Weniger Farbe im Spiel

Die GHG darf nicht zur SP-Wahl antreten – Weniger Farbe, weniger Inhalte? Nach einem ewigen Hin- und Her wurde beschlossen, dass die Grüne Hochschulgruppe nicht an der SP-Wahl teilnehmen darf – als bis dahin noch stärkste Gruppe.

Von Julia Faber

Weniger Farbe im Spiel

Weniger Farbe im Spiel – Foto: lupo/pixelio.de, Alexander Grantl; Montage: akut

Am 17. Dezember war Listenschluss: Heißt, an diesem Tag mussten alle, die zur Wahl des Studierendenparlaments (SP) antreten wollen, ihre Listenbewerbung beim Wahlausschuss einreichen. Bei der SP-Sitzung am gleichen Abend verkündete der Wahlausschuss dann das für viele erschreckende Ergebnis: Nur fünf Listenbewerbungen seien fristgerecht eingereicht worden, die Bewerbung der Grünen Hochschulgruppe ghg-campus:grün sei zu spät eingereicht worden. Es folgte ein nervenaufreibendes Hin- und Her: Nachdem der Wahlausschuss ursprünglich entschieden hatte, die GHG nicht zuzulassen, erklärte der Ältestenrat diese Entscheidung aufgrund eines Formfehlers für ungültig. Der Wahlausschuss selbst stellte anschließend fest, dass sich die Liste beim Ablaufen der Frist bereits im Raum befand – er korrigierte seine Entscheidung.

Doch das Ganze ging noch weiter: Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) reichte daraufhin einen Antrag beim Ältestenrat ein, der die Grünen in letzter Konsequenz von der Wahl ausschloss. Luc Kerren, Vorsitzender des RCDS Bonn, nennt als Motiv dafür den Schutz der Studierendenschaft: „Da die Begründung juristisch nicht stichhaltig war, brachten wir einen Antrag vor dem Ältestenrat ein. Wohl in dem Wissen, dass die Wahl sonst anfechtbar wäre und so auf die Studierendenschaft durch eine mögliche Anfechtbarkeit der Wahl eine personelle und finanzielle Belastung zukommen könnte. Die Arbeit im Studentenparlament und in den Gremien wäre so zum Erliegen gekommen.“

Die Liste undogmatischer StudentInnen (LUST) bezeichnet das Ganze in einer Stellungnahme als „Hochmesse des Formalismus“. Die LUST betont dabei, dass durch die Nicht-Zulassung nun „zahlreichen Studierenden ihre Möglichkeit zur Mitarbeit im SP“ genommen werde. Aus Gründen der Fairness und um gemeinsam weiter an „Projekten wie der kritischen Auseinandersetzung mit der Kissinger-Professur weiterarbeiten zu können“, plädiert die LUST dafür, „dass GHG-Mitglieder auch ohne Fraktion im Studierendenparlament von einer linken AStA-Koalition in die entsprechenden Ämter gewählt werden“. Auch Georg Rolshoven von der LHG bedauert die Nichtberücksichtigung der ghg. Seine Hochschulgruppe schätze „das Engagement zahlreicher Mitglieder der grünen Hochschulgruppe im AStA“ sowie „den (hochschul-)politischen Diskurs im Studierendenparlament, auch wenn die Meinungen bezüglich einiger Themen nicht gerade kongruent waren.“ Dieses Bedauern reicht allerdings nicht ganz so weit: „Ob die Hochschulgruppe ein ausgeprägtes Engagement im AStA an den Tag gelegt hat, ist hier nicht entscheidend. Insofern können wir die Entscheidungen des Wahlausschusses und des Ältestenrates nachvollziehen.“

Der RCDS weist den Vorwurf, mit der Ausschlussforderung der stärksten Gruppe demokratiefeindlich agiert zu haben, entschieden zurück. Dies sei mitunter auch deshalb absurd, „weil wir uns an Regeln halten, die für alle Hochschulgruppen gelten“, so Luc Kerren.

Ob Formalismus oder Regelbewusstsein – fest steht, dass nun die Gruppe mit den meisten Sitzen nicht zur SP-Wahl antreten darf. Im Hinblick auf die ohnehin schon geringe Wahlbeteiligung durchaus bedenklich. 

 

»Selbstdelegitimierung vom Feinsten«

Die Grüne Hochschulgruppe ist sauer Die bis dahin stärkste Gruppe im Studierendenparlament darf nicht antreten. Wegen drei fraglichen Sekunden und zwei Ausschüssen, die lieber Formvorschriften als das große Ganze in den Blick nehmen. So sehen es die Grünen. Warum sie trotzdem nicht klagen werden, erfahrt ihr in diesem Interview.

Interview: Hanno Magnus

Jakob Horneber

Jakob Horneber ist für die flüchtigen Verhältnisse der Hochschulpolitik ein Urgestein. Er amtierte von März 2011 bis August 2012 als Vorsitzender des AStA und war zuvor seit März 2010 Finanzreferent. Zuletzt war er einer von vier studentischen Senatoren im Senat, dem höchsten Gremium an der Universität. Jetzt möchte er den Ärger der grünen Hochschulgruppe in der akut artikulieren. Zum Interview erscheint er – stilecht – etwas zu spät.

 

