Bekanntmachungen

An dieser Stelle findet ihr in der AKUT bekannt gemachte Dokumente. Die Ausgaben unseres formidablen studentischen Magazins gibt es hingegen hier.

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Hier findet ihr die neue Ausgabe Nr. 332 als PDF.

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Wir werden außerdem sukzessive die Artikel einzeln online stellen. Wir freuen uns auf eure Kommentare!

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Editorial

Hanno Magnus - Chefredakteur der akut

Hanno Magnus – Chefredakteur der akut

Semesterwechsel – Zeit, sich nach der Klausurenphase auf dem Bonner Wohnungsmarkt umzutun. Vielleicht lässt sich ja noch eine noch schickere, nettere, größere Bleibe finden. Spaß beiseite – wer nicht unbedingt muss, sollte in der vorlesungsfreien Zeit bleiben, wo er ist, und den Erstis allein das zweifelhafte Vergnügen von Massenbesichtigungen und schrägen Castings überlassen. Für Studierende ist Bonn, wie viele größere Uni-Städte, kein gutes Pflaster, wenn es um ordentlichen, bezahlbaren Wohnraum geht. In unserem Titelthema (ab Seite 10) beleuchten wir unterschiedliche Probleme und stellen alternative Wohnformen vor.

Daneben haben wir uns wieder damit beschäftigt, was unsere gewählten Vertreterinnen und Vertreter im Studierendenparlament zuletzt so getrieben haben (Seiten 4 bis 9). Soviel vorweg: Statt mit Alkoholkonsum fielen sie diesmal mit Betriebsamkeit auf und haben, in meist konzentrierter Atmosphäre, so viele Beschlüsse wie schon lange nicht mehr gefasst.

Da blieb kaum Zeit für sonstige Recherchen. Trotzdem haben wir einen Blick auf das Geschehen in der Uni geworfen (Seiten 19 bis 25) und verschiedene Personen, die Bonner Studierenden früher oder später begegnen, porträtiert (ab Seite 26) .

Wir werden unsere Artikel schrittweise auch auf unserer Website (akut-bonn.de) veröffentlichen. Mitunter mit zusätzlichen Informationen, Klickstrecken und sonstigem Schnickschnack, ohne den man heute nicht mehr auskommt. Obendrauf haben wir für euch exklusive Online-Artikel und eine Kommentarfunktion in Planung.

Wer uns lieber auf klassischem Wege mit einem Leserinnenbrief einheizen, loben oder auf etwas aufmerksam machen will, wendet sich an redaktion@akut-bonn.de .

Das dazu und nun eine gute Lektüre!

 

Tolle Karte!

Oft gefordert, heiß umstritten: die UniCard kommt. Vielleicht.

Jahrelang wurde die UniCard vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) beworben und vom Studierendenparlament nicht umgesetzt. Nun könnte sie dem Karten-Dschungel im Portmonee der Studierenden an der Uni Bonn bald ein Ende setzen. Die akut hat die wichtigsten Fakten für euch zusammengestellt.

Was ist die UniCard und welche Funktionen beinhaltet sie?

Die UniCard ist eine multifunktionale Chipkarte, die den Studierendenausweis zukünftig ersetzen soll. Dabei bringt die UniCard eine Reihe an Funktionen mit, um den Studierenden den Unialltag zu erleichtern. So soll sie beispielsweise beinhalten: den Studierendenausweis, den Bibliotheksausweis, eine bargeldlose Bezahlfunktion für Uni und Studentenwerk, das VRS- und NRW-Ticket, eine Schließfunktion für Spinde sowie ein Lichtbild.

Warum gibt es die UniCard nicht schön längst?

Die ersten Forderungen nach einer UniCard ließ der RCDS schon vor über zehn Jahren verlauten. In der Folge wurde ein Konzeptpapier erarbeitet, welches jedoch nicht umgesetzt werden konnte.
2011 wurde erstmals ein UniCard-Ausschuss eingerichtet.  Allerdings wurden bis Februar 2013 keine konstruktiven Maßnahmen zur Umsetzung der UniCard ergriffen, da es innerhalb des Ausschusses zu keiner Mehrheit für die vorgestellten Konzepte kam: Die Grünen hätten blockiert, heißt es beim RCDS. Eine „Legende“, nennen das die Grünen — der RCDS habe den Datenschutz nicht ernst genommen.

Wer kümmert sich um die Umsetzung der UniCard?

Im Februar dieses Jahres wurde ein neuer Ausschuss für die UniCard gegründet, der aus drei Mitgliedern der Grünen Hochschulgruppe, zweien des RCDS, zweien der Jusos und einem Fachschaftsvertreter besteht, die sich mit der Umsetzung der UniCard befassen. Zur Überraschung aller Beteilig­ten läuft die Arbeit im Ausschuss „ausgesprochen konstruktiv“, sagt Matthias Rübo vom RCDS. Und auch Jonas Janoschka von der Grünen HSG sagt: „Dieses Jahr ist es das erste Mal, dass es vernünftig läuft.“

Wie ist der Stand der Dinge?

