Eine Hochschulgruppe gewinnt mit blanken Hintern die Wahl
Muss das denn wirklich sein? Mit nackten Popos in Plakatgröße wollte die Grüne Hochschulgruppe zur Wahl des Studierendenparlaments (SP) motivieren. Werbung mit Konzept oder Auffallen um jeden Preis?
„Nur um aufzufallen war es jetzt auch nicht“, sagt Jakob Horneber. Ihm gehört einer der blanken Hintern auf dem Plakat. Angelehnt an das berühmte Foto der „Kommune 1“ aus dem Jahr 1967 sind darauf fünf Männer und zwei Frauen der Grünen Hochschulgruppe (GHG) nackt an einer Wand zu sehen, „KISSinger MY ASS“ steht darunter. Gegen die geplante Professur zu Ehren des ehemaligen amerikanischen Nationalen Sicherheitsberaters und Außenministers Henry Kissinger zogen die Grünen blank. Kissinger ist umstritten, gilt seinen Kritikern als Kriegsverbrecher, da er in seiner Amtszeit „den Militärputsch in Chile (1973), der in unsägliche Gewalt ausartete, maßgeblich unterstützt sowie die Bombardierung der neutralen Staaten Laos und Kambodscha im Vietnamkrieg forciert“ hatte, schreibt der Allgemeine Studierendenausschuss der Uni.
Sie hätten nach „einem irritierenden Element, das nichts mit Bomben zu tun hat“ gesucht, sagt Heraldo Hettich, ebenfalls Mitglied der GHG. Mitte Januar, kurz vor den SP-Wahlen, seien die Plakatentwürfe eigentlich schon fix gewesen – mit einer „Kriegsszene“ gegen die Kissinger-Professur. Dann habe sich die Hochschulgruppe spontan zum Nacktbild entschieden: „Wir machen das.“
Ideengeber Heraldo wollte ursprünglich eigentlich ein Nackfoto auf einem Fahrrad machen, um auf andere Themen der Grünen wie die Fahrradwerkstatt hinzuweisen. Doch dann kam es anders. Einen Kontrapunkt wollten sie setzen: friedliche Adamskostüme statt Krieg; wehrlose, sich ergebende Körper statt Bomben und Panzer. Naja, „das sind jetzt die theoretischen Überlegungen“, sagt Heraldo. Irgendwie wollte man natürlich „auch provokativ sein, um dem Thema Aufmerksamkeit zu schenken“, so Jakob. „Wir sind bisher durch Nacktheit ja auch nicht in Erscheinung getreten.“
So trafen sich die Freiwilligen in Jakobs Wohnung, im Wohnzimmer wurde die Heizung hochgedreht, und kurz darauf fielen die Hüllen. „Das wichtige war, dass alle, die dabei waren, mitgemacht haben. Da hat dann auch niemand so besonders auf die anderen geachtet, sondern sich eher auf sich selbst konzentriert“, sagt Jakob.
Die blanken Hintern verschafften der GHG und ihrem Thema sogar überregionale Presse, die Welt und auch Sat.1 berichteten. Dennoch: Bei 13,2 Prozent Wahlbeteiligung hat auch die nackte Haut nicht viel bewegt. „87 Prozent der Wahlberechtigten ist das wohl am Arsch vorbei gegangen“, sagt Heraldo.
Dass durch die Nackedeis jemand peinlich berührt worden sei, wie es Vertreter anderer Hochschulgruppen befürchteten, will Heraldo nicht gelten lassen: „Ach, das ist doch albern! In jeder BH-Werbung springen einem die Möpse doch schon entgegen.“ Auch dass das nackte Engagement den Beteiligten in Zukunft Schwierigkeiten bereiten könnte, glaubt er nicht. Stattdessen sagt er mit Blick auf die konservativen Plakate der anderen Hochschulgruppen: „Da merkt man den Unterschied zwischen den Jusos und uns: Wir sind um unsere Themen bemüht, die Jusos um ihre Karriere.“