Kissinger-Professur sorgt für Streit
Am 01.02.2014 bezeichnete der Politikwissenschaftler und Bonner Emeritus Prof. Dr. Hacke die Kritik des AStA und anderer Gruppen an der so genannten „Henry-Kissinger-Professur für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung“ in einem Interview mit dem Deutschlandfunk als „Irrwitz“. Nachdem der AStA-Vorsitz und die Grüne Hochschulgruppe gegen diese Bezeichnung protestiert hatten, erläuterte Herr Hacke diese Äußerung in einem kleinen Aufsatz. Dieser kann in Gänze hier eingesehen werden.
Lukas Mengelkamp, Student an der Uni Bonn, engagiert sich gegen die geplante Stiftungsprofessur und hat sich der Reaktion von Professor Hacke nochmals in kritischer Manier genähert.
Christian Hacke legt besonderen Wert auf die Beachtung der „geo-strategische[n] und ideologische[n] Aspekte der Weltpolitik und [der] Interessen der USA als führende[n] westliche[n] und anti-kommunistische[n] Weltmacht“, die für Kissinger handlungsleitend waren. Kissingers Politik hatte also zum Ziel, das Machtgleichgewicht in den internationalen Beziehungen zu erhalten und damit eine Ausweitung der Einflusszone des ideologischen Gegners, der Sowjetunion, zu verhindern. Dieser wichtige Aspekt, so Hacke, werde von den Kritikern Kissingers ausgeblendet. Auch würden die Leistungen von Kissingers Außenpolitik nicht gewürdigt, so die Entspannungspolitik. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die Kritiker der Bonner Professur weder die besondere historische Situation des Kalten Krieges ignorieren, noch Henry Kissingers Beitrag zur Entspannungspolitik in Abrede stellen wollen. Die Verwicklung Kissingers in die Massenbombardements über Kambodscha, Laos und Vietnam, seine Unterstützung des Militärputsches in Chile und des „Schmutzigen Krieges“ in Argentinien sind aus Sicht der Kritiker aber zu schwerwiegend, als dass eine Ehrung Kissingers mit einer Professur für Völkerrecht zu rechtfertigen wäre. Insbesondere die Tatsache, dass es in der Regierung Nixon/Kissinger häufig zur Ignorierung oder Falschinformierung des Kongresses kam und Gesetze gebrochen wurden, wiegt in dieser Frage sehr schwer. Geostrategische und ideologische Überlegungen – welcher Art auch immer – können eklatante Verstöße gegen das Völkerrecht und gegen die Menschenrechte nicht rechtfertigen. Ein enger Mitarbeiter stellte Kissinger diese Frage, als die Unterstützung chilenischer Militärs für einen Putsch gegen Präsident Salvador Allende zur Debatte stand:
„What we propose is patently a violation of our own principles and policy tenets. Moralism aside, this has practical operational consequences. […] If these principles have any meaning, we normally depart from them only to meet the gravest threat to us, e.g. to our survival. Is Allende a mortal threat to the U.S.? It is hard to argue this.“ 1
Die Verletzung der Werte und Prinzipien des Völkerrechts und der universalen Menschenrechte kann und darf niemals zum Vorbild für Politiker und Völkerrechtler erhoben werden, so wie es gerade in Bonn geschieht. Selbst in Zeiten des Kalten Krieges gab es Handlungsalternativen.2 Auch Christian Hacke sieht „Einzelkritik“ an Henry Kissinger vollkommen gerechtfertigt. Nach wie vielen „Einzelkritiken“ aber ist es dann gerechtfertigt, sich ein Gesamturteil zu erlauben?
1 Viron P. Vaky, zitiert nach: Kornbluh, Peter: The Pinochet File, A Declassified Dossier on Atrocity and Accountability, New York/London 2003, S. 11.
2 Vgl. etwa die Debatte zwischen Gary J. Bass und Robert D. Blackwill über Nixons und Kissingers Unterstützung für die pakistanische Militärregierung während der Massaker in Ostpakistan/Bangladesch: http://www.politico.com/magazine/story/2014/01/indefensible-kissinger-102123.html, http://www.politico.com/magazine/story/2014/01/indefensible-kissinger-102123.html