Fragen kostet nichts

Beratungsangebot – Ärger mit dem Chef? Oder dem Vermieter? Der ebay-Kauf entspricht nicht den Erwartungen? Bei rechtlichen Fragen sollte man einen Anwalt aufsuchen – nur: Der kostet Geld. Bonner Jurastudierende bieten seit kurzem eine kostenlose Alternative.

von Johanna Dall’Omo

(Illustration: Alexander Grantl / AKUT)

(Illustration: Alexander Grantl / AKUT)

Während ihres Jurastudiums lernen Jurastudierende oft nur Definitionen auswendig und kauen Gerichtsurteile durch. Den ersten praktischen Einblick in den juristischen Alltag bekommen sie jedoch oft erst im Referendariat. Die Idee der Lawclinic bietet Studenten der Rechtswissenschaften direkt ab dem ersten Semester die Möglichkeit, echte Fälle zu bearbeiten. So bekommen sie Übung und sind besser auf das spätere Berufsleben vorbereitet. Auf der anderen Seite wird Mandanten mit einem Rechtsproblem die Möglichkeit gegeben, ihren Fall kostenlos bearbeiten zu lassen. Die Idee ist grundsätzlich nicht neu. Man kann sich von Medizinstudierenden behandeln lassen, von Frisör-Azubis die Haare schneiden lassen und diese profitieren davon immer auch selbst. Die Lawclinic hat dieses Konzept auf juristische Fälle übertragen.

In Bonn existiert die Lawclinic seit Mai diesen Jahres. Aktuell sind bereits mehr als 100 Bonner Studenten und Studentinnen der Rechtswissenschaften bei dem Programm angemeldet. Etwa 30 von ihnen bringen sich aktiv in die Beratungen ein. Von den Fällen, zwischen 10 und 20 neue pro Woche, können momentan, aufgrund der Kapazitätsgrenze, noch nicht alle angenommen werden.

Bei der Umsetzung der Idee in Bonn half Professor Dr. Michael Beurskens den Studierenden. Er ist der Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht der Uni Bonn und hatte zuvor schon beim Aufbau der Lawclinic in Düsseldorf geholfen. Zusammen mit anderen Betreuern unterstützt er die angehenden Juristinnen und Juristen und stellt eine korrekte Beratung sicher.

Um das Risiko gering zu halten, gibt es eine Grenze des Streitwerts bei 800 €. Das heißt, dass der Wert des Gegenstandes, um den es geht, diese Grenze nicht überschreiten darf. Fertig ausgebildet sind die Studierenden schließlich noch nicht. Damit solche »fertigen« Anwälte das Angebot nicht als kostenlose Konkurrenz ansehen, bemüht sich die Lawclinic aktuell um eine Zusammenarbeit mit einigen von ihnen. Zusätzlich sind die Teilnehmer abgesichert, da sie nicht für Berufsfehler haftbar sind, sondern nur für grobe Fahrlässigkeit. Das heißt, es wird nur das von ihnen erwartet, was ein Studierender im jeweiligen Semester auch schon wissen kann. Die Teilnehmer der Lawclinic haben, gegenüber den »echten« Anwälten, aber auch einen Vorteil. Sie sind engagiert, motiviert und bereit, Zeit zu investieren. So suchen sie auch mal juristische Fundstellen raus, für die sich ein Anwalt bei einem Streitwert von 100 € vielleicht nicht die Mühe machen würde.

Wer selbst eine Rechtsberatung braucht, findet auf www.lawclinic.de ein Formular, über das der Fall geschildert werden kann. Professor Beurskens überprüft dann, ob der Fall für die Lawclinic geeignet ist, versieht die Unterlagen mit Hinweisen und stellt sie den teilnehmenden Studierenden in einem eigenen Intranet zur Verfügung. Diese können dann selbstständig entscheiden, welchen Fall sie bearbeiten möchten. Daraufhin nehmen sie Kontakt mit dem Mandanten auf und erarbeiten zusammen eine Lösung für das Problem.

Wer das Glück hat, keinen juristischen Rat zu brauchen, für den lohnt sich trotzdem ein Klick auf die Internetseite. In der neuen Rubrik »Berater des Monats« werden die Teilnehmer der Lawclinic und ihre Fälle vorgestellt.

Freihandel und dunkle Flecken

RUBRIK: Bonn, deine Lehrenden – Karsten Jung ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie. Im AKUT-Gespräch erklärt er, warum TTIP eine gute Sache, Nordkorea so dunkel und das Auto des US-Präsidenten gar nicht so spannend ist.

Interview Alexander Grantl

Karsten Jung (34) »So wenig, wie die Nordkoreaner über den Rest der Welt wissen, weiß der Rest der Welt über sie« (Foto: Alexander Grantl / AKUT)

Karsten Jung (34): »So wenig, wie die Nordkoreaner über den Rest der Welt wissen, weiß der Rest der Welt über sie« (Foto: Alexander Grantl / AKUT)

AKUT   Kannst du nachts gut schlafen? Oder hast du Angst vor TTIP?
JUNG   Ich schlafe prächtig – TTIP macht mir wirklich keine Sorgen.

AKUT   Warum nicht?
JUNG   Nun, grundsätzlich ist TTIP eine gute und richtige Sache. Dabei geht es mir weniger um die konkreten wirtschaftlichen Vorteile als um geopolitisch-strategische Gesichtspunkte: So betrachtet ist es durchaus sinnvoll, dass wir als »westliche Wertegemeinschaft« gewisse Normen und Standards gemeinsam verhandeln. Man darf auch die Alternative nicht aus dem Blick verlieren: Parallel zu TTIP verhandeln die Amerikaner mit den Asiaten – über eine Trans-Pazifische-Partnerschaft. Ob die Standards, die dabei herauskommen, wirklich höher sind als jene, die die EU mit den USA verhandelt, ist sehr fraglich. Und was würde das für den Wirtschaftsstandort Europa bedeuten, wenn ein solches Abkommen die globalen Standards bestimmte? Das halte ich für potenziell problematischer! Klar, in einer idealen Welt würde man bei TTIP natürlich einiges anders machen – aber die Welt ist nunmal nicht ideal – und wie alle Verhandlungen erfordern auch diese Kompromisse.

