Unbekannter Gegner

UrabstimmungDieses Jahr zahlen Bonner Studierende 26.800 Euro an den fzs, einen Dachverband von Studierendenschaften. Weil sich diese Mitgliedschaft nicht lohne, plant ein Aktionsbündnis nun, alle Studierenden über den Verbleib im Verband entscheiden zu lassen.

von ALEXANDER GRANTL

IMG_0142

Foto: Alexander Grantl / AKUT

Zügig gehen Chiara Mazziotta und ihre Mitstreiterin auf die zwei Studentinnen zu, die sich vor dem Copyshop in der Nassestraße auf eine kleine Mauer gesetzt haben, um ihren Kaffee zu trinken. In ihren Händen hält Chiara ein Klemmbrett und einen Kugelschreiber, ihre Begleiterin trägt einen Putzeimer – randvoll mit Wassereis. »Kennt ihr den fzs?«, fragt Chiara entschlossen. Kopfschütteln. Von einem »fzs« haben die jungen Frauen auf der Mauer noch nichts gehört. Sie scheinen nicht die Einzigen zu sein: »Fast alle Studenten, die wir ansprechen, kennen den fzs gar nicht«, sagt Chiara.

Die 22-Jährige sitzt für den RCDS, den Ring Christlich-Demokratischer Studenten im Studierendenparlament (SP). Zusammen mit der LHG, der Liberalen Hochschulgruppe hat der RCDS kürzlich ein »Aktionsbündnis gegen den fzs« gegründet. Der fzs ist der »Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften«. Er bezeichnet sich als überparteilichen Dachverband deutscher Studierendenvertretungen. Man wolle ein Sprachrohr für die Studierenden gegenüber der Presse sein und den Fachschaften, Studierendenparlamenten und Allgemeinen Studierendenausschüssen der Mitgliedshochschulen Wissen und Kompetenzen vermitteln, zum Beispiel durch Seminare und Infobroschüren. 83 Mitglieder hat der Verband nach eigenen Angaben, die Bonner Studierendenschaft ist eines davon.

Und genau damit sind Chiara vom RCDS und Florian Even von der LHG unzufrieden. »Wir positionieren uns klar gegen den fzs«, sagt Florian. Ihr Aktionsbündnis hat ein deutliches Ziel: Im Januar 2016 sollen alle Studierenden der Uni Bonn in einer Urabstimmung entscheiden können, ob die Mitgliedschaft im fzs beendet werden soll oder nicht. Um diese Abstimmung aber überhaupt zu ermöglichen, sammelt das Bündnis nun Unterschriften – rund 1600 werden benötigt, um die Hürde zu nehmen.

Ihre Kritik ist dabei umfassend – und gar nicht so neu: Dem aktuellen Haushalt zufolge zahlt die Bonner Studierendenschaft dem fzs einen Mitgliedsbeitrag von 26.800 Euro, in jedem Jahr etwa 80 Cent pro Studentin und Student. »Wir wollen nachvollziehen können, was mit diesem Geld passiert – es geht uns dabei um die Transparenz«, so Florian. Nicht nur der Mitgliedsbeitrag interessiert sie – die Seminare des fzs sind kostenpflichtig und stellen damit weitere Einnahmen für den fzs dar. Das Aktionsbündnis hat sich mittlerweile den Haushaltsplan des Zusammenschlusses zusenden lassen.