akut  Es sind sich wohl alle einig. Die ganze Sache, die da abgelaufen ist, ist eine ziemliche Blamage. Die Frage ist nur: für wen?
Horneber  Zunächst einmal ist das meiner Ansicht nach eine Blamage für die Institution „Studierendenschaft“ als solche. Hier wird aus rein formalen Gründen eine Gruppe ausgeschlossen, die in den letzten Jahren zu den erfolgreichsten gehörte und die auch dieses Jahr bereit war, sich zu engagieren. Natürlich sind wir auch selbst schuld, wir hätten die Liste einfach früher abgeben müssen. Andererseits ist überhaupt nicht sicher, ob wir wirklich zu spät dran waren. Auf dieser Basis dann eine so weitreichende Entscheidung zu treffen, finde ich fragwürdig. Hier haben Wahlausschuss und Ältestenrat nicht klug gehandelt. Schon im Ablauf war einiges hoch problematisch. Schade ist aber vor allem, dass die inhaltliche Bedeutung der Entscheidung kaum berücksichtigt wurde, sondern nur Formalia den Ausschlag gaben. Wir haben nicht den Eindruck, dass Sinn und Zweck der angewandten Regeln auch mal hinterfragt wurden. Letztlich wären wir aber dennoch zugelassen worden, wenn der RCDS keine Beschwerde eingelegt hätte, um uns zu schaden. Leider hat sich der Ältestenrat hierbei instrumentalisieren lassen. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Ausgerechnet der Gruppe, die sich immer darüber beschwert, die Hochschulpolitik beschäftige sich nur mit sich selbst, ist jedes Mittel recht, um engagierte Studierende von der Mitarbeit auszuschließen. Da ist es wirklich nicht überraschend, wenn die Wahlbeteiligung ständig zurückgeht. Es haben also viele Akteure der Hochschulpolitik zum schlechten Gesamtbild beigetragen. Das ist Selbstdelegitimierung vom Feinsten.
akut  Du gibst euch selbst eine Teilschuld. Was genau hat denn bei Listenschluss bei euch so lange gedauert?
Horneber  Der Listenschluss wird traditionell ausgereizt – bei allen Hochschulgruppen. So weit ich weiß, ist keine der sechs Listen, die antreten wollten, vor dem letzten Tag abgegeben worden. Wir betreiben die Hochschulpolitik ja auch ehrenamtlich neben vielen anderen Verpflichtungen. Da kann es schon mal dauern, bis alle Kandidaturen und die Texte für die Wahlzeitung beisammen sind. Im Nachhinein wissen wir, dass wir lieber eine unvollständige Liste hätten abgeben sollen. Dann wäre die Frist gewahrt gewesen. Aber wir hatten ja nicht den Eindruck, dass wir zu spät waren. Unser Listenvertreter war anerkanntermaßen vor Fristende im Raum und hat lediglich die Unterlagen angeblich – hier steht Aussage gegen Aussage – drei Sekunden zu spät abgegeben. Das zeigt doch die Absurdität des Ganzen und auf welch dünnem Eis die Entscheidung gefällt wurde.
akut  Wieso klagt ihr nicht?
Horneber  Wir haben das ausgiebig abgewogen. Natürlich ist der erste Impuls: uns geschieht hier ein Unrecht, dagegen müssen wir vorgehen. Allerdings wurden im letzten Jahr viel zu oft die Gerichte bemüht oder Entscheidungen nur auf juristischer und nicht auf politischer Ebene ausgekämpft. Diesen Rückgriff auf Formalismen haben wir als Hochschulgruppe im letzten Jahr immer wieder kritisiert. Wir halten ihn für nicht sinnvoll und schädlich für die Hochschulpolitik. Es gibt offenbar Leute, die große Freude daran haben, anderen mit Pedanterie die Arbeit zu erschweren. Daher wollten wir uns bewusst nicht auf dieses Niveau begeben und jetzt unsererseits klagen. Dazu kommt, dass wir wenig gewinnen können: Sollten wir uns vor Gericht durchsetzen, würden die Wahlen annulliert und müssten dann wiederholt werden. Dieses Ergebnis reizt uns nicht, gerade im Hinblick auf die hohen Kosten für die Studierendenschaft. Dann gibt es natürlich auch noch ein rechtliches Restrisiko.
akut  Was wird jetzt auf der grünen Hochschulgruppe? Wird sie jetzt zerfallen?
Horneber  Im Gegenteil, so ein Ereignis lässt uns noch mehr zusammenwachsen. Auch beschränkt sich die Arbeit der grünen Hochschulgruppe nicht aufs Studierendenparlament. Viele unserer Projekte können in nächster Zeit ganz normal weiterlaufen. Wir werden sogar noch mehr Zeit dafür haben, da die zwar wichtige, aber oft mühsame und zeitraubende Arbeit im Studierendenparlament wegfällt. Insbesondere für Leute, die vor allem inhaltlich gestalten wollen, werden wir jetzt attraktiver.
akut  Werdet ihr Wahlkampf machen? Für wen?
Horneber  In erster Linie machen wir natürlich für uns selbst Wahlkampf. Wir werden ja zu den Gremienwahlen der Universität antreten. Das wird aber sparsamer ausfallen als in den letzten Jahren. Für die SP-Wahlen empfehlen wir nicht eine bestimmte Gruppe. Das wäre auch wenig sinnvoll, da wir überzeugt sind, dass wir als Gruppe Themen und Prioritäten haben, die die anderen so nicht bieten. Aber wir unterstützen unsere bisherigen Koalitionspartner Jusos, LUST und Piraten, damit die erfolgreiche Arbeit des AStA fortgesetzt werden kann. 

 

 

 

