Mann, Mann, Mann!

Am Juridicum sucht man eine Kollegin

Die juristische Fakultät hat Probleme, Professorinnen zu berufen. Von der Gleichstellungsbeauftragten gibt es trotzdem gute Noten für ehrliches Bemühen.

Sechsundzwanzig zu eins — manchmal reicht ein Blick auf die Statistik, um zu erkennen, dass etwas ganz gewaltig schief gelaufen ist. Sechsundzwanzig Kollegen steht Frau Prof. Nina Dethloff, Inhaberin eines Lehrstuhls für Bürgerliches Recht in Bonn, gegenüber. Das ergibt einen Frauenanteil von 3,7 % – ein auch im NRW-Vergleich (17 %) bescheidener Wert. Innerhalb des nächsten Jahres wird die Professorenschaft am Juridicum gleich drei Mal die Gelegenheit haben, Korrekturen vorzunehmen: Die Professoren für internationales Privatrecht Roth und Köndgen verabschieden sich in den Ruhestand, der Zivilprozessrechtler Prof. Wagner nach Berlin. Drei Professuren der höchsten Besoldungsstufe, W 3, können neu besetzt werden. Wird die gute Gelegenheit, ein paar Frauen nach Bonn zu lotsen, genutzt? Es sieht nicht danach aus.
Ein Blick auf die Liste der „Bewerbervorträge“, für die beiden IPR-Professuren zeigt: eine Frau stand sechs männlichen Konkurrenten gegenüber. Ist hier ein auf Besitzstandswahrung bedachtes Männerkollektiv am Werk? Ist die eingeladene Bewerberin nur Feigenblatt, um sich Diskriminierungsvorwürfe vom Hals zu halten? Man muss kein Schelm sein, um die bekanntermaßen konservativen Juristen dessen zu verdächtigen.

Attestiert den Juristen ehrliches Bemühen: die Gleichstellungs­beauftragte der Universität, Ursula Mättig.

Attestiert den Juristen ehrliches Bemühen: die Gleichstellungs­beauftragte der Universität, Ursula Mättig.

Ein Anruf bei der Gleichstellungsbeauftragten der Universität, Ursula Mättig, bringt aber Erstaunliches zu Tage: „Die justistische Fakultät ist sich des Problems ausdrücklich bewusst. Da hat sich einiges geändert.“, urteilt Mättig. Auch für den Leiter der Berufungskommission für die Nachfolge Köndgen/Roth, Prof. Zimmer, hat sie viel Lob übrig. Dieser sei durchaus interessiert am Thema Frauenförderung. Eine Aussage, die sie auf die Fakultät als Ganzes erweitert: „Das Problembewusstsein ist da. Das liegt sicher auch daran, dass es einen Generationswechsel bei den Professoren gab und für diese ist es viel selbstverständlicher, sogar wünschenswert, Kolleginnen zu haben.“ Das Problem liegt demnach nicht in den Berufungskommissionen, sondern schon bei den Bewerbungen. „Unter den Bewerbungen für die W-3-Professuren für die Nachfolge von Köndgen und Roth waren ca. 9% der Bewerbungen von Wissenschaftlerinnen. Bei den zum Vortrag eingeladenen lag der Frauenanteil bei ca. 25%. Diese Zahlen zeigen, dass Wissenschaftlerinnen durchaus Chancen eingeräumt werden“, erläutert Mättig. Dafür, dass eine von zwei zum Vortrag eingeladene Bewerberin ihre Bewerbung zurückgezogen hat, kann die Universität nichts.

Frauenanteil am Juridicum

  • Erstsemester (im WiSe 12/13): 62 %
  • Abschluss 1. Staatsexamen (2010/11): 50 %
  • Abgeschlossene Promotionen (2010/11): 37 %
  • Abgeschlossene Habilitationen (2009-heute)
    (von 2011-heute: 3 Frauen, 5 Männer): 25 %
  • Professorenschaft: 3,7 %

Was also sind die Ursachen für die geringe Anzahl an Bewerberinnen? Immerhin ist eine W-3-Professur an einer renommierten Universität doch eines der zentralen Karriereziele in einer wissenschaftlichen Laufbahn. Prof. Zimmer möchte zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu diesem Thema nicht zitiert werden. Dies ist verständlich, da die Kommission ihre Liste (siehe Kasten) beschlossen hat, welche nun ihren Weg durch die Instanzen der Universität antritt. Eine Äußerung während des laufenden Verfahrens könnte Irritationen auslösen.
Noch nicht so weit fortgeschritten ist die Neubesetzung der Professur „Nachfolge Wagner“ im Zivilprozessrecht. Der dortige Leiter der Berufungskommission, Prof. Brinkmann, kämpft mit ähnlichen Problemen. Kurz vor Ende der Bewerbungsfrist kann er die Bewerbungen von Frauen noch locker an einer Hand abzählen. Dabei steht für ihn als Professor außer Frage, „dass wir an einer Erhöhung des Anteils der Professorinnen arbeiten müssen.“

