Krach ums Collegium musicum
Orchester, Chor, Big Band: Musik ist Teil des studentischen Lebens der Uni Bonn ‑ gewesen? Stück für Stück demontiert das Rektorat die Organisation der Ensembles. Doch die wehren sich nach Kräften.
„Lebe, liebe, lache, Lotte, lebe, liebe, lache, Lotte, lebe liebe, lache, Lotte“ – der Chor des Collegium musicum könnte das den ganzen Abend machen. Einsingen macht Spaß, die Stimmung ist gelöst. In diesem Moment merkt man den Mitgliedern gar nicht an, dass sie Exilanten sind, dass sie kämpfen müssen um ihren Chor. Auch von den wöchentlichen Aktiventreffen, den Pressemeldungen, dem Flashmob und dem Benefizkonzert ist hier nichts zu spüren.
Bis vor kurzem hatte die Uni Bonn ein Collegium musicum, bestehend aus mehreren Ensembles, unter anderem einem Orchester und einem Chor. Beide teilten sich einen Dirigenten, den Akademischen Musikdirektor.
Die gescheiterte Neubesetzung dieses Postens führte zu einem Zerwürfnis zwischen dem Rektorat der Universität und den Musikern, das wohl alle, die in den letzten Wochen in der Mensa waren, mitgekriegt haben.
„Da ist viel unglücklich verlaufen“, fasst es Chorsänger Elias Oltmanns prägnant zusammen. „Der Kandidat hat uns nicht recht überzeugt, außerdem ist uns aufgestoßen, dass wir keine Auswahl hatten.“ Bei der Besetzung wollte sich Uni-Rektor Jürgen Fohrmann zunächst auf eine Empfehlung verlassen und hielt ein Auswahlverfahren nebst Probedirigat nicht für nötig. Die Musiker sahen das anders und setzten wenigstens ein kleines Bewerbungsverfahren durch. Weit gedieh die Auswahlrunde nicht: Nachdem man sich nicht auf die Besetzung der Besetzungskommission einigen konnte, gab das Rektorat die Kandidatensuche im Konsens auf und machte sich wieder im Alleingang auf die Dirigentensuche. „Es ist einfach nicht wahr, dass die Findungskommission an den studentischen Vertretern gescheitert sei“, ärgert sich Elias: „Es gibt ja auch gute Gründe für ein solches Verfahren. Ist ja auch keine Erfindung des Collegium musicum, sondern Gang und Gäbe im musikalischen Betrieb.“
Aber auch die Uni-Leitung fühlte sich unfair behandelt. Der Rektor bescheinigte den Musikern in einem Zeitungsinterview „destruktive Energien“, stellte den Dialog ein und verkündete, den Fortbestand des Collegium als Ganzes zu prüfen. Um dem Missfallen des Rektors Nachdruck zu verleihen, oder auch, wie es hieß, aus haftungsrechtlichen Gründen, durften Chor und Orchester die Probenräume des Collegiums nicht mehr nutzen.
Für die Musiker kein hinnehmbarer Zustand: Und so stürzten sie sich in die Rettung des Collegium musicum. Einerseits ging es darum, die Probenarbeit für das kommende Semester sicherzustellen, ein Interimsdirigent musste engagiert, geeignete Räume im Exil gefunden werden.
Um die Öffentlichkeit auf ihre Seite zu ziehen, gründeten sie die Initiative „Generalpause – nein danke!“, nebst Homepage und Facebook-Auftritt. „Mit unseren Aktionen mussten wir den Spagat schaffen: Einerseits sollten die Leute merken, hier brennt die Hütte, das ist wirklich ernst. Andererseits durften wir uns den Weg zu einem klärenden Gespräch nicht verbauen.“ Die Lösung: ganz viel Musik.
Zunächst organisierten die studentischen Aktivisten einen musikalischen Flashmob auf der Bonner Hofgartenwiese in Hörweite des Rektorates. Dann, eine Nummer größer, wurde ein Benefizkonzert in Angriff genommen. Gespielt werden sollte, wie passend, ein Requiem.
Ein erheblicher Aufwand für die beteiligten Studierenden, die eigentlich nur fürs wöchentliche Musizieren zu den Ensembles gestoßen sind. „Es ist ja nicht so, dass jemand hier darauf gewartet hat, endlich externe Proben zu organisieren oder sich nur noch fürs Collegium musicum engagieren zu können“, so Elias, „Wir haben alle auch noch anderes zu tun.“
Schon bald werden die Musiker wieder mehr Zeit haben. Wenn das Semester vorbei ist, wird auch ihre Zeit im Exil enden. Die Proberäume und die Aula werden wieder zur Verfügung stehen, die Konzerte müssen nicht mehr in Eigenregie organisiert werden.
Als Sieger fühlen sich die Studierenden aber nicht. „Ihr“ Collegium musicum als Marke wurde vom Rektorat abgeschafft, die Musiksparte geht als Säule in einem neugegründeten „Kulturforum“ auf. Mit Jörg Ritter wurde ein neuer Dirigent berufen, von dem sie bisher kaum mehr als den Namen wissen.
Elias: „Bei der Vorgeschichte startet er natürlich mit einer Hypothek. Dafür kann er nichts, und ich werde auch bei den anderen dafür werben, ihm eine Chance zu geben.“
Es nützt ja alles nichts. Der Chor wird das Semester noch mit seinem Interims-Dirigenten Ansgar Eimann zu Ende bringen. Auch das standesgemäße Semesterabschlusskonzert wird stattfinden. Dafür müssen sie weiter üben. Wenigstens da hat Lotte noch zu lachen, lieben und leben.
Konzert
Am Mittwoch, 9. Juli, 19:30 Uhr in Sankt Elisabeth, Schumannstraße, und am Donnerstag, 10. Juli, 19:30 Uhr in Sankt Marien, Adolfstraße, findet das Semesterabschlusskonzert des Chores statt. Gesungen werden geistliche A cappella-Werke des 19. und 20. Jahrhunderts, der Eintritt ist frei.
Fohrmann als Obama
Ein Kommentar von Hanno Magnus
Gegen Ende seiner Amtszeit schaut ein Politiker nicht mehr auf einzelne Stimmungen, sondern nur noch auf seinen Platz in den Geschichtsbüchern. Es ist gut vorstellbar, dass sich Rektor Fohrmann mit der Neugliederung der Kulturlandschaft der Uni Bonn ein Denkmal setzen wollte.
Mit seinem Kommunikationsverhalten hat er sich dann gleich mit einer wichtigen Säule des neuen Konzepts verkracht: den Musikerinnen und Musikern. Besonders clever war das nicht, haben Chor und Orchester doch nicht nur eine illustre Schar von Ehemaligen, sondern auch viele Fans – die meisten in einem Alter, in dem man viel Zeit für Leserbriefe an den Generalanzeiger hat.
Nicht viel los mit Denkmal, erstmal. Allerdings spielt dem Rektorat die hohe Fluktuation in den Ensembles in die Hände. In zwei Jahren wird ein Großteil der Belegschaft die Initiative „Generalpause – nein Danke“ nur noch aus Erzählungen kennen.