Kommentar: Ah oh! – Zum Wahlkampf bei den Teletubbies

Von Florian Eßer

Illustration: Florian Eßer

Illustration: Florian Eßer

Teletubbieland (BONN/akut): Sogar der kindergesichtigen Sonne ist das Kichern vergangen, als es kurz vor der Wahl des XXXVII. KiKa-Parlamentes vom 19. bis zum 22. Januar zum Eklat kam. Allem Anschein nach wird die kommende Wahl nämlich ohne die ‚Grüne Partei Teletubbieland‘ (GPTL) stattfinden, wie der Ältestenrat beschlossen hatte. Grund für dieses Urteil ist gewesen, dass Dipsy, Spitzenkandidat der GPTL, die Liste seiner Partei nicht fristgerecht eingereicht hatte. Drei Sekunden zu spät sei diese bei Noo-Noo, Staubsauger und Leiter des Wahlausschusses, eingegangen. „Drei %*@!§ Sekunden!“, brüllt Dipsy, dessen Antenne aufgeregt wackelt. „Das ist überhaupt nicht belegbar, da frage ich mich doch wirklich, wer hat da an der Uhr gedreht?“ Nach einem längeren Hin und Her sei zunächst beschlossen worden, das Urteil zu revidieren und die GPTL doch noch zur Wahl zuzulassen. Doch zerstörte ein Antrag des ‚Rings Kindlich-Demokratischer Teletubbies‘ (RKDT) die anfängliche Freude bald. Diesem Antrag, die GPTL doch noch vom Wahlgeschehen auszuschließen, wurde vom Ältestenrat und dem Wahlausschuss schließlich stattgegeben. „Die Entscheidung des Ältestenrates ist unzumutbar“, kommentiert Dipsy die unzumutbare Entscheidung des Ältestenrates. „Die Wahl kann ich mir jedenfalls an den Hut stecken“, seufzt der leidenschaftliche Politiker, der vermutet, dass der Antrag des RKDT pure Berechnung statt Prinzipientreue ist.
Unterdessen geht der Wahlkampf weitestgehend ungestört weiter: Die Spitzenkandidierenden der verbliebenen Parteien, Po, Laa-Laa und Tinkiwinky, präsentierten bei der Tubbiefantenrunde am 14. Januar ihre Wahlkampffilmchen auf den in ihren Bäuchen integrierten Fernsehapparaten. „Die Filme können ohne Zeitgefühl verstanden werden und sollen der Fantasiewelt von Kindern bis maximal fünf Jahren entsprechen“, weiß Wahlexpertin Frau Vicky PeDia im Gespräch zu berichten. Geworben wird um die Gunst der Wähler, möglichst viele von ihnen sollen an den Wahltagen an die Urnen gelockt werden. 33.636 Teletubbies sind wahlberechtigt, aber nicht zwingend motiviert,  diese Berechtigung zu nutzen. Bei der letzten Wahl im Jahr 2014 waren es nur knapp 4.000 von ihnen, die ihre Stimme für eine der Parteien abgegeben hatten. PeDia weiß über das mangelnde Interesse an den Wahlen Bescheid. Anstatt im kleinen, aber dennoch wichtigen, Rahmen von ihrem Recht auf demokratische Abstimmungen Gebrauch zu machen, „spielen sie mit ihren Lieblingsspielzeugen, treffen sich, singen, kochen, backen, schlafen im Teletubbie-Haus oder gehen ähnlichen Aktivitäten nach“, so die Expertin. Woran das liegen mag? Man möchte mutmaßen, dass die Forderungen der Parteien sowie die Verbesserung des Hochschulwesens im Teletubbieland die Angesprochenen nicht ansprechen würden, dabei „hat die verwendete ‚Babysprache‘ den Vorteil, dass es die Sprachform der Kleinkinder ist, die sie verstehen“, erklärt PeDia unter Berufung auf die Quellenverweise ihrer Website.
Warum die Wahlbeteiligung dennoch am Existenzminimum dahinsiecht, bleibt also ein Rätsel. Faulheit muss es wohl sein, betrachtet man den zeitlichen Aufwand der Stimmabgabe von gefühlten drei Sekunden. Die selbe Zeitspanne, die Dipsy die Kandidatur kostete, könnte den Teletubbies, die es nicht zur Wahlurne schaffen, einiges mehr abverlangen. Auf dem Spiel steht die Repräsentation der eigenen Meinung in einem Parlament, welches die Interessen von möglichst allen Teletubbies vertreten soll. Um dies zu gewährleisten, ist eine Beteiligung seitens der Wahlberechtigten jedoch unumgänglich: „Die Sonne wird bald untergehen, die Teletubbies sagen auf Wiedersehen.“
Packen wir den Spaß und die Teletubbies aber einmal beiseite und widmen uns der Realität, die von Zeit zu Zeit ohnehin jegliche Satire in den Schatten stellt. Wenn drei Sekunden, die nicht einmal komplett bestätigt sind, weil man sich darüber streitet, ob überhaupt irgendjemand auf die Uhr geguckt hat, ausreichen, damit eine Hochschulgruppe von der Wahl des Studierendenparlamentes ausgeschlossen wird, dann ist das an sich schon genug Satire – alleine schon ein Witz. Zum Schießen. Dabei sollte man meinen, dass Witze nicht mehr lustig sind, wenn man sie erklärt. Ganz im Ernst: Wer wundert sich noch darüber, dass die Wahlbeteiligung auf Zimmertemperatur liegt? Auf den hochschulpolitischen Äckern herrscht Dürre, keine Frage, aber wenn der Wahlkampf nun selber schon zur Vogelscheuche wird, hässlich genug, um noch mehr potentielle Wähler von den Urnen fernzuhalten, dann ist die Schuld dafür nicht alleine bei den Wahlberechtigten zu suchen, sondern auch bei denen, die von diesen gewählt werden wollen. Wenn Parteien wegen der Zeitspanne eines Wimpernschlages ausgeschlossen werden, dann nimmt man damit auch den Studierenden die Möglichkeit, ihre Interessen im SP vertreten zu sehen. Wer erhofft sich was davon? Gönnen wir uns einen Augenblick, geschätzte drei Sekunden, um ein wenig zu spekulieren… Es gibt doch zwei Möglichkeiten. Erstens, diejenigen, die ihre Stimme der Grünen Hochschulgruppe gegeben hätten, wählen eine andere Partei, und dann muss man sich fragen, ob sich da nicht jemand selber eine Grube gegraben hat, oder zweitens, die selben potentiellen Grünenwähler wählen überhaupt niemanden, was der Wahlbeteiligung letztlich komplett die Schuhe ausziehen würde.
Möglichkeiten, die Beteiligung zu senken, gibt es also etliche: Eine Kritikfähigkeit wie der Kreml, ein Demokratiegefühl wie nordkoreanische Diktatoren, die Tatsache, dass Parteimitglieder einander verklagen, was nun wirklich kein Witz ist, und, jetzt einmal zusammengefasst: Ein Wahlkampf, schmutziger als die Spannervorfälle auf den Unitoiletten.
Auch wenn alle Zeichen das Gegenteil vermuten ließen, ist eine Beteiligung an den Wahlen deswegen dieser Tage wichtiger als je zuvor. Wer sich über die Weltpolitik aufregen kann und zu jedem Geschehnis auf der Erdkugel eine Meinung hat, dem sollte es wohl auch möglich sein, seine Meinung im Rahmen des Möglichen zu vertreten, vor Ort Dinge zu ändern, statt den Kopf in den Wolken und den Hintern auf der Couch zu haben. In der letzten Ausgabe der akut war das große Thema, dass wir Studenten und Studentinnen unengagiert, unpolitisch, unmotiviert und ganz generell uninteressiert seien. Jetzt gibt es die Möglichkeit, dass Gegenteil zu beweisen. Mir persönlich reicht nämlich ein „Un“ auf der Welt.
Für die Grünen mag es zwar „Wahl, winke, winke“ heißen, aber für den Rest von uns heißt es „Zeit für wahli, wahli!“. Denn so humorvoll, wie man mit ihr umgehen mag, so ernst ist die Parlamentswahl für eine Verbesserung unserer Studienbedingungen. Also alle fleißig wählen, wir sind ja schließlich keine Kinder.

 

Florian Eßer studiert Germanistik und Psychologie und ist großer Teletubbies-Fan. Davon, jemanden vom Spielen auszuschließen, hält er nichts.

Affenzirkus – äh, Elefantenrunde!