Der UniCard-Ausschuss präsentierte dem Studierendenparlament einen Anforderungskatalog mit den gewünschten Features der UniCard, dem dieses zustimmte. Nun muss als nächstes das Hochschulrechenzentrum (HRZ) das Konzept prüfen. Die Aussichten, so sagt der Ausschussvorsitzende Michael Fengler (Jusos), seien aber gut. Das HRZ habe sich bisher „sehr aufgeschlossen“ gezeigt. Anschließend muss die Zustimmung des Rektorats abgewartet werden.
Zudem führt der UniCard-Ausschuss Sondierungsgespräche mit der Firma „Magna Carta“, die Anbieter für solche multifunktionalen Chipkarten sind und bereits erfolgreich mit der Uni Aachen zusammenarbeiteten. Dass es dort Umsetzungsschwierigkeiten gab, wertet Michael jedoch nicht als schlechtes Omen: „Wir in Bonn profitieren von den Aachener Fehlern.“

Welche Probleme gibt es noch?

Die Einführung der UniCard würde, nach Angaben der Mitglieder des Ausschusses, Kosten von ca. 300.000€ mit sich bringen. Aus diesem Grund könnte das Projekt an der Finanzierung scheitern. Die laufenden Kosten für Neuausstellung und Wartung der Terminals wären, verglichen mit dem bisherigen Ausweis aus Papier, wohl nicht höher, betonte Michael Fengler (Jusos).  Zum einen könnte der Semesterbeitrag einmalig um ca. 10 € erhöht werden, zum anderen bestünde eventuell die Möglichkeit, Sponsoren zu gewinnen. Auch die Studierendenschaft könnte sich dieses Projekt aus ihrem Haushalt leisten, jedoch gab es im Studierendenparlament einen Beschluss dagegen.
Des Weiteren machten sich die GHG und die Piraten Sorgen, der Schutz der Daten der Studierenden könne nicht gewährleistet sein. Es wurden die Bedenken geäußert, die Uni könne durch Sensoren bei Vorlesungen automatisiert die Anwesenheit feststellen. Solche Pläne bewegten sich jedoch weit jenseits des rechtlich Zulässigen, sagt Matthias Rübo (RCDS).
Wer an der Effektivität des Datenschutzes zweifelt, soll jederzeit die Möglichkeit haben, die eigenen Daten „nullen“ zu lassen, also auf einzelne Funktionen der Card zu verzichten. Deshalb sollen auch nach UniCard-Einführung die „alten“ Systeme in Bibliothek und anderen Uni-Einrichtungen weiterbestehen — für all jene, die eine Speicherung ihrer Daten auf einer zentralen Karte ablehnen.

Dürfen die Studierenden mitentscheiden?

Eine Möglichkeit der Mitbestimmung der Studierenden wäre die Urabstimmung. Matthias Rübo (RCDS) sieht diese aber eher kritisch, da die Kosten für eine Urabstimmung im Vergleich mit den Einführungskosten der UniCard relativ hoch wären. Zusätzlich zweifelt er an der Aussagekraft der Urabstimmung, da man davon ausgehen könne, dass die Wahlbeteiligung ebenso gering sei wie bei der Wahl des Studierendenparlaments.

Fehlleistung

Gericht kassiert Anwesenheitspflicht

In einem Gerichtsverfahren um die Anwesenheitspflicht hat die Uni Bonn eine herbe Niederlage erlitten. Nun sind alle enttäuscht: Uni, AStA — und sogar der vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Köln.

Andreas Becker, Vorsitzender der sechsten Kammer des Verwaltungsgerichts Köln, kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Gerade hat er sich hinter das Richterpult gesetzt, als er die Studenten im Zuschauerraum bemerkt: „Ich hoffe, dass Sie im Moment keine anwesenheitspflichtige Übung verpassen.“ Und zu Roman Konertz gewandt sagt er: „Dass Sie der Anwesenheitspflicht nicht genüge getan haben, ist jedenfalls unstreitig. Sonst säßen wir hier nicht.“
Dieser 22. Juni könnte im Verwaltungsgericht Köln zu einem besonderen Tag werden für die deutsche Hochschullandschaft — doch er wird es nicht. Und verantwortlich dafür ist die Uni Bonn.

