E-Learning – Uni am Computer

Für uns Digital Natives optimal. Oder?

E-Learning ist im Kommen. Wir fragen: Wie sinnvoll sind die neuen Methoden, und müssen wir beim E-Learning nicht auch auf etwas verzichten?

Zunächst etwas Input: Was ist E-Learning überhaupt? Michael Kerres, Pionier des E-Learnings im deutschsprachigen Raum, definiert E-Learning als „Lernangebote, bei denen digitale Medien für die Präsentation und Distribution von Lerninhalten und / oder zur Unterstützung zwischenmenschlicher Kommunikation zum Einsatz kommen.“
Es gibt unterschiedliche Arten des E-Learnings, wobei an deutschen Hochschulen vor allem das sogenannte „Blended Learning“ praktiziert wird – eine Kombination aus Präsenzvorlesungen und virtuellen Lerneinheiten.
Auch an der Universität Bonn gibt es Aktivitäten in diesem Bereich. In Zusammenarbeit mit dem Bund-Länder-Programm „Qualitätspakt Lehre“ entwickelt und erweitert die Universität momentan den differenzierten Einsatz von E-Learning-Angeboten, vor allem in Form des Blended Learnings. Mit der didaktischen und elektronischen Aufbereitung von beispielsweise E-Klausuren oder digitalen Lehr- und Lernmedien ist das Team der eCampus-Plattform beauftragt.
Das Ziel des E-Learning-Angebots sieht Pressesprecher Dr. Andreas Archut darin, „einen hohen Qualitätsstandard zu erreichen“.
Voraussichtlich zum Sommersemester 2014 sollen Aufzeichnungen von Vorlesungen in erste Veranstaltungen versuchsweise integriert werden, die technischen Vorbereitungen dazu befinden sich in der Umsetzungsphase.
Noch weiter gehen Universitäten, die sich dafür entscheiden, ihre Lehrangebote in Form von sogenannten Massive Open Online Courses (Moocs) öffentlich zu machen, sodass nicht nur ihre eigenen Studierenden, sondern ein quasi unbeschränkter Interessentenkreis kostenlos darauf zugreifen kann. Vorreiter dabei sind ausgerechnet die Eliteuniversitäten Stanford und Harvard, deren Kurse normalerweise nur einer ausgewählten und begüterten Minderheit zugänglich sind. Auf der Internetseite www.edx.org kann jeder kostenlos auf Vorlesungen der besten Universitäten der Welt zugreifen, sich anschließend beim sogenannten Peer-to-peer-Learning mit anderen Teilnehmern austauschen und am Ende des Moocs sogar eine Prüfung mit Zertifikat ablegen.

 

Pro

E-Learning ist voll cool

Digitale Formen des Lernens sind in einer Zeit, in der das Internet uns überallhin begleitet und viele auch im Hörsaal konstant online sind, nur ein logischer Schritt.
Formen des E-Learnings bieten verschiedene Vorteile und können den Uni-Alltag erheblich erleichtern. Vor allem wenn Präsenzveranstaltungen aus welchen Gründen auch immer nicht besucht werden können, bieten digitale Vorlesungen eine gute Möglichkeit zur Nacharbeit. Ob im Krankheitsfall, bei Veranstaltungsüberschneidungen, bei Studierenden mit Kind oder Jobs mit festen Arbeitszeiten – Onlinekurse sorgen für eine freiere Zeiteinteilung und mehr Flexibilität.
Auch wenn man konkrete Teile einer Vorlesung nicht gleich beim ersten Hören verstanden hat oder vor der Klausur noch einmal wiederholen und die Mitschriften vervollständigen will, können Lernangebote im Internet sehr nützlich sein.
Genau wie mit freiwilliger Anwesenheit wird auch durch die Möglichkeit, online zu lernen, den Studierenden Selbstständigkeit und Eigenverantwortung im Studium zugetraut.
Universitäten können durch die neuen Methoden darüber hinaus Kosten für Personal und Räume sparen.
Gleichzeitig bieten online abrufbare Vorlesungen die Möglichkeit der Evaluation. Denn wenn eine Vorlesung eloquent und inhaltlich gut gemacht ist, geht man auch gerne hin, während hingegen langweilige und schlechte Veranstaltungen in nicht-virtueller Form so oder so im Laufe des Semesters immer leerer werden. Wenn sie online zugreifbar wären, ließe sich wenigstens herausfinden, ob es sich um ein generelles Desinteresse der Studierenden handelt oder ob die Massenabwesenheit wegen anderer Verpflichtungen zustande kommt und die Veranstaltung zumindest nachgehört wird.
Über das eigene Fach hinaus kann man über freie Vorlesungen aber auch in andere Fachgebiete hineinhören und sich so – wie von den Unis so oft gefordert – „über den Tellerrand“ hinaus bilden und zudem auch Themen vertiefen, die an der eigenen Uni überhaupt nicht angeboten werden.
Dozenten verschiedener Unis können vom Material anderer profitieren und interessierte Studierende sowie Wissbegierige aller Art können durch die digitale Lehre nicht nur ihr eigenes Studium vertiefen, sondern sogar in anderen Fachgebieten auf Vorträge auf hohem Niveau zugreifen und sich somit selbstständig weiterbilden.

Contra

Mehr Zwischenmenschlichkeit wagen!

Was wäre das für ein Studium, wenn es darin bestünde, alleine am Schreibtisch zu sitzen und auf einen Bildschirm zu starren, auf dem irgendein Professor, den du noch nie persönlich getroffen hast, seinen Stoff runterspult, und zwar für dich und tausend andere Mitstudierenden, die du aber nicht kennst, weil sie an ihren Computer gefesselt sind, vielleicht am anderen Ende Deutschlands?
Das ist natürlich übertrieben. E-Learning bedeutet nicht, dass jede Universität zur Fernuni wird. Dadurch dass ein großer Teil der Lern- und Lehrmaterialen sowie ganze Vorlesungen über das Internet verfügbar sind, besteht die Gefahr der Isolation jedoch durchaus. Keine gemeinsamen Vorlesungsbesuche mit Kommilitonen, keine Gruppenarbeiten, keine Referate. Vor allem problematisch dabei ist, dass durch mangelnden persönlichen Kontakt und Austausch Fragen ungeklärt und Missverständnisse vielleicht sogar unbemerkt bleiben. Die Studierenden werden überfordert mit einem Überangebot an Materialen und Dateien, während die Professoren in schwach bis gar nicht besetzten Hörsälen referieren.
Zu befürchten ist außerdem, dass E-Learning-Materialen vor allem technisch und weniger didaktisch aufgearbeitet werden. Für manche Fächer und Inhalte ist E-Learning zudem schlichtweg ungeeignet, beispielsweise für das Erlernen mündlicher Fremdsprachenkompetenz.
Hinzu kommt, dass E-Learning ein hohes Maß an Selbstdisziplin, Eigenmotivation und Zeitmanagement erfordert. Obwohl das natürlich Grundvoraussetzungen im Studium sein sollten, können zeitunabhängig abrufbare Materialien die unter Studierenden sowieso schon weit verbreitete Aufschiebe-Mentalität zusätzlich fördern.
Für die meisten jungen Studierenden ist die Medienkompetenz, die E-Learning-Angebote fordern, zwar kein Problem, ältere (Gast-)Hörer könnten daran jedoch scheitern und würden so von der Weiterbildungsmöglichkeit ausgeschlossen.
Die Einführung von E-Learning-Angeboten erfordert zudem anfänglich hohe finanzielle und zeitliche Investitionen.