Das heißt selbstverständlich nicht, dass man die eigenen Werte, Normen und Prinzipien aufgibt. Natürlich: Man muss auch in dieser Situation auf Verbesserungen hinarbeiten! Etwa Druck auf die entsprechenden politischen Verantwortlichen ausüben – denn, dass Schiedsgerichtsverfahren außerhalb des regulären Rechtssystems und unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, halte ich für falsch. Aber, dass ich diese Kritik teile, heißt nicht, dass ich per se gegen TTIP bin. Wichtig ist, seiner Stimme Gehör zu verschaffen, wie es im Oktober ja auch 150.000 Menschen in Berlin getan haben.

Übrigens: Der VW-Abgas-Skandal zeigt uns ja, dass die europäischen Standards nicht in allen Bereichen die höheren sind. Oftmals haben die USA deutlich höhere Standards, die der Bevölkerung dort auch sehr wichtig sind – die Abgasnorm in Kalifornien, zum Beispiel. Und noch viel wichtiger: Standards im Finanzmarktbereich! Da haben die Amerikaner nach der Finanzkrise viel entschiedener und stärker reguliert als wir in Europa.

Und ob man am Ende des Tages lieber ein amerikanisches Chlor-Hühnchen oder ein europäisches Antibiotika-Hühnchen isst, kann ja jeder für sich selbst entscheiden.

AKUT   Schön, dass du das Chlor-Hühnchen selbst nennst. Ärgert es dich, dass in der Diskussion so viel darüber – und über Gen-Mais – gesprochen wird?
JUNG   Ja, eindeutig. Wenn sich eine Debatte auf dieser Grundlage abspielt, dann hat jemand das Thema einfach nicht kapiert. Dann versteht man die Tragweite des Ganzen nicht.

Schon klar, solche plakativen Begriffe lassen sich für Demos schön aufs Transparent schreiben. Aber wenn wir auch auf dem Niveau diskutieren, wird das nicht zum Ziel führen. Man muss einfach zur Kenntnis nehmen: Ja, in bestimmten Feldern sind die europäischen Regularien besser und müssen bewahrt werden. Aber: In anderen Bereichen können wir eben auch von US-Regelungen profitieren.

AKUT   Neben den Hühnchen stehen derzeit aber auch demokratiegefährdende Inhalte zur Debatte. Was muss passieren, damit die verschwinden?
JUNG   Man kann ganz klar erkennen, dass die berechtigte Kritik in der EU mittlerweile angekommen ist. Die EU-Kommission setzt sich inzwischen dafür ein, dass die Schiedsgerichtsverfahren anders gestaltet werden. So entfaltet der öffentliche Druck einen sinnvollen Effekt: Er wird zwar nicht dafür sorgen, dass das Abkommen gar nicht zustande kommt, aber, dass es ein besseres Abkommen wird.

Am Ende muss das Abkommen greifbare wirtschaftliche Vorteile für alle Beteiligten bieten und gleichzeitig demokratischen Standards genügen. Das kann auch so verhandelt werden. Da sind wir jetzt noch nicht, aber wir sind auch noch nicht am Ende der Verhandlungen.

AKUT   Vom Freihandel zur Planwirtschaft – 2014 hast du für zwei Wochen eine Reise durch Nordkorea gemacht. Das ist ja eher ein ungewöhnlicher Urlaubsort…
JUNG   Tja, ich saß oft hier im Büro, las Meldungen über Nordkorea und dachte: Das kann doch echt nicht sein. Da steht dann, die Männer in Nordkorea müssten jetzt alle die gleiche Frisur wie Diktator Kim Jong-un tragen. Oder, dass das nordkoreanische Staatsfernsehen gemeldet hätte, dass sie die Fußball-WM gewonnen hätten. Oft sind das nur Falschmeldungen in den Medien hier. Aber manchmal kann man sich ja sowas echt vorstellen. Kurz: So wenig, wie die Nordkoreaner über den Rest der Welt wissen, weiß der Rest der Welt über sie. Naja, das – und ’ne Bierlaune mit einer Freundin – war der Anstoß.

AKUT   Nach der Reise hast du in Vorträgen über deine Einblicke berichtet und Nordkorea als »dunklen Fleck« bezeichnet – wie ist das gemeint?
JUNG   Es gibt diese Nachtaufnahme von Nordkorea aus dem All. Und während in China und Südkorea drumherum alles hell erleuchtet ist, ist Nordkorea ein ziemlich dunkler Fleck. Das stellte sich dann vor Ort, in Pjöngjang zumindest, gar nicht so krass dar. Auch da gibt es Neonlichter.

Dennoch: Die Bezeichnung »dunkler Fleck« trifft in anderen, wesentlicheren Bereichen als der Beleuchtung, zu. Gerade, was Menschenrechte und Grundfreiheiten betrifft. Diesbezüglich ist Nordkorea tatsächlich einer der dunkelsten Flecke der Erde. Auch wirtschaftlich geht’s dem Land natürlich nicht gut, die humanitäre Situation ist dramatisch schlecht – beides resultiert letztlich aus der Politik eines Regimes, das die Menschenwürde seiner Bürger nicht achtet und lediglich am Erhalt der Privilegien einer kleinen Elite interessiert ist.

Jung in der demilitarisierten Zone, die die Koreanische Halbinsel in Nord- und Südkorea aufteilt (Foto: Privat)

Jung in der demilitarisierten Zone, die die Koreanische Halbinsel in Nord- und Südkorea aufteilt (Foto: Privat)

AKUT   Wird der dunkle Fleck etwas heller, wenn man näher dran ist?
JUNG   Heller vielleicht nicht, aber Nordkorea stellt sich doch ein ganzes Stück anders dar, wenn man das vor Ort erleben kann. Zwar nur aus der Perspektive, die man einem Touristen aus dem Westen – natürlich auch ganz bewusst – präsentiert. Aber, dass in der Hauptstadt Handys fast allgegenwärtig und auch chinesische Prada-Kopien zu sehen sind, hätte man so vielleicht nicht unbedingt erwartet. Klar, außerhalb Pjöngjangs sieht das erheblich anders aus. Und dieser Kontrast zwischen der Hauptstadt, die sich mit etlichen Straßensperren vom Land abgrenzt, zum restlichen Nordkorea war auch unerwartet deutlich.

