Reform der Alten

Der Ältestenrat hat als streitschlichtendes Gremium bisher vor allem darüber entschieden, ob einzelne Beschlüsse des Studierendenparlaments rechtmäßig sind. Nun wird er reformiert. Was sich dadurch ändert und vielleicht verbessert.

von MAIKE WALBROEL

SP

Foto: Alexander Grantl / AKUT

Da soll nochmal jemand sagen, junge Leute seien immer gleich für die Revolution! Der Ältestenrat, das oberste streitschlichtende Gremium des Studierendenparlaments,  wird reformiert. Ältestenrat? Wer dabei an Langzeitstudenten mit weißen Rauschebärten denkt, der liegt falsch. Und es gibt noch eine Überraschung: Die Reform wurde nicht von außen angestoßen, sondern von den Mitgliedern selbst.

Doch von vorn: Laut aktueller Satzung der Studierendenschaft ist der Ältestenrat nicht nur streitschlichtendes Organ, sondern überwacht auch die Wahlen zum Studierendenparlament und soll dazu beitragen, die studentische Selbstverwaltung zu stärken. Um diesen Aufgaben nachkommen zu können, ist der Ältestenrat selbstständig und allen anderen Organen und Gremien gegenüber unabhängig.

Warum der Ältestenrat so heißt, lässt sich nicht zweifelsfrei klären: Gremien mit diesem Namen gibt es oft – z.B. im Bundestag, allerdings unterscheiden sich die Kompetenzen und Zuständigkeiten deutlich voneinander. Möglicherweise ist der Name auch auf das ehemalige Universitätsgesetz zurückzuführen, das einen Ältestenrat vorsah. Eins ist jedoch allen Ältestenräten gemeinsam: Ihre Mitglieder sollen besonders erfahren sein – und sind daher verständlicherweise oft alt. In Bonn jedoch werden nicht etwa die ältesten Studierenden gewählt, sondern solche, die sich in besonderem Maße um die Studierendenschaft verdient gemacht haben. Diese neun Mitglieder üben ihr Amt in der Regel drei Jahre lang aus – es sei denn, sie treten zurück oder beenden ihr Studium vorher.

Nun ist es ausgerechnet der Aufgabenbereich des Ältestenrates, der eine Reform notwendig macht. Marcel Bengs, Jurastudent und Vorsitzender des Satzungs- und Geschäftsordnungsausschusses (SGO-Ausschuss), weist auf einen in der Satzung festgeschriebenen Widerspruch hin: »Der Ältestenrat soll das oberste streitschlichtende Organ der Studierendenschaft sein. Gleichzeitig entscheidet er abschließend über sämtliche Streitigkeiten zwischen Studierendenparlament, AStA und den Ausschüssen. Ein schlichtendes Organ kann aber unmöglich auch ein abschließendes Entscheidungsorgan sein.« Auch gesetzlich ist die Lage nicht eindeutig: Im »Hochschulgesetz 2000« vom 14. März 2000 ist ein Ältestenrat nicht mehr ausdrücklich vorgesehen. Es steht den Studierendenschaften frei, einen entsprechenden Ausschuss einzuführen. Dass der Ältestenrat nach wie vor wichtig für die Studierendenschaft ist, davon ist Jessica Keuler, Jurastudentin und seit 2013 selbst Mitglied, überzeugt: »Als vermittelnde Stelle im oft hitzigen Umfeld der Hochschulpolitik kann der Ältestenrat dabei helfen, Kompromisse zwischen den streitenden Parteien herzustellen. Damit erspart man sich auch regelmäßig den teuren Weg vor das Verwaltungsgericht.« Allerdings sehen sich die neun Studierenden bei ihrer Arbeit zunehmend Problemen ausgesetzt, die mit der widersprüchlichen Satzungslage zusammenhängen. »Im vergangenen Jahr wurden außergewöhnlich viele Anträge an den Ältestenrat gestellt, über die wir dann auch entschieden haben«, erinnert sich Jessica. »Eine typische Folge solcher Entscheidungen ist, dass die benachteiligte Partei das Ergebnis nicht befürwortet. Mir hat dabei nicht gefallen, dass der Unmut oftmals auf eine Art und Weise geäußert wurde, die jegliche Sachlichkeit vermissen ließ.«

Daher ist es kaum verwunderlich, dass die Ältestenrats-Mitglieder selbst die aktuelle Reform angestoßen haben. Zugleich reagieren sie damit auf die Unzufriedenheit des Studierendenparlaments. »Mit Beginn dieser Legislaturperiode trat der Ältestenrat an den SGO-Ausschuss heran mit der Bitte, sich über die zukünftige Arbeit des Gremiums und seine Kompetenzen Gedanken zu machen«, berichtet Marcel. »Einzelne Zuständigkeiten können durchaus kritisch gesehen werden. Der Ältestenrat kann z.B. ureigene Aufgaben des Wahlausschusses übernehmen – wie die Stimmauszählung.«

Nachdem der SGO-Ausschuss vom NRW-Ministerium für Wissenschaft und Forschung grünes Licht für den Fortbestand des Ältestenrates bekommen hat, wird nun zusammen mit den Mitgliedern des Studierendenparlaments an einer Reform des Gremiums gearbeitet. So will man sicherstellen, dass auch weiterhin bei strittigen Themen zwischen den Hochschulgruppen und den anderen Mitgliedern der Studierendenschaft Lösungen gefunden und Kompromisse geschlossen werden können. »Ich bin sehr froh, dass der SGO-Ausschuss die Reform überaus engagiert vorantreibt«, sagt Jessica, »daher bin ich guter Hoffnung, dass wir bis zum Ende des Jahres einen Ältestenrat vorfinden, der den erforderlichen Rückhalt bei der Studierendenschaft zurückgewonnen hat.«

Unbekannter Gegner

UrabstimmungDieses Jahr zahlen Bonner Studierende 26.800 Euro an den fzs, einen Dachverband von Studierendenschaften. Weil sich diese Mitgliedschaft nicht lohne, plant ein Aktionsbündnis nun, alle Studierenden über den Verbleib im Verband entscheiden zu lassen.

von ALEXANDER GRANTL

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Foto: Alexander Grantl / AKUT

Zügig gehen Chiara Mazziotta und ihre Mitstreiterin auf die zwei Studentinnen zu, die sich vor dem Copyshop in der Nassestraße auf eine kleine Mauer gesetzt haben, um ihren Kaffee zu trinken. In ihren Händen hält Chiara ein Klemmbrett und einen Kugelschreiber, ihre Begleiterin trägt einen Putzeimer – randvoll mit Wassereis. »Kennt ihr den fzs?«, fragt Chiara entschlossen. Kopfschütteln. Von einem »fzs« haben die jungen Frauen auf der Mauer noch nichts gehört. Sie scheinen nicht die Einzigen zu sein: »Fast alle Studenten, die wir ansprechen, kennen den fzs gar nicht«, sagt Chiara.