Das Haus, das Verrückte macht

Die Leiden des Magisters K.

Nach dem abgeschlossenen Magisterstudium promovieren – eigentlich kein Problem. Dumm nur, wenn die Bürokratie und die Bologna-Reform dazwischenfunken.

Donnerstag, 12.7.2012:
Ich erhalte mein Magisterprüfungszeugnis. Da ich promovieren will, bleibe ich eingeschrieben.

Wintersemester 2012/13:
Ich einige mich mit Herrn Professor Dr. B. auf ein Thema für meine Dissertation, erarbeite eine Gliederung derselben und beginne mit den Recherchen.

Donnerstag, 14.2.2013:
Ich überweise den Sozialbeitrag für das Sommersemester 2013. Nichts deutet auf irgendeine Abweichung vom altgewohnten Prozedere hin.

März 2013:
Ich warte auf die üblichen Unterlagen (Studentenausweis etc.) für das Sommersemester.

Dienstag, 26.3.2013:
Die Unterlagen sind noch nicht angekommen. Voll Misstrauen gegen die Post suche ich das Studentensekretariat auf, um nachzufragen. Man teilt mir mit, dass die Magisterstudiengänge ausgelaufen sind und ich daher vor der Wahl stehe, mich exmatrikulieren zu lassen (und mein Geld zurückzuerhalten) ODER mich in Evangelische Theologie umschreiben zu lassen, das letzte Fach, in dem es den Magisterstudiengang noch gibt. Tue ich keins von beidem, werde ich am 1. April (offizieller Semesterbeginn) automatisch exmatrikuliert, erhalte aber den Sozialbeitrag NICHT zurück (bis auf den Anteil für das Semesterticket, auf Antrag beim AStA). Dies wäre auch (ohne Vorwarnung!) geschehen, wenn ich mich nicht bzw. erst nach dem 1. April erkundigt hätte. Da ich als katholische Karteileiche das Ansinnen, mich – und sei es nur pro forma – für Evangelische Theologie einzuschreiben merkwürdig finde, erbitte ich Bedenkzeit.

Mittwoch, 27.3.2013:
Ich bin wieder im Studentensekretariat und teile meinen Wunsch mit, in Evangelische Theologie umgeschrieben zu werden. Da die normale Einschreibefrist längst verstrichen ist, kostet mich dies fünf Euro Verspätungsgebühr. Man schickt mich zum Bezahlen zur Universitätskasse. Die Universitätskasse schickt mich zurück ins Studentensekretariat, um ichweißnichtmehrwasfüreinformular zu holen. Ich gehe ins Studentensekretariat, hole ichweißnichtmehrwasfüreinformular, gehe damit zur Universitätskasse und darf bezahlen. Anschließend begebe ich mich gemäß den Anweisungen des Studentensekretariats zur Evangelisch-Theologischen Fakultät. Sie ist nicht zugänglich, Kontakt mit den Insassen nur über eine Sprechanlage möglich. Eine Frauenstimme teilt mir mit, ich solle morgen wiederkommen.

Donnerstag, 28.3.2013:
Ich stehe wieder vor der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Eine Männerstimme erklärt mir, ich sei falsch informiert worden, Sprechzeiten seien Dienstags und Freitags, diesen Freitag aber nicht, da es Karfreitag sei. Ich gehe ins Studentensekretariat, erzähle meine Geschichte und erhalte die gewünschten Unterlagen. Auf dem Studentenausweis steht „Angestr. Abschluß* Magister Theologiae – Studienfach Evang. Theologie – Fsem. 1“. Die Einschreibung bei der Evangelisch-Theologischen Fakultät könne ich im Laufe des Semesters nachholen, angeblich hat man mir dies bereits so erklärt. Wenn ich die Betreuungsvereinbarung mit meinem Dozenten habe, soll ich wiederkommen und mich in den Promotionsstudiengang umschreiben lassen.
*sic

Dienstag, 23.4.2013:
Professor Dr. B.s erste Sprechstunde im Semester. Ich erfahre, dass es die fraglichen Formulare im Internet auf der Dekanatsseite gibt, ich solle sie ausfüllen und zum Unterschreiben in die nächste Sprechstunde bringen.

Dienstag, 30.4.2013:
Die Sprechstunde fällt wegen Krankheit aus.

Dienstag, 7.5.2013:
Der genesene Professor Dr. B. unterschreibt die Betreuungsvereinbarung und den Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase.

Mittwoch, 8.5.2013:
Ich will den Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase im Dekanat abgeben, erkenne aber zuvor, dass ich den als Anlage geforderten Nachweis über ein abgeschlossenes Studium (=Magisterprüfungszeugnis) vergessen habe mitzunehmen. Gut, mein Fehler, aber wie töricht müsste ein Dozent sein, einen Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase zu unterschreiben, wenn er nicht WEISS, dass der Student das Studium abgeschlossen hat??? Ein bisschen mehr Vertrauen der Universität zu den eigenen Professoren könnte sicher nicht schaden.

Donnerstag, 9.5.2013:
Christi Himmelfahrt.

Dienstag, 14.5.2013:
Ich suche das Studentensekretariat auf und zeige meine Betreuungsvereinbarung vor. Man teilt mir mit, die Mitarbeiterin, die mir gesagt hatte, die Unterschrift des Betreuers genüge, um mich in den Promotionsstudiengang umzuschreiben, arbeite nicht mehr hier. Ich bräuchte auch die Unterschrift des Dekanats. Dass ich im Falle meiner automatischen Exmatrikulation mein Geld nicht zurückbekommen hätte stimme auch nicht, da sei ich falsch informiert worden. Ich schlage die Wartezeit (Sprechstunde des Studentensekretariats 10-12 Uhr, des Dekanats 14-15 Uhr) tot und suche das Dekanat auf, wo ich ja ohnehin meinen Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase abgeben muss (das Zeugnis habe ich diesmal dabei). Im Dekanat teilt man mir nach einem Blick auf das Zeugnis mit, die Zulassungsgrenze zur Promotion von 2,5 gelte nicht nur für die Gesamtnote der Magisterprüfung (2,3), sondern AUCH für die Note der Magisterarbeit (3,1). Da diese schlechter sei, müsse ich einen Antrag an den Promotionsausschuss schreiben, um eine Ausnahmegenehmigung zu erbitten. Auch eine Befürwortung des Betreuers sei nötig. Ich verabschiede mich perplex. Zu Hause durchforste ich noch einmal die Promotionsordnung, die ich mir längst besorgt hatte. Dort heißt es in § 7, Abs. 2: „Ein qualifizierter Abschluß* im Sinne von Abs. 1 liegt vor, wenn mindestens die zweitbeste Note erreicht wurde.“
*sic

Abläufe der Universitätsbürokratie (vereinfachte Darstellung).

