„Ich wäre auch ein guter Bootsbauer!“

Interview mit Prof. Dr. Rudolf Simek

Ein Professor ganz privat: Im Gespräch mit Varvara Stegarescu spricht Prof. Dr. Simek, Professor für Ältere Germanistik mit Einschluß des Nordischen, über mehr als dreißig Jahre Lehrtätigkeit, berufliche Alternativen und die Sinnhaftigkeit roter Ampeln.

Erinnern Sie sich an Ihre erste Vorlesung als Professor?
Ja, das war im Jahre 1980, in Wien. Es war meine erste Erfahrung als Lehrkraft an der Universität. Ich war damals 26 Jahre alt, also nicht viel älter als meine Studenten. Wir haben uns von Anfang an geduzt. Ich fand es spannend und  interessant mit Studenten zu arbeiten.

Was fühlen Sie, wenn Sie im Hörsaal vor Hunderten von Studierenden stehen?
Es sind nicht mehr Hunderte, ein paar Dutzend. Wenn man vorne steht, hat man den Eindruck, dass man etwas vermitteln kann. Man kann die geistige Entwicklung der Studenten beeinflussen und begleiten. An der Universität zu lehren ist viel schöner als in der Schule. Die Studenten sind im Gegensatz zu den meisten Schülern interessiert.

Professor Simek ruft die Studierenden zu Interesse und Neugier gegenüber dem Leben auf. Foto: privat

Professor Simek ruft die Studierenden zu Interesse und Neugier gegenüber dem Leben auf. Foto: privat

Wären Sie gerne nochmal Student? Wenn ja, was würden Sie studieren wollen?
Ja sicher! Ich würde vielleicht Archäologie bzw. Ur- und Frühgeschichte studieren, oder dasselbe, was ich bereits studiert habe. Ich würde am liebsten im Ausland studieren, an einer reichen Universität, zum Beispiel in Norwegen.

Woran erinnern Sie sich gerne, wenn Sie an Ihre Studienzeit denken?
Woran ich mich gerne erinnere, ist die Tatsache, dass früher alles weniger verschult war, es gab keine Anwesenheitspflicht, und jeder war für seine Leistungen verantwortlich. Schöne Erinnerungen habe ich auch von Lehrenden, die ihre Vorlesungen mit brennendem Interesse vorgetragen haben!

Wie waren Sie als Student?
Interessiert, ja! Fleißig, ja! Zielstrebig, ja! Mit 20 wollte ich eine Yacht besitzen, um zu segeln. Mein Vater konnte aber verständlicherweise nicht ganz nachvollziehen, warum ein Student eine Yacht haben sollte. Also habe ich mich entschieden, selber Geld zu verdienen, um mir eine Yacht zu kaufen. Dafür habe ich die ganze Zeit als Werkstudent gearbeitet, das war manchmal sehr stressig. Mit 21 habe ich mir die Yacht gekauft, die Yacht gibt es bis heute noch!

Gibt es Unterschiede zwischen den Studierenden von gestern und den Studierenden von heute?
Ja, die Studenten von heute sind gezwungen, viel schneller und zielgerichteter zu studieren. Bei uns konnte man aus Interesse Kurse wählen, wir haben nicht auf die Leistungspunkte geschaut. Heute hat man viel weniger Freiheit. Das System erlaubt uns nicht, die Studenten im selben Ausmaß wie früher zu begeistern und zu begleiten.
Eine andere Entwicklung, die ich beobachtet habe, ist die Tatsache, dass die Deutschkenntnisse der deutschen Studierenden jedes Jahr schlechter werden. Das liegt an der Schulausbildung, es wird zu wenig Grammatik in der Schule unterrichtet.

Haben Sie eine Botschaft für die Bonner Studierende diesbezüglich?
Ja! Lernt aus Interesse, Neugier und für das Leben, nicht für Scheine und einen schnellen Universitätsabschluss.

Was schätzen Sie an dem deutschen Bildungssystem, wo sehen Sie die Defizite?
Ich schätze sehr die große Dichte an Universitäten in Deutschland. Wir haben ein Forschungsumfeld, in dem Austausch besteht. Das ist nicht zu unterschätzen. Als Defizite würde ich die Verschulung und die Unterfinanzierung der deutschen Universitäten nennen.