AKUT   Was siehst du noch anders, was du vor der Reise nicht erwartet hattest?
JUNG   Tja, das ganze bekommt eben ein Gesicht. Im wahrsten Sinne des Wortes: Da lernt man dann seine zwei Reiseleiter kennen, Mr Kim und Mrs Kim – nicht verwandt oder verschwägert. Und Mr Kim war ein spannender Typ! Ende 20, kam gerade von der Universität, wo er Deutsch studiert hatte. Und er sprach ein nahezu perfektes Deutsch, ohne das Land jemals verlassen zu haben. Ein unglaublich aufgeweckter und interessierter Kerl, der mich zum Beispiel detailliert zur Merowingischen Geschichte befragte. Er sprach auch noch fließend Koreanisch, Chinesisch und Englisch. Man hätte ihn am liebsten für ein DAAD-Stipendium vorgeschlagen, doch das geht natürlich nicht. Er konnte auch in den Gesprächen nicht ganz frei sein, hat aber einiges durchblicken lassen. Das hatte wenig mit den Klischees oder Stereotypen über Nordkoreaner zu tun, mit denen man hier immer wieder konfrontiert wird. Nichts von den gleichgeschalteten Massen, die man sonst im Fernsehen sieht. Ein ganz konkretes Individuum – das war sehr spannend.

AKUT   Du hast gesagt, man »besichtigt« nicht nur Unfreiheit, sondern man wird auch selbst unfrei. Wieso?
JUNG   Ja, das ist definitiv so. Auch, wenn das der Lage natürlich nicht wirklich gerecht wird – die Nordkoreaner haben eine unendlich viel schwerwiegendere Unfreiheit zu ertragen als Touristen, die das Land in einer Art Luxusblase bereisen – und es danach ungehindert wieder verlassen können. Trotzdem: Man bekommt ein Gespür dafür, wie es ist, ohne diese ganzen Selbstverständlichkeiten zu leben. Wir konnten uns da nicht entscheiden, ob wir noch mal eben in die Stadt wollen, ob wir jetzt gerne etwas essen möchten oder nicht. Wenn es Essen gibt, dann wird auch gegessen und alleine in die Stadt zu gehen, ist ohnehin tabu. Man begibt sich in dieses System und liefert sich ihm ein Stück weit aus.

AKUT   Von einem sehr unfreien Land zum Land der Freiheit: Du hast ein Jahr an der privaten American University in Washington, D. C. studiert. Was kann eine US-Uni besser als eine deutsche?
JUNG   Also ich kann höchstens für meine sprechen: Die war einfach extrem gut vernetzt, mit allem, was es in Washington an Think Tanks und politischen oder Nichtregierungsorganisationen gibt. Dieses Netzwerk war großartig und davon konnte man wirklich profitieren. Da konnte man auch jenseits von allem Akademischen in den Politikbetrieb eintauchen und das sehr »prozesshafte« Wesen des politischen Alltagsgeschäfts mitbekommen. Was ich zudem für eine sehr gute Lebensentscheidung halte: Die Amerikaner machen nach ihrem Bachelor oft was Praktisches. Die gehen für ein oder zwei Jahre arbeiten und kehren erst dann für den Master an die Universität zurück. Das macht die Diskussionen in den Seminaren da ganz anders: Die Leute können alle auf ihre eigenen praktischen Erfahrungen aus völlig verschiedenen Feldern und Ländern zurückgreifen. Das ist echt eine Stärke!

AKUT   Und fühlt man sich in Washington näher bei den mächtigsten Menschen der Welt?
JUNG   Puuh, klar, manchmal sieht man eine Autokolonne durch die Stadt fahren. Aber das ist dann relativ normal. Da schreit man nicht jedesmal: »Oh, da fährt der Präsident durch die Stadt!!!« Für mich war viel spannender, was so zwei Ebenen darunter, im Hintergrund abläuft: Etwa, wenn sich jeden Mittag irgendwo in ein paar Büros 20 Leute treffen, die dann aktuelle Fragen der Weltpolitik diskutieren. Und das auf einem Niveau, das immens ist. Da kann sich dann jeder dazusetzen und was sagen oder nichts sagen. Aber das zu sehen, wie so maschinenraummäßig Politik gemacht wird, hinter den Kulissen, ist viel eindrucksvoller als so’ne Autokolonne.

AKUT   Und zurück in Deutschland hast du dich dann irgendwann entschieden, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen?
JUNG   Nö. Endgültig entschieden habe ich mich da noch nicht.

AKUT   Du hast zwischendrin ein paar Jahre für die Unternehmensberatung McKinsey & Co. gearbeitet – warum jetzt nicht mehr?
JUNG   Für mich gibt’s drei Dimensionen, die so einen Job ausmachen: Die Inhalte, die Prozesse und die Menschen. Letztlich war es die inhaltliche, die den Ausschlag gab: Wie man die Kundschaft für Siemens-Telefone vergrößert  ist nichts, was mich morgens wirklich aus dem Bett bringt.

Aber die Prozesse waren spannend. Eine sehr intensive Teamarbeit. Zusammen an Fragestellungen arbeiten, sich sehr konzeptionell Lösungen überlegen, lösungsorientiert arbeiten. Das hat mir gut gefallen. Und die Leute waren auch sehr cool. Man kommt da zu so einer Einführungsveranstaltung – für alle, die nicht BWL studiert haben – irgendwo in Boston. Und dann sitzt man da in einem Firmengebäude – rechts ein Kerl, der gerade seinen Abschluss in Atomphysik gemacht hat, links jemand, der zwei Jahre als Missionar in Haiti gelebt hat. Absolut bemerkenswert. Und jeder hat eine geile Geschichte zu erzählen. Ich finde, was immer man tut, das sollte man mit Leidenschaft und Begeisterung tun. Am besten: Man sollte sich leidenschaftlich für was begeistern.