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Ein Bonner Student klagt gegen seine Universität, oder besser: gegen die dortige Anwesenheitspflicht. Roman Konertz (25) studiert Informatik im achten Semester an der Uni Bonn und Jura an der Fernuni Hagen. In zweien seiner Informatik-Übungen hat er die vorgeschriebenen Übungszettel nicht abgegeben beziehungsweise mehrfach unentschuldigt gefehlt. Deshalb wurde er nicht zur Prüfung zugelassen — und dagegen wehrt er sich nun vor Gericht. Was zunächst nach einem Einzelfall klingt, hat größere Dimensionen. Denn sollte das Verwaltungsgericht entscheiden, dass die Anwesenheitspflicht in Übungen als solche grundgesetzwidrig ist, schüfe es einen Präzedenzfall, der wohl für zahlreiche weitere Klagen gegen die Anwesenheitspflicht Modell stände.

Auch der Vorsitzende Becker zeigt sich beeindruckt von diesem Fall, von dem er zugibt, dass ihm seine Bedeutung „erst im Zuge der Vorbereitung in ihrer ganzen Dimension klar geworden ist“. So geht er zunächst zum Ausgangspunkt der ganzen Geschichte, der Prüfungsordnung des Informatik-Bachelors an der Uni Bonn (BaPO). Deren Paragraf 11 Absatz 6 besagt nach Auffassung des Gerichts, dass die Einführung einer Anwesenheitspflicht unter vier Bedingungen möglich ist: Es muss der Antrag eines Lehrenden auf Einführung der Anwesenheitspflicht vorliegen. Der Prüfungsausschuss muss im Einzelfall darüber entscheiden. Der Beschluss des Ausschusses muss hinreichend begründet werden. Und schließlich ist dieser Beschluss bekannt zu machen.

Die Frage nach der generellen Zulässigkeit einer Anwesenheitspflicht ist dabei die wohl interessanteste. Doch spielt sie erst dann eine Rolle, wenn die genannten formalen Kriterien alle erfüllt sind. Da sich die Uni Bonn diese Kriterien in ihrer Prüfungsordnung selbst auferlegt hat, sollte das eigentlich das geringste Problem sein — ist es aber nicht.
Um es kurz zu machen: In beiden Verfahren hat sich die Uni nicht an ihre eigenen Regeln gehalten. Im ersten Fall fehlt der Beschluss des Prüfungsausschusses, die Parteien einigen sich vor Gericht darauf, dass Roman die Prüfung bei nächster Gelegenheit ablegen darf. Becker gibt ebenfalls seinen Segen, jedoch nicht ohne darauf hinzuweisen: „Ich mag nicht den Teufel an die Wand malen, was rechtlich passiert, wenn Sie da jetzt durchrasseln. Also tun Sie uns doch bitte den Gefallen — und bestehen Sie!“
Im zweiten Fall liegt zwar der Beschluss des Prüfungsausschusses vor. Da dieser jedoch ohne Begründung erst einige Wochen nach Semesterbeginn getroffen wurde, knickt auch hier die Uni ein. Warum, erklärt Becker in einfachen Worten: „Die Spielregeln müssen klar sein, bevor das Spiel los geht.“

Zur großen hochschulrechtlichen Entscheidung kommt es an diesem Tag vor dem Verwaltungsgericht also nicht. Zwar hat auch Becker durchaus Interessesse an einer grundsätzlichen Entscheidung: „Eine Klärung durch das Verwaltungsgericht Köln ist zwar wichtig, aber noch wichtiger ist, dass man es eventuell auch eine Instanz weiter tragen kann.“ Doch das gehe eben nicht mit den Formfehlern: „Es muss ein makelloser Fall sein.“

Einen solchen makellosen Fall zu schaffen, daran hat Roman durchaus Interesse. Hatte er in den beiden verhandelten Klagen zunächst noch versucht, die Sache ohne Gericht mit der Uni zu klären, geht es ihm nun ums Prinzip: „Allerdings dauert es jetzt noch mindestens bis März 2014, bis der erste wasserdichte Fall theoretisch verhandelbar ist.“ Denn dieses Sommersemester besteht in den Übungen der Informatik keine Anwesenheitspflicht, darüber wurden die betroffenen Studierenden bereits informiert. Und ob der Prüfungsausschuss es schafft, zum kommenden Wintersemester eine prüfungsordnungskonforme Anwesenheitspflicht zu beschließen — „das bleibt zunächst abzuwarten“, sagt Roman.

Ein bisschen Kulturschwund ist immer

Mit Dreistigkeit kommt man am weitesten

Beim Kulturplenum könnten die Kulturgruppen über eine gerechte Verteilung der ihnen zustehenden Gelder verhandeln — wenn nicht das Wetter so schön wäre.