Die 22-Jährige sitzt für den RCDS, den Ring Christlich-Demokratischer Studenten im Studierendenparlament (SP). Zusammen mit der LHG, der Liberalen Hochschulgruppe hat der RCDS kürzlich ein »Aktionsbündnis gegen den fzs« gegründet. Der fzs ist der »Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften«. Er bezeichnet sich als überparteilichen Dachverband deutscher Studierendenvertretungen. Man wolle ein Sprachrohr für die Studierenden gegenüber der Presse sein und den Fachschaften, Studierendenparlamenten und Allgemeinen Studierendenausschüssen der Mitgliedshochschulen Wissen und Kompetenzen vermitteln, zum Beispiel durch Seminare und Infobroschüren. 83 Mitglieder hat der Verband nach eigenen Angaben, die Bonner Studierendenschaft ist eines davon.

Und genau damit sind Chiara vom RCDS und Florian Even von der LHG unzufrieden. »Wir positionieren uns klar gegen den fzs«, sagt Florian. Ihr Aktionsbündnis hat ein deutliches Ziel: Im Januar 2016 sollen alle Studierenden der Uni Bonn in einer Urabstimmung entscheiden können, ob die Mitgliedschaft im fzs beendet werden soll oder nicht. Um diese Abstimmung aber überhaupt zu ermöglichen, sammelt das Bündnis nun Unterschriften – rund 1600 werden benötigt, um die Hürde zu nehmen.

Ihre Kritik ist dabei umfassend – und gar nicht so neu: Dem aktuellen Haushalt zufolge zahlt die Bonner Studierendenschaft dem fzs einen Mitgliedsbeitrag von 26.800 Euro, in jedem Jahr etwa 80 Cent pro Studentin und Student. »Wir wollen nachvollziehen können, was mit diesem Geld passiert – es geht uns dabei um die Transparenz«, so Florian. Nicht nur der Mitgliedsbeitrag interessiert sie – die Seminare des fzs sind kostenpflichtig und stellen damit weitere Einnahmen für den fzs dar. Das Aktionsbündnis hat sich mittlerweile den Haushaltsplan des Zusammenschlusses zusenden lassen.

»Ich finde, man kann nachvollziehen, was mit dem Geld passiert«, sagt hingegen Lillian Bäcker von der Juso-HSG. Mit dem Geld bezahle man die Seminare, die der fzs veranstalte; Personal, das in der Verwaltung arbeite; Logistik und die Kampagnen des fzs. Zudem mache der Jahres-Mitgliedsbeitrag von 26.800 Euro nur etwa 2% des Gesamthaushalts der Bonner Studierendenschaft aus, in dem rund 1.300.000 Euro stecken. Lillian, als Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) und der Vorsitzende der Juso-HSG, Simon Merkt, sprechen sich für die Mitgliedschaft im fzs aus. Dass dort alles perfekt sei, habe man allerdings auch nie behauptet. Ihre Hochschulgruppe hätte sich durchaus kritisch mit dem fzs befasst, »wir haben uns aber dann entschlossen, konstruktiv mitzuarbeiten – verbessern, wo’s geht, statt auszutreten«, sagt Simon. Nicht jeder in der Juso-HSG ist so überzeugt wie er. Mindestens ein Juso hat dem Aktionsbündnis seine Unterschrift gegeben: »Ich stehe dem fzs skeptisch gegenüber« – durch die Urabstimmung erhoffe er sich eine breitere Diskussion.

Zum Beispiel darüber, wie viel parteipolitische Positionen der fzs vertreten soll. Er selbst bezeichnet sich zwar als »überparteilich«, doch Chiara und Florian bezweifeln das. Beispielhaft führen sie eine Pressemitteilung an, die der Verband Anfang 2014 herausgegeben hat – zusammen mit campus:grün, dem Bundesverband der grün-alternativen Hochschulgruppen. Darin sprechen sich die beiden Herausgeber für einen Mindestlohn für alle aus. Florian sieht darin keinen direkten Nutzen für Studierende: »Was hat das mit Hochschulpolitik zu tun?«

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Foto: Alexander Grantl / AKUT

»Politische Neutralität ist nicht der Anspruch des fzs – die sollen gar nicht neutral sein«, hält Lillian dagegen. Der fzs müsse schließlich Positionen vertreten – und zwar im Interesse der Studierenden. »Wer Positionen vertritt, der ist eben nicht mehr neutral«. Und studentische Hilfskräfte oder AStA-Mitarbeiter würden vom Mindestlohn durchaus profitieren. Letztlich, argumentieren die Jusos, setze der fzs sich ja aus den verschiedenen Studierendenschaften zusammen, die dort ihren Willen formulierten. Würden sie nicht Position beziehen, könnten sie die Studierenden auch nicht vertreten.

Als Mitte Mai fzs-Vorstandsmitglied Isabella Albert dem Studierendenparlament über ihre Arbeit berichtete, kamen kritische Fragen vor allem von RCDS und LHG. Man wollte wissen, wie genau die Studierenden in Bonn von der Mitgliedschaft im fzs profitierten. So konkret könne man diese Frage nicht beantworten, erklärte sie. Neben dem Seminarangebot des Verbandes profitierten die Studierenden vom solidarischen Zusammenstehen der im fzs vertretenen Studierendenschaften. Das ermögliche dem fzs als Sprachrohr aufzutreten – zum Beispiel 2010, als ein fzs-Vorstandsmitglied vom Bildungsausschuss des Bundestags als Sachverständiger zum BAföG-Änderungsgesetz angehört wurde.

An einigen Stellen kritisieren aber sowohl die Juso-HSG als auch das Aktionsbündnis den fzs: »Die Presse- und Medienarbeit des fzs ist ungenügend, die Kampagnen bekommen viel zu wenig Aufmerksamkeit«, sagt Chiara. Und das sieht auch Lillian so: »Der fzs hat eine schwache Außendarstellung – das könnte besser sein.«

Außerdem: »Der Bonner AStA müsste mit dem fzs besser zusammenarbeiten«, so Chiara – das sei in den letzten Jahren nicht gut gelaufen. Denn: Um das Seminarangebot des fzs zu nutzen, muss der AStA dort eine entsprechende Anfrage stellen. »Tatsächlich ist die zurückhaltende Inanspruchnahme des fzs-Angebots das hauptsächliche Problem«, bestätigt Lillian. Sie wünsche sich mehr Engagement ihres AStAs. Dennoch: Seit Januar beteilige man sich deutlich mehr im fzs, doch »dafür bekommen wir auch viel mehr Kritik zurück«.

