Alternatives Wohnprojekt altert vor sich hin
Seit Monaten setzt sich Alice Barth, Mitglied der Grünen Hochschulgruppe, in der Projektstelle „Studentisches Wohnen“ für die Einführung des alternativen Wohnprojekts „Wohnen für Hilfe” in Bonn ein. Ein Grundkonzept steht, jetzt geht es ums Geld – und damit wird es problematisch.
Das Konzept scheint simpel: Studierende suchen Wohnraum, den viele ältere Menschen ausreichend zur Verfügung haben. Diese wünschen sich im Gegenzug Hilfe im Haushalt und Gesellschaft. Rechnete man vor einigen Wochen noch mit einer schnellen Möglichkeit zur Umsetzung dieser potentiellen Win-Win-Situation, gerät die Entwicklung nun ins Stocken. Denn Motivation und Engagement allein reichen nicht aus. Es fehlt das Geld. Auch Alice hatte mehr Unterstützung erwartet und muss nun feststellen, „dass das Projekt derzeit an verschiedenen Stellen fest hängt.”
Es hätte alles wunderbar klappen können. An Interessenten am Wohnkonzept mangelt es nicht, soviel ergaben die Leser-Anfragen im Sommer: Unter Bezugnahme auf unsere erste Berichterstattung über das Projekt meldeten sich sowohl wohnungssuchende Studierende als auch Senioren, die sich begeistert von der Idee einer solchen Wohngemeinschaft und interessiert an der Wohnraumbereitstellung zeigten.
Nachdem die Stadt bereits erklärte, das Projekt nicht für eine nachhaltige Wohnraumbeschaffungsmaßnahme zu halten, hat sich nun allerdings auch die Stiftung Bonner Altenhilfe vorerst dagegen entschieden, das Projekt finanziell zu fördern. Zu groß scheinen die Zweifel, dass tatsächlich genug Senioren bereit sind, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Ein Angebot der Stiftung wäre die Finanzierung einer Bedarfsermittlung, um einen Überblick über die Anzahl interessierter Wohnraumanbieter zu gewinnen.
Die Grüne Hochschulgruppe ist derweil bestrebt, eine Vermittlungsstelle für „Wohnen für Hilfe“ im AStA einzurichten. Hier herrscht jedoch Uneinigkeit in der Koalition, hält die Juso-Hochschulgruppe das Projekt zwar grundsätzlich für sinnvoll, erhebt aber gleichsam Bedenken hinsichtlich mehrerer Aspekte. „Die Möglichkeit der Einschränkung der Rechte der MieterInnen, wie sie im Beispielvertrag aus Köln gegeben ist, ist nicht hinnehmbar“, sagt Jan Bachmann, Mitglied der Juso-Hochschulgruppe. Verstärkt kritisiert wird die Option einer Besucherregelung im Mietvertrag. „Jede Mieterin und jeder Mieter hat ein Recht darauf, soviel Besuch zu empfangen wie er oder sie will. Wann der Besuch kommt und ob er über Nacht bleibt, ist einzig Sache der Mieterin oder des Mieters. Dies geht die VermieterInnen nichts an“, so Jan. Auch wenn sich diese Uneinigkeiten vorab entschärfen ließen – der Vertrag aus Köln gilt nur als Beispiel und soll so nicht für das Bonner Projekt verwendet werden – geben die Jusos noch kein grünes Licht. Derweil beschäftigen sie sich mit der Frage, ob es sich bei der angebotenen Haushaltshilfe um Schwarzarbeit handelt, und der Vermieter entsprechend Sozialabgaben zahlen müsste. Neben dem Wunsch um Klärung einiger Versicherungsfragen geben sich die Jusos schließlich noch explizit besorgt um das Wohl der Studierenden und fürchten ein „Ausnutzen der prekären Situation der Wohnungssuchenden.“
Alice kann diese Bedenken nicht nachvollziehen: „Natürlich handelt es sich bei Wohnen für Hilfe um eine gemeinschaftliche Wohnform, in der, wie in jeder WG, klare Regeln darüber nötig sind, was vom jeweiligen Wohnpartner akzeptiert wird und was nicht.” Sie verweist auf den erfolgreichen Projektverlauf in anderen deutschen Städten sowie international und fragt sich, ob die hohen Preise des Bonner Wohnungsmarktes nicht eine weitaus prekärere Situation für die Suchenden darstellen als das Angebot günstigen Wohnraums unter der Bedingung gegenseitiger Rücksichtnahme. „Man darf den Studierenden durchaus zutrauen, dass sie keine für sich selbst unzumutbaren Verträge abschließen.“
Um die Beantragung eines Rechtsgutachtens wird die Koalition angesichts der Uneinigkeiten wohl nicht herumkommen. „Wir Jusos wollen abwarten, was in diesem Gutachten steht, schließen aber jetzt schon aus, irgendeiner Form der Entrechtung von Studierenden, die dringend eine Wohnung suchen, zuzustimmen“, so Jan.
„Das Projekt angesichts der vielen Studierenden, die händeringend eine Wohnung suchen, lediglich als Risiko zu betrachten“, findet Jakob Horneber, Mitglied der ghg, „befremdlich“. „Stattdessen sollte die Chance im Vordergrund stehen, etwas Sinnvolles zur Verbesserung der Wohnsituation in Bonn zu tun.”