Das Büro der Gleichstellungsbeauftragten gibt Berufungskommissionen verschiedene Ratschläge, wie im Bewerbungsverfahren der Frauenanteil erhöht werden kann. Unter dem Stichwort „proaktives Vorgehen“ werden insbesondere Datenbanksuchen und gezielte Ansprache von potentiellen Bewerberinnen diskutiert. „Durch die Benennung einer hochqualifizierten Kollegin als auswärtiges Kommissionsmitglied haben wir nicht nur den Sachverstand der Kommission erheblich vertieft, sondern auch den Frauenanteil unter den Kommissionsmitgliedern erhöht. Ferner habe ich mich bereits auf der Datenbank academia-net informiert.“, erklärt Brinkmann hierzu. Eine gezielte Ansprache von potentiellen Bewerberinnen betrachtet er aber mit Skepsis und verweist auf den sehr kleinen Arbeitsmarkt: „Im deutschsprachigen Raum gibt es insgesamt höchstens 70 Stellen, die in der Denomination eine Spezialisierung im Prozessrecht ausweisen. Wenn eine dieser Stellen neu zu besetzen ist, ist das unter den in Betracht kommenden Kollegen und Kolleginnen bekannt.“ Demnach sei die Tatsache, dass sich jemand nicht bewirbt so zu verstehen, dass die Person kein Interesse an der Stelle habe. Dies gilt sogar als ein besonders anständiges Verhalten. Immerhin ist es durchaus möglich, dass Professorinnen und Professoren den Ruf an eine andere Universität ausschließlich nutzen, um sich gegenüber ihrer eigenen Universität in eine gute Verhandlungsposition zu bringen. An einem Wechsel besteht dann zu keinem Zeitpunkt ein echtes Interesse. Wenn alle Kandidatinnen und Kandidaten auf einer Liste so vorgehen, „platzt“ diese und das Bewerbungsverfahren muss wieder bei null beginnen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass geeignete Personen, die auf diese Möglichkeit freiwillig verzichten, nicht gezielt zu einer Bewerbung ermuntert werden sollen. „Ein weiteres Problem liegt darin, dass eine Aufforderung zu einer Bewerbung oft als Zusage eines aussichtsreichen Listenplatzes verstanden wird.“, fährt Brinkmann fort, „Eine solche Zusage kann ich aber nicht abgeben, da die Listenbildung der Berufungskommission obliegt und ich dieser nicht vorgreifen kann und will. Insofern besteht bei einer Aufforderung zur Bewerbung immer die Gefahr, Erwartungen zu wecken, die hinterher enttäuscht werden.“

Eine Argumentation, der auch die Gleichstellungsbeauftragte Frau Mättig folgt. Genau wie Prof. Brinkmann hält sie das Problem für grundsätzlicher. Dieser sieht die Professur in Konkurrenz um die besten Bewerberinnen mit einem anderen juristischen Berufszweig: „Es ist für viele unserer zahlreichen begabten Absolventinnen nach dem Examen oder der Promotion sehr attraktiv, eine Stelle als Richterin anzutreten. Der Richterdienst bietet eine fast einzigartige Kombination aus anspruchs- und verantwortungsvoller Tätigkeit bei familienfreundlichen Arbeitszeiten und Karriereaussichten. Die Karriere an der Hochschule ist demgegenüber mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet und verlangt von der ganzen Familie ein hohes Maß nicht zuletzt an räumlicher Flexibilität.“ Eine kurzfristige Lösung für dieses Problem sieht Brinkmann nicht, schlägt aber vor, erfolgreiche Praktikerinnen, zum Beispiel Anwältinnen, für Lehrtätigkeiten zu gewinnen. Für den Bereich Zivilrecht sei dies vor kurzem gelungen, sodass jetzt einige Schwerpunktvorlesungen von Frauen gehalten werden.

Mittelfristig kann es aber nur über eine gezielte Frauenförderung, die schon auf unterer Ebene greift, funktionieren. So sollen talentierte Studentinnen gezielt zur Promotion ermutigt werden. Die Fakultät wird in den nächsten Tagen über einen Gleichstellungsplan entscheiden, welcher den Aufbau eines Mentoring-Programms für Studentinnen beinhaltet.  An der momentanen Situation am Juridicum ändert das freilich nichts. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Frau Prof. Dethloff noch eine gewisse Zeit allein sechsundzwanzig Kollegen gegenüberstehen wird. Nur: ein böser Wille steckt nicht dahinter. Und das ist doch ziemlich beruhigend.

So wird man Professorin

Bei 27 Planstellen ist es kein Wunder, dass nur selten eine Professur zu besetzen ist. Da darf das Verfahren auch aufwändig sein: Eine Bewerbungskommission sichtet sämtliche Bewerbungen. Ein kleiner, aber vielversprechender Teil davon wird „gelesen“. Das bedeutet, dass ein Kommissionsmitglied sich detailliert mit den Veröffentlichungen der Kandidatin befasst. Wer dabei überzeugt, wird zum „Bewerbervortrag“ eingeladen. Die (üblicherweise) drei Überzeugendsten landen auf der „Liste“ der Kommission. Diese muss noch verschiedene universitäre Gremien, wie den Senat durchlaufen, dann erhält die oder der Erste den „Ruf“. Führen die Verhandlungen nicht zu einem Ergebnis, geht der Ruf an die Nummer zwei.

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