Bewahrt auch auf hoher See stets die Haltung:  Professor Simek.  Foto: privat

Bewahrt auch auf hoher See stets die Haltung:
Professor Simek. Foto: privat

Was bemängeln Sie an der Bonner Universität?
Die unzähligen, zum Teil nur internen Vorschriften, mit denen man Studierenden und Lehrenden das Leben schwer macht, und die mangelnde Großzügigkeit im Umgang mit solchen Bestimmungen: Alles, aber auch alles braucht einen schriftlichen Antrag, niemand ist bereit, selbständig Verantwortung zu übernehmen. Auch Reformen und Veränderungen nur um der Reformen willen halte ich für unnötig und kontraproduktiv für die Forschungsarbeit: Ergebnisse in der Forschung können nur durch kontinuierliche Arbeit erzielt werden.

Es ist bekannt, dass die USA das Forschungsland Nummer 1. der Welt sind. Woran liegt es, dass Deutschland noch viel mehr tun muss, um ein vergleichbares Niveau zu erreichen?
Es liegt am System: Die Politik ist nicht bereit, ausreichende Mittel für die Finanzierung der Hochschulen zur Verfügung zu stellen. Man könnte den Föderalismus als Hindernis betrachten, ich denke aber, dass der deutsche Föderalismus bezüglich der Finanzierung der Hochschulen überwindbar ist. Die Universitäten müssen besser mit finanziellen Mitteln dotiert sein. Und wir haben ein Mentalitätsproblem: In der Öffentlichkeit genießen die Universitäten ein hohes Ansehen, man ist aber nicht bereit, dazu beizutragen.

Wie betrachten Sie die Debatte über die Akademikerquote in Deutschland?
Für mich spielt die Quote keine Rolle. Es ist egal, wie viele Teile der Bevölkerung einen Bachelor haben, das Bildungssystem wird dadurch nicht verändert. Mir geht es um die Qualität der Ausbildung – die erreicht man aber nicht durch das rasche Durchschleusen von möglichst vielen Bachelorabsolventen.

Wo finden Sie Ablenkung außerhalb der Universität?
Ich finde Ablenkung beim Segeln, bei Büchern und in guter Gesellschaft.

Was sind für Sie die wichtigsten Dinge im Leben?
Das Segeln, meine Kinder, und die Forschung.

Wofür meinen Sie, dass man Sie bezahlen würde, wenn Sie nicht Universitätsprofessor wären?
Ich könnte mir vorstellen, als Sachbuchautor zu arbeiten oder als Bootsbauer.

Hat ein Universitätsprofessor eigentlich auch Schwächen?
Ja, sicher, zum Beispiel habe ich eine große Schwäche für gutes Essen und Trinken!

Gehen Sie bei rot über die Ampel?
Ja, wenn  keine Gefahr besteht! Es gibt ohnehin viel zu viele Regeln, und außerdem sind die Regeln für Menschen gemacht, und nicht die Menschen für die Regeln.

Gibt es noch eine Frage, auf die Sie noch keine Antwort gefunden haben?
Ja! Tausende! Jede Menge! Deswegen finde ich es so wichtig, mein Leben der Forschung zu widmen.

Wo sehen Sie sich in 10 Jahren?
Genau hier, an der Universität. Ich möchte so lange wie möglich hier bleiben, um meine Forschungen und meine Lehre weiter zu betreiben, wenn meine Gesundheit es zulässt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Prof2_sw

In Bonn erlebt & In Bonn entdeckt

In Bonn erlebt

Thank you for smoking

Jeder kennt sie: Die Menschen, die Flyer verteilen. An der Uni, in der Mensa, auf dem Marktplatz. Man sieht und übersieht sie, weil man auf gar keinen Fall mit ihnen sprechen möchte. Es könnte ja sein, dass man sich bequatschen lässt, dass sie gute Argumente haben oder am Ende sogar Recht. Nicht, dass sie mich noch überzeugen, mich zu engagieren: in der Politik, im Umweltschutz, oder gar für die Menschenrechte. Dazu habe ich keine Zeit und zum Nachdenken erst recht nicht!
So auch dieses Mal, ich hetze vom Juridicum Richtung Mensa und stoße an der Ecke beinahe mit zwei jungen Erwachsenen zusammen, höchstwahrscheinlich engagierte Studierende. Richtig, da zückt auch schon der eine seinen Kugelschreiber und lässt ihn schreibbereit über seinem Klemmbrett schweben. „Hallo!“ Strahlendes Grinsen. „Rauchst du?“ Zu überrascht, um ignorant zu sein, bleibe ich kurz stehen. „Ähh, nein.“ „Ach schade! Aber trotzdem noch einen schönen Tag!“ Danke, den werde ich haben, weil mir kein Rauch die Lunge verätzt. Während ich eilig meinen Weg fortsetze, muss ich erst lachen, dann werde ich nachdenklich. Wirklich schade an der Sache ist ja nur, dass die Werbung anscheinend wichtiger ist als die Gesundheit. Das nächste Mal drücken sie mir eine Zigarette in die Hand, um mich danach einer empirischen Umfrage unterziehen zu können. Auch wenn ich neugierig geworden bin, bleibe ich bei meiner alten Strategie – Ignorieren und Weitergehen.