Wenn das »Aktionsbündnis gegen den fzs« genug Unterschriften sammelt und damit eine Urabstimmung ermöglicht, müssen bei dieser mindestens 6400 Studierende abstimmen, damit die Urabstimmung überhaupt wirksam wird. Wenn es nach LHG und RCDS geht, soll sich die Mehrheit der Abstimmenden dann für einen Austritt aus dem fzs entscheiden. Florian von der LHG betont: »Wir wollen die Mehrheit für den Austritt – aber es geht uns um die Sache, ganz unabhängig von Hochschulgruppen.« Daher habe man die Form eines Aktionsbündnisses gewählt, bei dem die Hochschulgruppen eher im Hintergrund stehen.

Hätten LHG und RCDS bei den Wahlen zum SP nämlich erfolgreicher abgeschnitten, könnten sie mit einer Mehrheit den Austritt aus dem fzs einfach selber beschließen.

Doch dazu wird es wohl vorerst nicht kommen, denn: »Wir fragen uns nicht mehr, ob wir genug Unterschriften sammeln, sondern wann wir genug gesammelt haben«, sagt Florian. Nach nur drei Tagen Unterschriftensammeln habe man bereits ein Drittel der benötigten Anzahl erreicht. Und auch der Juso-HSG-Vorsitzende Simon erklärt leicht resigniert: »Die Urabstimmung wird kommen.«

Beide Seiten zeigen sich immerhin erfreut darüber, dass durch die Abstimmung und die beginnende Diskussion der fzs für Bonner Studierende präsenter wird.

Editorial

Hallo,

und: Glückwunsch! Denn die AKUT-Online-Ausgabe zu besuchen war eine gute Idee. Diesen Satz könnte ich zwar über jede AKUT-Ausgabe schreiben (zu Recht), aber dieses Mal passt er besser denn je. So vielfältig wie die Interessen unserer Leserinnen und Leser sind auch die Inhalte dieser Ausgabe. Und unser Schwerpunkt ist ein Thema, das fast alle Studierenden betrifft: Die Universität muss sparen – 17 Professuren sollen daher für eine unbestimmte Zeit nicht neu besetzt werden. Über die Hintergründe und die Proteste der Studierenden berichten wir hier.

Wer gerne Kaffee trinkt und sich für Bundesministerinnen interessiert, die mal in Bonn studiert haben, der sollte am besten gleich im Ressort »Universum« bleiben, das hier beginnt.

Wenn man jede Veranstaltung besucht, für die man einen Flyer in die Hand gedrückt bekommt – dann ist man ziemlich beschäftigt. Wie AKUT-Redakteurin Lauren zum Beispiel. Ihren Selbstversuch gibt’s hier zu lesen.

Neu im Heft ist »WG besucht!« – ganz hinten, auf Seite 34. Dort stellen wir in jeder Ausgabe eine WG vor. Wenn wir deine Wohngemeinschaft mal besuchen sollen, schreib uns an redaktion@akut-bonn.de!

Wir freuen uns immer über Nachrichten von unseren Leserinnen und Lesern. Denn: Wir machen die AKUT nicht, weil uns langweilig ist. Und auch nicht, um unseren Großeltern zu zeigen, was wir alles können. Wir machen sie für dich. Und wir wollen wissen, was du über die AKUT denkst. Sprich uns an, schreib uns an oder mal uns an – Hauptsache, wir kommen in Kontakt. Weil wir an deiner Meinung ehrlich interessiert sind, möchten wir sie im nächsten Heft oder online veröffentlichen. Alle Infos dazu findest du auf akut-bonn.de/leserbriefe/

Bei der AKUT-Redaktion und allen anderen Beteiligten bedanke ich mich für die exzellente Arbeit. Und ganz besonders bei Julia Faber, die die letzten fünf AKUT-Hefte verantwortet hat.

Viel Freude beim Lesen
Alexander Grantl

„Wir sind in den Startlöchern“

Der Rechtshilfeausschuss — Studierende, die in Rechtsstreitigkeiten mit Bezug zur Uni Bonn verwickelt sind, können sich die Prozesskosten erstatten lassen. Genutzt wird das Angebot nicht. Warum? Und warum wird trotzdem so viel Geld zur Verfügung gestellt? Von Jonas Prinsen

 

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Die vier Mitglieder des aktuellen Rechtshilfeausschusses, ein Ausschuss des Studierendenparlaments, würden gerne arbeiten, aber sie können nicht. So lautet zumindest das Credo der Vorsitzenden Hannah Birkhoff im Interview. Tatsächlich kann das eigentliche Engagement des Ausschusses – also Rechtshilfe zu leisten – erst beginnen, wenn dies von außen angestoßen wird, und zwar in Form eines offiziellen Antrags. Den Antrag auf Rechtshilfe können alle Studierenden der Uni Bonn stellen. Beziehungsweise alle, die planen, hier zu studieren – denn bereits das Einklagen kann finanziell unterstützt werden.

Andere denkbare Fälle sind Diskriminierungsklagen oder auch Klagen gegen eine Exmatrikulation. Neben dem Antrag muss außerdem ein anwaltliches Gutachten eingereicht werden, das die Erfolgschancen der Klage einschätzt. Mithilfe dieses Gutachtens entscheidet der Rechtshilfeausschuss dann, ob die Kosten eines Verfahrens getragen werden, oder nicht. Im Entscheidungsprozess spielt außerdem die Satzung des Ausschusses eine entscheidende Rolle, da hier die Kriterien und Auflagen zu finden sind, nach denen sich die Mitglieder richten müssen. In all diesen Schritten handelt der Rechtshilfeausschuss komplett autonom und ohne Rücksprache mit dem Studierendenparlament (SP).

Gerade in Rechtsfragen, erklärt Hannah, sei es ja enorm wichtig, eigenständig handeln zu können. Soweit die Theorie. Wie der Entscheidungsprozess in der Praxis aussieht, ist jedoch schwer zu sagen, da der Rechtshilfeausschuss des 37. Studierendenparlaments in seiner gesamten Existenz noch keinen einzigen (!) Fall bearbeitet hat und ihm insofern einfach noch die Erfahrungswerte fehlen, um ein konkretes Vorgehen zu beschreiben. Aber, stellt Hannah klar, man sei „in den Startlöchern“ und jeder wisse, was er „im Notfall“ zu tun habe: „Wenn jemand kommen möchte, sind wir immer startbereit.“ Bis dahin treffe sich jeder Rechtshilfeausschuss einmal im Jahr zu seiner konstituierenden Sitzung und überprüfe lediglich, ob die Satzung noch aktuell sei. In der konstituierenden Sitzung des diesjährigen Ausschusses wurde diese Praxis bestätigt.