Überall liest man von Streichungen im Kultursektor, nur die Universität Bonn scheint ihren Studierenden ein Hort des kulturellen Überflusses zu sein. Das Referat für Kultur und studentische Initiativen des AStA spricht gar von 60 Hochschulgruppen, die den Studierenden mannigfaltige Möglichkeiten bieten, ihrem sozialen und gesellschaftlichen Engagement nachzugehen. Das breitgefächerte und vielschichtige Angebot beginnt bei der lokalen AISEC-Dependance und der Amnesty Hochschulgruppe und geht über musikalische Angebote wie das Collegium Musicum oder den Unisport hin zu den universitären Radiosendern. Die Studierenden scheinen vor der Qual der Wahl zu stehen. Immerhin stehen satte 27.000 Euro an Zuwendungen für studentische Kulturgruppen im Nachtragshaushaltsplan 2012/13 des AStA zur Verfügung. Aber es ist nicht alles Gold was glänzt. Schnell macht sich der Eindruck breit, dass sich die Kulturtreibenden der Uni nicht unbedingt grün sind. Aber alles der Reihe nach.

Das sogenannte Kulturplenum, ein schicker Name für die einmalig im Semester stattfindende Diskussionsrunde unter den Hochschulgruppen anlässlich der Verteilung dieser Gelder, fand für dieses Sommersemester am 6. Mai 2013 in der Mensa Nassestraße statt. Die Hochschulgruppen wurden bereits im Vorfeld der Veranstaltung aufgefordert, Förderungsanträge fristgerecht einzureichen. Im Kulturplenum sollten diese Anträge dann diskutiert werden, um schließlich in einer Abstimmung die Verteilung der Gelder im Sinne der Allgemeinheit zu bestimmen. Sinn der Veranstaltung ist es, den Kulturgruppen die Möglichkeit zu geben, untereinander in Verhandlungen eine faire Verteilung der Gelder zu ermöglichen. Die Alternative, das SP die Summen in Eigenregie von oben festsetzen zu lassen, soll dadurch vermieden werden.

Jenes Kulturplenum für das Sommersemester 2013 Anfang Mai nahm jedoch nicht den ursprünglich angedachten Verlauf. Es herrschte organisatorische Uneinigkeit unter den anwesenden 28 Hochschulgruppen. Angesichts der Tragweite der zu behandelnden gemeinnützigen Sache ging es allem Anschein nach um eine Banalität, nämlich um die Zeit. Das Plenum verlief nicht in Form einer gesonderten — zugegeben langwierigen — Vorstellung der einzelnen Initiativen, sondern endete — besonders für jene Hochschulgruppen, die in der Regel vergleichsweise finanziell geringe Förderungsanträge stellen — mit einem faulen Kompromiss.

Im Plenum einigte man sich im Stil des Gießkannenprinzips auf eine generelle Kürzung sämtlicher Anträge um 37 %. Bürokratisch ist diese auf Gleichheit basierende Verteilungsmethode durchaus legitim, allerdings kalkuliert man dabei fahrlässig mit dem Risiko, kleinere Initiativen fast komplett aus den Fördertöpfen des SP zu verdrängen. Kommilitonen, die dem Kulturplenum beiwohnten, sprachen hinter vorgehaltener Hand sarkastisch davon, dass wohl das sommerliche Wetter jenes Tages einen nicht unerheblichen Anteil an der raschen Findung jenes Konsenses unter den Hochschulgruppen gehabt haben muss.

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Im Angesicht der Tatsache, dass die Etathöhe des Kulturplenums über die letzten beiden Semester bei 27.000 Euro taxiert wurde und diese Konstante klar im Kontrast zur allgemeinen Tendenz hin zum Sparen im kulturellen Bereich steht, verwundert es den neutralen Außenstehenden dann doch, in welchem scheinbar geringen Maß die Hochschulgruppen untereinander Solidarität walten lassen. Ihrer grundsätzlichen Verantwortung, dem sie ebenfalls umfassenden Gemeinwohl zu dienen, können sie so freilich nur schwer nachkommen.

Dass schließlich aus jenen Reihen in der jüngeren Vergangenheit Kritik an einer, in den Augen mancher Kulturgruppe unangemessen hohen, Zuwendung des SP an den Unisport geäußert wurde, bekommt unter diesem Blickwinkel nachträglich einen etwas faden Beigeschmack. Was sollen den die ‚kleinen’ Gruppen sagen, deren geringe Förderungsanträge im Kulturplenum noch einmal um 37 % gekürzt wurden? Diese müssen sich doch zwangsläufig Gedanken um den Sinn und Zweck ihres kulturellen Engagements an der Uni machen. Die Hingabe aller Kulturgruppen soll hier gar nicht in Frage gestellt werden allerdings scheinen in Finanzfragen Solidarität und Fingerspitzengefühl zu fehlen. Aus Politik und Wirtschaft sind diese Übel bekannt, im Kulturbereich überraschen sie noch so manchen.