In Bonn entdeckt

Kneipenquartett

Das jüngst erschienene „Bonner Kneipenquartett“ ist Nachtschwärmern, Kaffee-Trinkern und Sparfüchsen gleichermaßen zu empfehlen. Es handelt sich dabei um ein Gutscheinheft in Spielblattformat. Es enthält Gutscheine für 32 Bonner Kneipen, Cafés, Biergärten und andere Lokalitäten der feuchtfröhlichen wie auch gemütlichen Art (und sogar ein Kinogutschein fürs WOKI ist mit drin). Für 7,90 € kann „Bonner Kneipen“ an verschiedenen Verkaufsstellen des Studentenwerks, z.B. dem cafeleven, dem Juri§hop und dem cafe unique erworben werden. Mal ist es ein Freigetränk, mal zwei zum Preis von einem – insgesamt lassen sich laut Verpackung durch das Spiel bis zu 150 € sparen. Ein schöner Nebeneffekt sind nicht nur die netten Details, die man über die Läden erfährt (z.B. die Anzahl der Biersorten und die Tresenlänge in Metern), sondern auch, dass man seinen Trinkhorizont über die eigene Stammkneipe hinaus erweitern und durch das Spiel auch einige Geheimtipps kennenlernen kann. Die Karten werden beim Einlösen übrigens nur abgestempelt, sodass man auch danach noch weiter damit Quartett spielen kann.

Auf die Reime, fertig, los

PoetrySlam in der Schauspielhalle

Poetry Slam muss nicht aus den abgedroschenen Alltagsgeschichten von Langweilern bestehen. Es geht auch interessant.  Im Theater!

1986 in Chicago – eine neue Mode entsteht: Poetry Slam. Sinn des Ganzen ist es, durch den Vortrag literarischer Texte seine Gegner zu übertrumpfen und gleichsam das Publikum zu überzeugen. 27 Jahre später ist es auch in Bonn soweit: Die beiden Slammer Quichotte und René Deutschmann setzen sich zusammen und entwickeln die Idee eines außergewöhnlichen Dichterwettstreits in Bonn. Geburtshilfe gibt es dabei vom ehemaligen Theaterdramaturgen Ingo Piess. Dieser erkennt das Potential des Wettbewerbs, volle Häuser durch hohe Qualität zu erreichen.

Die Moderatoren Quichotte und René konzipieren den Slam gemeinsam und laden nur ein, wer bei ihnen während der eigenen Slammerkarriere bleibenden Eindruck hinterlassen konnte. Die Motivation dahinter ist klar: „Wir dachten uns, man kann am Rand sitzen und darüber meckern, was die andern alle alles falsch machen, oder es selbst riskieren“, so René.

Die schöne Rheinseite Bonns wurde zuerst beglückt und 230 Zuschauer kamen in Beuel in den Genuss reiner Literaturfreude. „Ich sage immer, im Theater fühlen wir uns wie Kinder, die nachts im Toys R Us vergessen wurden. Wir haben alle Möglichkeiten, unsere Ideen zu verwirklichen.“
Beheimatet im Schauspielhaus Beuel, wagte sich das tollkühne Trio zum Abschluss der letzten Spielzeit in die Oper Bonn – und 500 Zuschauer folgten ihnen begeistert.
Neben einem abwechslungsreichen Aufgebot an Poeten wurde das Publikum von Stimmenimitator Christian Schiffer (1live) und den Bonner Blümchenknickern bei Laune gehalten. Doch bei allem Erfolg versuchen die Jungs stets, das Erlebnis jedes Slams mit allen Menschen zu teilen – so auch mit Gehörlosen. In Zusammenarbeit mit der Aktion Mensch wurden für einen Slam zwei Gebärdendolmetscher engagiert, das Vorgetragene live zu übersetzen. Die Slams so einem noch breiteren Publikum zugänglich zu machen, scheint zur Popularität des Events beizutragen.