Es stellt sich also die Frage, weshalb das Interesse an der Rechtshilfe so gering ist. Auch die Vorsitzende kann sich dies nicht wirklich erklären: Obwohl sie keine Einsicht in die entsprechenden Zahlen der Uni habe, könne es ja wohl kaum daran liegen, dass es zu wenig Kläger gebe! Zwei strukturelle Aspekte fallen hier ins Gewicht: zum einen die Konkurrenz zur Prozesskostenhilfe des Staates, die auch Studierende direkt von der Bundesrepublik Deutschland einfordern können. Verstand sich die Rechtshilfe lange als Ersatz zu dieser, wurden die Kriterien zum Einsatz des Rechtshilfefonds allerdings zuletzt gelockert, sodass die Rechtshilfe jetzt großzügiger gewährt wird als die Prozesskostenhilfe des Staates.

Zum anderen macht Hannah darauf aufmerksam, dass es verschiedenste Rechtsschutzversicherungen gibt, die ebenfalls in Konkurrenz zum Rechtshilfeausschuss stehen. Die Existenz dieser beiden „natürlichen Konkurrenten“ sollte einen weiteren, entscheidenden Punkt aber auf keinen Fall überdecken: Die mangelhafte Kommunikation des RechtshilfeAngebots an die Studierenden! Dass nun seit mindestens einem Jahr nicht einmal mehr ein Antrag auf Rechtshilfe bearbeitet werden musste (bei knapp 34.000 Studierenden an der Uni Bonn insgesamt) spricht dabei wohl für sich. Hannah selbst gibt zu: „Ich weiß nicht, ob die Studierenden überhaupt Bescheid wissen über die Rechtshilfe.“ Und um den Rechtshilfefonds beispielsweise im aktuellen „UNIhandbuch“ des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) zu finden, muss man schon genau suchen. Auf Seite 54 findet man dann die Aussage: „In Einzelfällen und in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung setzt sich der AStA auch politisch ein. […] In ganz außergewöhnlichen Fällen kann über den Rechtshilfefonds des AStA auch eine Kostendeckung gewährt werden.“

In „ganz außergewöhnlichen Fällen“? Im Vergleich zu dem Eindruck, den ich während der Recherche erhalten habe, erscheint diese Formulierung viel zu defensiv. Warum ist die aktuelle „Beschäftigungslosigkeit“ des Rechtshilfeausschusses ein Problem? Bis auf 300 Euro im Haushaltsjahr 2009/10 und ca. 235 Euro im Haushaltsjahr 2011/12 hat der Rechtshilfeausschuss sein Budget in den letzten Jahren nie in Anspruch genommen, sodass von Geldverschwendung im Grunde keine Rede sein kann. Ein Gremium, das sich eben einmal im Jahr trifft und im Notfall Rechtshilfe leistet, tut, so gesehen, ja erst einmal niemandem weh. Der entscheidende Punkt ist, dass das Budget des Ausschusses in den letzten Jahren von ehemals 5.000 Euro (bis einschließlich 2010/11) erst auf 10.000 (2012/13) und dann auf aktuell 15.000 Euro (ab 2013/14) erhöht wurde. Wozu braucht ein Ausschuss, der nichts zu tun hat, so viel Geld? Ich will hier auf keinen Fall auf das ständig überreizte und fantasielose „Wir müssen sparen“-Argument hinaus. Vielmehr muss man fragen: Könnte ein Teil des Geldes nicht an anderer Stelle sinnvoller verwendet werden? Der Vorwurf an den AStA, Gelder zu verstecken, bzw. zu „parken“, ist nicht neu – kann man ihn hier wieder erheben?

Hannah macht im Interview die ziemlich absurde Aussage, dass sie sich hierzu nicht politisch äußern wolle. Sich in der Hochschulpolitik engagieren, aber dann keine politischen Aussagen machen wollen – dieser Satz schürt Misstrauen, das so wahrscheinlich gar nicht gerechtfertigt ist. Alois Saß, Finanzreferent des AStA, begründet die Budgeterhöhung mit dem oben schon erwähnten veränderten Kriterienkatalog, der die „unterstützungsfähigen Tatbestände“ erweitert habe. Den Vorwurf, Geld zu verstecken, weist er vehement zurück. Im Gegenteil: Um auch mit den neuen Kriterien im Notfall mehr als einen Studierenden zu unterstützen, habe sich das SP bewusst für die Erhöhung der Mittel entschieden. Ob das Geld an anderer Stelle dringender benötigt werde, sei eine reine Ermessensfrage. Außerdem stellt er klar, dass überschüssige Finanzmittel nach Ablauf des Haushaltsjahres ja nicht verloren seien, sondern in die „Überschüsse des vergangenen Haushaltsjahres“ übertragen werden und von dort aus in den neuen Haushalt eingehen können. Sie seien also keineswegs „geparkt“.

Lässt sich mit diesem Argument wirklich die Verdreifachung des Budgets begründen – nur auf die Hoffnung hin, dass es in Zukunft besser genutzt wird? Außerdem sollte der Einfluss des SP nicht überschätzt werden. Fakt ist nämlich, dass der AStA-Finanzreferent einen Haushaltsentwurf in das SP einbringt, welches den Entwurf dann gründlich prüfen und diskutieren soll und ihn nach eventuellen Änderungen bestätigt. In der Realität fällt die Diskussion jedoch von Jahr zu Jahr immer kürzer aus. In der Praxis gestaltet also vor allem der Finanzreferent den Haushaltsplan und „versteckte“ Gelder hätten wahrscheinlich eine gute Chance, durch die Haushaltssitzung des SP zu kommen. Trotzdem ist der Vorwurf wohl nicht zu halten. Denn: Nach Alois‘ Darstellung war es der Rechtshilfeausschuss selbst, der ihn um die Erhöhung der Gelder gebeten hat – die Initiative ging somit gar nicht vom AStA aus.

Dies alles geschah vor Hannahs Amtszeit als Vorsitzende des Ausschusses. Es ergibt sich also das Bild, dass man zumindest den aktuellen Beteiligten – im Bezug auf die Finanzen – keinen ernsthaften Vorwurf machen kann. Was bleibt, ist die Frage nach der Legitimität einer derart hohen Summe für einen so arbeitslosen Ausschuss. Dass sich dieser mit seiner derzeitigen Rolle zufrieden gibt, statt zum Beispiel eine bessere Kommunikation mit den Studierenden zumindest anzustoßen, macht die Sache nicht besser. Offizielle Aufgabe des Ausschusses ist zwar die Verteilung der Gelder aus dem Rechtshilfefonds – das aber wird nun einmal erst dann möglich sein, wenn die Studierenden auch darüber Bescheid wissen.