Ein Abend der hochschulpolitischen Grabenkämpfe – Auf der Elefantenrunde stellen die Spitzenkandidierenden der zur SP-Wahl antretenden Listen sich und ihre Positionen vor. Auf der Bühne saßen diesmal allerdings nur vier der fünf Spitzenkandidierenden – und Grumpy Cat.

Von Julia Faber

Die Elefantenrunde: Für Studierende eigentlich eine optimale Möglichkeit, die Spitzenkandidierenden der einzelnen Hochschulgruppen im Gespräch miteinander zu erleben, die einzelnen Positionen kennenzulernen und eigene Fragen zu stellen. Und auch für die Kandidierenden eine optimale Möglichkeit, eigene Positionen und Überzeugungen darzustellen und potentielle Wähler anzusprechen. Eigentlich. Denn tatsächlich haben an diesem Abend in der Mensa nur wenige SP-fremde Gesichter Anteil genommen – an dem Spektakel Elefantenrunde. Tatsächlich ging es auch weniger um ein Gespräch zwischen antretenden Kandidieren als um einen teils eher persönlichen als hochschulpolitischen Schlagabtausch der einzelnen Vertreter. Dabei begann alles recht gesittet. Moderator Kevin Scheuren von bonnFM saß inmitten der Runde aus Spitzenkandidierenden: Jana Klein (LUST), Lillian Becker (Jusos), Ronny Bittner (Piraten), Luc Kerren (RCDS) und Florian Even (LHG).
Nachdem sich alle kurz vorgestellt hatten, folgte der erste Höhepunkt des Abends: Jana Klein, Spitzenkandidatin der Liste undogmatischer StudentInnen, entschuldigt sich dafür, dass ihre Gruppe im letzten Jahr nicht an der Veranstaltung teilgenommen habe – dies wollten sie in diesem Jahr dafür in angemessener Weise tun. Noch bevor es zu überraschter Verwirrung im Saal kommen konnte – schließlich hatte die LUST  im vergangenen Jahr gleich nach einer kurzen Ansage, nicht an der Runde teilzunehmen, den Raum verlassen – wurde es LUSTig: Jana stand auf, setzte statt ihrer selbst eine Grumpy Cat aus Pappe auf ihren Stuhl und verließ unter Beifall der eigenen Hochschulgruppe die Bühne. Den Rest des Abends verfolgte die LUST dann vom Mensatisch abseits der Bühne mit, kommentierte ab und an von dort aus das Geschehen und nutzte später die Fragerunde, um zu einigen Punkten Stellung zu nehmen.
Der Rest der Kandidierenden beantwortete anfangs noch artig die Fragen von Moderator Scheuren, verwiesen auf große thematische Bandbreiten (Ronny Bittner, Piraten) und betonten, dass das Ausscheiden der Grünen Hochschulgruppe (ghg) sicherlich einen Einfluss auf die Wahlbeteiligung haben werde, schließlich falle eine Gruppe weg, die sonst hätte „mitmobilisieren“ können (Lillian Becker, Jusos). Jeder sprach artig ins Mikrofon, das – anders als bei den SP-Sitzungen – sogar dauerhaft angelassen wurde und nicht nach jedem Wortbeitrag vor dem Weiterreichen ausgeschaltet wurde – wie nett.
Weniger nett wurde es dann im weiteren Verlauf des Abends, Gesprächsbeiträge wurden immer öfter unterbrochen, das Ganze wurde zur Unterhaltung vieler und Überraschung weniger Anwesender recht hitzig. Während Florian Even (LHG) es zunächst noch recht diplomatisch versuchte und darauf hinwies, dass sich das Studierendenparlament (SP) manchmal vielleicht etwas zu ernst nehme, endete jegliche Diplomatie spätestens, als RCDS und LUST einen Zweikampf auszufechten begannen. Luc Kerren (RCDS) bezeichnete einige Flyer der LUST gleich mehrfach als „geistigen Müll“ und wies das Publikum darauf hin, dass man sich „mit solchen Leuten hier herumschlagen“ müsse – die LUST revanchierte sich, indem sie das Abschlussplädoyer des RCDS mit einer Handfurz-Komposition live begleitete. Ihr eigenes Abschlussplädoyer gestaltete sich – vermutlich in Absprache mit Grumpy Cat – als kollektives „Miau“.
Moderator Kevin Scheuren, der die Radioübertragung an diesem Abend vermutlich gern ab und an für etwas Werbung unterbrochen hätte, leitete schließlich die Fragerunde im Publikum ein, um die „Grabenkämpfe“ zu beenden.
Die Elefantenrunde: Eigentlich eine tolle Möglichkeit, Studierenden den Zugang zur Hochschulpolitik zu erleichtern, sie einzuladen in den Mikrokosmos „Hochschulpolitik“. Eigentlich. Denn ein solches Spektakel parteipolitischen Bashings mag für Menschen außerhalb der SP-Wirklichkeit nicht nur schwer verständlich, sondern auch schwer erträglich sein. 

Hinter den Kulissen

Studierende und ihre Arbeit im Wahlausschuss – Vom 19. bis zum 22. Januar können 33.636 wahlberechtigte Studentinnen und Studenten ihre Stimme für die Zusammensetzung des neuen Studierendenparlaments abgeben. Damit alles reibungslos abläuft, gibt es den Wahlausschuss. Aber wer gehört überhaupt dazu und welche Aufgaben hat er?