René Deutschmann kennt schöne Häuser.Fotos: Mariam Gabatashvili-Braun

René Deutschmann kennt schöne Häuser. Foto: Mariam Gabatashvili-Braun

Um die Finanzierung müssen sich die drei keine Sorgen machen, obwohl es wie vermutlich bei allen kulturellen Angeboten Sparzwänge gibt. „Finanzierung ist im Vergleich zu den meisten anderen Slams ein Traum, denn wir holen wen wir für gut erachten, egal ob aus der Schweiz, aus Halle, Köln oder Bonn“, freut sich René und verweist darauf, dass sie für Auftritte im Theater ein gewisses Niveau voraussetzen. „Die Show, die wir um die Slammer herum machen, ist eine augenzwinkernde Hommage an das Theater und macht auch einfach Spaß.“
Die Zukunft des Slams ist dennoch ungewiss: Die neue Intendanz beziehungsweise das neue Theater zeigt sich hinsichtlich des Konzepts euphorisch – aber mit Vorbehalt bezüglich der Finanzierung – die Kassen sind leer. Aber die Jungs geben sich gelassen, haben doch „andere Häuser auch schöne Theater.“

Glückssache

Studieren aus Überzeugung

Jedes Jahr wechseln noch bis in die Nachmeldephase hinein hunderte Studierende ihren Studiengang. Die meisten merken schnell, dass ihnen das aktuelle Fach keinen Spaß macht. Oft bekommen die Geisteswissenschaften dann  noch ordentlich Zuwachs. Aber woran liegt das?

Sie gelten gemeinhin als brotlose Kunst. Immer wieder hört man von studierten Taxifahrern und arbeitslosen Philosophen. Ein Vernunftsfach lockt dagegen mit einem hohen Einstiegsgehalt, langfristigen Jobaussichten und Ruhm und Ehre. Die wenigsten Studienwechsler haben vor ihrer Umschreibung allerdings daran gedacht, ob dieses Studium und der daraus resultierende Job sie langfristig auch glücklich machen wird.
Und dabei dient ein Studium vor allem dazu, den Weg zu ebnen, für ein glückliches Leben in einem Beruf, den man gerne ausübt.
Mit dem Glücklich- sein beschäftigt sich mittlerweile ein ganzer Forschungszweig: die Positive Psychologie. Ziel dieser Forschung ist es, die Faktoren zu finden, die Menschen zu einem erfüllten Leben verhelfen. Professor Barbara Fredrickson von der University of North Carolina ist weltweit führende Wissenschaftlerin in Sachen gute Gefühle. „Die Menge an positiven Gefühlen, die ein Mensch hat, steht in direktem Zusammenhang damit, ob er im Leben aufblüht oder nur dahin dümpelt.“ Hinzu kommt, dass glückliche Menschen im Schnitt ungefähr fünf Jahre länger leben, da sie ein stärkeres Immun- und Herz- Kreislauf System haben.
Diese Studien sind allgemein bekannt. Daher stellt sich die Frage, warum so viele Menschen nicht das tun, was sie primär glücklich macht. Die simple und in den meisten Fällen zutreffende Antwort ist: Geld. Denn in unserer Gesellschaft wird Glück oft mit Wohlstand gleichgesetzt. Dem ist in der Tat aber nicht so, denn es ist bewiesen, dass, sobald die Grundbedürfnisse gedeckt sind und der eigene Lebensstandard dem des unmittelbaren Umfelds entspricht, mehr Geld nicht automatisch glücklicher macht.
Die Faktoren, die Menschen zufrieden machen, sind vor allem Familie und Freunde, persönliche Freiheit, Gesundheit und der Arbeitssinn. Das ergaben bundesweite Umfragen. Ein hoher IQ, das Wetter und Reichtum wirkten sich hingegen nicht auf das Glück der Befragten aus.
In dem mittelasiatischen Staat Bhutan gibt es seit 2008 sogar eine jährliche Messung des Bruttosozialglücks. Es ist also in einigen Ländern schon Thema der Politik für glückliche Bürger zu sorgen. Zudem ist bewiesen, dass die erfolgreichsten Unternehmen aus Menschen bestehen, die das tun, was sie wirklich gut können. In Deutschland geben hingegen nur ein Drittel aller Arbeitnehmer an, in einem Beruf zu arbeiten, der ihren Stärken entspricht. Es sollte also nicht das Ziel sein, ein Fach zu studieren, von dem man glaubt, dass man ein hohes Einkommen haben wird. Vielmehr sollte es Ziel sein, an seinen Stärken zu arbeiten und diese nach dem Studium beruflich zu verwirklichen. Und mit der Aussicht auf ein beruflich glückliches Leben schläft es sich dann auch im Komparatistikstudium leichter.