Hausmitteilung

Liebe Leserinnen und Leser,

oft gehört, aber immer noch gern gesagt: Ein frohes neues Jahr! Wir nehmen den Jahreswechsel zum Anlass, gute Vorsätze gleich anzugehen und starten dabei mit Veränderungen in unserem Layout.

Inhaltlich bieten wir euch – wie gehabt – alle Neuigkeiten rund um Universität und Stadt in drei Ressorts an. Im Ressort „Parlament“ erfahrt ihr Neues über eure studentische Vertretung. Diesmal geht es dabei besonders um die Wahlen: Nicht nur die Wahlbeteiligung sinkt erfahrungsgemäß leider von Jahr zu Jahr. Diesmal ist auch die Anzahl der zur Wahl antretenden Listen gesunken – die grüne Hochschulgruppe – campus:grün darf nicht teilnehmen. Zu spät haben sie dafür ihre Liste eingereicht, entschieden Wahlausschuss und Ältestenrat letztlich. Alles rund um das spektakuläre, wie auch erschreckende Hin und Her lest ihr im Ressort „Parlament“.

Auch im Ressort „Universum“ findet ihr verschiedene Skandale, die sich an der Uni zugetragen haben: Während im Hauptgebäude Spannervorfälle auf den Toiletten für Trubel sorgen, sind Studierende am Institut für Orient- und Asienwissenschaften bestürzt über eine undurchdachte Studienstruktur sowie eine erschreckend schlechte Beratungs- und Informationspolitik vonseiten der Universität.

Auch in der Stadt ist einiges los: Wir beschäftigen uns in dieser Ausgabe verstärkt mit Integration und der Zukunft Europas. Eine Reportage über die Bogida-Demonstationen sowie Gedanken über den Umgang mit Flüchtlingen und Möglichkeiten zur Initiative findet ihr im Ressort „Alltagskultur“. Eines hat sich mit dem Jahreswechsel nicht verändert: Wir freuen uns stets auf Rückmeldungen zu Inhalt und Layout, auf Lobeshymnen oder Verrisse an
redaktion@akut-bonn.de.

Viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe wünscht

Julia Faber

Weniger Farbe im Spiel

Die GHG darf nicht zur SP-Wahl antreten – Weniger Farbe, weniger Inhalte? Nach einem ewigen Hin- und Her wurde beschlossen, dass die Grüne Hochschulgruppe nicht an der SP-Wahl teilnehmen darf – als bis dahin noch stärkste Gruppe.

Von Julia Faber

Weniger Farbe im Spiel

Weniger Farbe im Spiel – Foto: lupo/pixelio.de, Alexander Grantl; Montage: akut

Am 17. Dezember war Listenschluss: Heißt, an diesem Tag mussten alle, die zur Wahl des Studierendenparlaments (SP) antreten wollen, ihre Listenbewerbung beim Wahlausschuss einreichen. Bei der SP-Sitzung am gleichen Abend verkündete der Wahlausschuss dann das für viele erschreckende Ergebnis: Nur fünf Listenbewerbungen seien fristgerecht eingereicht worden, die Bewerbung der Grünen Hochschulgruppe ghg-campus:grün sei zu spät eingereicht worden. Es folgte ein nervenaufreibendes Hin- und Her: Nachdem der Wahlausschuss ursprünglich entschieden hatte, die GHG nicht zuzulassen, erklärte der Ältestenrat diese Entscheidung aufgrund eines Formfehlers für ungültig. Der Wahlausschuss selbst stellte anschließend fest, dass sich die Liste beim Ablaufen der Frist bereits im Raum befand – er korrigierte seine Entscheidung.

Doch das Ganze ging noch weiter: Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) reichte daraufhin einen Antrag beim Ältestenrat ein, der die Grünen in letzter Konsequenz von der Wahl ausschloss. Luc Kerren, Vorsitzender des RCDS Bonn, nennt als Motiv dafür den Schutz der Studierendenschaft: „Da die Begründung juristisch nicht stichhaltig war, brachten wir einen Antrag vor dem Ältestenrat ein. Wohl in dem Wissen, dass die Wahl sonst anfechtbar wäre und so auf die Studierendenschaft durch eine mögliche Anfechtbarkeit der Wahl eine personelle und finanzielle Belastung zukommen könnte. Die Arbeit im Studentenparlament und in den Gremien wäre so zum Erliegen gekommen.“

Die Liste undogmatischer StudentInnen (LUST) bezeichnet das Ganze in einer Stellungnahme als „Hochmesse des Formalismus“. Die LUST betont dabei, dass durch die Nicht-Zulassung nun „zahlreichen Studierenden ihre Möglichkeit zur Mitarbeit im SP“ genommen werde. Aus Gründen der Fairness und um gemeinsam weiter an „Projekten wie der kritischen Auseinandersetzung mit der Kissinger-Professur weiterarbeiten zu können“, plädiert die LUST dafür, „dass GHG-Mitglieder auch ohne Fraktion im Studierendenparlament von einer linken AStA-Koalition in die entsprechenden Ämter gewählt werden“. Auch Georg Rolshoven von der LHG bedauert die Nichtberücksichtigung der ghg. Seine Hochschulgruppe schätze „das Engagement zahlreicher Mitglieder der grünen Hochschulgruppe im AStA“ sowie „den (hochschul-)politischen Diskurs im Studierendenparlament, auch wenn die Meinungen bezüglich einiger Themen nicht gerade kongruent waren.“ Dieses Bedauern reicht allerdings nicht ganz so weit: „Ob die Hochschulgruppe ein ausgeprägtes Engagement im AStA an den Tag gelegt hat, ist hier nicht entscheidend. Insofern können wir die Entscheidungen des Wahlausschusses und des Ältestenrates nachvollziehen.“

Der RCDS weist den Vorwurf, mit der Ausschlussforderung der stärksten Gruppe demokratiefeindlich agiert zu haben, entschieden zurück. Dies sei mitunter auch deshalb absurd, „weil wir uns an Regeln halten, die für alle Hochschulgruppen gelten“, so Luc Kerren.

Ob Formalismus oder Regelbewusstsein – fest steht, dass nun die Gruppe mit den meisten Sitzen nicht zur SP-Wahl antreten darf. Im Hinblick auf die ohnehin schon geringe Wahlbeteiligung durchaus bedenklich. 

