Interview – Die Sprecher des Bündnisses »SparUni Bonn« Lukas Mengelkamp und Kerstin Stange erklären im Gespräch mit der AKUT, welche Probleme sie an der Uni Bonn sehen und wie eine optimale Hochschulfinanzierung funktionieren könnte.
INTERVIEW FELIX RUDROFF
Foto: Felix Rudroff / AKUT
AKUT Ihr nennt euch »SparUniBonn«. In einem Satz: Worum geht’s euch?
MENGELKAMP Es geht darum, gegen die Sparpolitik im Bildungsbereich, insbesondere im Hochschulbereich, zu protestieren.
AKUT Eurem Flugblatt ist zu entnehmen, dass 17 Professuren »stillgelegt« werden sollen. Was heißt das und gibt es derzeit Institute, die dadurch in ihrer Existenz akut bedroht sind?
STANGE Stillgelegt bedeutet einfach nur, dass sie vakant gehalten werden, also nicht neu besetzt und de facto ist es das Gleiche wie eine Streichung, nur wird es nicht ausgesprochen. Für uns besteht eigentlich nicht die Aussicht darauf, dass diese Professuren irgendwann wieder besetzt werden. Allerdings darf die Universität keine Professuren streichen, deswegen werden sie einfach nur stillgelegt. Und ja, im Steinmann-Institut für Geowissenschaften sind im letzten Jahr zwei Professuren gestrichen worden und das bedroht schon akut die Lehre und den Ablauf im Institut.
AKUT Die Uni macht vor allem die gestiegenen Nebenkosten und externe Anmietungen für den Betrag von 8 Millionen Euro verantwortlich. Haltet ihr diese Begründungen für plausibel?
MENGELKAMP Jein, also die Kosten für Sanierung, Gebäudeerhaltung und so weiter, die sind tatsächlich stark gestiegen. Das ist richtig und es liegt auch daran, dass der Gebäudebestand relativ alt und dezentral ist und dadurch fallen gerade auch recht hohe Sanierungskosten an. Damit hängt dann noch zusammen, dass die Stromkosten gestiegen sind und das kostet einfach viel Geld. Hinzu kommen die Drittmittelprojekte, da werden zwar teilweise das Personal und die Forschungsvorhaben und so weiter finanziert, aber die grundlegende Infrastruktur muss die Universität selber bezahlen und das Geld kommt letztendlich aus den Grundmitteln. Somit haben auch Drittmittelprojekte negative Auswirkungen auf die grundständige Lehre. Hinzu kommen natürlich noch Sachen wie Gehaltssteigerungen von Mitarbeitern, Tarifrunden, die einfach vom Land nicht ausgeglichen werden, d.h. in der Tarifrunde kommt für die Mitarbeiter ein Plus heraus, was für die Mitarbeiter auch erstmal sehr schön ist, das muss die Uni aber dann aus den selben Grundmitteln bezahlen wie vorher. Die Grundmittel haben einfach in den letzten Jahren nicht mitgehalten mit den Kostensteigerungen der Universitäten. Es haben zwar alle Landesregierungen seit 2001, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, die Grundmittel erhöht – sowohl rot-grün, als auch schwarz-gelb – allerdings einfach nicht in dem Maße, wie es nötig wäre, angesichts gestiegener Studierendenzahlen.
STANGE Außerdem entsteht ein Defizit von 8 Mio. Euro nicht über Nacht, dieses Problem ist nicht von heute – dann hätte man es auch früher angehen und lösen können.
AKUT Damit nicht genug, das Rektorat spricht von jährlich 8 Millionen Euro. Ist das eine reale Bedrohung oder eine Drohkulisse gegenüber der Politik?
MENGELKAMP Ich glaube nicht, dass man so eine substanzielle Streichung vornehmen würde um eine Drohkulisse aufzubauen, das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Es ist natürlich so, dass die Universität auch ein »Schwarzer-Peter-Spiel« spielt. Die Universität schiebt die Verantwortung dem Land zu, das Land schiebt die Verantwortung dem Bund zu. Aber letztendlich haben alle eine Verantwortung dafür. Die Universität hätte möglicherweise früher und auch strukturierter, partizipativer Reformprozesse einleiten können. Das Land müsste eigentlich mehr Geld in die Hochschulen stecken. Das betrifft nicht nur Bonn, das betrifft alle Hochschulen, allerdings steckt das Land ja zeitgleich selbst in einer Finanzierungskrise.
STANGE Es wird auch eher nicht bei einem jährlichen Defizit von 8 Mio. bleiben, das wird steigen.
AKUT Ihr fordert mehr Mitsprache studentischer Vertreter/innen. Fordert ihr konkret eine Drittelparität oder ähnliches?