AKUT   Noch ein Wort zum Abschluss, bitte.
JUNG   Europa ist eine wichtige Sache. In letzter Zeit ist es an vielen Fronten – Eurokrise, Flüchtlingskrise, und so weiter – vor allem mit Kritik konfrontiert. Wenn wir ein besseres Europa wollen, dann müssen wir auch selbst etwas dafür tun. Deshalb würde ich sagen, auch auf die Gefahr hin, Baumarktwerbung zu zitieren: Mach’ es zu deinem Projekt! 

Weder stark noch schwach

Genderpolitik – Das Studentenwerk ist jetzt auch geschlechtsneutral und heißt Studierendenwerk. Neuer Name – Thema vom Tisch? Interessiert es wirklich jemanden, ob es Studentenwerk, Studierendenwerk oder Studenten-und-Studentinnenwerk heißt?

von Hannah Rapp

(Illustration: Florian Eßer / AKUT)

(Illustration: Florian Eßer / AKUT)

Wenn frau oder man oder alle, die sich irgendwo dazwischen einordnen würden, mal »Gender-Diskussion« oder »Gender-Witze« googeln, wird einem nur allzu deutlich, dass dieses Thema in den letzten Jahren wohl in jedem deutschen Medium behandelt wurde. Nicht mehr wirklich motiviert, da es wohl kaum etwas Neues zu schreiben gibt, sitze ich also nun vor meinem Laptop.

Etwas missmutig denke ich kurz darüber nach, mich selbst umzubenennen, um der Aufgabe zu entfliehen, einen Text zu diesem Thema abzuliefern.

In meiner trüben Stimmung frage ich mich: Was qualifiziert mich denn nun eigentlich dazu, über dieses Thema zu schreiben? Und wie will ich mich in dieser Sache positionieren? Gut, ich gehöre dem Geschlecht an, dem diese Umbenennung irgendwie zu Gute kommen soll. Und die nächste Frage schließt sich gleich an: Emotionalisiert mich diese Umbenennung in irgendeiner Art und Weise? Lachen, Weinen, Staunen, Wut oder Wow? Und die nächste Frage führt noch weiter in eine vermeintliche Sackgasse: Ich persönlich finde das Thema interessant genug, um darüber zu schreiben. Auch einige Hochschulgruppen kommentierten die Umbenennung nahezu euphorisch, aber: Interessiert es den Ottonormal-Studierenden oder schreibe ich gerade einen Artikel, der nie gelesen wird, weil er so oder so ähnlich schon hundertmal gelesen wurde?

Nicht mehr ganz so motiviert und etwas zweifelnd an meinen Fähigkeiten, diesen Artikel dramaturgisch aufregend zu gestalten, muss ich feststellen, dass die besagte Umbenennung in mir weder positive, noch negative Emotionen hervorruft. Ich finde es weder besonders aufregend, noch finde ich es falsch, dass dafür Geld ausgegeben wird (wie manche andere Studierende bereits äußerten).

Heißt das, dass mich die Gleichstellung der Geschlechter nicht genug interessiert und ich mich nicht feministisch genug verhalte? Sollte ich mich nicht darüber freuen, dass Frauen nun endlich an offizieller Stelle sprachlich berücksichtigt werden? Oder kommt diese Umbenennung einfach 40 Jahre zu spät? Hätte das »Studierendenwerk« die Menschen in den wilden Siebzigern emotionalisiert und auf die Straße gebracht?

Es ist ja nicht so, als würde das Thema »Gender« nicht auch heute noch eine halbwegs wilde Diskussion am WG-Küchentisch auslösen. Nur flacht diese auch schnell wieder ab, da alle ja eh total sprach- und genderbewusst sind und schon vor fünf Jahren für die Einführung des genderneutralen Profx plädiert haben. In einem studentisch-geprägten Umfeld scheint diese Diskussion tatsächlich schon fast zu oft geführt. Und so kann ich mir auch nur schwer vorstellen, dass die Erstis von 2017 (da soll die Neubeschilderung fertig sein), wenn sie auf die Mensa zuschlendern, mit zufrieden-erstaunter Mine denken: »Oh, ein genderneutrales Schild!« Genauso, wie wohl die wenigsten Studierenden vor dem jetzigen Schild stehen bleiben und im Kern erschüttert oder vor Wut entbrannt nach einer Spraydose schreien, um diese Schweinerei unkenntlich zu machen.

Obwohl es also mit dem Studierendenwerk hin zu einer gerechteren Sprache geht, löst es – außer bei wenigen Ausnahmen – keine überschäumenden Reaktionen aus. Die neuen Schilder werden kommen und kaum jemand wird den Wechsel wahrnehmen. Was bleibt, ist die Frage: Was zur Hölle passiert mit den ganzen alten Studentenwerks-Schildern?

Beschlossene Sache

RUBRIK: Beschlüsse des Studierendenparlaments – Das 37. Studierendenparlament hat erneut viele Dinge beschlossen. Wie immer finden wir unter den Beschlüssen alte Bekannte und einige Neuerungen – ausgewählte Beschlüsse stellen wir hier vor.

von Sven Zemanek & Alexander Grantl

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(Foto: Alexander Grantl / AKUT)

24.06.2015
Umgang mit Anträgen Externer
Das Studierendenparlament der Universität Bonn spricht sich dafür aus, bei fehlerhaften Anträgen, die von Studierenden gestellt werden, die weder Mitglied des Studierendenparlaments noch des AStA sind, Nachsicht walten zu lassen. Muss ein Antrag aus formalen Gründen abgelehnt werden, sollen die Antragsteller im Voraus benachrichtigt werden.

Wie diese »Nachsicht« mit der Geschäftsordnung vereinbar ist, erklärt der Antrag allerdings nicht. Der Antrag wurde von der Fraktion des RCDS eingereicht.

24.06.2015
Finanzantrag Kritische MedizinstudentInnen Bonn
Für eine Podiumsdiskussion zum Thema »Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen in Bonn und Deutschland« erhält die Hochschulgruppe »Kritische MedizinstudentInnen Bonn« bis zu 320 €.

Die Moderation der Veranstaltung übernahm die Journalistin Dr. Ebba Hagenberg-Miliu. Daher berichtete auch der General-Anzeiger mehrmals über die Diskussion.