 

»Selbstdelegitimierung vom Feinsten«

Die Grüne Hochschulgruppe ist sauer Die bis dahin stärkste Gruppe im Studierendenparlament darf nicht antreten. Wegen drei fraglichen Sekunden und zwei Ausschüssen, die lieber Formvorschriften als das große Ganze in den Blick nehmen. So sehen es die Grünen. Warum sie trotzdem nicht klagen werden, erfahrt ihr in diesem Interview.

Interview: Hanno Magnus

Jakob Horneber

Jakob Horneber ist für die flüchtigen Verhältnisse der Hochschulpolitik ein Urgestein. Er amtierte von März 2011 bis August 2012 als Vorsitzender des AStA und war zuvor seit März 2010 Finanzreferent. Zuletzt war er einer von vier studentischen Senatoren im Senat, dem höchsten Gremium an der Universität. Jetzt möchte er den Ärger der grünen Hochschulgruppe in der akut artikulieren. Zum Interview erscheint er – stilecht – etwas zu spät.

 

akut  Es sind sich wohl alle einig. Die ganze Sache, die da abgelaufen ist, ist eine ziemliche Blamage. Die Frage ist nur: für wen?
Horneber  Zunächst einmal ist das meiner Ansicht nach eine Blamage für die Institution „Studierendenschaft“ als solche. Hier wird aus rein formalen Gründen eine Gruppe ausgeschlossen, die in den letzten Jahren zu den erfolgreichsten gehörte und die auch dieses Jahr bereit war, sich zu engagieren. Natürlich sind wir auch selbst schuld, wir hätten die Liste einfach früher abgeben müssen. Andererseits ist überhaupt nicht sicher, ob wir wirklich zu spät dran waren. Auf dieser Basis dann eine so weitreichende Entscheidung zu treffen, finde ich fragwürdig. Hier haben Wahlausschuss und Ältestenrat nicht klug gehandelt. Schon im Ablauf war einiges hoch problematisch. Schade ist aber vor allem, dass die inhaltliche Bedeutung der Entscheidung kaum berücksichtigt wurde, sondern nur Formalia den Ausschlag gaben. Wir haben nicht den Eindruck, dass Sinn und Zweck der angewandten Regeln auch mal hinterfragt wurden. Letztlich wären wir aber dennoch zugelassen worden, wenn der RCDS keine Beschwerde eingelegt hätte, um uns zu schaden. Leider hat sich der Ältestenrat hierbei instrumentalisieren lassen. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Ausgerechnet der Gruppe, die sich immer darüber beschwert, die Hochschulpolitik beschäftige sich nur mit sich selbst, ist jedes Mittel recht, um engagierte Studierende von der Mitarbeit auszuschließen. Da ist es wirklich nicht überraschend, wenn die Wahlbeteiligung ständig zurückgeht. Es haben also viele Akteure der Hochschulpolitik zum schlechten Gesamtbild beigetragen. Das ist Selbstdelegitimierung vom Feinsten.
akut  Du gibst euch selbst eine Teilschuld. Was genau hat denn bei Listenschluss bei euch so lange gedauert?
Horneber  Der Listenschluss wird traditionell ausgereizt – bei allen Hochschulgruppen. So weit ich weiß, ist keine der sechs Listen, die antreten wollten, vor dem letzten Tag abgegeben worden. Wir betreiben die Hochschulpolitik ja auch ehrenamtlich neben vielen anderen Verpflichtungen. Da kann es schon mal dauern, bis alle Kandidaturen und die Texte für die Wahlzeitung beisammen sind. Im Nachhinein wissen wir, dass wir lieber eine unvollständige Liste hätten abgeben sollen. Dann wäre die Frist gewahrt gewesen. Aber wir hatten ja nicht den Eindruck, dass wir zu spät waren. Unser Listenvertreter war anerkanntermaßen vor Fristende im Raum und hat lediglich die Unterlagen angeblich – hier steht Aussage gegen Aussage – drei Sekunden zu spät abgegeben. Das zeigt doch die Absurdität des Ganzen und auf welch dünnem Eis die Entscheidung gefällt wurde.
akut  Wieso klagt ihr nicht?
Horneber  Wir haben das ausgiebig abgewogen. Natürlich ist der erste Impuls: uns geschieht hier ein Unrecht, dagegen müssen wir vorgehen. Allerdings wurden im letzten Jahr viel zu oft die Gerichte bemüht oder Entscheidungen nur auf juristischer und nicht auf politischer Ebene ausgekämpft. Diesen Rückgriff auf Formalismen haben wir als Hochschulgruppe im letzten Jahr immer wieder kritisiert. Wir halten ihn für nicht sinnvoll und schädlich für die Hochschulpolitik. Es gibt offenbar Leute, die große Freude daran haben, anderen mit Pedanterie die Arbeit zu erschweren. Daher wollten wir uns bewusst nicht auf dieses Niveau begeben und jetzt unsererseits klagen. Dazu kommt, dass wir wenig gewinnen können: Sollten wir uns vor Gericht durchsetzen, würden die Wahlen annulliert und müssten dann wiederholt werden. Dieses Ergebnis reizt uns nicht, gerade im Hinblick auf die hohen Kosten für die Studierendenschaft. Dann gibt es natürlich auch noch ein rechtliches Restrisiko.
akut  Was wird jetzt auf der grünen Hochschulgruppe? Wird sie jetzt zerfallen?
Horneber  Im Gegenteil, so ein Ereignis lässt uns noch mehr zusammenwachsen. Auch beschränkt sich die Arbeit der grünen Hochschulgruppe nicht aufs Studierendenparlament. Viele unserer Projekte können in nächster Zeit ganz normal weiterlaufen. Wir werden sogar noch mehr Zeit dafür haben, da die zwar wichtige, aber oft mühsame und zeitraubende Arbeit im Studierendenparlament wegfällt. Insbesondere für Leute, die vor allem inhaltlich gestalten wollen, werden wir jetzt attraktiver.
akut  Werdet ihr Wahlkampf machen? Für wen?
Horneber  In erster Linie machen wir natürlich für uns selbst Wahlkampf. Wir werden ja zu den Gremienwahlen der Universität antreten. Das wird aber sparsamer ausfallen als in den letzten Jahren. Für die SP-Wahlen empfehlen wir nicht eine bestimmte Gruppe. Das wäre auch wenig sinnvoll, da wir überzeugt sind, dass wir als Gruppe Themen und Prioritäten haben, die die anderen so nicht bieten. Aber wir unterstützen unsere bisherigen Koalitionspartner Jusos, LUST und Piraten, damit die erfolgreiche Arbeit des AStA fortgesetzt werden kann. 