»Ich finde, man kann nachvollziehen, was mit dem Geld passiert«, sagt hingegen Lillian Bäcker von der Juso-HSG. Mit dem Geld bezahle man die Seminare, die der fzs veranstalte; Personal, das in der Verwaltung arbeite; Logistik und die Kampagnen des fzs. Zudem mache der Jahres-Mitgliedsbeitrag von 26.800 Euro nur etwa 2% des Gesamthaushalts der Bonner Studierendenschaft aus, in dem rund 1.300.000 Euro stecken. Lillian, als Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) und der Vorsitzende der Juso-HSG, Simon Merkt, sprechen sich für die Mitgliedschaft im fzs aus. Dass dort alles perfekt sei, habe man allerdings auch nie behauptet. Ihre Hochschulgruppe hätte sich durchaus kritisch mit dem fzs befasst, »wir haben uns aber dann entschlossen, konstruktiv mitzuarbeiten – verbessern, wo’s geht, statt auszutreten«, sagt Simon. Nicht jeder in der Juso-HSG ist so überzeugt wie er. Mindestens ein Juso hat dem Aktionsbündnis seine Unterschrift gegeben: »Ich stehe dem fzs skeptisch gegenüber« – durch die Urabstimmung erhoffe er sich eine breitere Diskussion.

Zum Beispiel darüber, wie viel parteipolitische Positionen der fzs vertreten soll. Er selbst bezeichnet sich zwar als »überparteilich«, doch Chiara und Florian bezweifeln das. Beispielhaft führen sie eine Pressemitteilung an, die der Verband Anfang 2014 herausgegeben hat – zusammen mit campus:grün, dem Bundesverband der grün-alternativen Hochschulgruppen. Darin sprechen sich die beiden Herausgeber für einen Mindestlohn für alle aus. Florian sieht darin keinen direkten Nutzen für Studierende: »Was hat das mit Hochschulpolitik zu tun?«

IMG_0107

Foto: Alexander Grantl / AKUT

»Politische Neutralität ist nicht der Anspruch des fzs – die sollen gar nicht neutral sein«, hält Lillian dagegen. Der fzs müsse schließlich Positionen vertreten – und zwar im Interesse der Studierenden. »Wer Positionen vertritt, der ist eben nicht mehr neutral«. Und studentische Hilfskräfte oder AStA-Mitarbeiter würden vom Mindestlohn durchaus profitieren. Letztlich, argumentieren die Jusos, setze der fzs sich ja aus den verschiedenen Studierendenschaften zusammen, die dort ihren Willen formulierten. Würden sie nicht Position beziehen, könnten sie die Studierenden auch nicht vertreten.

Als Mitte Mai fzs-Vorstandsmitglied Isabella Albert dem Studierendenparlament über ihre Arbeit berichtete, kamen kritische Fragen vor allem von RCDS und LHG. Man wollte wissen, wie genau die Studierenden in Bonn von der Mitgliedschaft im fzs profitierten. So konkret könne man diese Frage nicht beantworten, erklärte sie. Neben dem Seminarangebot des Verbandes profitierten die Studierenden vom solidarischen Zusammenstehen der im fzs vertretenen Studierendenschaften. Das ermögliche dem fzs als Sprachrohr aufzutreten – zum Beispiel 2010, als ein fzs-Vorstandsmitglied vom Bildungsausschuss des Bundestags als Sachverständiger zum BAföG-Änderungsgesetz angehört wurde.

An einigen Stellen kritisieren aber sowohl die Juso-HSG als auch das Aktionsbündnis den fzs: »Die Presse- und Medienarbeit des fzs ist ungenügend, die Kampagnen bekommen viel zu wenig Aufmerksamkeit«, sagt Chiara. Und das sieht auch Lillian so: »Der fzs hat eine schwache Außendarstellung – das könnte besser sein.«

Außerdem: »Der Bonner AStA müsste mit dem fzs besser zusammenarbeiten«, so Chiara – das sei in den letzten Jahren nicht gut gelaufen. Denn: Um das Seminarangebot des fzs zu nutzen, muss der AStA dort eine entsprechende Anfrage stellen. »Tatsächlich ist die zurückhaltende Inanspruchnahme des fzs-Angebots das hauptsächliche Problem«, bestätigt Lillian. Sie wünsche sich mehr Engagement ihres AStAs. Dennoch: Seit Januar beteilige man sich deutlich mehr im fzs, doch »dafür bekommen wir auch viel mehr Kritik zurück«.