08.07.2015
Videoübertragung der Mitgliederversammlung des fzs
Das Studierendenparlament spricht sich dafür aus, eine Videoübertragung der Mitgliederversammlung des freien zusammenschlusses von studentInnenschaften durchzuführen. Der Öffentlichkeitsausschuss des Studierendenparlaments soll prüfen, in welchem Rahmen dies möglich ist.

Als Reaktion auf diesen Antrag des RCDS und der LHG hatte die Juso-HSG auf der nächsten Sitzung beantragt, eine Videoübertragung der RCDS-Bundesdelegiertenversammlung zu organisieren.

08.07.2015
Förderung Internationale Stummfilmtage
Die Internationalen Stummfilmtage werden mit 2500 € gefördert.

Das Studierendenparlament hat die Internationalen Stummfilmtage in der Vergangenheit mehrfach finanziell unterstützt.

08.07.2015
Finanzanträge AStA-Sportreferat: Trampolinturnen, Fechten, Boxen
Das Studierendenparlament genehmigt 1254,99 € für neues Boxzubehör, 5500 € für neue Fechtausrüstung, und 5872,82 € für ein neues Wettkampftrampolin.

Die Anschaffungen wurden bereits von der Sportobleuteversammlung beschlossen und mussten nun noch vom Studierendenparlament abgesegnet werden.

15.07.2015
Unterstützung der AIDS-Hilfe Bonn bei der Durchführung des alternativen CSD
Die Studierendenschaft unterstützt die AIDS-Hilfe Bonn bei der Durchführung sowohl »ideell« als auch finanziell mit 200 €.

Wie diese »ideelle« Unterstützung aussehen soll, ist dem Antrag der Juso-HSG nicht zu entnehmen.

15.07.2015
Statut, Geschäftsordnung und Zuschussmodell der Obleuteversammlung
Das Statut des StudentInnensports, die Geschäftsordnung und das Zuschussmodell der Obleuteversammlung werden geändert.

Der StudentInnensport ist Teil der verfassten Studierendenschaft und des allgemeinen Hochschulsports der Universität Bonn.

15.07.2015
Änderung der Beitragsordnung
Ab WS 2016/17 sinkt der Beitrag für die studentische Selbstverwaltung von 10,50 € auf 10,- €; der für die studentischen Sozialeinrichtungen von 0,66 € auf 0,50 €, und der für die Rückerstattung des Mobilitätsbeitrags von 0,85 € auf 0,60 €.

Jetzt nimmt der AStA dem RCDS auch noch das letzte Wahlkampfthema!

10.09.2015
Verteilung der Unterschriftenliste »Viva Viktoria!« in den Mensen
Die Unterschriftenlisten zum Bürgerbegehren »Viva Viktoria!« wird bis zum 2. Oktober durch den AStA neben den üblichen Auslagen in den Mensen verteilt.

Über das Bürgerbegehren berichten wir auch in diesem Heft – ab Seite 28.

10.09.2015
Fachreferenten im Untersuchungsausschuss
Das Studierendenparlament stellt fest, dass Finanzreferentin und Sozialreferentin des AStA zuständige Fachreferentinnen des Untersuchungsausschusses sind und daher zu den Sitzungen einzuladen sind.

Außerdem gab es eine Auseinandersetzung des Finanzreferenten mit dem Untersuchungsausschuss um die Nichtöffenlichkeit von Sitzungsteilen.

Vertrauen und Kontrolle

Auseinandersetzung – 18 Jahre lang konnten Studentinnen kostenlos eine Psychotherapie in Anspruch nehmen – dank einer Kooperation des AStA mit einer Frauenberatung. Mittlerweile ist diese Partnerschaft beendet und wird von einem Untersuchungsausschuss überprüft.

von Alexander Grantl

Frauenberatung TuBF in der Bonner Altstadt (Foto: Alexander Grantl / AKUT)

Frauenberatung TuBF in der Bonner Altstadt (Foto: Alexander Grantl / AKUT)


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er zum ersten Mal Studierenden begegnet, die sich im SP oder im AStA engagieren, erwartet vielleicht edle Menschen, denen die Angelegenheiten ihrer 35.000 Mitstudierenden am Herzen liegen. Menschen, die sich mit den irren Eigentümlichkeiten studentischer Selbstverwaltung befassen, um die Bedingungen für ihre Kommilitonen und Kommilitoninnen noch besser zu gestalten. Es gibt diese Menschen. Nur manchmal gehen sie zwischen denen unter, die vor allem sich selbst profilieren oder bloß andere provozieren möchten. Und noch häufiger sind die Fälle, die sich gar nicht in diese Schubladen stecken lassen – weil sich die Motivationen der Akteure nicht einfach in »gut« und »böse« einteilen lassen. Wie in diesem Fall:

1996 begann der AStA eine Zusammenarbeit mit der Frauenberatung TuBF e. V. in der Altstadt. Der AStA richtete einen Fonds ein, der es einer begrenzten Zahl von Studentinnen ermöglichen sollte, Therapieangebote der TuBF fast kostenlos zu nutzen. Voraussetzung war, dass die Studentinnen die Kosten einer Therapie nicht selbst hätten zahlen können. Ansprechen sollte diese Möglichkeit vor allem Studentinnen, die eine Karriere im Staatsdienst anstrebten, als Lehrerin oder Juristin etwa. Denn für sie kann eine psychotherapeutische Behandlung in der gesundheitlichen Vorgeschichte den Werdegang beeinträchtigen.

Die Kooperation lief – von einer Pause im Jahr 2010 abgesehen – über 18 Jahre lang sehr gut, sagt die TuBF, die ganze Zeit habe es nie Probleme gegeben. Im Dezember 2014 beschließt das Studierendenparlament (SP) jedoch, den Vertrag zu kündigen – auf die Empfehlung des damaligen AStA-Vorsitzenden Jonas Janoschka (GHG) hin. Der Vertrag endet im Juni 2015. »Der AStA hatte Rückmeldungen von Studentinnen bekommen, die mit den Leistungen der TuBF nicht zufrieden gewesen sind«, sagt Jonas. In den Haushaltsjahren 2013 bis 2015 hatte der AStA über 20.000 Euro an die TuBF gezahlt. Man wolle den Vertrag zwar kündigen, gleichzeitig aber mit der TuBF über eine weitere Zusammenarbeit verhandeln. Doch die TuBF will offenbar keine weitere Kooperation, im Juli teilt sie der neuen AStA-Vorsitzenden Lillian Bäcker schließlich mit, dass wegen Personalmangels in der TuBF zunächst keine Zusammenarbeit mehr möglich sei.