Abläufe der Universitätsbürokratie (vereinfachte Darstellung).

Donnerstag, 16.5.2013:
Ich besuche das Master- und Doktorandencolloquium von Professor Dr. B. und erkläre ihm anschließend die neue Situation. Er ist bereit, die Befürwortung zu schreiben, ich könne sie am Dienstag in seinem Sekretariat abholen. Mein eigener Antrag könne formlos sein. Eine Bemerkung meinerseits über die Promotionsordnung kommentiert er mit einem resigniertem: „Papier ist geduldig.“

Dienstag, 21.5.2013:
Ich bekomme in Professor Dr. B.s Sekretariat einen an den Prodekan addressierten Briefumschlag ausgehändigt. Das Dekanat hat bis zum 27.5. Pfingstferien.

Montag, 27.5.2013:
Ich gebe im Dekanat meinen Antrag auf Ausnahmegenehmigung, den Briefumschlag von Professor Dr. B., den Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase, die Betreuungsvereinbarung und eine Kopie meines Magisterprüfungszeugnisses ab. Man nimmt alles freundlich entgegen und teilt mir mit, dass der Promotionsausschuss das nächste Mal am 1. Juli tagt; ich werde dann so bald wie möglich informiert.

Donnerstag, 4.7.2013:
Noch keine Benachrichtigung. Ich wende mich nach dem Doktorandencolloquium an Professor Dr. B.; er weiß auch noch nichts, vermutet Überlastung des Dekanats wegen einer Fakultätssitzung und nimmt an, dass die Benachrichtigung „heute oder morgen“ in der Post ist. Dass der Antrag abgelehnt würde, kann er sich „eigentlich nicht vorstellen.“

Montag, 8.7.2013:
Immer noch keine Benachrichtigung. Ich suche das Dekanat auf. Man teilt mir mit, die Promotionsausschusssitzung sei leider auf Oktober verschoben worden, möglicherweise fände sie aber auch früher statt. Ich würde dann informiert.

Dienstag, 9.7.2013:
Ich suche das Studentensekretariat auf. Man erklärt mir, ich könne auch für das nächste Semester Magisterstudent in der Evang. Theologie bleiben und mich dann auch rückwirkend in den Promotionsstudiengang einschreiben lassen. Immerhin!

Donnerstag, 5.9.2013:
Die Unterlagen für das Wintersemester 2013/14 kommen an. Immerhin. Ich bin nun also Evangelischer Theologe im 2. Fachsemester.

Montag, 14.10.2013:
Beginn des Wintersemesters. Noch keine Nachricht vom Promotionsausschuss.

Montag, 4.11.2013:
Immer noch nichts. Ich suche das Dekanat auf, es hat geschlossen.

Dienstag, 5.11.2013:
Ich suche das Dekanat auf. Man teilt mir mit, die Promotionsausschusssitzung habe noch nicht stattgefunden, sie fände aber „definitiv“ am 13. November statt, „also nächste Woche“ (die Dame muss mir angesehen haben, dass mir auf der Zunge lag zu fragen: „13. November welchen Jahres?“). Ich würde dann sofort informiert.

Montag, 18.11.2013:
Nach wie vor keine Benachrichtigung. Ich suche das Dekanat auf, „Guten Tag, K. ist mein Name, ich war vor zwei Wochen…“ „Ist angenommen!“ Die schriftliche Bestätigung bekomme ich wegen Computerproblemen in einer Woche. „Aha. Na ja,“ sage ich, „nach sechs Monaten kommt es da jetzt auch nicht mehr drauf an.“ „Genau!“, antwortet die Dame und lächelt so freundlich, dass ich kurz nach Verlassen des Dekanats den Impuls verspüre, zurück zu gehen und zu sagen: „Entschuldigen Sie bitte vielmals, es waren ja nur fünfeinhalb! Nichts für ungut!“ Ich tue es dann aber doch nicht – und das erweist sich als richtig, denn:

Montag, 2.12.2013:
Noch keine Benachrichtigung. Ich suche das Dekanat auf. An seiner Tür hängt ein Zettel (wörtlich): Am Freitag, 29.11.2013 ist das Promotionsbüro geschlossen. Am Montag, 02.12.2013 fällt die Sprechstunde aus.

Dienstag, 3.12.2013:
Ich suche das Dekanat auf. Ich erfahre, das der Dekan letzte Woche nicht da war, mein Antrag jetzt aber „zur Unterschrift bereit liegt.“ Ich hätte gedacht, dass er (der Antrag) das schon seit dem 27.5. tut (siehe oben), aber gut…

Samstag, 7.12.2013:
DIE PROMOTIONSBESTÄTIGUNG TRIFFT EIN! Ich will mich gewiss nicht beklagen, aber warum datiert die Unterschrift des Dekans auf den 29.11.2013?

Montag, 9.12.2013:
Ich suche das Studentensekretariat auf. Fünf Minuten später verlasse ich es im 1. Fachsemester des Promotionsstudienganges Geschichte. Mein Theologen-Ausweis wird einbehalten.

FINIS

Probieren vorm Studieren

Student for one week oder gleich student for life?

Die Schule ist aus – nun heißt es: Raus in die Welt! Ein Studium verspricht spannende Möglichkeiten, sich selbst zu erleben. Neue Stadt, neue Leute, neuer Schwung – doch wohin eigentlich? Viele SchülerInnen sind mit diesen Fragen zum Ende ihrer Schulzeit überfordert.

Der Erziehungswissenschaftler Wilhelm Heitmeyer spricht davon, dass die Entscheidungsfreiheit moderner Gesellschaften gleichzeitig auch Entscheidungszwänge mit sich bringt. Das erleben auch viele Schüler und Schülerinnen so, die Angebote der Schulen bieten da keine finale Lösung an. Trotz Versuchen, Schule und Hochschule besser zu vernetzen und das häufige Gefühl der Orientierungslosigkeit zu verringern, liegt die Studienabbruchquote an deutschen Hochschulen im Jahr 2010 bei 28 Prozent. Solche Zahlen wie die der Hochschul-Informations-System GmbH weisen unbarmherzig auf die große Problematik der Qual der Wahl hin.

