Prof. Gu über das gute Leben
Prof. Gu Xuewu empfängt mich an einem regnerischen Montag um 11 Uhr. Nach einer herzlichen Begrüßung erfahre ich, dass mein Interview-Partner sich auf seine Aufgaben, auf die Forschungsarbeit und auf das Interview freut.
Was hat Sie dazu bewegt, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben?
Die Neugier, die Wahrheit zu finden und Antworten auf gesellschaftliche und internationale Probleme zu entwickeln, hat mich motiviert, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben. Natürlich auch die Freiheit, die einem Wissenschaftler zusteht, ist eine kostbare Kategorie, die andere Berufe nicht kennen.
Welche Schwierigkeiten haben Sie am Anfang Ihrer Karriere überwinden müssen?
Am Anfang waren es in erster Linie die sprachlichen Schwierigkeiten, die ich überwinden musste, um in Deutschland Karriere zu machen. Die zweite Barriere war das Erwerben von fachlichen Fähigkeiten, die notwendig sind, um sich als ein ausgewiesener Experte in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zu etablieren.
Hätten Sie noch mal die Wahl, würden Sie dieselbe berufliche Laufbahn wählen?
Ja, ich würde mich noch mal dafür entscheiden.
Würden Sie sich wieder auch für Deutschland entscheiden?
Warum nicht? Deutschland ist ein faszinierendes Land in allen Hinsichten. Wenn es um die Tiefe der Philosophie, die Prächtigkeit der Musik und die Kreativität des Sozialfriedens geht, gibt es meines Erachtens kaum ein anderes Land, das Deutschland übertreffen könnte.
Womit identifizieren Sie sich am meisten, mit China oder mit Deutschland?
Ich habe längst die nationalen Grenzen überwunden. Ich identifiziere mich mit einer transnationalen Kultur, mit einer internationalen Kultur. Die „global citizenship“ drückt das am besten aus.
Wenn Sie zurückschauen, was hat Sie am meisten zu guten Leistungen motiviert?
Die Neugier. Man darf sich nicht zufriedengeben. Man muss immer neugierig bleiben, um neue Forschungsideen zu entwickeln und neue wissenschaftliche Kenntnisse zu gewinnen.
Welchen Teil ihrer Arbeit als Professor finden Sie am angenehmsten, welchen am schwierigsten?
Am schwierigsten ist, Ausdauer im Prozess der Forschung zu erhalten, ohne von den lästigen Verwaltungsaufgaben der Universität abgelenkt zu werden. Am angenehmsten ist die Zeit, wenn ein neuer wissenschaftlicher Aufsatz oder ein neues Kapitel für ein Buch fertig ist.
Wodurch ist ein guter Student gekennzeichnet?
Ein guter Student ist meines Erachtens durch drei Merkmale gekennzeichnet: selbständige Vorbereitung von Lehrmaterialien, aktive Mitwirkung bei den Diskussionen und kritisches Denken verbunden mit der Fähigkeit, logisch zu argumentieren und glaubhaft zu überzeugen.
Wovon hängt in der Wissenschaft der Erfolg ab?
Der Erfolg in der Wissenschaft ist nicht nur von Neugier abhängig, sondern man muss ständig bereit sein, neue Forschungsthemen aufzugreifen, und mutig sein, gängige wissenschaftliche Kenntnisse in Frage zu stellen, um neue Ansätze bzw. Erklärungsmuster zu entwickeln, auch wenn sie umstritten sind.
Nach Ihrem aktuellen Beruf, welche Tätigkeit beherrschen Sie so gut, dass man Sie dafür bezahlen würde?
Ich bin mir nicht sicher, dass so etwas vorhanden ist. Ich habe aber ein Hobby: Ich singe gerne Pekingoper. Außerdem bin ich auch ein guter Handwerker.
Was sind die 3 bedeutendsten Dinge in Ihrem Leben?
Die wichtigsten Dinge in meinem Leben sind die Familie, ein Beruf, der Spaß macht, und die Bereitschaft, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Die Familie ist für mich wie ein Hafen für Kraft, Ideen und Mut.
Haben Sie eine Lebensweisheit, die Sie immer begleitet?
Man soll immer drei Elemente kombinieren: Fleiß, Selbstdisziplin und Kreativität
Was wollten Sie immer einmal machen, ist Ihnen aber noch nicht gelungen?
Es gibt viele Aufgaben, die man vorantreiben kann. Mein Herzensanliegen im Augenblick ist der Aufbau einer langfristigen wissenschaftlichen Kooperation zwischen der Universität Bonn und der Tongji-Universität in Schanghai. Dieses Projekt ist mir noch nicht gelungen, aber ich arbeite leidenschaftlich daran.
Wenn Sie nur einen Koffer hätten, in den Sie Ihren gesamten Besitz packen dürften, was würden Sie hineinpacken?
Ich würde ein konfuzianisches Standardwerk einpacken, Kleidung und andere Gegenstände, die für den täglichen Bedarf notwendig sind und die Geschenke, die mir meine Kinder zum Vatertag oder Geburtstag geschenkt haben. Selbstverständlich packe ich meinen Laptop ein, in dem alle meine Projekte gespeichert sind.
Womit beschäftigen Sie sich Ihrer Meinung nach zu viel? Womit zu wenig?
Es gibt zu viele Projekte bzw. Aufgaben, die meine Aufmerksamkeit ablenken. Womit ich mich zu wenig beschäftige, ist Sport. Als Student war ich immerhin ein guter Sportler, dafür fehlt mir jetzt die Zeit.
Gehen Sie bei Rot über die Ampel, gerade wenn kein Auto kommt?
Ja, ab und zu passiert das, insbesondere wenn die Straßen leer sind.
Was würden Sie mit dem Geld machen, wenn Sie im Lotto gewinnen würden?
Das ist eine hypothetische Frage, ich bin kein Lottospieler. Falls ich im Lotto gewinnen würde, dann würde ich eine private Hochschule gründen, eine interkulturelle Hochschule, die Wissenschaftler aus der ganzen Welt fördert.
Was machen Sie in 10 Jahren im besten und im schlimmsten Fall?
In 10 Jahren werde ich das Rentenalter noch nicht erreicht haben. Also, im besten Fall werde ich weiterhin tätig an der Universität Bonn bleiben, im schlimmsten Fall wäre das Ziel mit der wissenschaftlichen Kooperation zwischen Bonn und Schanghai verfehlt, was ich mir aber nicht vorstellen kann.
Was können Sie aktuell am meisten gebrauchen?
Mehr Zeit für die Aufgaben, die mir wichtig sind, wie zum Beispiel eine noch intensivere Betreuung von Studenten.
Eine Botschaft für Studenten?
Ja! Studenten sollen sich möglichst früh und zeiteffektiv qualifizieren. Als Generation der Zukunft braucht ihr ein globales Verständnis von politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Nicht zuletzt sollte man pragmatisch die Studienzeit nutzen, um persönliche und internationale Netzwerke auszubauen.
Die ausländischen Studenten sollen die deutsche Sprache gut beherrschen, nicht nur Englisch sprechen und sich gesellschaftlich wie kulturell integrieren.
Danke für das Gespräch!