Von Maike Walbroel

Für die Mitglieder des Wahlausschusses beginnt die Arbeit lange vor dem eigentlichen Wahltermin. Sie veröffentlichen die Wahlausschreibung, lassen die Hochschulgruppen und ihre Kandidierenden zur Wahl zu und geben die offizielle Wahlzeitung heraus. Der gesamte Ablauf richtet sich dabei nach der Wahlordnung. In ihr sind die einzelnen Schritte genau festgehalten. „Die Wahlordnung schreibt in fast allen Punkten vor, was zu tun ist. Wir kontrollieren, ob alle diese Regelungen eingehalten werden“, erklärt Fabian Rump, Informatik-Student und Mitglied des Wahlausschusses. Bei Versäumnissen kann es dazu kommen, dass eine Hochschulgruppe beispielsweise nicht zur Wahl zugelassen wird – wie es dieses Jahr im Fall von ghg-campus:grün passiert ist.
Alle Hochschulgruppen und Kandidierenden, die zur Wahl zugelassen wurden, stellen sich und ihre Ziele in der Wahlzeitung vor. Auf den ersten Seiten informieren die Redakteurinnen und Redakteure des Wahlausschusses rund um die Wahl. Sie erklären, wer überhaupt wählen darf, wer gewählt wird, und wie sich die Gremien der Universität zusammensetzen.
Die Informationspolitik ist damit ein wichtiger Schwerpunkt für die Arbeit des Ausschusses. Natürlich werden dafür auch moderne Kanäle genutzt. „Ich kümmere mich hauptsächlich um die technische Infrastruktur“, erzählt Fabian. „Davon gibt es eine ganze Menge: Computer für die Büroarbeit, unsere Website und Accounts in sozialen Netzwerken.“ Kurz vor der Wahl, wenn alle zu wählenden Gruppen feststehen und die Mitglieder des Ausschusses deren Inhalte abgedruckt bzw. gepostet haben, findet das öffentliche Treffen der Spitzenkandidaten statt. Die Organisation der sogenannten Elefantenrunde gehörte in diesem Jahr zu den Aufgaben von Lukas Behrenbeck. Er studiert Politik und Gesellschaft und ist in diesem Jahr zum ersten Mal dabei: „Im Wahlausschuss bin ich vor allem aus Interesse – ich wollte gerne einmal hinter die Kulissen der Wahl blicken.“
Bei freiwilligen Helferinnen und Helfern für eine Wahl denkt man meist zuerst an „Wahlhelfer“. Die zehn Studierenden, die dem Wahlausschuss angehören, kümmern sich zwar um den organisatorischen Vorlauf, doch selbst an der Urne sitzen sie nicht.
„Wir bilden die Wahlhelfer aus und sorgen dafür, dass überall auf dem Campus genug Wahlurnen stehen“, berichtet Lukas. „Auch während der Wahl betreuen wir die Wahlhelferinnen und -helfer und kontrollieren, ob alle Vorschriften eingehalten werden. Bei der Stimmauszählung helfen wir dann mit.“
Die Mitglieder des Wahlausschusses treffen sich vor der Wahl regelmäßig, um die verschiedenen Aufgaben zu verteilen. Ehrenamtlich arbeiten sie nicht, denn dem Ausschuss steht eine vierstellige Summe zur Verfügung, die dem jeweiligen Arbeitsaufwand entsprechend zwischen allen aufgeteilt wird. Um einen lukrativen Nebenjob handelt es sich dennoch nicht. Fabian betont: „Die Entlohnung ist kein Gehalt, sondern nur eine Aufwandsentschädigung für unsere Arbeit.“
Ob sich das Engagement des Wahlausschusses gelohnt hat, zeigt sich dann spätestens bei der Stimmauszählung. Lukas hofft, dass die kreative Wahlzeitung das Interesse möglichst vieler Studierender geweckt hat und so möglichst viele zur Stimmabgabe mobilisiert.
Angesichts der seit 2010 kontinuierlich sinkenden Wahlbeteiligung von 20,9% auf nur noch 13,2% im letzten Jahr bleibt zu hoffen, dass sich dieser Negativtrend nicht fortsetzt. Fabian appelliert daher an alle Stimmberechtigten: „Geht wählen! Viele Studierende haben mir gesagt, dass sie mit der Hochschulpolitik nichts zu tun haben. Das stimmt aber nicht. Spätestens bei Themen wie Semesterticket, Bologna-Prozess oder Studentischem Wohnen sind wir alle betroffen. Aber auch die Hochschulgruppen müssen sich verbessern: Sie sollten sich bemühen, diese wichtigen Themen den Studierenden gegenüber richtig zu vermitteln!“ Lukas ergänzt: „Ihr könnt die Urnen nicht übersehen, und ihr habt eine Woche lang Zeit.“ 

Kunst = Freiheit = Toleranz

Skandale gab es schon immer in der Kunstwelt. Von Hochrenaissance bis in die moderne Popkultur, von Albrecht Dürer bis Heidi Klum. Die Ausstellung „Skandal“ der Ausstellungsgruppe Bonn zeigt ein Thema, das immer aktuell sein wird.

Von Jana Kipsieker & Kati Engelmann

SK WEB

„Ich stimme nicht mit dem überein, was du sagst, aber ich werde dein Recht, es zu sagen, bis in den Tod verteidigen“
— Voltaire (1694–1778)
Es ist tragisch, dass der verheerende Angriff fundamentaler Islamisten in Paris auf die Satirezeitschrift Charlie Hedbo und einen jüdischen Supermarkt, bei dem insgesamt 17 Menschen ihr Leben verloren, mit der Eröffnung der neuen Ausstellung „Skandal – Ausgewählte Kontroversen in der Kunst“ im Paul Clemen Museum der Universität Bonn kollidiert.
Karikaturen als Form des künstlerischen Ausdrucks, der mit Humor und Ironie gesellschaftlich relevante Inhalte thematisiert und kommentiert, sind unabänderlich Teil der Presse- und Meinungsfreiheit innerhalb des demokratisch säkularen Systems.
Die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison (*1931) sagte einmal: „All good art is political.“ Künstler und ihre Kunstwerke halten der Gesellschaft mitunter radikal und provokativ den Spiegel vor, sie werden daher nicht selten als Störfaktoren wahrgenommen (Martin Kippenberger) und ihnen wird mit Zensur (Gustave Courbet) oder Gewalt (Ai WeiWei) gedroht. Potentaten fürchten seit jeher die Macht der Kunst, da sie entscheidenden Einfluss auf den Wandel des Zeitgeistes nehmen kann, wenn sie von der Gesellschaft kritisch hinterfragt und gedeutet wird. Die Wichtigkeit dieses Diskurses zeigt uns ein Blick in die Kunstgeschichte! Die Ausstellungsgruppe Bonn, eine studentische Initiative junger Kunsthistoriker, zeigt in ihrer neusten Schau einen Schnitt 500 Jahre Skandalgeschichte.
Blickt man in die aktuelle Ausgabe des Klatschmagazins „OK!“ so erfährt man, dass der größte Skandal des Jahres 2014 ein „Nipplegate“ Heidi Klums gewesen sein soll, mit dem sie ihren intellektuellen eventuell Bald-Schwiegervater Julian Schnabel verärgerte.Wie mögen die Schlagzeilen 1507 geheißen haben, als Albrecht Dürer erstmals seine „Nackete“ überlebensgroß dem Publikum präsentierte? Oder in welchem Zusammenhang lässt sich die homosexuelle Selbstinszenierung  ala „It’s coming (…) from the ashes of the gay: Democracy is coming to the U.S.A“ eines Robert Mapplethorpe, 1978, hinsichtlich der Entwicklung demokratischer Grundrechte in den Vereinigten Staaten deuten? Die historische Perspektive der Ausstellung reicht bis in die Aktualität unserer Zeit mit dem Attentat auf die französischen Zeichner von Charlie Hebdo sowie die Unterdrückung von Künstlern in der Türkei. Sie zeigt, dass es der Kunst mitunter leichter fällt, gesellschaftlichen Wandel zu forcieren als dem gesellschaftlichen und politischen Führungspersonal. Es lebe die freie Kunst! Es kann daher nur lauten: Nous sommes Charlie!