Zahlen und Schweigen

Ein Denkmal und jede Menge Zündstoff

Die Stadt Bonn will an die Bücherverbrennung im dritten Reich erinnern. Die Studierenden spenden, vertreten durch das SP, für ein Denkmal. Es redet: Der Rektor.

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„Aber ich dachte nur an Dein Gewehr, Dein Bajonett, die Handgranaten. Wenn wir das alles wegwerfen würden, könnten wir Brüder sein, aber sie wollen nicht, dass wir das erkennen… und so handeln. Wir dürfen die Wahrheit nicht erfahren, wir haben alle Mütter, Väter, die gleiche Angst vor dem Tod, den gleichen Schmerz. Es gibt keinen Unterschied, es ist unmenschlich, vergib mir Kamerad…“
— Paul Bäumer in Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“.

Es ist der 10. Mai 1933. Auf dem Marktplatz vor dem Bonner Rathaus lodern grelle Flammen in den nächtlichen Himmel empor, Männer in SA-Uniformen, mit Pistolenhalftern am Gürtel und Hakenkreuzbinden am Arm, erheben die Hände zum Hitlergruß, bellen Befehle durch den Rauch und koordinieren überall im „Deutschen Reich“ die Verbrennung „antideutschen“ Schriftguts. Die Empfängerin ihrer Anweisungen ist unter anderem die Studentenschaft der Bonner Universität, die unter Anleitung von Hochschullehrern und Sturmabteilungs-Leuten Buch um Buch dem Feuer übergibt. Darunter Werke von Marx, Hemingway, Freud, Egon Erwin Kisch und der Antikriegs-Klassiker „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque. Unter Nazi-Parolen und Jubelrufen verbrennen sie in den Flammen, als seien sie Sinnbilder für alles, das noch kommen sollte.

80 Jahre später erinnert nun ein Mahnmal auf dem Marktplatz an die Verbrechen des Dritten Reiches, an denen sich auch die Studierenden unserer Bonner Friedrich-Wilhelms-Universität beteiligten. Das Mahnmal trägt den Titel „Lese-Zeichen“ und beinhaltet 60 Buchrücken aus Bronze, die ähnlich wie die berühmten Stolpersteine, in den Boden eingelassen wurden.

Scheinbar willkürlich verteilt befinden sich die Bronzebücher der Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz auf dem Platz, laufen vor den Rathaustreppen zusammen und weisen so den Weg zu einer Bronzetafel im Kopfsteinpflaster, die neben einem Erklärungstext die Namen zahlreicher Autoren auflistet, deren Bücher an jenem 10. Mai 1933 dem Nationalsozialismus und den Flammen im Zuge der „Aktion wider den undeutschen Geist“ zum Opfer fielen. Die Tafel ist jedoch gleichzeitig der Deckel einer Bücherkiste, die ebenfalls in den Marktplatz eingelassen wurde und Exemplare dieser Bücher beinhaltet. An jedem 10. Mai wird aus ihnen zitiert, dann werden sie an Passanten verschenkt.

Ein Denkmal dieser Größenordnung kann nicht ganz billig sein:  21.364,51 Euro (plus noch eine 50.000-Euro-Finanzspritze der Landeszentrale für politische Bildung NRW) wurden insgesamt durch Spenden aufgefahren, um die „Lese-Zeichen“ zu verwirklichen. 2.000 Euro davon trägt alleine die Studierendenschaft der Universität Bonn, so Wolfgang Deuling, Soziologe und Mitinitiator des Denkmals. Und damit seien die Studierenden spendabler als die 504 Professoren und 3.786 wissenschaftliche Mitarbeiter der Uni. Schaut man sich nämlich einmal die Liste derjenigen an, die zum Spendenaufkommen und somit zum finanziellen Gelingen des Projektes beigetragen haben, dann vermisst man dort schmerzlich unsere Universität – obwohl sich Professor Dr. Jürgen Fohrmann, Rektor der Universität Bonn, selbst an den Spendenaufrufen beteiligte und darüber hinaus im Rahmen der festlichen Einweihung des Denkmals eine Rede hielt. Da drängt sich jene unheilvolle Frage auf: Schmückt sich dort etwa jemand mit fremden Federn? „Ja“, meint zumindest Malte Lömpcke, Finanzreferent des AStA und SP-Mitglied, womit er die gängige Meinung im SP repräsentiert. „Bis zur Einweihung des Denkmals hatte ich gar nicht gewusst, dass die Universität Bonn als Institution selbst gar nichts zum finanziellen Gelingen des Denkmals beigetragen hat“, fährt er fort, „weshalb ich umso überraschter war, als ich davon erfuhr!“. Deutlich werde hier eine „Diskrepanz zwischen Außenwirkung und Realität“, da sich die Universität mit den Lorbeeren rühme, zu denen die Studierenden beigetragen haben. „Die 2.000 Euro wurden direkt aus dem Haushaltstopf des SP beigesteuert und somit haben wir, die Studierenden, maßgeblich zu dem Denkmal beigetragen! Deswegen finde ich, hätten auch wir, das SP, als Repräsentant der Bonner Studentinnen und Studenten, die Möglichkeit haben sollen, bei der Einweihung des Denkmals dieser Repräsentantenrolle gerecht zu werden.“ Das größere Problem sieht aber auch Lömpke in den fehlenden Finanzbeiträgen der Uni. „Ich finde es schade, dass die Universität als Institution diese Möglichkeit zur Geschichts-erinnerung nicht wahrgenommen hat“. Das SP hingegen will auch in Zukunft zur Geschichtsaufarbeitung beitragen und das alljährliche Verschenken der Bücher aus der Bücherkiste mitfinanzieren. „Das ist das Mindeste“, so Lömpcke.

