FLÜCHTLINGE Erst gab es nur ein Banner für »Weltoffenheit und Toleranz«, nun hat die Uni Bonn ein Förderprogramm für studieninteressierte Flüchtlinge gestartet. Auch der AStA versucht mithilfe einer speziellen Sprechstunde zu vermitteln.
VON JULIANE SPRICK
Sie sind geflüchtet vor Krieg, Unterdrückung und Armut. Millionenfach haben sich Menschen, vor allem aus Vorderasien und Afrika, in den letzten Jahren auf den Weg nach Europa gemacht. Viele von ihnen erhoffen sich hier ein besseres Leben. Es sind Menschen aus allen Bildungs- und Gesellschaftsschichten: engagierte Oppositionspolitiker, Ärzte, Lehrer, ebenso wie Männer und Frauen ohne jeglichen Schulabschluss. Es sind vor allem aber viele junge Menschen, die im Moment nach Deutschland kommen. Unter ihnen finden sich natürlich auch einige, die in ihren Heimatländern bereits studiert haben oder gerade frisch ihren Schulabschluss in der Tasche hatten. Sie wünschen sich, ihre Ausbildung an der Uni fortzusetzen, um anschließend ins Berufsleben zu starten.
Doch wie kommt man als Geflüchteter an die Uni? Welche Voraussetzungen müssen für die (Wieder-)Aufnahme eines Studiums erfüllt sein? Wie relevant ist der Asyl-Status in dieser Frage? Was ist mit der Sprachbarriere? Fragen über Fragen wirft dieses Thema auf. Es ist möglich, für Flüchtlinge, an einer deutschen Universität zu studieren. Doch der Weg ist lang und steinig. Denn erst langsam beginnen sich auch die Universitäten mit dem Thema intensiver auseinanderzusetzen. Mit dem aktuellen Sommersemester ist jetzt ein spezielles Programm unter dem Namen »Förderung der Integration in das Studium« gestartet. »Mit dem FdIS wollen wir Flüchtlingen den Einstieg in das Studium erleichtern«, so Prof. Dr. Michael Hoch, Rektor der Universität am Rande der Ringvorlesung »Migration als Herausforderung und Chance«. Das FdIS bietet an einem Studium interessierten Flüchtlingen eine Art sechsmonatiges Vorkursprogramm, inklusive eines Aufbausprachkurses in Deutsch ab Stufe B1. Mitte März hatten sich bereits die ersten 15 Interessenten gefunden. Die Teilnahme an dem Projekt garantiert allerdings niemandem einen späteren Studienplatz, wie es auf der Internetseite der Uni heißt. »Es sollen keine Sonderregeln geschaffen werden«, erklärte der Rektor auf Nachfrage.
Grundsätzlich gilt: Für ein Studium kann sich jeder bewerben, dessen Status anerkannt ist, also dessen Asyl-Antrag genehmigt, dessen Antrag in Bearbeitung ist oder wer offiziell geduldet wird. Anschließend hat man die gleiche Chance auf einen Platz wie andere internationale Bewerber. Ihnen stehen per Gesetz fünf Prozent der Studienplätze zu. Die Quote bestimmt das Land Nordrhein-Westfalen. Hinzu kommen natürlich eine Hochschulzugangsberechtigung und eine nachgewiesene Kenntnis der deutschen Sprache auf B1-Niveau.