 

 

 

Kommentar: Ah oh! – Zum Wahlkampf bei den Teletubbies

Von Florian Eßer

Illustration: Florian Eßer

Illustration: Florian Eßer

Teletubbieland (BONN/akut): Sogar der kindergesichtigen Sonne ist das Kichern vergangen, als es kurz vor der Wahl des XXXVII. KiKa-Parlamentes vom 19. bis zum 22. Januar zum Eklat kam. Allem Anschein nach wird die kommende Wahl nämlich ohne die ‚Grüne Partei Teletubbieland‘ (GPTL) stattfinden, wie der Ältestenrat beschlossen hatte. Grund für dieses Urteil ist gewesen, dass Dipsy, Spitzenkandidat der GPTL, die Liste seiner Partei nicht fristgerecht eingereicht hatte. Drei Sekunden zu spät sei diese bei Noo-Noo, Staubsauger und Leiter des Wahlausschusses, eingegangen. „Drei %*@!§ Sekunden!“, brüllt Dipsy, dessen Antenne aufgeregt wackelt. „Das ist überhaupt nicht belegbar, da frage ich mich doch wirklich, wer hat da an der Uhr gedreht?“ Nach einem längeren Hin und Her sei zunächst beschlossen worden, das Urteil zu revidieren und die GPTL doch noch zur Wahl zuzulassen. Doch zerstörte ein Antrag des ‚Rings Kindlich-Demokratischer Teletubbies‘ (RKDT) die anfängliche Freude bald. Diesem Antrag, die GPTL doch noch vom Wahlgeschehen auszuschließen, wurde vom Ältestenrat und dem Wahlausschuss schließlich stattgegeben. „Die Entscheidung des Ältestenrates ist unzumutbar“, kommentiert Dipsy die unzumutbare Entscheidung des Ältestenrates. „Die Wahl kann ich mir jedenfalls an den Hut stecken“, seufzt der leidenschaftliche Politiker, der vermutet, dass der Antrag des RKDT pure Berechnung statt Prinzipientreue ist.
Unterdessen geht der Wahlkampf weitestgehend ungestört weiter: Die Spitzenkandidierenden der verbliebenen Parteien, Po, Laa-Laa und Tinkiwinky, präsentierten bei der Tubbiefantenrunde am 14. Januar ihre Wahlkampffilmchen auf den in ihren Bäuchen integrierten Fernsehapparaten. „Die Filme können ohne Zeitgefühl verstanden werden und sollen der Fantasiewelt von Kindern bis maximal fünf Jahren entsprechen“, weiß Wahlexpertin Frau Vicky PeDia im Gespräch zu berichten. Geworben wird um die Gunst der Wähler, möglichst viele von ihnen sollen an den Wahltagen an die Urnen gelockt werden. 33.636 Teletubbies sind wahlberechtigt, aber nicht zwingend motiviert,  diese Berechtigung zu nutzen. Bei der letzten Wahl im Jahr 2014 waren es nur knapp 4.000 von ihnen, die ihre Stimme für eine der Parteien abgegeben hatten. PeDia weiß über das mangelnde Interesse an den Wahlen Bescheid. Anstatt im kleinen, aber dennoch wichtigen, Rahmen von ihrem Recht auf demokratische Abstimmungen Gebrauch zu machen, „spielen sie mit ihren Lieblingsspielzeugen, treffen sich, singen, kochen, backen, schlafen im Teletubbie-Haus oder gehen ähnlichen Aktivitäten nach“, so die Expertin. Woran das liegen mag? Man möchte mutmaßen, dass die Forderungen der Parteien sowie die Verbesserung des Hochschulwesens im Teletubbieland die Angesprochenen nicht ansprechen würden, dabei „hat die verwendete ‚Babysprache‘ den Vorteil, dass es die Sprachform der Kleinkinder ist, die sie verstehen“, erklärt PeDia unter Berufung auf die Quellenverweise ihrer Website.
Warum die Wahlbeteiligung dennoch am Existenzminimum dahinsiecht, bleibt also ein Rätsel. Faulheit muss es wohl sein, betrachtet man den zeitlichen Aufwand der Stimmabgabe von gefühlten drei Sekunden. Die selbe Zeitspanne, die Dipsy die Kandidatur kostete, könnte den Teletubbies, die es nicht zur Wahlurne schaffen, einiges mehr abverlangen. Auf dem Spiel steht die Repräsentation der eigenen Meinung in einem Parlament, welches die Interessen von möglichst allen Teletubbies vertreten soll. Um dies zu gewährleisten, ist eine Beteiligung seitens der Wahlberechtigten jedoch unumgänglich: „Die Sonne wird bald untergehen, die Teletubbies sagen auf Wiedersehen.“
Packen wir den Spaß und die Teletubbies aber einmal beiseite und widmen uns der Realität, die von Zeit zu Zeit ohnehin jegliche Satire in den Schatten stellt. Wenn drei Sekunden, die nicht einmal komplett bestätigt sind, weil man sich darüber streitet, ob überhaupt irgendjemand auf die Uhr geguckt hat, ausreichen, damit eine Hochschulgruppe von der Wahl des Studierendenparlamentes ausgeschlossen wird, dann ist das an sich schon genug Satire – alleine schon ein Witz. Zum Schießen. Dabei sollte man meinen, dass Witze nicht mehr lustig sind, wenn man sie erklärt. Ganz im Ernst: Wer wundert sich noch darüber, dass die Wahlbeteiligung auf Zimmertemperatur liegt? Auf den hochschulpolitischen Äckern herrscht Dürre, keine Frage, aber wenn der Wahlkampf nun selber schon zur Vogelscheuche wird, hässlich genug, um noch mehr potentielle Wähler von den Urnen fernzuhalten, dann ist die Schuld dafür nicht alleine bei den Wahlberechtigten zu suchen, sondern auch bei denen, die von diesen gewählt werden wollen. Wenn Parteien wegen der Zeitspanne eines Wimpernschlages ausgeschlossen werden, dann nimmt man damit auch den Studierenden die Möglichkeit, ihre Interessen im SP vertreten zu sehen. Wer erhofft sich was davon? Gönnen wir uns einen Augenblick, geschätzte drei Sekunden, um ein wenig zu spekulieren… Es gibt doch zwei Möglichkeiten. Erstens, diejenigen, die ihre Stimme der Grünen Hochschulgruppe gegeben hätten, wählen eine andere Partei, und dann muss man sich fragen, ob sich da nicht jemand selber eine Grube gegraben hat, oder zweitens, die selben potentiellen Grünenwähler wählen überhaupt niemanden, was der Wahlbeteiligung letztlich komplett die Schuhe ausziehen würde.
Möglichkeiten, die Beteiligung zu senken, gibt es also etliche: Eine Kritikfähigkeit wie der Kreml, ein Demokratiegefühl wie nordkoreanische Diktatoren, die Tatsache, dass Parteimitglieder einander verklagen, was nun wirklich kein Witz ist, und, jetzt einmal zusammengefasst: Ein Wahlkampf, schmutziger als die Spannervorfälle auf den Unitoiletten.
Auch wenn alle Zeichen das Gegenteil vermuten ließen, ist eine Beteiligung an den Wahlen deswegen dieser Tage wichtiger als je zuvor. Wer sich über die Weltpolitik aufregen kann und zu jedem Geschehnis auf der Erdkugel eine Meinung hat, dem sollte es wohl auch möglich sein, seine Meinung im Rahmen des Möglichen zu vertreten, vor Ort Dinge zu ändern, statt den Kopf in den Wolken und den Hintern auf der Couch zu haben. In der letzten Ausgabe der akut war das große Thema, dass wir Studenten und Studentinnen unengagiert, unpolitisch, unmotiviert und ganz generell uninteressiert seien. Jetzt gibt es die Möglichkeit, dass Gegenteil zu beweisen. Mir persönlich reicht nämlich ein „Un“ auf der Welt.
Für die Grünen mag es zwar „Wahl, winke, winke“ heißen, aber für den Rest von uns heißt es „Zeit für wahli, wahli!“. Denn so humorvoll, wie man mit ihr umgehen mag, so ernst ist die Parlamentswahl für eine Verbesserung unserer Studienbedingungen. Also alle fleißig wählen, wir sind ja schließlich keine Kinder.