 

„Niemand möchte mit PCB leben!“

Dicke Luft im und ums Studentenwohnheim

Das Wohnheim „Pariser Straße“ in Auerberg ist PCB-verseucht. Studierende setzen sich für ihre Rechte als Mieter ein und fordern Dialog — doch das Studentenwerk blockt. Zunächst müsse man sich einen Überblick verschaffen.

Nach einem anstrengenden Tag in der Uni und anschließender Redaktionssitzung der akut betritt Sven Zemanek das große,  graue Gebäude. Ein stechender Schimmelgeruch liegt in der Luft; die Fensterrahmen sind abgeklebt — nur noch vernagelte Bretter fehlen, um das schaurige Bild zu vollenden. Er schleppt sich die Treppen hoch, den Flur entlang — auch dort hält der modrige Geruch an. An der Tür hängt ein Zettel von der Hausverwaltung: „Es wird empfohlen, 15 Minuten vor Raumnutzung zu lüften.“ Kaum in seinem 17 m² großen Studentenzimmer angekommen, reißt er das Fenster weit auf. Sven ist gereizt, er zeigt auf eine dicke Mappe. Darin dokumentiert er die Korrespondenz mit dem Studentenwerk. Schon seit Monaten hat er mit denen zu tun. Als einer der Sprecher seines Wohnheims hatte er das Studentenwerk in der Vergangenheit mehrmals angeschrieben, oft kamen keine Antworten auf seine Fragen. Dass sich viele der Bewohner dieselben Fragen stellen, wurde auf der Infoveranstaltung des Studentenwerks im September klar. Was geschieht nun? Wieso wurde eigentlich nicht früher geprüft, ob in einem Gebäude aus den 70ern eine PCB-Belastung vorliegt? Wird das Wohnheim geräumt?

Schadstoffalarm in Bonn-Auerberg.  Zeichnung: Nina Thielen

Schadstoffalarm in Bonn-Auerberg.
Zeichnung: Nina Thielen

Alois Saß versucht, Antworten auf die Fragen zu finden. Seit dem Wintersemester 2009 / 2010 engagiert er sich für die Juso-HSG in der Hochschulpolitik. Auch er wohnt in der Pariser Straße und setzt sich zwischen Vorlesung, Tutorium, Vorbereitung auf das Staatsexamen und Sitzungen des Studierendenparlaments für die Rechte der Hausbewohner ein. Unterschriftensammlung, Schriftverkehr, Gespräche mit Bewohnern und dem Studentenwerk — alles dreht sich um die PCB-Thematik. Dabei steht eines für ihn fest. „Wir ärgern uns weniger über die PCB-Werte als über den Umgang des Studentenwerks mit diesem Problem.“ Von einer Anstalt des öffentlichen Rechts hätte er mehr Transparenz erwartet. „Was das Studentenwerk absolut vermissen lässt, sind weitere Informationen.“

Sicherlich stellt die PCB-Problematik eine große Herausforderung für das Studentenwerk dar, zu deren Aufgaben die Verwaltung der Studienfinanzierung, ein gastronomisches Angebot und eine studentische Jobbörse gehören. So scheint eine interne Überbelastung durchaus nachvollziehbar, schließlich gilt es, Messungen durchzuführen, Experten zu befragen, Kosten zu berechnen und weiteres Vorgehen zu planen. Wahrscheinlich bleibt da einfach keine Zeit, die hartnäckigen Anfragen von Sven und Alois zu beantworten. Auch wenn die beiden sich daher zuweilen allein gelassen fühlen, so finden sie zumindest auf Seiten der Studierenden einige Mitstreiter. Schließlich sind von der Situation in der Pariser Straße 300 weitere Studierende betroffen, die sich unterschiedlich stark über die Schadstoffe in ihrem Wohnraum sorgen.

