Von Angst, Abgrenzung und Aufgeschlossenheit – Diskussion und Demonstration, Flucht und Furcht: Krisen machen nicht an Landesgrenzen Halt – warum die Welt zu komplex für einfache Antworten ist.
Von Felix Rudroff
Hierzulande geht es – neben vielen irgendwie diffusen Unzufriedenheiten – um Zuwanderung, Flüchtlingsströme, Religion, die eigene Identität und ganz besonders um Angst. Es ist eine sehr vielschichtige, teils gespaltene Debatte, sie bewegt sich zwischen Warmherzigkeit und Kaltblütigkeit, zwischen Gleichgültigkeit und Anteilnahme.
Die Ursachen der derzeitigen Weltlage sind häufig zu komplex, um sie zu vermitteln und direkt verstehen zu können. Medien und Politik stehen extrem beschleunigten, teils unberechenbaren Prozessen gegenüber und politische Agenden und mediale Schwerpunktsetzungen bewegen sich mit großer Dynamik in nicht prognostizierbare Richtungen. Die gegenwärtige Situation verunsichert und sorgt mancherorts für Abgrenzung und Ablehnung. In Dresden gingen am Montag, dem 12. Januar, 25.000 Menschen gegen eine vermeintliche „Islamisierung des Abendlandes“ auf die Straße, zeitgleich kehrten sich andernorts die Verhältnisse um, beispielsweise in Hannover, München oder Leipzig, wo am gleichen Abend jeweils zwischen 20.000 und 35.000 Menschen gegen eine Spaltung der Gesellschaft Position bezogen. In Bonn ist der regionale Ableger der sogenannten Pegida-Bewegung nach zwei „Spaziergängen“ verschwunden und hat es nicht ins Jahr 2015 geschafft. Das Thema ist allerdings auch in NRW aktueller denn je.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR beziffert in seinem Bericht „Global Trends“ die Zahl der Personen, die 2013 im völkerrechtlichen Sinne als Flüchtlinge gezählt wurden, auf 16,7 Millionen. Ein kurzer Blick auf die Ereignisse in Syrien, im Irak, im Norden Nigerias, im Osten der Ukraine und an vielen anderen Orte dieser Welt genügt, um davon auszugehen, dass immer mehr Menschen sich gezwungen sehen werden, ihre Heimat zu verlassen, um anderswo in Sicherheit leben zu können.
In einer Pressemitteilung vom 14. Januar teilt das in Deutschland für Asyl zuständige Bundesministerium des Inneren (BMI) mit, im Jahr 2014 seien beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 202.834 Asylanträge eingegangen und somit über 75.000 mehr als im Vorjahr. Abgelehnt worden seien die Anträge von 33,4 Prozent der Antragstellenden. Weiterhin hätte man 35,2 Prozent der Anträge „anderweitig erledigt“, beispielsweise durch das „Dublin-Verfahren“, so das Ministerium. Dieses bedeutet, dass die entsprechenden Personen in den europäischen Staat zurückgeschickt werden, in dem sie erstmalig registriert wurden. Es ist somit davon auszugehen, dass über 68 Prozent der Asylsuchenden Deutschland wieder verlassen mussten und ihre Flucht jenseits der hiesigen Grenzen fortsetzten oder an den Ort zurückkehrten, von dem sie geflohen waren.
Innerhalb Deutschlands erfolgt die Verteilung von Flüchtlingen nach Steueraufkommen und Bevölkerungszahl, dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“, auf die einzelnen Bundesländer. Diese verteilen dann wiederum die Asylsuchenden auf die Kommunen. Mittlerweile wird immer häufiger von einer Überforderung auf allen Ebenen berichtet. „Bonn bietet bereits heute 823 Flüchtlingen aus mehr als 30 Nationen Zuflucht“, lässt die Stadt Bonn in einem Artikel vom 12. Januar auf ihrer Internetseite verlauten. Zudem verfolge die Stadt konsequent das Konzept einer – nach Möglichkeit – dezentralen Unterbringung und suche ständig nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten. Die Stadt muss mit begrenztem Geld und Personal die Beherbergung Asylsuchender allein tragen und ist auf umfangreiche ehrenamtliche Hilfe angewiesen, um dieser Aufgabe gerecht zu werden.
Es gibt in Bonn neben kleineren Einrichtungen eine Erstaufnahmeeinrichtung sowie einige größere Unterkünfte; eine weitere soll bis Mitte diesen Jahres in einer ehemaligen Kaserne in Form eines „dreigeschossigen Gebäudes in Containerbauweise“, wie die Stadt bekannt gab, errichtet werden.
Krisen und Kriege – häufig fundamentalistisch und nationalistisch motiviert – machen vor der „Festung Europa“ und somit auch vor Bonn nicht Halt und sind nur so lange abstrakt, wie sie persönlich nicht erfahren werden. Die Angst vor Tod und Terror ist omnipräsent – überall. Führerlose Flüchtlingsschiffe auf dem Mittelmeer erscheinen gewissermaßen symbolisch für den gegenwärtigen Zustand. Es bleibt zu hoffen, dass die Zukunft möglichst vielen Menschen ein angstfreies und friedliches Zusammenleben ermöglicht. Viele Bonner Bürgerinnen und Bürger leisten bereits mit viel Engagement einen großen Beitrag hierfür. Diesen gilt es an dieser Stelle zu danken und andere zu motivieren, sich entsprechend anzuschließen.
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Wie kann ich konkret helfen?
Wer konkret einen kleinen Beitrag leisten möchte, kann sich hier vor Ort in Bonn engagieren. Es gibt unterschiedliche Vereine und Arbeitskreise von Freiwilligen, die Deutschunterricht geben, gemeinsam Fußball spielen oder Beistand und Hilfestellung bei Behördengängen und Arztbesuchen leisten.
Einige Kontaktdaten kann man über die Webseite der Stadt erhalten. Um den Kontakt zwischen Uni und den Mitmenschen in Asylunterkünften zu verbessern, hat sich an der Bonner Uni eine kleine Gruppe Studierender als „Initiative für Flüchtlinge Bonn“ zusammengefunden – mit dem Ziel, Flüchtlinge und Interessierte auf persönlicher Ebene miteinander in Kontakt zu bringen. Es soll regelmäßig Veranstaltungen geben und eine Vernetzung mit Studierenden verschiedener Fachbereiche ist geplant.
Wer über aktuelle Veranstaltungen informiert werden oder sich einbringen möchte, folgt der Initiative für Flüchtlinge Bonn (IfF) am besten auf Facebook oder schreibt eine Mail an iffbonn@gmail.com.