MENGELKAMP Es geht prinzipiell erstmal darum, dass wir gemerkt haben, dass der ganze Streichungsprozess relativ schnell top-down entschieden worden ist. Und dann hat das Rektorat zu den Fakultäten gesagt: »So, ihr müsst jetzt sparen in der und der Höhe und wo gespart wird, das könnt ihr selber entscheiden«. Aber letztendlich ist man vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Die studentischen Vertreter waren daran kaum beteiligt und die Informationen sind auch nur sehr spärlich geflossen. Beispielsweise hat die Universität erst jetzt vor zwei Wochen mit ihren FAQ Stellung bezogen und das ist ja schon bezeichnend. Wir sehen einfach, dass mehr Mitsprache von studentischen Vertretern in den Gremien manches hätte verhindern können. Man hätte besser mitgestalten und studentische Belange besser beachten können.
AKUT Ihr kritisiert weiterhin die Intransparenz in Bezug auf die Finanzierung durch Drittmittel. Befürchtet ihr eine Beeinflussung oder Unterwanderung der Lehre durch die Geldgeber?
MENGELKAMP Zumindest in Bonn ist eher weniger die Frage, in wie weit wirklich die Unabhängigkeit der Forschung und Lehre gefährdet ist, da hier ja hauptsächlich die DFG und andere finanzieren. Aber Exzellenzcluster führen schon zu Schwerpunktverlagerungen, wo dann Fächer, die in der Öffentlichkeit gerade keine Konjunktur haben, einfach untergehen. Das kann es eben nicht sein, das hat dann nichts mit Wissenschaftspolitik zu tun.
Foto: Felix Rudroff / AKUT
AKUT Würdet ihr euch denn eine Universität ohne Drittmittel wünschen?
STANGE Ohne geht es nicht, aber Drittmittel sollten nicht im Vordergrund stehen. Wir fordern, dass es eine solide Grundfinanzierung gibt und keinen Drittmittelwettstreit, weil das auch zu einem Kampf innerhalb der eigenen Fakultät um Drittmittel führt und wir sind der Meinung, dass man vor allem zusammenhalten sollte in so schlechten Zeiten, anstatt auch noch gegeneinander zu kämpfen. Deswegen würden wir uns schon wünschen, dass auch vom Land selber die Grundfinanzierung aufgeforstet wird und dafür weniger Geld in Drittmittel geht, weil das Geld aus dem gleichen Topf kommt. Es kommt beides aus Steuergeldern und das wäre einfach eine Umverlagerung, die zu mehr Planungssicherheit führen würde. Drittmittel sind befristet und sorgen auch nur für befristete Stellen und auch deswegen würden wir uns einfach die Grundfinanzierung wünschen.
MENGELKAMP Was mit Intransparenz noch gemeint ist: Dass gerade bei den Exzellenzinitiativen die Entscheidungsprozesse sehr kritikwürdig sind. In den Gremien für die Schwerpunktsetzungen der Exzellenzinitiativen sitzen teilweise die gleichen Leute, die auch in den großen, forschungsstarken Universitäten sind, und es ist dann natürlich kein Wunder, dass in diesen Ausschreibungen Projekte gefördert und gefordert werden, die zufällig genau auf die Profile der Universitäten zutreffen, die in diesen Gremien sind. Das ist natürlich ein hanebüchenes Verfahren, mit dem Ungleichgewichte in der Forschungslandschaft geschaffen werden. Deutschland hat einfach ein sehr breites, heterogenes Hochschulsystem mit vielen kleinen und großen Universitäten mit verschiedenen Schwerpunkten und das sollte auch erhalten bleiben.
AKUT Gibt es in eurer Gruppe eine klare Positionierung in Bezug auf nichtzivile Geldgeber? Würdet ihr auch eine Zivilklausel befürworten?
MENGELKAMP Da haben wir bisher noch keine Positionierung.
AKUT In der letzten Zeit seit ihr vor allem durch Traueraltare und Flyer aufgefallen. Am 22. Juni steht eine große Demo an. Sind schon weitere Aktionen geplant?
MENGELKAMP Als wir uns gegründet haben, war das große Ziel: Wir organisieren eine Demo. Die ist jetzt da und da konzentriert sich momentan alle Arbeit drauf.
Dabei geht es darum, ein erstes starkes Zeichen zu setzen. Wir werden dann natürlich weiter arbeiten und wollen das verstetigen.
STANGE Wünschenswert wäre eine Vereinigung mit anderen Universitäten und eine Demo in Düsseldorf. Am wichtigsten ist es einfach, Studierende darüber aufzuklären, wo und wie das Geld verteilt wird.
AKUT Das SP stimmt euren Positionen offiziell zu. Verleiht das euren Forderungen zusätzliche Autorität? Hat das Rektorat mit euch Kontakt aufgenommen oder sich zu den Aktionen zu Wort gemeldet?
MENGELKAMP Wir hatten von Anfang an positive Resonanz von Studierendenseite aus gehabt. Schon beim ersten Flyer-Verteilen und dem Traueraltar vor der Uni haben wir wirklich gemerkt: Es gibt eine positive Resonanz auf unsere Aktionen. Und natürlich haben wir diesen Antrag im Studierendenparlament gestellt, weil es auch noch mal eine gewisse Legitimität und Autorität verschafft.
