BLICK AUF BONN Etliche Jahre lebt man in einer Stadt – und kann die einfache Frage nach deren sehenswertesten Ecken dann doch nicht beantworten. Ob als Tourist oder als Einwohner – wie man eine Stadt wahrnimmt, kann sehr unterschiedlich sein. Alles eine Frage der Perspektive.
VON DOMINIQUE MÜLLER
Was muss man hier in der Stadt mal gesehen haben?«, oder auch: »Was kann man denn hier so unternehmen?« Wer kennt sie nicht, diese Fragen? Sei es von Verwandten, die zu Besuch kommen oder von Kommilitonen aus anderen Städten. Als mich neulich ein Arbeitskollege fragte, was man in Bonn alles so machen könne und mal gesehen haben sollte, wusste ich spontan keine passende Antwort. Erneut wurde mir bewusst, wie schwer das zu beantworten ist. Und das, obwohl ich schon seit fast 23 Jahren – also mein ganzes Leben – in Bonn wohne. Man nimmt die eigene Stadt einfach anders wahr.
Es ist komisch: Zum Teil kann ich von Städten, die ich schon öfter besucht habe, intuitiv und spontan besser Auskunft über Sehenswertes geben. Denn, bevor man in den Urlaub fährt und andere Städte und Länder bereist, informiert man sich in der Regel, was man alles ansehen sollte. Beim Besuchen einer anderen Stadt hält man die Augen viel weiter offen als in der Heimatstadt. Man ist viel empfänglicher für alle möglichen Details, die man in der eigenen Stadt übersehen würde.
Wieso ist das so? Das zu beantworten ist schwierig. Im Zweifelsfall liegt es einfach daran, dass man sich keine Zeit nimmt, aufmerksam zu sein. Oder man interessiert sich schlichtweg nicht für die Besonderheiten der eigenen Stadt. Vielleicht ist es einem auch nicht bewusst, was die eigene Stadt zu bieten hat. Es ist schade, dass man in der eigenen Heimatstadt recht uninteressiert ist an Sehenswürdigkeiten. Schlimmer noch, teilweise empört man sich über die nervigen Touristen, ihre Fotoapparate und Selfie-Sticks.
Dabei sind es doch meist die Kleinigkeiten, die man sich schnell mal zwischendurch anschauen könnte – und dennoch einfach außer Acht lässt. Zum Beispiel den »Weg berühmter Persönlichkeiten«, der seit 2005 existiert. Er befindet sich unter anderen in der Bonngasse und der Friedrichstraße. Er besteht aus Bildern, die in den Boden eingelassenen sind und Persönlichkeiten zeigen, die in Bonn geboren wurden oder in enger Beziehung zur Stadt stehen. Seit Mai 2015 sind es 23 an der Zahl. Unter ihnen befinden sich Ernst Moritz Arndt, Konrad Adenauer, Willy Brandt und – natürlich, wie könnte es anders sein – Ludwig van Beethoven. Diese recht kleinen Bodentafeln sind ein gutes Beispiel dafür, dass man als Bewohner der Stadt Bonn schnell mal seine Umgebung vergisst und oft in Eile einfach daran vorbei läuft. Wäre ich Tourist in Bonn, würde ich mir jede einzelne der Persönlichkeiten einmal genauer anschauen und in Erfahrung bringen wollen, in welcher Beziehung sie zur Stadt stehen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Beethovenhaus. Ob es sich lohnt, hineinzugehen, darüber lasst sich streiten. Doch wer Bonn besucht, sollte es einmal gesehen haben. Beethoven hat ja bekanntlich nicht sehr viel Lebenszeit in Bonn verbracht – die Stadt ist trotzdem sichtlich stolz darauf, dass er hier geboren wurde. Ich bin am Beethovenhaus schon etliche Male vorbei gelaufen, habe es aber erst vor kurzem geschafft es zu besuchen.
Es ist definitiv schade, dass man in der Heimatstadt, oder generell wenn man in einer Stadt nicht mehr neu und neugierig ist, nicht mehr genau hinsieht. Es lohnt sich auch in der eigenen Stadt, mit etwas offeneren Augen durch die Straßen zu gehen. In der letzten Ausgabe haben wir darüber berichtet, wie Bonn sich verändert. Nichtsdestotrotz hat die Stadt am Rhein einiges zu bieten. Sei es die Museumsmeile, das alte Regierungsviertel, oder auch das Siebengebirge, obwohl das ja strenggenommen zu Königswinter gehört. Bonn ist und bleibt klein aber fein, wie man so schön sagt. ◄