»Die Begründung des AStA, zu kündigen, war für uns nicht nachvollziehbar – wir verstehen nicht, wo das Problem liegt«, sagt Marita Blauth von der TuBF und betont: »Es gab nie irgendwelche Unstimmigkeiten!«

Als die Zusammenarbeit beendet wird, arbeitet jedoch schon ein Untersuchungsausschuss, der im Juni vom Studierendenparlament mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Er soll die »durch die Kooperation mit dem Verein TuBF entstandenen Unklarheiten klären« – wie es im Beschlusstext heißt. Insbesondere solle geprüft werden, inwieweit der Studierendenschaft durch die Zusammenarbeit Schaden entstanden sei, ob fahrlässig mit Geldern der Studierenden umgegangen worden sei und – »inwieweit durch Verhalten der TuBF gegenüber der Studierendenschaft Betrug vorliegt«.

Erstmals seien Anfang 2015 Unstimmigkeiten aufgefallen, sagt Matthias Rübo (RCDS), der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses. Er sitzt auch dem Kassenprüfungsausschuss vor: »Bei der Kassenprüfung des Haushaltsjahres 2013/2014 haben wir bemerkt, dass es wahnsinnig viele Rechnungen der TuBF gibt. Nur: Es sind eigentlich keine richtigen Rechnungen.« Auf den Dokumenten seien die Matrikelnummern der behandelten Studentinnen aufgeführt – jedoch, bis auf drei Ziffern, geschwärzt. Daneben seien die Zeitpunkte der Therapiestunden und der Geldbetrag aufgeführt, den der AStA habe zahlen müssen.

Ausschussvorsitzender Matthias (RCDS): »Keine Prüfung, ob die Zahlungen korrekt sind« (Foto: Alexander Grantl / AKUT)

Ausschussvorsitzender Matthias (RCDS): »Keine Prüfung, ob die Zahlungen korrekt sind« (Foto: Alexander Grantl / AKUT)

»Diese Geldbeträge sind seit Jahren einfach vom AStA überwiesen worden – ohne Prüfung, ob die Rechnungen der TuBF korrekt sind«, erklärt
Matthias. Pro Behandlungsstunde forderte die TuBF 45 Euro. Mit den geschwärzten Matrikelnummern und den Daten der Therapiestunden könne der Kassenprüfungsausschuss aber nicht viel anfangen. Die TuBF hielt sich mit diesem Vorgehen jedoch genau an die Richtlinie, die sie 2010 mit dem AStA vereinbart hatte und die vom SP beschlossen wurde. Demnach muss es dem AStA ausreichen, dass ihm die fast komplett geschwärzte Kopie eines Studentinnenausweises zugesandt wird – nur die letzten drei Ziffern der Matrikelnummer und das laufende Semester müssen zu erkennen sein.

Jonas, der mittlerweile stellvertretender AStA-Vorsitzender ist, hält das für ausreichend: »Anhand der Ausweise konnten wir schon nachvollziehen, dass es Bonner Studentinnen waren. Und wir konnten auch sehen, welche Behandlung wie lange dauerte.« Dass man aus Datenschutzgründen keine genauen Angaben hat bekommen können, sei selbstverständlich, erklärt die AStA-Vorsitzende Lillian Bäcker (Juso-HSG): »Dennoch mussten uns die einzelnen Abrechnungen, wenn auch pseudonymisiert, ja zugesendet werden.«

Für die TuBF sei es von Beginn an  eine Voraussetzung gewesen, dass die Studentinnen auch dem AStA gegenüber anonym bleiben, erklärt Blauth: »Das hat auch über Jahre gut funktioniert. Wir haben eine Form gefunden, die für den AStA und auch für uns in Ordnung war.« Dass nun ein Untersuchungsausschuss die Angelegenheit prüft, könne sie nicht verstehen. Hat die TuBF den AStA Therapiestunden bezahlen lassen, die nie stattgefunden haben? »Nein«, antwortet Blauth entschlossen, »wenn der Landesrechnungshof das prüfen würde, würden wir selbstverständlich alle Daten, auch Namen, offenlegen. Mit dem AStA war das jedoch eindeutig nicht verabredet.«

Der Untersuchungsausschuss sieht aber noch einen weiteren Vorgang kritisch: Die Therapiekosten sollten laut der Richtlinie von TuBF und AStA nur Studentinnen erstattet werden, die die Behandlung nicht vollständig selbst hätten zahlen können. Doch wie wurde der finanzielle Hintergrund einer Studentin überprüft? Das übernahm die TuBF selbst. »Über den Erstattungsanspruch entscheidet ein von der TuBF einzusetzender Ausschuss«, heißt es in der Richtlinie. »Die TuBF hat dem AStA gegenüber nie überprüfbar begründet, warum eine Studentin nun Anspruch auf Erstattung der Kosten hat«, bemängelt Matthias.

Wie genau hat die TuBF überprüft, ob eine Studentin ihre Therapie tatsächlich nicht selbst bezahlen konnte? »Wir haben das im privaten Gespräch geklärt – so, wie wir das mit unseren anderen Klientinnen auch machen«, sagt Blauth von der TuBF. Dabei hätten sie sich keine Belege, wie etwa Kontoauszüge, zeigen lassen.

Im AStA sieht man die Arbeit des Untersuchungsausschusses sehr kritisch: »Ich finde es unverantwortlich, dass der Ausschuss unbelegte Vorwürfe in der öffentlichen Wahrnehmung wie Tatsachen erscheinen lässt«, so Jonas. Es sei vollkommen legitim, dass ein Ausschuss prüfe, ob etwas schiefgelaufen sei, doch den strafrechtlichen Begriff »Betrug« zu verwenden, halte er für falsch. »Am Ende ist es die Aufgabe des SP, zu entscheiden, wie man das bewertet und welche Lehren man daraus zieht.« Lillian befürchtet, dass gar die Reputation der Studierendenschaft leiden könnte.