Sackgasse Islamwissenschaft?

Bonner Studierende enttäuscht über Studienorganisation – Der Bachelor- Studiengang „Islamwissenschaft“ soll seine Absolventen zu Kennern des Nahen Ostens ausbilden. Durch einen Passus in der Prüfungsordnung können sie jetzt aber gar nicht für den Master zugelassen werden. Studierende machen ihr Institut dafür verantwortlich. Der Abteilungsleiter der Islamwissenschaft sieht das Problem hingegen in der Bologna-Reform.

Von Sophie Leins

ISLM WEB

Ich fühle mich getäuscht und bin enttäuscht – und das von meiner Alma Mater!“ erklärt Christina Baetzel in einer Lernpause in der ULB.  Gerade bereitet sich die Bachelorstudentin, die im fünften Semester den Zwei-Fach-Bachelor „Islamwissenschaft/Nahostsprachen“ studiert, auf ihre letzte Klausur vor. Im sechsten Semester folgt nur noch die Abschlussarbeit, danach sollte der Master folgen – am selben Institut, dem Institut für Orient- und Asienwissenschaften (IOA). Doch vor einigen Wochen hat Christina aus Zufall erfahren, dass aus diesem Plan nichts werden wird. Denn ihr Bachelor-Abschluss qualifiziert sie dafür nicht.
Doch wo liegt überhaupt das Problem? Wie kann es sein, dass die Uni einen Bachelor anbietet, der nicht für den aufbauenden Master am selben Institut qualifiziert? Und wieso hat die Studentin davon erst inmitten ihres Studiums erfahren?
Der Master setzt voraus, was man im Bachelor nicht einmal freiwillig erreichen kann

Die Fakten: Im Wintersemester 2012/2013 wurden an der Universität Bonn Zwei-Fach-Bachelor-Studiengänge eingeführt. Das Konzept erlaubt es, zwei Fächer der Philosophischen Fakultät im gleichen Verhältnis zueinander zu studieren. In beiden Fächern belegen die Studierenden 78 ECTS-Punkte, dazu kommt die Bachelor-Arbeit. Das macht zusammen 180 Punkte.Die Prüfungsordnung der Philosophischen Fakultät der Uni Bonn setzt für den Masterstudiengang „Asienwissenschaften“ mit dem Schwerpunkt Islamwissenschaft eine Sprachpraxis in Arabisch oder Persisch im Umfang von mindestens 72 Punkten voraus. Alternativ kann eine Mischung aus beiden Sprachen als Zugangsvoraussetzung anerkannt werden. De facto sind durch den Zwei-Fach-Studiengang aber beide Optionen nicht erreichbar, da im Studienverlaufsplan nur drei Basismodule in einer Fremdsprache (insgesamt 36 ECTS-Punkte) vorgesehen sind.
„Die Informationspolitik des Institus war eine Katastrophe“

Mehr als eine Nahost-Sprache zu lernen, ist ebenso nicht vorgesehen, auch wenn der Plural im Namen des Studiengangs diesen Eindruck vermittelt. Wie die akut bereits in der Ausgabe Nr. 334 berichtete, ist es aufgrund der geringen Sprachkursplätze für Studierende des Zwei-Fach-Studiengangs nicht garantiert, überhaupt einen Platz im Arabisch-Kurs zu bekommen.
Lange Rede, absurder Sinn: Der Zwei-Fach-Bachelor „Islamwissenschaft/Nahostsprachen“ qualifiziert zwar für den Master „Asienwissenschaften“, jedoch nur für die Schwerpunkte „Kunstgeschichte“, „Religionswissenschaft Südostasien“ und „Religionswissenschaft“, hingegen nicht für den aufbauenden Schwerpunkt „Islamwissenschaft“. Wegen mangelnder Sprachkenntnisse qualifiziert er seine Absolventen außerdem auch für fast keinen islamwissenschaftlichen Master anderer Universitäten. Eine Kommilitonin von Christina im dritten Semester hatte schon ein Drittel ihres Bachelors absolviert, als ihr klar wurde, dass sie sich mit dem Weg, den sie eingeschlagen hatte, in einer Sackgasse befand, da sie keinen Zutritt zu den Vertiefungsmodulen in den islamwissenschaftlich relevanten Fremdsprachen bekommen würde. Nach mehreren Beratungsgesprächen entschied sie sich dazu, das Zwei-Fach-Modell aufzugeben. „Ich kann nun inoffiziell an den Kernfach-Veranstaltungen teilnehmen und mich im Sommersemester dann offiziell ins Kernfach umschreiben lassen.“ Für die Fünftsemesterin Christina kam diese Möglichkeit zu spät. Sie überlegt nun, ob sie überhaupt einen Master machen soll.
Beide fühlen sich vom Institut nicht ausreichend informiert. „Die Informationen des IOA waren eine einzige Katastrophe. Der ins Internet eingestellte Studienverlaufsplan für den 2-Fach-B.A. „Islamwissenschaft“ war fehlerhaft, sodass sämtliche Kommilitonen und ich eine böse Überraschung erlebten“, erklärt die Studentin, die lieber anonym bleiben will. „Das Institut hat ganz klar hinsichtlich seiner Beratungs- und Informationspolitik versagt.“
Fehlkommunikation zwischen Institut und Prüfungsamt

