Wohin am Abend?

THEATER BONN: EINE SIZILIANISCHE VESPER
Theaterfotograf Thilo Beu Theater-Bonn

Ein Opernbesuch.

Oper und Theater spielen unter Bonner Studenten nur eine untergeordnete Rolle würde wir behaupten. Elitär, gestrig, teuer, insgesamt nicht sexy genug. Wie schade! Dabei sollen Stadttheater doch – frei nach Thomas Laue – Orte des „Diskurses über die Stadtgesellschaft und ihre Zukunft“ sein, die Lust haben „sich einzumischen und Verbindungen herzustellen.“ Nirgendwo kann man seine eigene Stadt besser entdecken, als auf der heimischen Bühne. Deswegen haben wir für euch am 25. Mai 2019 die Premiere von Verdis „Les Vepres Siciliennes“ besucht und können sie wärmstens für einen studentischen Operneinstieg empfehlen. Daher im Folgenden ein kleiner Vorgeschmack:

Schauplatz der „Sizilianischen Vesper“ ist Palermo 1282. Die Stadt leidet unter ihren französischen Besatzern. Die Widerstandskämpfer Henri, Procida und Herzogin Hélène wollen sie befreien. Hélène deswegen, weil der Anführer der Besatzer, Gouverneur Montfort, ihren Bruder getötet hat. Henri weil er Hélène liebt und sie die Rache ihres Bruders zur Bedingung für eine Beziehung gemacht hat. Procida wohl tatsächlich aus politischer Überzeugung. Die drei planen Montfort bei einem Maskenball am Abend zu ermorden. Unterdessen erfährt der Gouverneur durch einen Brief seiner verstorbenen Exfrau, dass Henri sein Sohn ist. Er lässt ihn zu sich bringen und eröffnet ihm, dass er sein Vater ist. Der verlorene Sohn verhindert daraufhin in emotionaler Zerrissenheit den Anschlag auf Montfort. Hélène, Procida und die übrigen Revolutionäre werden verhaftet, ihnen droht die Todesstrafe. Henri eilt ins Gefängnis, um sich Hélène zu erklären. Nachdem sie von den neuen Familienverhältnissen erfährt, verzeiht sie ihm und beschert den Zuhörern damit einen Gänsehautmoment. Montfort will den Aufständen ein Ende setzen und beschließt dafür die Hochzeit von Henri und Hélène. Procida hat währenddessen das Geläut der Hochzeitsglocken als Angriffszeichen für die Revolutionäre bestimmt. Das Friedenszeichen verkehrt sich in blutiges Gemetzel.

Die Bonner Inszenierung der „Sizilianischen Vesper“ hat alles, was zu einem gelungenen Opernabend gehört. Das Beethovenorchester brilliert unter der Leitung von Will Humburg. Gemeinsam schöpfen sie das Farbspektrum des Stückes voll aus: verhaltene Momente sind filigran und äußerst präzise, die großen Chorplateaus hingegen schwungvoll-imposant ausgestaltet. Bereits nach der Ouvertüre gab es – bemerkenswert und völlig zu Recht – Bravorufe. Das Besondere an diesem Verdi sind die tiefen emotionalen Kämpfe, die die Figuren auszufechten haben. Sie sind facettenreich, bisweilen widersprüchlich und folgen ihren eigenen Idealen. Obwohl Montfort der Antagonist des Stückes ist, schafft es Davide Damiani durch seine anrührende Darstellung echte väterliche Zuneigung auszustrahlen. Stimmlich transportiert er eine Verletzlichkeit, der man sich nicht entziehen kann. Leonardo Caimi als Henri trägt das Hin-und Hergerissen-Sein zwischen Vater, Liebe und Heimat mit einem starken Tenor, der gerade in den Höhen ein angenehm tiefes Timbre hat. Anna Princeva singt Hélène kämpferisch, den Besatzern gegenüber mit ungebeugtem Stolz. Sie funkelt und faucht sie an, ohne stimmlich schrill zu werden. Im Gegenteil, ihre Stimme hat in der Höhe eine beeindruckende, mitreißende Strahlkraft. Insgesamt versammelt sich an diesem Abend ein hochkarätig besetztes Ensemble auf den Bonner Brettern. Beeindruckend auch die eigens für die Inszenierung engagierten Tänzer. Sie zeigen mit dezidierter Körperbeherrschung aber existenziell, wild und echt die emotionalen Abgründe des Stückes. Ein Highlight des Abends ist die vertanzte Liebesgeschichte zwischen Montfort und Henris Mutter.

Bühnenbild und Inszenierung halten sich derweil im Hintergrund. Regisseur David Pountney hat sich mit Raimund Bauer für einen modernen, cleanen Bühnenraum entschieden. Das ist in zweierlei Hinsicht erfreulich: Erstens kommen so die Dramen auf der Bühne optimal zur Geltung. Zweitens muss man sich als Opernneuling nicht von pompösen ungewohnten Bildern abschrecken lassen. Natürlich ist dieses Setting nicht neu und macht es den Sängern auf der Bonner Bühne besonders im ersten Akt auch nicht leicht „über den Graben“ zu kommen, Raum und Geschichte greifen an den entscheidenden Stellen aber gut ineinander.

Insgesamt könnt ihr mit diesem Verdi einen mitreißenden Opernabend erleben. Wir sind jedenfalls mit dem restlichen Premierenpublikum zu standing ovations aufgesprungen.

Die nächsten Vorstellungen finden am 15., 23., 27., 29.6. und am 5.7 statt. Ihr müsst euch auch nicht weit im Voraus um Karten bemühen, Studenten bekommen nämlich an der Abendkasse Karten für 15 €. Es reicht also, wenn ihr 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn mit eurem Studentenausweis an der Kasse im Opernhaus seid. Außerdem gibt es regelmäßig besondere Studentenaktionen, die ihr hier findet. Ab nächstem Semester habt ihr mit dem Kulturticket auch die Möglichkeit an der Abendkasse Restkarten für nur 3€ zu erwerben. Wer trotzdem mit dem Format Oper fremdelt: in der nächsten Akut gibt es ein „How to… Opernbesuch“. Also auf bald bei einem Glas Wein im Opernfoyer!

Ein Artikel von Jessica Magdalena Graeber unter Mitarbeit von Elin Baumeister.

THEATER BONN: EINE SIZILIANISCHE VESPER
Theaterfotograf Thilo Beu Theater-Bonn