Im Jahr 2009 entstand in Freiburg daher der Gedanke, ein Projekt zugunsten der Vernetzung von Studierenden und Studieninteressierten zu entwickeln. Zwei Jahre später ging das Konzept „Student for one week“ als Online-Plattform ans Netz und als Idee an die Schulen und Hochschulen Deutschlands.

Das Konzept scheint simpel: Studierende registrieren sich und erklären sich bereit, Studieninteressierten einen Einblick in ihr Studium und Uni-Leben zu ermöglichen. Das umfasst die Begleitung in den Hörsaal ebenso wie zum abendlichen Hochschulsport oder in den Irish Pub. Natürlich können sich die TeilnehmerInnen selbst überlegen, wie sie die gemeinsame Zeit gestalten. Im Idealfall wird auch eine Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt. Den Initiatoren ist aber bewusst, dass dies nicht immer funktionieren kann. Das Matching ist nach der Registrierung über Steckbriefe auf der Plattform möglich. Damit der willige Student oder die Studentin abgesehen vom Gute-Tat-Gefühl dabei nicht ganz leer ausgeht, gibt es neben einer individuell vereinbarten Aufwandsentschädigung auch ein Zertifikat, auf dem das Engagement bestätigt und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung bekräftigt wird.

Konkret beworben wird das Projekt durch Schul- und Hochschulvertreter. Diese werben an den jeweiligen Stellen für das Projekt und versuchen, weitere Vertreter zu akquirieren. Deutschlandweit gibt es derzeit etwa 50 Hochschulvertreter – für die Uni Bonn ist Julia Schächtle zuständig. Sie selbst studiert Ernährungswissenschaften und hat einen ganz persönlichen Bezug zum Projekt: Nachdem sie ein Semester in Hamburg studiert hatte, wollte sie über „Student for one week“ eine Woche ins Bonner Studierendenleben hineinschnuppern. Leider ergab sich mangels registrierter Studierender keine Möglichkeit für sie. Anreiz genug: „Ich fand es schade, diese Möglichkeit nicht zu haben und wollte mich dafür einsetzen, dass anderen eine solche Gelegenheit zukommt.“ Seit sie in Bonn studiert und auch als Hochschulvertreterin aktiv ist, hat sie auch bereits Schülerbesuch bekommen – und das mit Erfolg.
„Die Schülerin wird sich zum Sommersemester dieses Jahres an der Uni Bonn einschreiben“, freut sich Julia, ergänzt aber zugleich: „Ich hätte mich auch gefreut, wenn sie sich wegen der Erlebnisse gegen die Uni Bonn entschieden hätte, auch dann wäre das Programm hilfreich für sie gewesen.“

Hochschulvertreterin Julia Schächtle möchte mehr Bonner Studierende für das Projekt begeistern.

Hochschulvertreterin Julia Schächtle möchte mehr Bonner Studierende für das Projekt begeistern.

Mittlerweile umfasst das Netzwerk deutschlandweit knapp 1200 Studierende und etwa 1800 Studieninteressierte. In Bonn gibt es allerdings bisher trotz der großen Zahl von etwa 30.000 Studierenden erst sieben Registrierte aus drei Studiengängen. „Da ist noch Luft nach oben“, meint Andrea Grugel, Leiterin der Abteilung für Identifikation und Veranstaltung an der Uni Bonn.
Auch der Rektor und Vertreter des Alumni-Netzwerkes zeigen sich interessiert am Projekt und suchen gemeinsam mit Julia Schächtle nach Wegen, das Projekt unter Studierenden bekannt zu machen und langfristig auch mehr Schüler für die Idee einer solchen Schnupperwoche zu begeistern.

Alena Schmitz, Vorsitzende des AStA Bonn, zeigt sich ebenfalls interessiert an einer solchen Möglichkeit der Hilfestellung für Studieninteressierte. Im Rahmen der Projektvorstellung schlägt sie vor, ergänzend eine Plattform für den Austausch von Erfahrungsberichten einzurichten. So könne man gegenseitig von Erfahrungen über positive Erlebnisse auch gerade auch über Schwierigkeiten profitieren. Kritische Nachfragen zum Projekt gibt es hinsichtlich des Rechtsschutzes. Wer übernimmt die Verantwortung für Schüler unter 18 Jahren? Wie sollen die gemeinsamen Abende und der Einblick in den Studienalltag inklusive Kneipentour rechtlich abgesichert werden? Hinsichtlich dieser Fragen scheint auch Julia Schächtle überfragt.

Weitere Informationen zum „Studieren probieren“ und „Gastgeber sein“ gibt es auf der Homepage des Projekts
www.oneweekstudent.de. Und Probieren schadet schließlich nicht.

Hilfe für Hilfskräfte

Nicolas Hensel kämpft für die Rechte der SHK

Als studentische Hilfskraft (SHK) wird man Teil des Universitätsbetriebs und hat dadurch entsprechende Rechte und Pflichten. Eine Projektstelle im AStA hat es sich zur Aufgabe gemacht, für diese Rechte zu streiten.

Eine Stelle als Studentische Hilfskraft (SHK) an einem der Institute der Uni ist für viele Studierende ein Traumjob, denn sie bietet eine Menge Vorteile: Eine Tätigkeit mit Bezug zum Studium, die sich gut im Lebenslauf macht und mit der man dazu auch noch Geld verdient.
Doch als SHK zu arbeiten ist eben auch ein Job, ein Beschäftigungsverhältnis wie andere auch und daher auch in vielen Fällen mit Anstrengung, Stress und Verantwortung verbunden.
Aber wer kümmert sich um die arbeitsrechtlichen Interessen der SHK und vertritt ihre Rechte? Immerhin treten wohl die wenigsten von ihnen für den Studentenjob einer Gewerkschaft bei, und eine Personalvertretung an der Uni gibt es bislang nicht.
Seit April 2013 beschäftigt sich Nicolas Hensel (21), Mitglied der Juso-Hochschulgruppe, genau mit dieser Aufgabe. Er besetzt die „Projektstelle Sozialpolitische Aufgaben“, die dem AStA-Vorsitz unterstellt und lokal im Zimmer des Referats für Hochschulpolitik in den AStA-Räumlichkeiten angesiedelt ist.
Nicolas studiert im vierten Semester Politik und Gesellschaft und Islamwissenschaft und ist seit  Januar 2013 Mitglied der Juso-HSG. Als ihm die Projektstelle angeboten wurde, die auf Initiative seiner Hochschulgruppe eingerichtet wurde, entschied er sich dafür, sie inhaltlich in die Richtung einer SHK-Vertretung zu definieren.

Nicolas Hensel bei der Arbeit.

Nicolas Hensel bei der Arbeit.