Wenn das »Aktionsbündnis gegen den fzs« genug Unterschriften sammelt und damit eine Urabstimmung ermöglicht, müssen bei dieser mindestens 6400 Studierende abstimmen, damit die Urabstimmung überhaupt wirksam wird. Wenn es nach LHG und RCDS geht, soll sich die Mehrheit der Abstimmenden dann für einen Austritt aus dem fzs entscheiden. Florian von der LHG betont: »Wir wollen die Mehrheit für den Austritt – aber es geht uns um die Sache, ganz unabhängig von Hochschulgruppen.« Daher habe man die Form eines Aktionsbündnisses gewählt, bei dem die Hochschulgruppen eher im Hintergrund stehen.

Hätten LHG und RCDS bei den Wahlen zum SP nämlich erfolgreicher abgeschnitten, könnten sie mit einer Mehrheit den Austritt aus dem fzs einfach selber beschließen.

Doch dazu wird es wohl vorerst nicht kommen, denn: »Wir fragen uns nicht mehr, ob wir genug Unterschriften sammeln, sondern wann wir genug gesammelt haben«, sagt Florian. Nach nur drei Tagen Unterschriftensammeln habe man bereits ein Drittel der benötigten Anzahl erreicht. Und auch der Juso-HSG-Vorsitzende Simon erklärt leicht resigniert: »Die Urabstimmung wird kommen.«

Beide Seiten zeigen sich immerhin erfreut darüber, dass durch die Abstimmung und die beginnende Diskussion der fzs für Bonner Studierende präsenter wird.

Editorial

Hallo,

und: Glückwunsch! Denn die AKUT-Online-Ausgabe zu besuchen war eine gute Idee. Diesen Satz könnte ich zwar über jede AKUT-Ausgabe schreiben (zu Recht), aber dieses Mal passt er besser denn je. So vielfältig wie die Interessen unserer Leserinnen und Leser sind auch die Inhalte dieser Ausgabe. Und unser Schwerpunkt ist ein Thema, das fast alle Studierenden betrifft: Die Universität muss sparen – 17 Professuren sollen daher für eine unbestimmte Zeit nicht neu besetzt werden. Über die Hintergründe und die Proteste der Studierenden berichten wir hier.

Wer gerne Kaffee trinkt und sich für Bundesministerinnen interessiert, die mal in Bonn studiert haben, der sollte am besten gleich im Ressort »Universum« bleiben, das hier beginnt.

Wenn man jede Veranstaltung besucht, für die man einen Flyer in die Hand gedrückt bekommt – dann ist man ziemlich beschäftigt. Wie AKUT-Redakteurin Lauren zum Beispiel. Ihren Selbstversuch gibt’s hier zu lesen.

Neu im Heft ist »WG besucht!« – ganz hinten, auf Seite 34. Dort stellen wir in jeder Ausgabe eine WG vor. Wenn wir deine Wohngemeinschaft mal besuchen sollen, schreib uns an redaktion@akut-bonn.de!

Wir freuen uns immer über Nachrichten von unseren Leserinnen und Lesern. Denn: Wir machen die AKUT nicht, weil uns langweilig ist. Und auch nicht, um unseren Großeltern zu zeigen, was wir alles können. Wir machen sie für dich. Und wir wollen wissen, was du über die AKUT denkst. Sprich uns an, schreib uns an oder mal uns an – Hauptsache, wir kommen in Kontakt. Weil wir an deiner Meinung ehrlich interessiert sind, möchten wir sie im nächsten Heft oder online veröffentlichen. Alle Infos dazu findest du auf akut-bonn.de/leserbriefe/

Bei der AKUT-Redaktion und allen anderen Beteiligten bedanke ich mich für die exzellente Arbeit. Und ganz besonders bei Julia Faber, die die letzten fünf AKUT-Hefte verantwortet hat.

Viel Freude beim Lesen
Alexander Grantl