament darf nicht antreten. Wegen drei fraglichen Sekunden und zwei Ausschüssen, die lieber Formvorschriften als das große Ganze in den Blick nehmen. So sehen es die Grünen. Warum sie trotzdem nicht klagen werden, erfahrt ihr in diesem Interview.

Interview: Hanno Magnus

Jakob Horneber

Jakob Horneber ist für die flüchtigen Verhältnisse der Hochschulpolitik ein Urgestein. Er amtierte von März 2011 bis August 2012 als Vorsitzender des AStA und war zuvor seit März 2010 Finanzreferent. Zuletzt war er einer von vier studentischen Senatoren im Senat, dem höchsten Gremium an der Universität. Jetzt möchte er den Ärger der grünen Hochschulgruppe in der akut artikulieren. Zum Interview erscheint er – stilecht – etwas zu spät.

 

akut  Es sind sich wohl alle einig. Die ganze Sache, die da abgelaufen ist, ist eine ziemliche Blamage. Die Frage ist nur: für wen?
Horneber  Zunächst einmal ist das meiner Ansicht nach eine Blamage für die Institution „Studierendenschaft“ als solche. Hier wird aus rein formalen Gründen eine Gruppe ausgeschlossen, die in den letzten Jahren zu den erfolgreichsten gehörte und die auch dieses Jahr bereit war, sich zu engagieren. Natürlich sind wir auch selbst schuld, wir hätten die Liste einfach früher abgeben müssen. Andererseits ist überhaupt nicht sicher, ob wir wirklich zu spät dran waren. Auf dieser Basis dann eine so weitreichende Entscheidung zu treffen, finde ich fragwürdig. Hier haben Wahlausschuss und Ältestenrat nicht klug gehandelt. Schon im Ablauf war einiges hoch problematisch. Schade ist aber vor allem, dass die inhaltliche Bedeutung der Entscheidung kaum berücksichtigt wurde, sondern nur Formalia den Ausschlag gaben. Wir haben nicht den Eindruck, dass Sinn und Zweck der angewandten Regeln auch mal hinterfragt wurden. Letztlich wären wir aber dennoch zugelassen worden, wenn der RCDS keine Beschwerde eingelegt hätte, um uns zu schaden. Leider hat sich der Ältestenrat hierbei instrumentalisieren lassen. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Ausgerechnet der Gruppe, die sich immer darüber beschwert, die Hochschulpolitik beschäftige sich nur mit sich selbst, ist jedes Mittel recht, um engagierte Studierende von der Mitarbeit auszuschließen. Da ist es wirklich nicht überraschend, wenn die Wahlbeteiligung ständig zurückgeht. Es haben also viele Akteure der Hochschulpolitik zum schlechten Gesamtbild beigetragen. Das ist Selbstdelegitimierung vom Feinsten.
akut  Du gibst euch selbst eine Teilschuld. Was genau hat denn bei Listenschluss bei euch so lange gedauert?
Horneber  Der Listenschluss wird traditionell ausgereizt – bei allen Hochschulgruppen. So weit ich weiß, ist keine der sechs Listen, die antreten wollten, vor dem letzten Tag abgegeben worden. Wir betreiben die Hochschulpolitik ja auch ehrenamtlich neben vielen anderen Verpflichtungen. Da kann es schon mal dauern, bis alle Kandidaturen und die Texte für die Wahlzeitung beisammen sind. Im Nachhinein wissen wir, dass wir lieber eine unvollständige Liste hätten abgeben sollen. Dann wäre die Frist gewahrt gewesen. Aber wir hatten ja nicht den Eindruck, dass wir zu spät waren. Unser Listenvertreter war anerkanntermaßen vor Fristende im Raum und hat lediglich die Unterlagen angeblich – hier steht Aussage gegen Aussage – drei Sekunden zu spät abgegeben. Das zeigt doch die Absurdität des Ganzen und auf welch dünnem Eis die Entscheidung gefällt wurde.
akut  Wieso klagt ihr nicht?
Horneber  Wir haben das ausgiebig abgewogen. Natürlich ist der erste Impuls: uns geschieht hier ein Unrecht, dagegen müssen wir vorgehen. Allerdings wurden im letzten Jahr viel zu oft die Gerichte bemüht oder Entscheidungen nur auf juristischer und nicht auf politischer Ebene ausgekämpft. Diesen Rückgriff auf Formalismen haben wir als Hochschulgruppe im letzten Jahr immer wieder kritisiert. Wir halten ihn für nicht sinnvoll und schädlich für die Hochschulpolitik. Es gibt offenbar Leute, die große Freude daran haben, anderen mit Pedanterie die Arbeit zu erschweren. Daher wollten wir uns bewusst nicht auf dieses Niveau begeben und jetzt unsererseits klagen. Dazu kommt, dass wir wenig gewinnen können: Sollten wir uns vor Gericht durchsetzen, würden die Wahlen annulliert und müssten dann wiederholt werden. Dieses Ergebnis reizt uns nicht, gerade im Hinblick auf die hohen Kosten für die Studierendenschaft. Dann gibt es natürlich auch noch ein rechtliches Restrisiko.
akut  Was wird jetzt auf der grünen Hochschulgruppe? Wird sie jetzt zerfallen?
Horneber  Im Gegenteil, so ein Ereignis lässt uns noch mehr zusammenwachsen. Auch beschränkt sich die Arbeit der grünen Hochschulgruppe nicht aufs Studierendenparlament. Viele unserer Projekte können in nächster Zeit ganz normal weiterlaufen. Wir werden sogar noch mehr Zeit dafür haben, da die zwar wichtige, aber oft mühsame und zeitraubende Arbeit im Studierendenparlament wegfällt. Insbesondere für Leute, die vor allem inhaltlich gestalten wollen, werden wir jetzt attraktiver.
akut  Werdet ihr Wahlkampf machen? Für wen?
Horneber  In erster Linie machen wir natürlich für uns selbst Wahlkampf. Wir werden ja zu den Gremienwahlen der Universität antreten. Das wird aber sparsamer ausfallen als in den letzten Jahren. Für die SP-Wahlen empfehlen wir nicht eine bestimmte Gruppe. Das wäre auch wenig sinnvoll, da wir überzeugt sind, dass wir als Gruppe Themen und Prioritäten haben, die die anderen so nicht bieten. Aber wir unterstützen unsere bisherigen Koalitionspartner Jusos, LUST und Piraten, damit die erfolgreiche Arbeit des AStA fortgesetzt werden kann. 

 

 

 

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