Die Pariser Straße ist mit Vorsicht zu genießen. Foto: fab

Die Pariser Straße ist mit Vorsicht zu genießen.
Foto: fab

Vor seinem Einzug wurde einem Bewohner von einem Kommilitonen geraten, nicht in die Wohnheime Tannenbusch oder Auerberg zu ziehen, ansonsten seien alle okay. Heute weiß er auch, wie das gemeint war. „Man hat einfach den Eindruck, dass kaum noch etwas im Gebäude gemacht wird. Das bezieht sich nicht nur auf die PCB-Thematik. Die Möbel sind alle noch aus den 70ern, vermutlich noch die Erstausstattung!“ Ein anderer Bewohner des Hauses ergänzt: „Ich komme mir fast vor wie im Gefängnis. Aber selbst da gibt es bestimmt eine bessere Ausstattung als hier.“ Sie empfehlen allen Studierenden, „direkt beim Einzug in einen Plattenbau zu fragen, ob ein Schadstoffbefund vorliegt — wenn nicht: prüfen lassen!“

In der Tat besteht in der Pariser Straße keine akute Gesundheitsgefahr, soviel Entwarnung sei gegeben. Die Messwerte befinden sich im Bereich zwischen 180 — 1000ng/m³, Handlungsbedarf besteht nur langfristig. Derweil scheint die Situation vorwiegend eine Probe für das Studentenwerk hinsichtlich Problemlösestrategien zu sein. Es gibt viel zu tun: Entwarnung geben, Sanierung planen, Miete senken?
Als angehender Jurist stöbert Alois in seinen Gesetzesbüchern und spekuliert über sein Mietminderungsrecht, eine klare gesetzliche Vorgabe existiert nicht. Besonders problematisch war die Diskussion um den Mieterlass. Alois kritisiert: „Bei der Berechnung der 5 % hat das Studentenwerk jegliche Kompromissbereitschaft in den Gesprächen mit den Vertretern der Hausbewohnern vermissen lassen.“ Die Studierenden forderten 10 % weniger Miete, reduzierten diese Forderung dann auf 7 %. Unmöglich für das Studentenwerk, das lediglich 5 % gewähren konnte, gewähren wollte. Doch Obacht — dieses Angebot erwies sich als begrenzt und galt nur für kurze Zeit. Lediglich diejenigen, die es innerhalb weniger Tage schafften, einen Antrag auszufüllen und ihn während der eher eingeschränkten Öffnungszeiten des Studentenwerks abzugeben, kommen nun in den Genuss, 5 % ihrer Miete zu sparen. 12,50 Euro. Davon können sie sich dann am Ende des Monats einen Drink gönnen und auf ihren geringen Triumph anstoßen. Ein höherer Mieterlass sei laut Studentenwerk insofern nicht sinnvoll gewesen, als dass dann die Mittel verloren gingen, die zur Behebung des Problems vorgesehen seien. „Wir sind kein gewinnorientiertes Unternehmen, aber wir müssen durchaus betriebswirtschaftlich arbeiten“, sagt Robert Anders, Verantwortlicher für Presse und Marketing des Studentenwerks. Seit Oktober setzt er sich in seiner neuen Position mit der PCB-Thematik auseinander und plädiert für ein sachliches Verfahren mit der Angelegenheit. Inwiefern das für unmittelbar Betroffene möglich ist, sei dahingestellt.

Eines ist auch für Herrn Anders klar: „Niemand möchte mit PCB leben!“  Foto: privat

Eines ist auch für Herrn Anders klar: „Niemand möchte mit PCB leben!“
Foto: privat

„Das Verhalten des Studentenwerks ist so nicht angemessen. Regelmäßiges Raumlüften zu empfehlen, statt tatsächlich zu handeln, ist ein Witz“, findet Mirco Theiner, Geschäftsführer des deutschen Mieterbunds in Bonn. Als Student hat auch er im Wohnheim Pariser Straße in Auerberg gewohnt. Mittlerweile vertritt er über 22.000 Haushalte in der Region Bonn, Rhein-Sieg und Ahr. Der Grundsatz ist dabei simpel. „Für eine hundertprozentige Miete muss auch eine hundertprozentige Leistung erfolgen“. In der Pariser Straße ist der Schaden jedoch nicht genau zu bestimmen, zusätzliche Messungen versprechen nicht unbedingt neuen Erkenntniszugewinn — und kosten Geld. Da die Belastung aber den Hauptnutzraum betrifft, sind die Bewohner den Schadstoffen ständig ausgesetzt. „Ein Mietminderungsangebot ist vonseiten des Vermieters zugleich ein Eingeständnis, dass es einen mietrechtlichen Mangel gibt“, so Theiner. Er hält in diesem Fall einen Mieterlass von 10 bis 15 % für angebracht — und nicht 5 %. Auch die Verfahrensweise des Studentenwerks mit diesem Problem hält er für unangebracht. Er appelliert an die Verwaltung, sich mit den Studierenden zusammenzusetzen, ihre Sorgen ernst zu nehmen und mit ihnen ernsthaft zu verhandeln.