Matthias betont: »Natürlich kann ich nicht abschließend beurteilen, ob ein Betrug vorlag, ich studiere Mathematik und nicht Jura.« Man wolle jedoch juristische Unterstützung in den Ausschuss holen. Am Ende, es könnte Dezember oder Januar werden, wolle der Ausschuss dem SP dann Empfehlungen vorlegen, wie mit der Angelegenheit umzugehen sei.

Ob bis dahin alle Unklarheiten geklärt werden können, ist fraglich und hängt von der Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten ab.

New York, New York

Ausstellung»Ich war noch niemals in New York…« – musst Du auch nicht, denn Du bist in Bonn und das hiesige Kunstmuseum zeigt mit »New York Painting« aktuelle Positionen junger aufstrebender Künstler des Big Apple.

von KATI ENGELMANN & JANA KIPSIEKER

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Foto: Kati Engelmann / AKUT

Keine sieben Stunden Flugzeit über den großen Teich, sondern lediglich einen Kurztrip auf die Museumsmeile und schon bist Du mittendrin. Es geht um Pinsel und Farbe, sprich Malerei. Die Bonner Ausstellung ist ein experimenteller Versuch, zu zeigen wie diese am Beispiel der vitalen Künstlerszene New York Citys heute neu interpretiert werden kann.

Es präsentiert sich in Bonn eine neue Generation von elf New Yorker Künstlern, die bereit sind, die Grenzen der Malerei zu ergründen und sie gegebenenfalls zu verwischen. Der Besucher begibt sich auf eine Abenteuerreise durch die verspielten Reflexionen von Urbanität der aufstrebenden Avantgarde unter den zeitgenössischen Pinselakrobaten. Beim Gang durch die Ausstellung stellt sich vermehrt die Frage, was zusammengenähte Stoffformen, an Wänden befestigte Türen, durch die es kein Durchkommen gibt, oder computerdesignte Bilder mit unserer gängigen Vorstellung von Malerei zu tun haben. Wenig. Aber diese Positionen zeigen, dass auch die Malerei flexibel vom digitalen Fortschritt vereinnahmt werden kann. Frei nach dem Motto der Wiener Sezession »Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit« sucht sich auch die Malerei neue Wege im Umgang mit dem kontemporären Fortschritt. Die Exponate der Ausstellung zeugen von einer Lebendigkeit, welche die Konventionalität der Kunsttradition sprengt, um den Geist der Zeit zu treffen. Diese beabsichtigte Konfrontation mit künstlerischen Spielereien soll die Besucher ermuntern sich auf einen individuellen Diskurs mit den Exponaten einzulassen. Offenbleibende Fragen sowie Kritik sind im Konzept der Ausstellung verankert und folglich erwünscht. »New York Painting« läuft noch bis zum 30. August 2015. Studierende (Eintritt 3,50 Euro) jeglichen Faches sind aufgerufen sich mit diesen elf extravaganten Positionen aus Übersee auseinanderzusetzen. Es lohnt sich!

Soziales im Blick

Für soziales Engagement ist in vielen Studiengängen genug Zeit. Wer sich für einen gerechteren Zugang zu Bildung auf der ganzen Welt einsetzen will, ist bei »Weitblick« richtig. Die Initiative bietet motivierten Studierenden die Möglichkeit sich sozial auszutoben.

von LAUREN RAMOSER

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Foto: Lauren Ramoser / AKUT

Wenn studentisches Engagement auf eine gute Idee und ein reales Problem trifft, dann kommt ein Projekt wie »Weitblick« dabei raus. 2008 in Münster gegründet und mittlerweile in 15 Städten bundesweit vertreten. In Bonn hat sich schnell eine Ortsgruppe gefunden und seitdem zahlreiche Projekte umgesetzt. Neben den Patenschaftsprogrammen »BiBo« und »Kombo« gibt es die Auslands- und Kulturgruppe und das Konzept »Aus der Reihe getanzt« in Dransdorf. Studierende engagieren sich sozial und bieten Kindern durch verschiedene Aktivitäten eine Perspektive und Unterstützung im Alltag.

So auch Frank Schlüter. Der 23-Jährige studiert VWL im Master an der Uni Bonn und wollte sich neben seinem Studium sozial engagieren. »Kombo ist ein Projekt, das sich für Bildungsgerechtigkeit mit regionalem Fokus einsetzt.« In Kooperation mit der Realschule Hardtberg und ihren zwei Integrationsklassen werden Schüler, die erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben, mit den Studenten zusammengebracht. In diesen Integrationsklassen sollen die Schüler innerhalb eines Schuljahres auf Regelniveau gebracht werden. »Jedem von uns wird in Absprache mit der Lehrerin nach einem Kennenlern-Nachmittag ein Schüler zugeteilt. Und dann sieht das Konzept vor, einen Nachmittag in der Woche zusammen zu verbringen. Das kann dann jeder selbst gestalten«, erklärt Frank.

Die Kinder haben ganz unterschiedliche Geschichten und politische Hintergründe. Manche sind Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, andere sind mit ihren Eltern aus dem Ausland hergezogen. »Mein Patenkind stammt aus Lettland. Nach anfänglicher Scheu haben wir langsam eine gemeinsame Basis gefunden. Er schlägt jetzt auch vor, wenn er gerne zum Fußballtraining möchte, oder zum Basketball. Manchmal unternehmen wir auch etwas in der Gruppe mit den anderen Paten und ihren Kindern.« Das gemeinsame Erkunden der Stadt und das wachsende Vertrauen seines Patenkinds gefällt Frank am besten.

Philipp Lehmann aus dem Weitblick-Vorstandsteam erklärt: »Bei uns kann sich jeder einbringen, wie er möchte. Ob mit einer Idee oder mit persönlichem Engagement, wir sind da offen für neue Vorschläge.«

Weitblick finanziert sich neben Spenden durch die Stabstelle Integration der Stadt Bonn, die das Projekt seit Jahren unterstützt. Jeden Montag um 20 Uhr finden die Gruppentreffen in der KHG in der Brüdergasse 8-9 statt, zu denen Interessierte jederzeit willkommen sind.

