Student for one week oder gleich student for life?
Die Schule ist aus – nun heißt es: Raus in die Welt! Ein Studium verspricht spannende Möglichkeiten, sich selbst zu erleben. Neue Stadt, neue Leute, neuer Schwung – doch wohin eigentlich? Viele SchülerInnen sind mit diesen Fragen zum Ende ihrer Schulzeit überfordert.
Der Erziehungswissenschaftler Wilhelm Heitmeyer spricht davon, dass die Entscheidungsfreiheit moderner Gesellschaften gleichzeitig auch Entscheidungszwänge mit sich bringt. Das erleben auch viele Schüler und Schülerinnen so, die Angebote der Schulen bieten da keine finale Lösung an. Trotz Versuchen, Schule und Hochschule besser zu vernetzen und das häufige Gefühl der Orientierungslosigkeit zu verringern, liegt die Studienabbruchquote an deutschen Hochschulen im Jahr 2010 bei 28 Prozent. Solche Zahlen wie die der Hochschul-Informations-System GmbH weisen unbarmherzig auf die große Problematik der Qual der Wahl hin.
Im Jahr 2009 entstand in Freiburg daher der Gedanke, ein Projekt zugunsten der Vernetzung von Studierenden und Studieninteressierten zu entwickeln. Zwei Jahre später ging das Konzept „Student for one week“ als Online-Plattform ans Netz und als Idee an die Schulen und Hochschulen Deutschlands.
Das Konzept scheint simpel: Studierende registrieren sich und erklären sich bereit, Studieninteressierten einen Einblick in ihr Studium und Uni-Leben zu ermöglichen. Das umfasst die Begleitung in den Hörsaal ebenso wie zum abendlichen Hochschulsport oder in den Irish Pub. Natürlich können sich die TeilnehmerInnen selbst überlegen, wie sie die gemeinsame Zeit gestalten. Im Idealfall wird auch eine Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt. Den Initiatoren ist aber bewusst, dass dies nicht immer funktionieren kann. Das Matching ist nach der Registrierung über Steckbriefe auf der Plattform möglich. Damit der willige Student oder die Studentin abgesehen vom Gute-Tat-Gefühl dabei nicht ganz leer ausgeht, gibt es neben einer individuell vereinbarten Aufwandsentschädigung auch ein Zertifikat, auf dem das Engagement bestätigt und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung bekräftigt wird.
Konkret beworben wird das Projekt durch Schul- und Hochschulvertreter. Diese werben an den jeweiligen Stellen für das Projekt und versuchen, weitere Vertreter zu akquirieren. Deutschlandweit gibt es derzeit etwa 50 Hochschulvertreter – für die Uni Bonn ist Julia Schächtle zuständig. Sie selbst studiert Ernährungswissenschaften und hat einen ganz persönlichen Bezug zum Projekt: Nachdem sie ein Semester in Hamburg studiert hatte, wollte sie über „Student for one week“ eine Woche ins Bonner Studierendenleben hineinschnuppern. Leider ergab sich mangels registrierter Studierender keine Möglichkeit für sie. Anreiz genug: „Ich fand es schade, diese Möglichkeit nicht zu haben und wollte mich dafür einsetzen, dass anderen eine solche Gelegenheit zukommt.“ Seit sie in Bonn studiert und auch als Hochschulvertreterin aktiv ist, hat sie auch bereits Schülerbesuch bekommen – und das mit Erfolg.
„Die Schülerin wird sich zum Sommersemester dieses Jahres an der Uni Bonn einschreiben“, freut sich Julia, ergänzt aber zugleich: „Ich hätte mich auch gefreut, wenn sie sich wegen der Erlebnisse gegen die Uni Bonn entschieden hätte, auch dann wäre das Programm hilfreich für sie gewesen.“
Mittlerweile umfasst das Netzwerk deutschlandweit knapp 1200 Studierende und etwa 1800 Studieninteressierte. In Bonn gibt es allerdings bisher trotz der großen Zahl von etwa 30.000 Studierenden erst sieben Registrierte aus drei Studiengängen. „Da ist noch Luft nach oben“, meint Andrea Grugel, Leiterin der Abteilung für Identifikation und Veranstaltung an der Uni Bonn.
Auch der Rektor und Vertreter des Alumni-Netzwerkes zeigen sich interessiert am Projekt und suchen gemeinsam mit Julia Schächtle nach Wegen, das Projekt unter Studierenden bekannt zu machen und langfristig auch mehr Schüler für die Idee einer solchen Schnupperwoche zu begeistern.
Alena Schmitz, Vorsitzende des AStA Bonn, zeigt sich ebenfalls interessiert an einer solchen Möglichkeit der Hilfestellung für Studieninteressierte. Im Rahmen der Projektvorstellung schlägt sie vor, ergänzend eine Plattform für den Austausch von Erfahrungsberichten einzurichten. So könne man gegenseitig von Erfahrungen über positive Erlebnisse auch gerade auch über Schwierigkeiten profitieren. Kritische Nachfragen zum Projekt gibt es hinsichtlich des Rechtsschutzes. Wer übernimmt die Verantwortung für Schüler unter 18 Jahren? Wie sollen die gemeinsamen Abende und der Einblick in den Studienalltag inklusive Kneipentour rechtlich abgesichert werden? Hinsichtlich dieser Fragen scheint auch Julia Schächtle überfragt.
Weitere Informationen zum „Studieren probieren“ und „Gastgeber sein“ gibt es auf der Homepage des Projekts
www.oneweekstudent.de. Und Probieren schadet schließlich nicht.
Wir heißen „One Week Student“ und nicht „Student for one week“ 😉