„Die Arbeit ist für mich eine gute Möglichkeit, mich an einem Punkt einzusetzen, wo Leute direkt betroffen sind. Es reizt mich, dass es hier nicht um das große Ganze geht, sondern dass es etwas Spezifisches ist.“
Seitdem ist er die Kontaktperson für die SHK. Er bietet in einer wöchentlichen Sprechstunde Beratung und Infomaterial bei arbeitsrechtlichen Fragen und Problemen. Seine Hauptaufgabe liegt jedoch in seinem eigenen Projekt – einer Umfrage unter allen SHK der Universität Bonn.
Dabei hatte er anfänglich mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen: Die Recherche gestaltete sich als arbeitsintensiv. Aufgrund von Datenschutz und einer fehlenden Zentralverwaltung der SHK musste Nicolas jedes Institut einzeln anschreiben und zusätzlich dazu die SHK, deren Adressen ihm bekannt waren – insgesamt also gut 300 Mails.
Dabei stieß er auch auf erhebliche Unterschiede zwischen den Instituten. Bei einigen werden die Hilfskräfte selbst auf den Homepages genannt, bei einigen ist gar nicht klar, wer überhaupt als SHK zählt, oder diese werden mehr oder weniger unter den Tisch fallen gelassen. Dementsprechend unterschieden sich auch die Rücklaufquoten. Von den insgesamt 2210 an der Uni angestellten Studentischen Hilfskräften (Stand Februar 2014) hat Nicolas bisher 367 Rückmeldungen erhalten.
Das Ziel der anonymen Umfrage ist es, sich ein Bild von der momentanen Situation der Hilfskräfte zu verschaffen. Die Fragen betreffen das Beschäftigungsverhältnis, die Stundenzahl, die generelle Zufriedenheit mit dem Job, aber auch mögliche Probleme wie beispielsweise mit der pünktlichen Überweisung von Zahlungen oder hinsichtlich der Verlängerung von Verträgen. Daraus soll dann eine aussagekräftige Statistik erstellt werden, mit der man auf empirischer Basis argumentieren kann. „Man könnte ja meinen, eine Umfrage beschreibt nur und verbessert nichts, doch sie kann auch als verstärktes Argument gegen die Uni dienen“, so Nicolas. Die bisherigen Ergebnisse seien übrigens „teilweise erfreulich, aber bekannte Probleme werden auch deutlich.“ So werden die SHK oft nicht über ihre Rechte informiert, zum Beispiel, dass sie Anspruch auf bezahlten Urlaub haben oder krankheitsbedingte Fehlstunden nicht nacharbeiten müssen.
Durch die Stelle lernt auch Nicolas selbst viel über Arbeitsrechtliches und macht außerdem erste Erfahrungen mit Gewerkschaftsarbeit. Teil seiner Stelle ist nämlich auch die Mitarbeit in der „Tarifini NRW“, einem Vernetzungstreffen von verschiedenen ASten, Hochschulgruppen und Gewerkschaften auf Landesebene. Gefordert wird dort unter anderem eine vollwertige Personalvertretung für studentische Beschäftigte auf Uni-Level und die Aufnahme der SHK in den Tarifvertrag der Länder.
Nicolas ist deshalb auch in Kontakt mit dem Rektorat der Uni Bonn, um zu verhandeln, inwieweit man hier Verbesserungen durchführen kann. Eine mittelfristige Möglichkeit wäre zum Beispiel ein Leitfaden zur Einstellung von SHK, durch den diese besser informiert werden würden.
Er ist dabei von der Wichtigkeit seiner Tätigkeit überzeugt: „Wir brauchen mehr Solidarität für Leute, die einen wichtigen Beitrag zum Ablauf an der Uni leisten.“
Auch wenn das Thema vielen trocken erscheinen mag, Nicolas merkt man die Begeisterung für seine Stelle an: „Für mich ist es eine super Möglichkeit, mein Studium direkt anzuwenden und das auch noch für einen guten Zweck. Das passt doch gut zusammen!“

„Man hat nie wirklich Feierabend“

Interview mit Frau Dr. Jasmin Khosravie

Frau Dr. Khosravie, im Fokus Ihrer Forschungsarbeit steht die islamische Welt. Haben Sie eine besondere Verbindung zu diesem Raum?
Ja, im Mittelpunkt meiner Arbeit steht vor allem iranische Geschichte. Mein Zugang zu diesem Raum hat einen persönlichen Hintergrund – mein Vater kommt aus dem Iran. Ich habe mich aus mehreren Gründen entschieden, Islamwissenschaft zu studieren: Einer davon war, dass mir in meiner Schulzeit die Geschichte über den muslimisch geprägten Raum viel zu kurz kam. Ein andere war meine Leidenschaft fürs Sprachenlernen. Vor allem habe ich mich von Neugier und Interesse leiten lassen, als ich diese Entscheidung getroffen habe.

Sie lehren seit mehreren Jahren an der Universität Bonn und sind dort 2010 promoviert worden. Derzeit arbeiten Sie an Ihrer Habilitation. Was hat Sie motiviert, sich für eine wissenschaftliche Karriere zu entscheiden?
Ich habe mich für eine wissenschaftliche Karriere entschieden, als ich meine Doktorarbeit geschrieben habe. Es war von Anfang an klar, dass ich nach der Promotion weiter machen werde. Mir macht es wahnsinnig viel Spaß, mich intensiv mit einem Themenkomplex zu beschäftigen und tief in ein Thema einzutauchen.

Was schätzen Sie an Ihrer Tätigkeit als Forscherin an der Uni, welche Nachteile bringt diese Beschäftigung mit sich?
Was ich sehr schätze, ist die Freiheit. Die Freiheit, so arbeiten zu können, wie ich das möchte. Was ich ebenfalls schätze, ist der inspirierende Austausch und die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen – darauf möchte ich nicht verzichten. Außerdem ist die Uni ein Umfeld, in dem man ständig dazu lernt – auch abseits meines Fachs, das gefällt mir sehr.
Natürlich gibt es auch Nachteile. Als Mutter eines kleinen Kindes ist es immer kompliziert, Vollzeit Karriere zu machen. Es ist nicht immer einfach, überall präsent zu sein, zum Beispiel bei abendlichen Vorträgen oder an internationalen Konferenzen teilzunehmen. Andererseits erlaubt mir meine Forschungsarbeit flexibel zu sein, was die Kinderbetreuung wiederum auch einfacher macht.

Kann man von einem gewissen Druck sprechen, wenn man in der Forschung tätig ist?
Der Druck ist auf jeden Fall da. Druck, zu veröffentlichen, Druck, in der Fachwelt präsent zu sein, Druck, sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten zu hangeln und Anträge zu schreiben. Bei einer wissenschaftlichen Karriere hat man nie wirklich Feierabend. Man hat zwar viel Freiheit, aber die Frage ist: Wie geht man mit der Freiheit und dem gleichzeitigen Druck um?