STANGE Wir sind ja auch ein überparteiliches Bündnis und das ist auch wichtig, dass wir uns da positionieren und uns nicht einer Partei zuwenden, sondern das komplette Studierendenparlament hinter uns steht.
AKUT Und das Rektorat hat sich nicht gemeldet bisher?
STANGE Als dieser Fragenkatalog veröffentlich wurde, wurden wir auch explizit angeschrieben vom Pressesprecher der Universität mit der Bitte, dass wir darauf verweisen. Also das Rektorat weiß sehr wohl, wer wir sind und was wir tun und hat uns auch nach unserer Demoroute gefragt.
MENGELKAMP Also jetzt gibt es noch kein Gesprächsangebot oder so. Wir haben uns ja erst in den Semesterferien gegründet und organisiert und da muss man erstmal ein paar Positionen aufbauen bis es soweit ist, dass man da auf der Landkarte erscheint.
STANGE Ich denke, spätestens nach der Demonstration werden die auf uns zukommen.
MENGELKAMP Das würden wir natürlich auch sehr begrüßen.
AKUT Ihr haltet eure Forderungen sehr universal und solidarisiert euch auch mit den Studierenden anderer Unis. Wie gut seit ihr vernetzt und gibt es schon Nachahmer? Oder seid ihr inspiriert von anderen?
STANGE Also die Grundidee kam sehr spontan, allerdings haben wir natürlich auch die Proteste in Kiel mitbekommen und natürlich ist das auch ein Vorbild. Dass die bei strömenden Regen so viele Leute auf die Straße bekommen haben – und die haben das ja alles in wenigen Wochen hochgezogen. Natürlich schauen wir auch, was an anderen Universitäten passiert. Bisher haben wir noch nicht besonders viele Nachahmer, aber das wird sicherlich auch nach der Demo kommen. Wir haben natürlich versucht, andere ASten anzuschreiben, allerdings mit noch nicht allzu großem Erfolg. Jeder Fachbereich für sich versucht, auch auf den Bundesfachschaftentagungen Werbung zu machen. Es gibt auch schon Fachschaften die unsere Demo unterstützen wollen und wenn an einer anderen Uni in NRW eine solche Demo wäre, würden wir wahrscheinlich als erste dahin fahren.
AKUT Wie sieht eurer Meinung nach ein optimales Konzept zur Hochschulfinanzierung aus?
MENGELKAMP Die Grundmittel müssten einfach beträchtlich erhöht werden, damit die ganze Problematik mit schlecht bezahlten Mitarbeitern und geradezu ausgebeuteten Lehrkräften mal beendet wird. Teilweise sind das Zustände, also diese ganze Befristungsfrage und die geringen Verdienste im Mittelbau.
STANGE Transparenz und Gemeinsamkeit statt gegeneinander und man sollte versuchen, innerhalb der Fakultäten nicht die einzelnen Fachbereiche gegeneinander auszuspielen. Mehr Partizipation von Studierenden und eine solide Grundfinanzierung.
AKUT Wer ist euer Adressat? Uni, Land, Bund?
MENGELKAMP Die Universität Bonn und das Land, die die Verantwortung tragen. Wir fordern aber die Umverteilung der Hochschulpaktmittel, die ja vom Bund getragen werden.
STANGE Das mit den Hochschulpaktmitteln, das ist einfach nur eine Farce. Immer mehr Planstellen werden gekürzt und dann werden neue schöne Hochschulpaktmittel eingeführt. Was eigentlich dasselbe Geld ist – nur kann man dann sagen: »Wir haben Gelder in die Bildung gesteckt.« Zum Beispiel gibt es ja jetzt die Hochschulpakt-III-Mittel für die Masterprogramme – eigentlich darf man das Geld nur beantragen, wenn man damit neue Module für den Masterstudiengang schafft. Allerdings werden in der Praxis oft Löcher gestopft, die durch Planstellenkürzungen entstehen.
AKUT Gibt es noch etwas, das ihr unseren Lesern mitteilen möchtet?
MENGELKAMP Die schlechte Informationslage können wir nur dadurch kompensieren, dass man sich bei uns einbringt und aus seinem Fachbereich berichtet, denn das Ausmaß ist einfach noch nicht klar.
Es gibt bei uns Leute aus vielen Fachbereichen, aber nicht aus allen. Es muss einfach jedem klar sein, es geht um die eigenen Interessen. Es geht um die Frage: Kann ich hier vernünftig studieren oder nicht?
STANGE Es ist zu spät zu protestieren, wenn der Fachbereich geschlossen ist, man muss das vorher tun. Studenten haben nur Macht, wenn sie das Wissen haben und verstehen, wie die Finanzpolitik an der Hochschule läuft. Nur dann können sie auch konkrete Forderungen haben. Unterstützt uns bei der Demo und weiteren Aktionen!