Quelle: Gipfel der Glücklichmacher, aus Focus (2009)

Kontrollen, Verräter, Bierverbote

Bonns Nachbarstadt Köln greift nun härter durch. Seit kurzem wurde ein neues, schärferes, Alkoholkonsumverbot an U-Bahnhaltestellen und in öffentlichen Verkehrsmitteln salonfähig gemacht. Demnach kann schon eine offene Flasche ausreichen, um dein 1-€-Bier vom Kiosk zum teuersten deines Lebens werden zu lassen. 40 € werden nämlich fällig, wenn du dich des Verzehrs oder des Mitführens von (geöffneten) alkoholischen Getränken in Bus und Bahn oder an U-Bahnhöfen schuldig machst. Keine Verwarnungen, kein Wenn und kein Aber. Asche auf dein Haupt.
Um die gesamte Bandbreite an Schwarzfahrern und Alkoholsündern abfrühstücken zu können, bieten die Kölner Verkehrsbetriebe in unregelmäßigen Abständen immer mal wieder ein besonderes Berufsfeld für Studierende an: Kontrolleur. Dieses Verfahren reicht zurück bis tief in die 2000er – ähnlich wie David-Beckham-Frisuren und Alkopops – erscheint nun aber von größerer Bedeutung. Schließlich ist man spätestens jetzt selbst ein Student und deine Freunde sind es auch. Und schon bald vielleicht Kontrolleure in Kölner Verkehrsmitteln…

KVBKommentar

„Die wollen uns gegeneinander ausspielen und Misstrauen sähen“, scherzte ein Bonner Freund von mir, als ich ihm von den neuesten Entwicklungen in meiner heimatlichen Domstadt erzählte. Aber scherzte er wirklich? Stelle dir nur einmal folgendes Szenario vor: Es ist Samstagabend, die Woche in der Uni war hart und nun willst du ein bisschen abschalten. Du kaufst am Kiosk noch eben ein Wegbier und machst es dir in der Straßenbahn gemütlich, die dich zu dieser Party bringen soll, auf die du dich schon die ganze Woche über freust. Zwei junge Männer betreten die Bahn an der nächsten Haltestelle. Du witterst die Gefahr nicht, denn du siehst es ihnen nicht an. Sie sehen so aus wie du und ich. Aber dann, tatsächlich, einen von ihnen erkennst du doch: Es ist dein alter Kumpel Tommi. Richtig, genau der Tommi, mit dem du dich früher vor den DB-Kontrolleuren auf der Zugtoilette versteckt hast. Dann kommt dein alter Kumpel und jetziger Kommilitone langsam durch den Waggon auf dich zu. Schon willst du die Hand zur Begrüßung heben, doch da zückt er bereits sein Arbeitswerkzeug und druckst irgendetwas wie: „Alter, du weißt doch, dass du in der Bahn nicht trinken darfst. Tut mir Leid, aber das macht 40 €, Mann“. Du willst  ihm wirklich gerne glauben, dass ihm das Ganze Leid tut, aber im Angesicht des Bruderverrats kannst du nur noch stammeln: „Auch du, mein Kommilitone Tommi?“
Dura lex, sed lex, wie der Lateiner sagen würde. Das Gesetz ist hart, aber es ist das Gesetz und auf seiner nächsten WG-Party kannst du Tommi immer noch einen Harzer Roller hinter die Heizung kleben. Denn Rache ist Schimmelkäse. Und wie sagte schon Julius Caesar, der legendäre Staatsmann und Führer der Römischen Republik, dem diese Worte tragische Ironie einbrachten? „Ich liebe den Verrat, hasse aber den Verräter!“
Ave, Caesar, morituri te salutant!

Dennoch: Der Studentenjob des Ticketkontrolleurs kann eine willkommene Abwechslung zu den üblichen Arbeiten als Kellner oder Aushilfe im Supermarkt sein. Und mit elf Euro die Stunde ein gutbezahlter Pakt mit dem Teufel. Aber dafür auch zu studentenunfreundlichen Zeiten. Die Aushilfen von der Uni übernehmen nämlich hauptsächlich den Spätdienst am Wochenende. Da muss man in den sauren Apfel beißen.
Sollte ich demnächst also dringend einen Job benötigen, um das BAföG aufzustocken, dann schicke ich meine Bewerbungsunterlagen verstohlenen Blickes und mit tief ins Gesicht gezogenem Filzhut an die KVB-Zentrale. Falls du und ich uns dann begegnen sollten, dann nimm es mir bitte nicht übel. Ich bin ganz Sklave meiner beruflichen Pflicht und Leid tut es mir auch.
Aber sag ja nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.