 

Florian Eßer studiert Germanistik und Psychologie und ist großer Teletubbies-Fan. Davon, jemanden vom Spielen auszuschließen, hält er nichts.

Affenzirkus – äh, Elefantenrunde!

Ein Abend der hochschulpolitischen Grabenkämpfe – Auf der Elefantenrunde stellen die Spitzenkandidierenden der zur SP-Wahl antretenden Listen sich und ihre Positionen vor. Auf der Bühne saßen diesmal allerdings nur vier der fünf Spitzenkandidierenden – und Grumpy Cat.

Von Julia Faber

Die Elefantenrunde: Für Studierende eigentlich eine optimale Möglichkeit, die Spitzenkandidierenden der einzelnen Hochschulgruppen im Gespräch miteinander zu erleben, die einzelnen Positionen kennenzulernen und eigene Fragen zu stellen. Und auch für die Kandidierenden eine optimale Möglichkeit, eigene Positionen und Überzeugungen darzustellen und potentielle Wähler anzusprechen. Eigentlich. Denn tatsächlich haben an diesem Abend in der Mensa nur wenige SP-fremde Gesichter Anteil genommen – an dem Spektakel Elefantenrunde. Tatsächlich ging es auch weniger um ein Gespräch zwischen antretenden Kandidieren als um einen teils eher persönlichen als hochschulpolitischen Schlagabtausch der einzelnen Vertreter. Dabei begann alles recht gesittet. Moderator Kevin Scheuren von bonnFM saß inmitten der Runde aus Spitzenkandidierenden: Jana Klein (LUST), Lillian Becker (Jusos), Ronny Bittner (Piraten), Luc Kerren (RCDS) und Florian Even (LHG).
Nachdem sich alle kurz vorgestellt hatten, folgte der erste Höhepunkt des Abends: Jana Klein, Spitzenkandidatin der Liste undogmatischer StudentInnen, entschuldigt sich dafür, dass ihre Gruppe im letzten Jahr nicht an der Veranstaltung teilgenommen habe – dies wollten sie in diesem Jahr dafür in angemessener Weise tun. Noch bevor es zu überraschter Verwirrung im Saal kommen konnte – schließlich hatte die LUST  im vergangenen Jahr gleich nach einer kurzen Ansage, nicht an der Runde teilzunehmen, den Raum verlassen – wurde es LUSTig: Jana stand auf, setzte statt ihrer selbst eine Grumpy Cat aus Pappe auf ihren Stuhl und verließ unter Beifall der eigenen Hochschulgruppe die Bühne. Den Rest des Abends verfolgte die LUST dann vom Mensatisch abseits der Bühne mit, kommentierte ab und an von dort aus das Geschehen und nutzte später die Fragerunde, um zu einigen Punkten Stellung zu nehmen.
Der Rest der Kandidierenden beantwortete anfangs noch artig die Fragen von Moderator Scheuren, verwiesen auf große thematische Bandbreiten (Ronny Bittner, Piraten) und betonten, dass das Ausscheiden der Grünen Hochschulgruppe (ghg) sicherlich einen Einfluss auf die Wahlbeteiligung haben werde, schließlich falle eine Gruppe weg, die sonst hätte „mitmobilisieren“ können (Lillian Becker, Jusos). Jeder sprach artig ins Mikrofon, das – anders als bei den SP-Sitzungen – sogar dauerhaft angelassen wurde und nicht nach jedem Wortbeitrag vor dem Weiterreichen ausgeschaltet wurde – wie nett.
Weniger nett wurde es dann im weiteren Verlauf des Abends, Gesprächsbeiträge wurden immer öfter unterbrochen, das Ganze wurde zur Unterhaltung vieler und Überraschung weniger Anwesender recht hitzig. Während Florian Even (LHG) es zunächst noch recht diplomatisch versuchte und darauf hinwies, dass sich das Studierendenparlament (SP) manchmal vielleicht etwas zu ernst nehme, endete jegliche Diplomatie spätestens, als RCDS und LUST einen Zweikampf auszufechten begannen. Luc Kerren (RCDS) bezeichnete einige Flyer der LUST gleich mehrfach als „geistigen Müll“ und wies das Publikum darauf hin, dass man sich „mit solchen Leuten hier herumschlagen“ müsse – die LUST revanchierte sich, indem sie das Abschlussplädoyer des RCDS mit einer Handfurz-Komposition live begleitete. Ihr eigenes Abschlussplädoyer gestaltete sich – vermutlich in Absprache mit Grumpy Cat – als kollektives „Miau“.
Moderator Kevin Scheuren, der die Radioübertragung an diesem Abend vermutlich gern ab und an für etwas Werbung unterbrochen hätte, leitete schließlich die Fragerunde im Publikum ein, um die „Grabenkämpfe“ zu beenden.
Die Elefantenrunde: Eigentlich eine tolle Möglichkeit, Studierenden den Zugang zur Hochschulpolitik zu erleichtern, sie einzuladen in den Mikrokosmos „Hochschulpolitik“. Eigentlich. Denn ein solches Spektakel parteipolitischen Bashings mag für Menschen außerhalb der SP-Wirklichkeit nicht nur schwer verständlich, sondern auch schwer erträglich sein.