Dr. Jasmin Khosravie hat Islamwissenschaften in Köln, Bonn und Toronto studiert. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte Irans und Mittelasiens, Gender Studies und die islamische Mystik. Frau Khosravie lehrt seit mehreren Jahren am Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn. 2010 wurde sie dort mit einer Arbeit über die iranische Publizistin Sedighe Doulatabadi promoviert. Derzeit arbeitet Dr. Jasmin Khosravie an ihrer Habilitation zu qajarischen Reiseberichten über Europa und leitet das vom Bundesbildungsministerium geförderte Forschungsprojekt “Europa von außen”.

Dr. Jasmin Khosravie hat Islamwissenschaften in Köln, Bonn und Toronto studiert. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte Irans und Mittelasiens, Gender Studies und die islamische Mystik. Frau Khosravie lehrt seit mehreren Jahren am Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn. 2010 wurde sie dort mit einer Arbeit über die iranische Publizistin Sedighe Doulatabadi promoviert. Derzeit arbeitet Dr. Jasmin Khosravie an ihrer Habilitation zu qajarischen Reiseberichten über Europa und leitet das vom Bundesbildungsministerium geförderte Forschungsprojekt “Europa von außen”.

Was inspiriert bzw. motiviert Sie bei der Forschungsarbeit?
Was mich inspiriert oder motiviert sind die Personen oder die Themenkontexte mit denen ich mich beschäftige. Ich bin fasziniert von meinen Forschungsobjekten bzw. -themen!

Sie sind die Leiterin des Projektes „Europa von außen gesehen – Formationen nahöstlicher Ansichten aus Europa auf Europa“. Das Projekt untersucht nahöstliche Perspektiven auf Europa in den Berichten von Reisenden vom 19. Jahrhundert bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Wie kam die Idee für dieses Forschungsvorhaben zustande?
Die Idee dazu kam durch meinen Kollegen Dr. Bekim Agai, der jetzt eine Professur an der Goethe-Universität Frankfurt hat. Er hat sich schon im Vorfeld des Projektes intensiv mit orientalischen Reiseberichten auseinandergesetzt. Als die Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für ein Forschungsprojekt mit dem Thema „Europa von außen“ bekannt wurde, hat er ein Konzept dafür erstellt. Wir wollen die heterogenen Bilder von Europa aus der nahöstlichen Perspektive betrachten. Dabei steht die Frage „warum“ im Mittelpunkt. Warum haben die Reisenden aus dem Nahen Osten genau diese Sachen über Europa geschrieben? Welche Funktion erfüllten diese Reiseberichte in der Heimat? Welche narrativen Strukturen lassen sich erkennen?
Bei der Analyse der Reiseberichte arbeitet unsere Projektgruppe mit arabischen, persischen, osmanischen und türkischen Texten.

Dieses Forschungsprojekt wird seit 2010 gefördert. Ist mittlerweile Ihr Forschungsteam zu der Ansicht gelangt, dass man von einer „nahöstlichen Sicht“ auf Europa sprechen kann, oder sind der Nahe und Mittlere Osten kulturell, politisch und historisch betrachtet viel zu heterogen dafür?
Man kann Gemeinsamkeiten an einer nahöstlichen Perspektive auf Europa aufzeigen, aber man muss in der Tat differenzieren. Eine Gemeinsamkeit wäre etwa das Bild von Europa als ein Ort der Zivilisation, des technischen Fortschrittes, der Mobilität.

Das bedeutet, Europa wurde als Modell betrachtet?
Ja, als ein Modell für militärischen und technischen Fortschritt sowie auch für das Bildungssystem. Die politischen Systeme Europas wurden von den Reisenden ebenfalls thematisiert und bewertet. Manch persischer Reisender bewunderte die konstitutionelle Monarchie in England, kritisierte aber das politische System Frankreichs. Dennoch, das Bild von Europa war sehr zwiespältig. Viele ägyptische Reisende etwa haben Europa zwar für moderne Technologien geschätzt, aber es gleichzeitig als Kolonialmacht wahrgenommen, als Unterdrücker.

Wie wurden die Gesellschaftssysteme Europas betrachtet?
Das Gesellschaftssystem ist unterschiedlich bewertet worden, was vor allem damit zusammenhing, aus welcher sozialen Schicht bzw. aus welchem Milieu die Reisenden kamen. Die persönliche, religiöse oder politische Haltung spielt dabei auch eine Rolle. Es gab sehr konservative Reisende, es gab auch Personen, die sehr liberal eingestellt waren. Es gab Reisende, die bei der Betrachtung Europas sagten: „Genauso sollen wir das machen“, es gab aber auch viel Kritik und Ablehnung, im Hinblick auf Moral etwa. Hier muss dann immer geschaut werden, wer die Reisenden waren und welche Funktion die übermittelten Europabilder zu Hause erfüllen sollten.

Überwiegt in diesem Zusammenhang ein bestimmtes Bild von Europa, das durch Europareisende aus dem Nahen Osten geschaffen wurde?
Eine positive Wahrnehmung Europas überwiegt. Man kann das aber nicht an den Ländern festmachen, aus denen die Reisenden kommen. Die soziale Schicht ist wichtig und die Kreise in denen man sich in Europa bewegt hat, nicht unbedingt das Land, aus dem man kommt.

Haben Sie eine Vermutung, inwieweit sich das aktuelle nahöstliche Europabild von dem Europabild der Reisenden aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg unterscheidet?
Es ist sehr viel passiert in den letzten Jahrzehnten – um diese Frage zu beantworten, wäre ein eigenes Forschungsprojekt nötig. Aber meine Vermutung ist, dass bestimmte Sachen unverändert geblieben sind. Auf Deutschland speziell bezogen, ist besonders die Begeisterung der Iraner für die deutsche Technik unverändert geblieben. Auch das Bild der westlichen Frau ähnelt bisweilen nach wie vor den Aussagen von Reisenden des frühen 20. Jahrhunderts, wenig reflektiert und verhaftet in Stereotypen.

Was vermissen Sie in der westlichen medialen Auseinandersetzung mit dem Iran?
Ich vermisse den Willen, sich wirklich ernsthaft damit zu beschäftigen, was dort passiert. Journalisten greifen allzu oft auf Altbekanntes zurück, schließlich ist es einfacher, das zu schreiben, was andere auch schreiben. Das Hauptproblem sehe ich darin, dass man immer noch versucht, die nahmittelöstlichen Gesellschaften durch die Brille der Religion verstehen zu wollen oder Erklärungsansätze für bestimmte Phänomene im Islam zu suchen. Zudem wird zu wenig auf die kulturelle Heterogenität des Raumes und auch des Islam eingegangen. Der Islam in Marokko ist anders als der Islam in Libanon, Iran oder gar Indonesien.