Befreie deinen Stoff

Schenken über‘s Internet

Im Kleiderschrank ist nur Mist, deinen Handmixer brauchst du garantiert nie und auf dem Klavier sammelt sich nur Staub an? Dann befreie dich von deinen alten Sachen und mache anderen damit eine Freude. Free your stuff!

Free Your Stuff Bonn! Für diejenigen, die die Facebook-Gruppe noch nicht kennen, ist es wahrscheinlich unvorstellbar, umsonst mit einem funktionstüchtigen Auto oder einem wertvollen antiken Klavier beglückt zu werden. Und genau dieses skeptische Volk werden wir nun darüber aufklären: Guenady Montagne und Olga Judin übernahmen das Konzept aus Luxemburg. Vor einem Dreivierteljahr gründeten sie die Gruppe in Bonn, die hier sogar noch erfolgreicher ist, das ist zumindest den rasant ansteigenden Mitgliederzahlen zu entnehmen.

So doch nicht! Sein Zeug wird man heute auf Facebook los.

So doch nicht! Sein Zeug wird man heute auf Facebook los.

Es ist ganz einfach: Wer etwas braucht postet ein „Need“  mit seinem Anliegen in die Gruppe und hofft, dass sich jemand findet, der genau  diesen  Gegenstand  loswerden will. Wer etwas verschenken möchte, postet ein „Give“ in die Gruppe und wartet auf glückliche Kandidaten, denn wer nicht schnell genug ist, geht leer aus. Danach müssen sich Schenker und Nehmer verständigen, wo die Übergabe stattfinden soll.  Warum das Konzept so vielversprechend  ist, lässt sich mühelos erklären. Zum einen, weil in unserer virtuellen Welt fast jeder einen Facebookaccount besitzt und die „Free Your Stuff“- Gruppe nur „einen Klick“ entfernt ist, so Guenady Montagne. Weitere Mitglieder merken an, dass es Freude bereitet Menschen zu beschenken, und man sich somit den Weg zum Sperrmüll sparen kann. Was bei den einen den Platz im Keller zustellt, können die anderen gut gebrauchen. Ein Mitglied sammelte die Erfahrung, dass das Lachen auf dem Gesicht der Abholer Lohn genug sei und Freude und Hilfe zu bekommen das ist, was die Gruppe ausmacht. Ob man jedoch etwas mit 300 abgelaufenen Kondomen anfangen kann, bleibt bisher ungeklärt. Wie der Administrator uns berichtete, gab es auch einmal einen Witzbold, der versucht habe, durch die Gruppe an Gras zu gelangen. Auch skurril, aber stilvoll ist ein Rednerpult aus dem Landesmuseum. Neben diesen extravaganten Beiträgen gibt es jedoch auch bemerkenswert großzügige Präsente. Zum einen das schon erwähnte Auto und das Klavier, komplette Wohnzimmergarnituren, antike Möbel, funktionstüchtige Fahrräder und eine große Sammlung an Babysachen. Immerhin gibt es auch Menschen, die man mit einer Yukapalme oder mit Holzbrettern erfreuen kann. Neben dem eigentlichen Sinn des Gebens und Nehmens begegnen die Mitglieder vielen freundlichen Menschen, wie uns geschildert wurde. Demnach suchte eine Frau Hilfe, um eine Couch von Bonn nach Berlin zu transportieren und fand in der „Free Your Stuff Bonn“-Gruppe einen hilfsbereiten Autofahrer. Selbst eine Hochzeitstorte, die zur Probe gebacken wurde, verschenkte die Bäckerin in mehreren Stückchen und freute sich jeden Tag über neuen Besuch.

