Alle können Elite sein
Zeiten ändern sich. Lag es Anfang des Jahres noch an der Universität, die Chancen auf einen Blick über den Tellerrand zu vergeben, ist es nun auch Studierenden möglich, sich durch Eigeninitiative die Möglichkeit auf Weitblick zu sichern.
Sophokles hat einmal gesagt: „Achtung verdient, wer erfüllt, was er vermag“. An der Uni Bonn heißt es seit Kurzem eher „Achtung verdient, wer ausfüllt, was er vermag“, denn durch das Ausfüllen eines Aufnahmeantrags ins Honors Program kann man eben diese erwirken und lädt sich so selbst ein – ins Programm für die Elite.
Anfang des Jahres hatte das Honors Program für eine Welle der Empörung gesorgt. Als Förderungsprogramm für die Elite der Bonner Universität sollten 150 Studierende in den Genuss einer finanziellen Förderung von 300 Euro monatlich und eines ideellen Kursprogramms – inklusive exklusiven Honors Lectures – kommen. Durch Werkstattmodule zu Kommunikation, Literatur und Kunst sowie Veranstaltungen zu Rechtshistorik und Ethik sollte den Chosen Few der Universität ein Blick über den Tellerrand ihres eigenen Fachbereiches ermöglicht werden.
Es drängte sich die Frage auf, wer an der Universität als Elite angesehen wird: Studierende, die von ihren Dozenten ins Programm reingefördert werden müssen oder Studierende, die aus Eigeninitiative die Chance auf zusätzliche Bildungsangebote über das eigene Studienfach hinaus wahrnehmen möchten.
Niklas Beckmann, Student und Mitarbeiter im Referat für Hochschulpolitik, ist einer, der gerne die Initiative ergreift – und gegen die Universität vors Gericht gezogen ist, um sich in das Programm einzuklagen. Bevor es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch allzu ernst werden konnte, knickte die Uni ein und nahm Beckmann ins Programm auf. In einer Sonderausgabe berichtete die BAStA über den Vorfall und verwies auf die Äußerung des Verwaltungsgerichts Köln, nach welcher unter Bezugnahme auf das Hochschulgesetz NRW prinzipiell alle Studierenden das Recht auf Zugang zu den Veranstaltungen des Honors Programs haben. So druckte die BAStA gleich einen Anmeldevordruck zur Aufnahme ins Honors Program auf die Rückseite ihres Artikels. Als Hilfestellung würde Andreas Archut, Dezernent und Pressesprecher der Universität, das keineswegs bezeichnen. Vielmehr sieht er darin „schlicht den Versuch, das Honors Program aus ideologischen Beweggründen zu zerstören.”
Katinka Kraus, Referentin für Hochschulpolitik, spricht keineswegs von zerstörerischen Absichten. Sie begrüßt die Grundidee des Programms, eine Weiterbildung über den Studiengang hinaus zu ermöglichen und sieht das Honors Program als „Antwort auf den zunehmenden Spezialisierungsprozess und -trend an deutschen Hochschulen.” Das Referat für Hochschulpolitik kritisiert jedoch, „dass dieses Privileg nur einem ausgesuchten Studierendenkreis bereitgestellt wird“ und fordert „stattdessen generell eine flexiblere Ausgestaltung der Studiengänge und eine Abkehr von dem Spezialisierungstrend hin zu einem individuelleren Studium generale.“
War das Honors Program also ursprünglich für die besseren Studierenden, für die Elite der Universität, gedacht, so sieht das Ganze nun etwas anders aus. Die Konsequenz ist vielleicht nicht allzu konsequent: „Diejenigen Studenten, die sich mit dem Formular für das Honors Program gemeldet haben, wurden aufgenommen“, so Archut. Allzu überzeugt scheint er von so viel Initiative allerdings noch nicht zu sein. „Ob sie jedoch die persönliche Bildungschance, die sich ihnen durch die Teilnahme eröffnet, auch nutzen werden, bleibt abzuwarten.” Es klingt fast höhnisch, wenn Archut zum Abwarten rät: „Vielleicht bringt das Programm ja noch den ein oder anderen „Hidden Star” unter den freien Bewerbern zum Scheinen”. Sicherlich würde er sich darüber sehr freuen: „Das wäre dann doch auch schon ein großartiger Erfolg und ganz im Sinne des Honors Program.”
Prof. Dr. Andreas Bartels, der im Rahmen des Honors Programs das Seminar „Einstein und seine Zeit” anbietet, begrüßt die Idee, Studierenden den Blick über den Tellerrand zu ermöglichen, sehr. Obgleich die Vorbereitung solcher interdisziplinärer Veranstaltungen besonders intensiv sei, hat Bartels „großen Spaß daran, Philosophie, Physik, Geschichte und Literatur in einer Veranstaltung miteinander zu verbinden.” Der politischen Debatte um Eliteförderungsprogramme ist er sich bewusst, dennoch sieht er das Ganze etwas diplomatischer: „Auf welchem Wege man es schafft, über den Tellerrand hinauszuschauen, ist gleichgültig.” Die Idee eines Auswahlverfahrens vonseiten der Universität sieht er durch die, bereits hinsichtlich des Zeitaufwandes, enormen Anforderungen des Programms gegeben. Bartels freut sich jedoch allgemein „über interessierte und aktive Studierende, welche Anmeldungsprozeduren sie auch immer durchlaufen haben mögen, oder eben nicht.”
Nun wird das Honors Program also letztlich tatsächlich ein Angebot, das es ermöglicht, sich mit neuen Gegebenheiten auseinanderzusetzen und dazuzulernen. Dies gilt wohl auch für die Universität, die bei aller Suche nach einer Elite, die man zum Weitblick einladen kann, vielleicht diejenigen übersehen hat, die von sich aus diesen Wunsch hegen.