Professor Dr. Stephan Conermann, Leiter der Abteilung für Islamwissenschaft am IOA, findet die ganze Situation genau so absurd wie die betroffenen Studierenden. „Natürlich macht es grundsätzlich keinen Sinn, einen Zwei-Fach-B.A. anzubieten, für den es keinen passenden Master gibt“ gibt er zu. Doch wie konnte es dann dazu kommen? Durch Fehlkommunikation zwischen seiner Abteilung und dem Prüfungsamt der Philosophischen Fakultät, erklärt Conermann. Erstere bekam bei der Einführung der Bologna-Reform den Auftrag, einen abgespeckten Bachelor-Studiengang für das Zwei-Fach-Modell zu konzipieren. Der erste Entwurf hätte zwar für den Master qualifiziert, bestand jedoch ausschließlich aus Sprachmodulen. Dieser Vorschlag wurde vom Prüfungsamt nicht akzeptiert. Mindestens die Hälfte des Curriculums sollte aus inhaltlichen Modulen zu Religion, Geschichte und Gesellschaft des Nahen Ostens bestehen. So wurde es dann gemacht und in die Prüfungsordnung gepackt. Nur fiel dabei niemandem auf, dass das Ergebnis nicht mehr ausreichte, um die Studierenden für den Master-Studiengang zu qualifizieren.
Dabei gäbe es nach Ansicht Conermanns eine praktische Lösung: Die Studierenden könnten die nötigen Sprachkursmodule freiwillig und über ihr reguläres Curriculum hinaus abschließen. Die entsprechenden Dozierenden könnten ihnen dafür wie früher einen „Schein“ ausstellen und das Prüfungsamt diesen dann anerkennen. Doch „vollkommen vernünftige Lösungen“ seien wegen einer „durch den Bologna-Prozess verursachten systemischen Sklaverei“ nicht möglich. Freiwillige Leistungen, die über die obligatorischen 180 Leistungspunkte hinausgehen, können im Transcript of Records nicht festgehalten werden. Conermann findet es unglaublich, „dass es engagierten Studierenden verboten wird, freiwillige Leistungen zu dokumentieren“. Betroffenen empfiehlt er, die Kurse trotzdem zu belegen, sich zusammen zu tun und mit Hilfe der Fachschaft eine „selbstorganisierte, sachliche Auseinandersetzung mit dem Prüfungsamt“ anzustreben.
„Durch den Bologna-Prozess verursachte systemische Sklaverei“

Die andere Möglichkeit, das Problem zu beheben – durch einen Antrag auf Änderung der Master-Prüfungsordnung durch das Institut – hält er für wenig realistisch. Die nächste und auch vorerst letzte Möglichkeit hierfür wäre das Sommersemester 2015, doch am Institut selbst sei nach wie vor umstritten, ob die Anforderungen für den Master gesenkt werden sollten. Allerdings überarbeitet das IOA für die nächste Reakkreditierung im Jahre 2018 zurzeit das gesamte Studienangebot grundlegend. Die Tendenz geht zu 2-Fach-Bachelorprogrammen für alle Disziplinen, die dann selbstverständlich für einen Master in dem jeweiligen Fach qualifizieren. Eine Lösung, die für aktuelle Studierende natürlich zu spät kommt.
Zum Abschied versucht Prof. Dr. Conermann noch einmal zu erklären, wie es so weit kommen konnte. Der Bologna-Prozess sei für alle Beteiligten eine völlig neue Herausforderung gewesen und man befinde sich noch immer in einer Übergangsphase. „Uns wurde etwas vorgegeben, wir sollten uns dann etwas ausdenken. Nicht nur die Studierenden, auch meine Kollegen und ich fühlen uns seit acht Jahren ein wenig wie Versuchskaninchen.“¬

„Der Umgang mit Büchern führt in den Wahnsinn“

Prof. Dr. Radvan über Bücher, das Lesen und den besten Kaffee – Florian Radvan ist seit 2014 Professor für Fachdidaktik Deutsch an der Uni Bonn. Vor seiner Arbeit an der Uni, war er auch als Lehrer tätig. Die akut spricht mit ihm über die jeweiligen Vorteile von der Arbeit an Schule und Uni, guten Kaffee (oder Tee?) und die Gefahren des Lesens.

Interview: Hannah Rapp

Radfahr_WEB

akut  Wenn die Uni noch ein Kurfürstliches Schloss wäre, welche Position hätten Sie dort am liebsten inne?
Radvan  Auch im Kurfürstlichen Schloss wird es eine Art Hausverwaltung gegeben haben, jemanden, der mit dem Herrschaftsinstrument Schlüsselbund ausgestattet ist. Was mich daran interessiert hätte, wäre natürlich der Blick hinter die Kulissen des Gebäudes gewesen, das Wissen um die Verliese im Keller und die Verstecke auf dem Dachboden, um Tapetentüren und geheime Gänge. In großen, auf Repräsentanz angelegten Gebäuden wie dem Schloss, gibt es ja zumeist eine zweite Welt, zu der man für gewöhnlich keinen Zutritt hat, die der ersten Welt des Sicht- und Begehbaren aber auch etwas Kulissenhaftes verleiht.

akut  Wo gibt es in Uninähe den besten Kaffee?
Radvan  Schon während meiner Schulzeit und später auch zum Studium habe ich einige Jahre in England verbracht – bin also eher als Teetrinker sozialisiert und habe die dortigen Marotten des Teetrinkens lieb gewonnen: So wurde aus mir ein Anhänger des Prinzips ‚Mif‘ (steht für „milk in first“), das in Konkurrenz zu ‚Tif‘ (also „tea in first“) steht. Ich bin also kein Kaffee-Experte, obwohl ich gern zum Arbeiten ins Café gehe. Wenn es in Bonn zwischendurch ein Kaffee sein muss, dann allerdings eher an einem Ort, wo man nicht (oder nur bei gutem Wetter) arbeiten kann: zum Kaffee-Roller.

akut  Was ist besonders toll an der Uni Bonn? Gibt es etwas, das Sie gerne verändern würden?
Radvan  Toll ist natürlich, dass die Universität sich entschlossen hat, das Lehramtsstudium wieder einzuführen! Am Aufbau der Fachdidaktiken beteiligt zu sein, mit dem Zentrum für schulpraktische Lehrerbildung (ZfsL Bonn) bei der Planung des ersten Praxissemesters zu kooperieren und überhaupt Einfluss auf die Curricula zu haben, ist eines der großen Privilegien meiner Tätigkeit. Die Veränderungswünsche liegen momentan eher im Bereich der Fachdidaktik: Unsere Lehrwerks-Sammlung möchte ich weiter ausbauen, gern mit Unterrichtsmaterialien aus der Nachkriegszeit bis in die 1960er Jahre. Darüber hinaus habe ich mir vorgenommen, eine Ringvorlesung für Fachdidaktik einzurichten und, perspektivisch, auch ein Forschungskolloquium für Deutschdidaktik, etwa wenn es hier die ersten Absolventen unserer Lehramtsstudiengänge gibt.