An all diese Nachweise zu kommen, all die notwendigen Stellen anzufragen und Anträge auszufüllen ist jedoch gar nicht so leicht. Jeder von uns, der beispielsweise schon mal einen BAföG-Antrag ausgefüllt oder das Bewerbungsprozedere für ein ERASMUS-Semester durchgestanden hat, weiß, wie verwirrend und kompliziert solche Formularberge sein können. Das dachten sich letzten Herbst auch Lisa Kugele und ihre drei Mitstreiter, als sie die Idee für die »StartStudy«-Sprechstunde hatten, die der AStA nun seit etwa zwei Monaten anbietet. Lisa Kugele erklärte das Konzept folgendermaßen: »Unsere Arbeit ist es hauptsächlich, den Stand der Dinge festzustellen. Wo liegen die Probleme? Wie können wir den Leuten helfen? Wir kennen die entsprechenden Beratungsstellen, Ämter und Einrichtungen und haben die Möglichkeit sie so gezielt an die richtigen Ansprechpartner zu vermitteln.«
Die Sprechstunde ist in der Kooperation mit der Hochschulgruppe »Initiative für Flüchtlinge«, entstanden. Die IfF gründete sich bereits im Sommer 2015. Sie organisiert Ausflüge, veranstaltet Grillfeste und Filmabende. »Unser Ziel ist es, die Leute in unserem Alter aus den Heimen rauszuholen«, erläuterte Lisa Kugele die Motivation der Initiative, die sie selbst ins Leben gerufen hat.
Die Sprechstunde ist daher ein weiterer logischer Schritt. Sie findet an drei Nachmittagen pro Woche in den Räumen des AStA in der Nassestraße statt. Wenn möglich, erfolgt die Beratung dreisprachig, auf Deutsch, Englisch oder Arabisch. »Arabisch ist neben Englisch die Sprache, auf der wir mit den Besuchern unserer Sprechstunde am ehesten kommunizieren können«, beschreibt die Masterstudentin der Politikwissenschaft die Arbeit in der Sprechstunde weiter. »Es sind übrigens gar nicht unbedingt die typischen Berufe, die immer in den Medien herumgeistern. Nicht alle, die zu uns kommen, wollen Ärzte oder Juristen werden. Es ist sehr gemischt. Viele wollen später gerne als Lehrer arbeiten. Am häufigsten ist aber der Wunsch, überhaupt die Möglichkeit bekommen zu studieren.«
Trotz ihrer kurzen Laufzeit wird die Sprechstunde gut angenommen: »Mal kommen mehr, mal weniger – das ist tagesabhängig.« Dass aber niemand käme, passiere eher selten. Im Übrigen kämen nicht unbedingt nur Studieninteressierte. Viele kommen zusammen mit ihrer Familie oder Bekannten und bitten auch häufig um Hilfe bei allgemeineren Problemen, bei der Suche einer Wohnung oder bei Behördengängen. Sogar von der Universitätsleitung bekommt das »StartStudy«-Projekt Zuspruch: »Wir unterstützen die Initiative mit ihrer Sprechstunde«, beantwortete Rektor Hoch die Frage, ob auch die Univerwaltung selbst nun ihr Beratungsangebot erweitern will. »Hab ich noch nie gehört, den Satz«, reagierte Lisa Kugele etwas überrascht auf diese Äußerung. Sie würde sich aber durchaus darüber freuen. Generell sei es ihr ein Dorn im Auge, dass den Flüchtlingen viele unnötige bürokratische Steine in den Weg gelegt würden: »Es gibt in Nordrhein-Westfalen kein einziges staatliches Studienkolleg, an dem man auch nach seiner Schulzeit sein Abitur nachholen oder die alternative Feststellungsprüfung ablegen kann«, ärgert sie sich. Dennoch können wir bestimmt schon bald den ein oder anderen Flüchtling mehr unter uns Studierenden finden. Ob das Integrations-Projekt der Uni aufgeht und ob die Sprechstunde potentiellen Studieninteressierten unter den Flüchtlingen erfolgreich helfen kann, den Behördendschungel auf dem Weg bis zum Studienplatz zu durchstehen, wird sich mit der Zeit zeigen. Vielleicht hat es sogar der ein oder andere schon geschafft. Genau weiß das allerdings niemand. »Wir erfassen nicht, ob Studienbewerber Flüchtlinge sind«, lautet dazu die Erklärung des Pressesprechers der Universität, Dr. Andreas Archut. ◄