Vamos a la »Flyer«

Ein Selbstversuch Flyer zu Veranstaltungen für einen ganzen Monat sammeln und
dann auch zu jeder Einzelnen hingehen. Ob sich das lohnt und welche Erfahrungen warten,
das habe ich getestet.

von LAUREN RAMOSER

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Foto: Lauren Ramoser / AKUT

Manchmal entsteht das Gefühl an der Uni Bonn, dass das gesamte soziale Leben, jegliche Veranstaltungen, Hinweise, Einladungen und alles andere, das man auf Papier drucken kann, über Flyer organisiert wird. Ob in den Auslagen in den Gebäuden oder als Platzdeckchen in den Mensen, durch professionelle Flyer-Verteiler oder im Flugblattprinzip. Spätestens aber mit einem Fahrradkorb als zentralem Flyer-Anzugs-Ort: Man kommt nicht an ihnen vorbei. Bisher habe ich meistens dankend abgelehnt. Aber was habe ich dadurch eigentlich verpasst? Wie sähe mein Leben in Bonn aus, wenn ich zu jeder Veranstaltung gehen würde, zu der ich so freundlich, bunt bedruckt und wedelnd eingeladen würde?

Das habe ich getestet. Eine Woche lang habe ich Flyer gesammelt. Mein Fahrradkörbchen hat mich dabei tatkräftig unterstützt und am Freitag häufte sich ein Stapel unterschiedlichster Zettel auf meinem Schreibtisch. Der Redaktionsschluss dieser AKUT als Deadline hat die Veranstaltungsdichte kaum eingeschränkt. Meine Erlebnisse, Eindrücke und Erfahrungen würden nicht auf einen Flyer passen, dieser Bericht darüber vielleicht schon. Zu Beginn muss ich festhalten: Wir Bonner sind sehr engagiert. Und wer allein ist oder Langeweile schiebt, der ist selbst schuld. Mein Terminkalender ist einen ganzen Monat randvoll. Die Flyer-Idee nimmt also schon mal jede Menge Freizeit in Anspruch. Viele Veranstaltungen habe ich mit Freunden besucht. Quasi zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. So den Nachtflohmarkt im Kult 41. Schnäppchen, Kurioses und allerlei Trödel bei entspannter Musik und mit Bier in der Hand. Eine gelungene Mischung aus Flohmarktbummel und Barabend. Kontrastprogramm hat ein Vortrag über »Vulva – die große Unbekannte« geboten. Vom AStA organisiert, gab es einen feurigen Fürspruch für das oft zu kurz kommende Genital. Penis versus Vulva. Das muss ja auch nicht sein. Ist es nicht viel mehr eine Symbiose?! Es blieb keine Zeit zum Aufregen. Fernseh- und Physiklehrer-Prominenz Ranga Yogeshwar diskutiert in der Vortragsreihe »zwanzig30« die Zukunft der Städte in der Bundeskunsthalle. Was bleibt, ist die Angst vor der Globalisierung, viele schöne Fotografien von Megacities in China und die Erkenntnis über die oscarreife Parodie des Moderators bei »Switch reloaded«.

Bleiben wir in der Bundeskunsthalle: »Modemethode«. Eine ganze Ausstellung über Zeichnungen und Kleider Karl Lagerfelds und die beispiellose Karriere des Katzenliebhabers. Gestalterisch eindrucksvoll bleibt allerdings die Frage nach dem Mehrwert. Die Wege zwischen all diesen Veranstaltungen lege ich mit dem Rad zurück und kann praktischerweise noch beim Stadtradeln mitmachen. Da fahre ich genauso viel Fahrrad wie sonst, bekomme aber noch einen Gewissensbonus, wieviel CO2 ich gespart habe. Lohnend. Beim »fairen.Frühstück« gibt’s ein gratis Frühstück. Das »finanziert« sich durch ein paar gesprochene Gottesworte. Gottes Wege sind unergründlich, aber sättigend. In jeglicher Hinsicht. Ebenso sättigend war das »Culinara festo« in der Mensa Nassestraße. Da gab es für einen kleinen Beitrag ein internationales All-you-can-eat-Buffet mit ansprechender Bühnenshow als krönendes Dessert. Wo gibt’s die Karten fürs nächste Jahr?! »Triff den Ton«. Singen kann ich nicht. Töpfern auch nicht, aber das wollte ich zumindest auf dem Markt am Münster lernen. Das Mitmachangebot galt allerdings leider nur für Kinder. Sechstes Semester hin oder her.

Eine kostenlose Schreibberatung vom Studentenwerk für das Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten hilft immer. Sehr empfehlenswert. Mit #TAUSCHDICHAUS schwimmt auch Greenpeace auf der virtuellen Welle der Coolness mit. Das Prinzip ist einfach. Selfie in neuer Secondhand-Klamotte, Hashtag drunter und ab ins Netz damit. Umwelt retten 2.0. »NY Painting« heißt eine der aktuellen Ausstellungen im Kunstmuseum. Von Bedeutungslosem bis zum Kreuzworträtsellösen mit Jay-Z ist alles dabei. Und zur Ausstellungseröffnung sogar ganz umsonst. Bonn, das Tor zur Welt. Genau wie zur Vergangenheit: »Arthur und Merlin« im Woki zum Studierendenspezialpreis mit anschließendem Clubbesuch. Stimmen im Kopf, das geht ganz leicht bei der Kopfhörer-Party am Alten Zoll. Für jeden die passende Musik. Gemeinsam Einsam trifft es aber auch. SparUni Bonn. Studentisch einfach mal dagegen sein. Und wenn es noch für das eigene Studium ist, umso besser. Auch wenn bei viel Kritik die Verbesserungsvorschläge fehlen.

In den vergangenen knapp drei Wochen hatte ich jede Menge Spaß, trotz terminlichen Engpässen. In abgespeckter Form werde ich das flyergeladene Veranstaltungsbesuchen beibehalten. Mein Fazit auch im Flyer-Stil:

Horizonterweiternd, spannend, kurios, fremdgesteuert. Geht zu allem, was auf Papier gedruckt wird! Es lohnt sich.