akut  „Digitales Schreiben im Deutschunterricht“ ist der Titel eines Vortrages, den Sie gehalten haben. Wie sehr verändern die Neuen Medien den Deutschunterricht – positiv und negativ?
Radvan  Auf eine einfache Formel von besser oder schlechter lässt sich der Einsatz neuer Medien, etwa des Computers, nicht bringen. Eine aktuelle Studie zur Kompetenz von Schülerinnen und Schülern im Bereich der Digitalität besagt, dass die Bundesrepublik bestenfalls Mittelmaß ist. Das hat natürlich viele Gründe: Die IT-Ausstattung an vielen Schulen, fehlende oder nicht konsequent angewendete Unterrichtskonzepte, vielleicht auch eine zu lange Zögerlichkeit in der Fachdidaktik, sich mit computerbasiertem Lernen zu beschäftigen. In Bonn untersuchen wir im Augenblick, welches Fähigkeitsselbstkonzept, d.h. welche persönliche Wahrnehmung Schülerinnen und Schüler in Bezug auf das digitale Schreiben haben. Dabei zeigt sich, dass etwa Neuntklässler ihre Schreibkompetenz als durchweg besser einschätzen, wenn sie mit dem Computer oder auf einem iPad arbeiten – eine Einschätzung, die nicht unbedingt mit den realen Kompetenzen übereinstimmt. Gewinnbringende Möglichkeiten, den Computer im Deutschunterricht einzusetzen, sehe ich etwa bei der Überarbeitung von Texten. Interessant ist auch die Frage, wie sich die Akzeptanz des Computers bei Leistungsüberprüfungen ändern wird. Sprich: Sollten Klassenarbeiten in Zukunft auf dem Notebook geschrieben werden?

akut  Was ist der Vorteil der Arbeit an der Universität? Was vermissen Sie an der Arbeit als Lehrer?
Radvan  Sicherlich bietet mir die Universität die Möglichkeit, mich über längere Zeit und auch theoretisch mit Fragen zu beschäftigen, die mich als Lehrer praktisch betrafen: der Prozess des Schreibenlernens etwa oder der Umgang mit Texteditionen.
Auf der anderen Seite vermisse ich – ganz klar – die Aufgaben, die man als Klassenlehrer hat. Dabei handelt es sich ja um Aufgaben, die sich nicht nur auf die Vermittlung von Wissen beziehen, sondern primär kommunikative sind: das Herstellen eines guten Klassenklimas und die Bewältigung sozialer Probleme, auch in Zusammenarbeit mit Eltern, etwa bei klassischen Erziehungsfragen.
Häufig ist im Schulalltag eben, zumindest mehr als an der Uni, das Improvisationstalent und eine gute Portion Krisenmanagement gefragt. Dass Schülerinnen und Schüler weniger reserviert, recht unmittelbar in ihrem Verhalten, häufig auch sehr diskussionsfreudig sind, hat mich jedenfalls an der Schule fasziniert.

akut  Welches sind die größten Veränderungen in der Deutschdidaktik?
Radvan  Eine deutliche Veränderung hat sich vor zehn bis 15 Jahren ergeben, seitdem ist die Deutschdidaktik nicht nur, aber zunehmend eine empirische Wissenschaft. Für das Fach ist es natürlich zentral, so einen Anschluss an die Forschungsmethodiken der Sozialwissenschaften, der Erziehungswissenschaften oder der Psychologie zu gewinnen. Dennoch hatte dieser ‚empirical turn‘ – und ich vermute, nicht nur für mich – zunächst seine Tücken, da ich weder als Student noch als Lehrer mit Methoden zur Datenerfassung und -auswertung jemals in Berührung gekommen war. Sich mit Statistik in Form von Korrelationskoeffizienten oder Faktorenanalysen auseinanderzusetzen, ist eben keine Aufgabe für einen Feierabend.

akut  Was war Ihre persönliche Lieblingslektüre im Deutschunterricht?
Radvan  Mit dem Begriff Lieblingslektüre tue ich mich schwer, weil er irgendwie impliziert, dass man diese Bücher wieder und wieder liest. Das habe ich in der Schule definitiv nicht getan! Mein persönliches Erweckungserlebnis waren Theatertexte von Bertolt Brecht und zwar nicht unbedingt die, die man als kanonisiert bezeichnen würde. Wir hatten in der Oberstufe eine Deutschlehrerin, die mit uns eine ganze Reihe der kürzeren, zum Teil auch fragmentarisch gebliebenen Stücke Brechts wie „Das wirkliche Leben des Jakob Geherda“ oder „Die Hochzeit“ gelesen hat. Wir haben damit, was in den späten 1980er Jahren noch exotisch war, auch szenisch gearbeitet. Mindestens ebenso haben mich die Gedichte von Brecht begeistert, der als Lyriker in der Schule, denke ich, leider vernachlässigt wird.

akut  Finden Sie im Moment Zeit zu lesen? Was ist Ihr Lieblingsbuch von 2014 und warum?
Radvan  Ja, zum Lesen nehme ich mir immer Zeit! Während der Weihnachtsferien zum Beispiel ein Buch von Ulrich Raulff, dem Leiter des Deutschen Literaturarchivs in Marbach: „Erinnerung an die Siebziger“. Es hat den Untertitel „Die wilden Jahre des Lesens“ und schildert, was Raulff als Student in Marburg, Paris und London erlebte. In Frankreich begegnet er den später auch in Deutschland so einflussreichen Philosophen und (Literatur-)Theoretikern wie Foucault oder Roland Barthes. Besonders fasziniert hat mich der Abschnitt über die Bibliothek als Biotop, vielleicht weil uns die Tradition des beinahe zwanghaften Gangs in diese Welt der Bücher und das exzessive Lesen dort gerade verloren gehen. Ganz zu Beginn des Jahres 2014 las ich übrigens (leider viel zu spät) ein Buch von Pierre Bayard, das ein Freund mir zu Beginn meiner Tätigkeit in Bonn geschenkt hatte: „Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat“.

akut  Was wollen Sie den Studierenden bzw. den akut-Leserinnen und Lesern noch mit auf den Weg geben?
Radvan  Der Umgang mit Büchern führt zum Wahnsinn. Das hat Erasmus von Rotterdam gesagt und – ganz falsch ist es sicherlich nicht!