Im Übrigen gehen die Schenker oft nicht leer aus, da sie von den Beschenkten als Dankeschön Kleinigkeiten wie Pfefferminztee oder Blütensamen überreicht bekommen. Leider gibt es aber nicht nur positive Erfahrungen. Gelegentlich wird ernstes Interesse bekundet, die Termine dann aber nicht eingehalten, die Schenker verschwenden einen ganzen Nachmittag und können sich erneut auf die Suche nach einem Interessenten machen. Weiter bemängelt der Administrator, dass es immer wieder mal Fake-Accounts gebe, die mit einem schlecht übersetzten Text Darlehen andrehen wollen. Außerdem fürchtet der Administrator auch eine zu große Mitgliederzahl, die zu Unübersichtlichkeit führen könnte. Auf die Frage, ob in der Gruppe Tauschgeschäfte geduldet würden, teilt Guenady Montagne mit, dass diese nichts in der Gruppe verloren haben, da das Tauschen gegen den sozialen Aspekt der Gruppe verstößt. Im Großen und Ganzen fördert die Gruppe die Bereitschaft für nette Gefälligkeiten untereinander und die Wertschätzung eigentlich abgelegter Güter. Also, Daumen hoch für „Free Your Stuff Bonn“!

Mein Name ist Bonn – James Bonn

Einzelhändler aus der Wortspielhölle

Bonn ist ein kurzer und schlichter Städtename. Gerade deshalb eignet er sich wohl wie kein anderer für unzählige Wortspielereien der besten Art, die dem geschulten Auge in der ganzen Stadt begegnen. Vor allem die Ähnlichkeit zum lateinischen bonus bzw. dem französischen bon/bonne, was „gut“ bedeutet, liefert hier eine Steilvorlage. So hat Bonn einige Besitzer von Gastronomiebetrieben und Geschäften auf der Suche nach knackigen Kneipennamen schon zu unvergleichlichen Feuerwerken der Kreativität inspiriert. Respekt!

Diesen Artikel findet ihr aus layouttechnischen Gründen nur in der PDF-Version. Ihr könnt ihn hier aber gern kommentieren.

akut 333

Hier findet ihr die neue Ausgabe Nr. 333 als PDF:

akut333

Wir werden außerdem sukzessive die Artikel einzeln online stellen. Wir freuen uns auf eure Kommentare!

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Der Elefantenfriedhof

Elefantenfriedhof
Resümee eines LUST-losen Abends.

„Wir sind da, das ist der Friedhof!“
„Wow!“
„Das ist echt gruselig“
„Ja, richtig cool!“
„Ich möcht‘ mal wissen, ob die Gehirne noch drin sind!“
„Um das herauszufinden, gibt’s nur eins!
Komm, wir stürzen uns ins Abenteuer!“