Ihr Forschungsfeld umfasst ebenfalls Genderfragen in der islamischen Welt beziehungsweise in Iran. Was an diesem Forschungsfeld interessiert Sie besonders?
Ich interessiere mich für die Geschichte der Frauenbewegung und für die Kontexte Geschlecht, Macht und Sexualität. Ich finde die Entwicklungen in den jeweiligen Ländern sehr spannend. Bezüglich der iranischen Frauenbewegung interessieren mich die Anfänge der Bewegung, der soziale und politische Kontext, in dem die Bewegung arbeitete und wie sie was erreicht hat.

Gab es bisher Erkenntnisse mit Bezug auf die Frauenrolle in der iranischen Gesellschaft, die Sie überrascht haben?
Eigentlich nicht. Ich hatte von Anfang an kulturelle Einblicke, die andere so vermutlich nicht haben. In meiner Forschung bin ich eher in meiner Wahrnehmung bestätigt worden. Interessant ist, dass mein Publikum oft erstaunt ist, wenn ich durch meine Vorträge zeigen kann, dass die westlichen Stereotypen wenig Bestand haben und dass es unzählige Grauschattierungen zwischen dem Schwarz und Weiß in den Köpfen gibt. Diese Stereotypen sagen mehr über „uns“ aus als über die „anderen“.

Zum Schluss möchten wir Sie noch fragen, ob Sie eine Botschaft für die Bonner Studierenden haben?
Ich möchte meinen Studenten sagen, dass eine längere Reise, ein Semester im Ausland oder eine Sprachreise nie verlorene Zeit sein kann. Ich rate den jungen Studenten, schaut euch die Welt an. Widmet euch der Fremde, reist und redet mit den Menschen!

In Bonn erlebt & In Bonn entdeckt

In Bonn erlebt

Wer ist hier seltsam…?

In Bonn erlebt_sw

Als BewohnerIn einer WG erlebt man fast täglich Kurioses. Meistens bedingt durch die eigenen Mitbewohner. Ich hatte sechs davon…
Im letzten Sommer mache ich mich morgens gegen elf Uhr mit meiner besten Freundin auf den Weg zum Netto nebenan. Das Wetter ist schön, die Sonne scheint. Nach einem Mini-Einkauf entscheiden wir uns an der Kasse noch für ein Wassereis auf die Hand. Als wir in der Schlange stehen, entdecke ich einen meiner Mitbewohner. Barfuß und in Boxershorts und T-Shirt schlendert er durch die Obst-Abteilung. Die Haare verwuschelt, die Augen noch verschlafen klein. Ganz offensichtlich ist er gerade erst aufgestanden. Wir müssen lachen. Draußen vor dem Eingang treffen wir ihn wieder. Er mustert uns, sieht das Wassereis und sagt im Vorbeigehen: „Oh Gott, ihr seid schon seltsam. Zum Frühstück ein Wassereis…“

In Bonn entdeckt

Ein richtiger Geheimtipp ist das „Food from Zanzibar“ in der Wolfstraße in der Altstadt. In gemütlicher Atmosphäre kann man dort ab 17 Uhr ein typisch afrikanisches Essen genießen. Vor allem für eine Kneipentour in der Altstadt ist der Laden perfekt, da es alle Gerichte auch zum Mitnehmen gibt. Bei gutem Wetter kann man sogar draußen sitzen. Auch die Inneneinrichtung ist an das ostafrikanische Land angepasst. Alles ist in warmen Farben gehalten und auch die Musik passt perfekt ins Bild. Die ostafrikanischen Spezialitäten sind geschmacklich eine willkommene Abwechslung. Die Karte bietet vom kleinen Snack über einige vegetarische Gerichte bis hin zu einer großen Auswahl an Fleischgerichten alles, was das Herz begehrt. Besonders beliebt ist das Kuku na Wali Maharage, das aus Hühnchenfilet in Sansibar-Sauce und Kokos-Curry besteht. Auf jeden Fall zu empfehlen ist der Zanziburger, der mit Pommes gereicht wird, die in Masalasauce eingelegt sind. Für den europäischen Gaumen ein absolutes Highlight. Und da kein Gericht mehr als 10 Euro kostet, kann man es sich guten Gewissens bei einem kühlen Mango-Bier schmecken lassen.

Der berühmteste Sohn der Stadt

Du kannst ihm nicht entkommen

Er verfolgt dich, begegnet dir, wenn du am wenigsten damit rechnest: Zack, da ist er wieder mit seiner grimmigen Miene und dem wirren Haar. Und dabei wolltest du nur ganz harmlos die Straße überqueren. Aber nein, da konnte ein Künstler mal wieder nicht umhin, sein Idol an irgendeiner Hauswand zu verewigen. Im Folgenden eine kleine Auswahl künstlerischer Huldigen an das große Genie in Bonn. Auch schon entdeckt? Kein Wunder, lange suchen muss man da nicht.

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Werte werten

Über den moralischen Zeigefinger älterer Generationen

Werte sind der Charakter einer Gesellschaft. Sie regeln das moralische Miteinander. Und das schon seit Jahrtausenden. Allerdings werden immer wieder Stimmen laut, es gebe einen Werteverfall. Doch müsste der nicht schon längst eingetreten sein? Oder ist schon passiert, was niemand bemerkt hat?