– Nala und Simba im „König der Löwen“

Die Nachwuchsraubkatzen Nala und Simba dürften sich nicht großartig anders gefühlt haben, als sie im Disney-Klassiker „Der König der Löwen“ nach langer Reise auf den Friedhof der Elefanten treffen, denn die Stuhlreihen in der Mensa Nassestraße sind nicht gerade gut besetzt, als sich die sogenannte und beworbene „Elefantenrunde“ am 15. Januar zur offenen Diskussion versammelt. Die ausgebleichten Gerippe hochschulpolitischen Fortschritts und Verbesserung säumen die unwirtliche und trostlose Landschaft, hungrige Hyänen verspeisen noch beherzt eine Portion des Tagesangebots an Kartoffeln und Möhrchen und die Geier kreisen über den anderweitig beschäftigten Köpfen der Anwesenden hinweg: In der Tat sehr gruselig.
Wer aber schon immer einmal vor einem zwar desinteressierten, jedoch vollen Haus sprechen wollte, der ist als Parteikandidat einer Bonner Hochschulgruppe bestens beraten. Die Szenerie ähnelt nämlich eher einer Lokal- statt einer Elefantenrunde: In Einzelgespräche und Bierflaschen vertieft, sitzen Gruppenmitglieder und vereinzelte Zuschauer (die vielleicht auch nur das miserable Wetter in die trügerische Wärme der Mensa lockte) im trüben Licht der Deckenbeleuchtung. Und so wäre die Aufregung im Studierendenparlament nur zu Zeiten der Prohibition größer gewesen, als sich die Anwesenden der Liste Undogmatischer StudentInnen frei nach Ronald M. Schernikau denken „ihr kotzt mich an, ich würde jetzt gerne gehen“ und dieses nach einem kurzen Statement ihres zweitplatzierten Listenkandidaten und der wiederholten Frage, wie denn nun eigentlich „die Scheiße in die Köpfe“ käme, in die Tat umsetzen, wobei sie nur Fragezeichen und mehr oder weniger erklärende Flugblätter hinterlassen. Nun gut.
Um es der Elefantenrunde gleich zu tun und die Spannung direkt zu Beginn heraus zu nehmen, verkünde ich vorab: Leider ist dieser Auftritt auch schon der Höhepunkt eines verregneten Mittwochabends. Denn nach einer kurzen Phase der allgemeinen Erregung breitet sich nun wieder kollektives Desinteresse aus und der stetige Geräuschpegel von Privatgesprächen und allgemeiner Unruhe seitens der Anwesenden macht es – neben kleinen tontechnischen Problemen – fast unmöglich, den Rednern zu folgen, deren Worte sich unbeachtet und ungehört in der stickigen Luft verlaufen, sodass die einzige Resonanz auf Gesagtes im Saal häufig die Rückkopplung des Mikrophons bleibt.
Diejenigen, die, nicht mit einem natürlichen Fluchtreflex ausgestattet, an der Veranstaltung teilnehmen, werden also zu Zeugen eines traurigen Beweises dafür, dass sich scheinbar niemand für Bonner Hochschulpolitik interessiert, außer denen, die sie betreiben. Wobei es selbst hierbei einem Großteil komplett egal zu sein scheint, welcher der Redner gerade das Wort ergreift, gleichgültig ob von der eigenen Fraktion oder einer anderen.
Versammelt, um Rede und Antwort zu stehen, wird zwar viel geredet, aber wenig geantwortet und so rücken innerparteiliche Privatfehden und gegenseitige Schuldzuweisungen in den Vordergrund dieser Veranstaltung, die – so die durchaus löbliche Idee – dazu dienen soll, wahlwillige Studierende im Zeitraum vom 20. bis zum 23. Januar an die Urnen zu locken. Schon lange in der Urne schlummert hingegen die Leidenschaft im Wahlk(r)ampf, welche abgelöst wurde von scheinbar stundenlangem Scharmützeln über Banalitäten und keiner will’s gewesen sein. Was wohl auch, so muss man es fairerweise betrachten, daran liegt, dass es kaum Studierende, die nicht selbst Mitglied des SP oder zumindest einer Hochschulgruppe sind, zu dieser Elefantenrunde verschlägt, sodass den einzelnen Gruppierungen nichts anderes übrigbleibt als sich untereinander miteinander zu beschäftigen. Es ist die alte Frage: Was war zuerst da, die Henne oder das Ei? Kommen keine Studierenden zur Elefantenrunde, weil sie so eine dröge Veranstaltung ist, oder ist sie so eine dröge Veranstaltung, weil niemand daran teilnimmt? Größeres Interesse seitens der Studierendenschaft wäre sich nur zu wünschen, da immerhin Fragen debattiert werden, die sich (mehr oder weniger) konkret mit unserem Leben als Bonner Studierende beschäftigen. Hier sollte das SP aber mehr Vorbild als Schreckbild sein – denn wie will man Interesse wecken und Leute für Hochschulpolitik begeistern, wenn man sich selbst nicht einmal die Mühe gibt, Desinteresse hinter der Maske vorgespielter Begeisterung zu verbergen?
Anders als man es von Elefanten zu erwarten hat, zeigen sich viele der Hochschulpolitiker alles andere als dickhäutig und so kommt der Eindruck auf, dass jede kleinste Kritik am Konzept oder der Arbeit einzelner Personen oder Gruppen sofort persönlich genommen wird. Dass unter solchen Voraussetzungen keine konstruktive Diskussionsrunde entstehen kann, ist selbsterklärend und bedarf im Grunde keiner weiteren Ausführung, außer den Worten des lateinischen Geschichtsschreibers Publius Tacitus: „Wer sich über Kritik ärgert, gibt zu, dass sie verdient war“.

Ohne den SP-Mitgliedern und den engagierten Studierenden in den Hochschulgruppen, die sich schließlich für die Bonner Studierendenschaft einsetzen, Kompetenz abstreiten zu wollen, die sie ohne Zweifel besitzen, ist festzuhalten, dass es doch sehr schade ist, dass Dinge scheinbar so abzulaufen haben.

Nichtsdestotrotz wünscht die Redaktion allen Kandidaten und Hochschulgruppen für die nächsten Montag beginnende Wahl viel Erfolg! Wer sich noch nicht sicher ist, welche der Gruppen man mit seiner Stimme würdigen möchte, der kann auf der akut-Homepage vom „Wahl-O-Man“ Gebrauch machen, der nach alt bewährtem Prinzip bei der Entscheidungsfindung hilft. Wer keine Lust auf den „Wahl-O-Man“ hat, kann sich entweder online oder in der Printausgabe der Wahlzeitung (dieses Heft in Telekom-Rosa) noch einmal genauer über die einzelnen Gruppen und ihre Wahlprogramme informieren.

Weidmannsheil, ihr Großwildjäger!