Wir Deutschen werden allgemein mit bestimmten Werten in Verbindung gebracht: Perfektion, Ordnung, Zuverlässigkeit, Treue, Tatkraft, Fleiß, Genauigkeit… Die Liste ist lang. Doch treffen diese Tugenden noch immer auf uns zu? Sind sie das, was unsere Gesellschaft ausmacht? Eine Frage ist, wo unsere Werte überhaupt herkommen. Da wären zum einen die zehn Gebote aus der Bibel. Eine Regelschrift, die über 2000 Jahre alt ist. Das Zwischenmenschliche hat sich zwar wenig verändert, doch das Konzept der Ehe ist nicht mehr das, was es mal war. Seit den 1990er Jahren wird jede dritte Ehe geschieden, schreibt der Spiegel im Sommer 2013. Macht ein Gebot über den Ehebruch also noch Sinn? Das Gebot des Ruhetags ist ebenfalls schwierig für den fleißigen Studierenden von heute. Hausarbeiten, Praktikumsbewerbungen und Abschlussarbeiten schreiben sich nicht von allein. Wann soll da geruht werden. Wird der Ruhende nicht überrannt?
Auch wenn immer weniger Kinder getauft werden und immer mehr Erwachsene aus ihrer Kirche austreten, spielen Glaubensgemeinschaften weiterhin eine bedeutende Rolle. Ein Hauptargument für Religionen ist, dass Menschen tugendhafter sind, wenn sie denken, sie würden überwacht. Das allsehende Auge Gottes könnte also als wirksamste Leistungsüberwachung der Geschichte aufgefasst werden.
In der Gegenwart wird die spirituelle Größe durch die allseits präsenten Massenmedien ersetzt. Die Facebook-Gemeinde überwacht jeden Schritt, frei nach dem Motto: Big Brother is watching you.
Vor allem in der Arbeitswelt beklagt die Allgemeinheit den Werteverfall. Eine Focus-Umfrage von 2009 hat ergeben, dass mehr Menschen als jemals zuvor Arbeit nur noch als notwendiges Übel ansehen. Arbeiten lohnt sich nicht mehr. Gleichzeitig erhöht sich der Druck auf Berufsanfänger, Auszubildende und Studierende. Wie lässt sich der beklagte Werteverfall mit dem tüchtigen Bestreben der Generation Praktikum vereinen? Nie gab es so viele verschiedene Studiengänge und nie hatten mehr Menschen trotz Hochschulabschluss Angst, keinen passenden Job zu finden.
Ein Werteverfall wird zwar seit Jahrzehnten kritisiert, allerdings erleben die klassischen Werte und Tugenden aktuell einen nie da gewesenen Aufschwung. Die Jugend reagiert auf den erhobenen Zeigefinger der älteren Generation. „Die Welt“ hat 2010 eine Umfrage unter 12- bis 25-Jährigen veröffentlicht, die belegt, dass Jugendliche leistungsbereiter sind als noch vor 20 Jahren. Vor allem ihr Werteverständnis ist viel größer als bisher angenommen. Fleiß, Ehrgeiz, Eigenverantwortung und das Streben nach einem hohen Lebensstandard stehen für junge Menschen heutzutage an oberster Stelle.
Die Diskussion über den Werteverfall unserer Gesellschaft ist also nicht neu, aber so aktuell wie nie. Und sie wird es ­bleiben.

Foto: Ronny Bittner

Foto: Ronny Bittner

Kambodscha, Krieg und Kissinger

Amerikanische Kampfhubschrauber fliegen, so majestätisch wie der Weißkopfseeadler selbst, hinweg über die tropischen Sümpfe und Dschungel vietnamesischer Vorzeigelandschaften, Marlboro rauchende GIs blicken schweigend über den Lauf ihrer M60-Maschinengewehre und im Hintergrund läuft „Fortunate Son“, dieses für Vietnamkriegsfilme typische Lied der Band Creedence Clearwater Revival. Ihr wisst schon:
„Some folks are born made to wave the flag. Ooh, they‘re red, white and blue. And when the band plays „Hail to the chief“, ooh, they point the cannon at you, Lord“.
Es sind schon fast idyllische Szenen, die sich dort schöngemalt auf der Leinwand abspielen, während B-52-Bomber der US-amerikanischen Luftwaffe Vietnams Nachbarland Kambodscha in die Kreidezeit zurück befördern, indem sie in einem Zeitraum von 8 Jahren an die 3 Millionen Tonnen Sprengmaterial auf die kambodschanische Bevölkerung niedergehen lassen, wobei hunderttausende dreißigtausend Menschen den Angriffen zum Opfer fallen.

Karikatur Flo-Kommentar

Nun werdet ihr denken: „Moment, das hier ist doch die Unizeitung und nicht die neueste Ausgabe von ‚GEO Epoche‘“, aber es hat schon seine Gründe von Vietnam und Bomben zu sprechen, will die Uni Bonn doch die sogenannte Kissinger-Professur an unserer Hochschule einführen, die durch Mittel des Verteidigungsministeriums und des auswärtigen Amtes finanziert werden soll. Diese Tatsache sorgt genauso für Empörung wie die Namensgebung der Professur: Henry Kissinger, ein Urgestein moderner amerikanischer Außenpolitik, war lange Zeit die rechte Hand des umstritten US-Präsidenten Richard Nixon und spielte gemeinsam mit diesem eine fragwürdige Rolle bei der Bombardierung Kambodschas während des Vietnamkriegs. Da eine DIN-A4-Seite aber schnell gefüllt ist, reiße ich die Story nur eben an: Einheiten der Vietcong nutzten den Osten Kambodschas als Transportweg und Rückzugszone, außerdem unterstützten die südvietnamesischen Soldaten die Roten Khmer, eine Bewegung maoistischer und gewaltbereiter Guerillakämpfer, die später noch eine grausame Terrorherrschaft über Kambodscha erringen sollte. Wie viel Bumms dieser politisch komplizierte Cocktail jedoch tatsächlich hatte, sollte sich zeigen, als die USA dem Armeegeneral Lon Nol mittels eines Putsches zur Macht verhalfen, während das eigentliche Oberhaupt Kambodschas, Norodom Sihanouk, gerade kurz das Land verlassen hatte: Weg gegangen, Platz vergangen. Lon Nol erlaubte nun wiederum Präsident Nixon und Außenminister Kissinger, Kambodscha von den versprengten (hoho) Überresten der Vietcong in militärischen Aktionen zu „säubern“. So besuchten amerikanische Truppen mit einem Rucksack voller Demokratie und M67-Splittergranaten Kambodscha und machten ihren Job.
Nicht nur die Geschichte Kambodschas und Vietnams trägt zu den Protesten gegen die Professur bei, nein, die Liste unvorteilhafter Geschichten über Henry Kissinger ist lang: Es sind Geschichten über Putschversuche in Chile, CIA-Machenschaften und Geschichten über die argentinische Militärjunta, die im „Schmutzigen Krieg“ 1976-1983 hunderttausende Regierungsgegner tötete – Kissinger soll Berichten und Kritikern zufolge im persönlichen Gespräch mit Argentiniens damaligen Außenminister Guzzetti eine Haltung eingenommen haben, die die Missetaten der Regierung billigte; gemäß der drei Affen: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen.

Manche rufen daher gleich „Kriegsverbrecher“ wenn sie den Namen Kissinger hören, andere hingegen sehen das nicht so eng – schließlich bekam der Mann 1973 den Nobelpreis für das Friedensabkommen mit Vietnam, 1977 die Freiheitsmedaille und wurde 1998 zum Ehrenbürger seines deutschen Geburtsortes Fürth ernannt. Als wäre das alles noch nicht Auszeichnung genug, wird jetzt eben noch die Professur nach ihm benannt. Und die Gründe dafür erklärt uns Guido Westerwelle: „Henry Kissinger hat sich in herausragender Weise um Friedenspolitik und Entspannung, um Sicherheit und Abrüstung in der Welt verdient gemacht. Es ist für Deutschland ein großes Glück, einen solchen Freund zu haben. Mit der Stiftungsprofessur in Bonn wollen wir Danke sagen“. Da habt ihr‘s!
Ich meinerseits sage „Danke, Guido!“ und Danke fürs Lesen oder Åkhun!, wie es der Kambodschaner sagen würde.