Versucht das Stu­den­ten­­werk, Gras über die Sache wachsen zu lassen? Foto: fab

Versucht das Stu­den­ten­­werk, Gras über die Sache wachsen zu lassen? Foto: fab

Robert Anders hingegen zieht einigermaßen positive Bilanz und betont den Einsatz der studentischen Verwaltung. „Wir haben – ich möchte sagen, vorbildlich – begonnen, auch in anderen Liegenschaften auf Schadstoffe zu prüfen. Wir kümmern uns. Wenn das ankommt, bin ich zufrieden. Wir sitzen ja durchaus nicht versteckt in der Ecke und hoffen, dass uns keiner Fragen stellt.“ Das beschriebene Verfahren bezüglich des Angebots auf Mietminderung zeugt jedoch von einer weniger kommunikativen Vorgehensweise. Doch Anders gibt sich einsichtig und räumt allgemeine Schwierigkeiten der Kommunikation ein. „Auf manche Mails haben wir nicht sofort reagiert. Das tut uns leid.“ Er lobt das Engagement der Studierenden und schätzt den Einsatz von Sven und Alois. Es wirkt beinah liebevoll, wenn er erklärt, dass Herr Zemanek ihm „ständig im Nacken“ hänge.

Welche Bilanz lässt sich also aus diesem Boxkampf um Nanogrammwerte und Mietminderungsprozente ziehen? Die Studierenden zeigen sich ausdauernd, werden nicht müde, für ihre Rechte einzutreten und Dialog zu fordern – Offensivität ist hier das Schlagwort. Ein Aspekt, mit dem sich auch das Studentenwerk allmählich mehr befassen sollte. Dieses zeigt sich bisher – in völliger Selbstzufriedenheit – nämlich eher in der Defensive. Es sagt stets, man müsse sich zunächst einen Überblick über die Gesamtsituation verschaffen. Für die Bewohner der Pariser Straße dürfte dieser Überblick bereits bestehen: Sie wohnen in einem Wohnheim, das schadstoffbelastet ist und daher zur persönlichen Belastung wird. Wann endlich mit einer Sanierung begonnen wird, möchte das Studentenwerk noch nicht absehen können. „Das hängt davon ab, ob dieser Fall von einer anderen Liegenschaft in Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit übertroffen wird“, sagt Anders. Für die Bewohner des Wohnheims bleibt zu hoffen, dass sie vorerst der Worst Case in den Akten des Studentenwerks bleiben. Bei allen offenen Fragen rund um das belastende Problem, steht für Sven zumindest eines fest: Er muss weiterhin lüften.

PCB – das belastet

PCB ist die Kurzform für polychlorierte Biphenyle. Bis zum Verwendungsverbot 1989 wurde PCB in Deutschland beispielsweise in Dichtungsmassen oder als Imprägnier- und Falmmschutzmittel verwendet, daher findet es sich in vielen Gebäuden dieser Zeit. Bei der Einstufung der PCB-Werte gemäß der PCB-Richtlinie wird ein Dreischritt verfolgt. Werte unterhalb von 300 ng/m³ gelten als „langfristig tolerabel“. In einem Konzentrationsbereich zwischen 300 und 3.000 ng/m³ ist langfristig Handlungsbedarf gefragt. Die PCB-Quelle muss aufgespürt und „unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit“ beseitigt werden. Wird der Interventionswert von 3.000 ng/m³ überschritten, gilt akute Gesundheitsgefahr und Sofortmaßnahmen müssen ergriffen werden — inklusive Räumung des betroffenen Gebäudes.

Nachdem im Juli 2012 belastetes Material in den Außenfugen gefunden worden ist, führte das Studentenwerk im August in sechs Appartements Messungen durch. Im September konnten erstmals Ergebnisse bekannt gegeben werden: Werte zwischen 230 — 1.300 ng/m³. Weitere Messungen ergeben einen Wertebereich von 180 bis 1.000 ng/m³. Innerhalb der kommenden zwei bis drei Jahre sollen die PCB-Quellen baulich beseitigt werden. Vorab dienen Sofortmaßnahmen der Konzentrationsminderung. So sind die Fensterfugen mit Aluklebeband verdichtet worden, zu regelmäßigem Lüften wird aufgefordert.

1000 Euro extra

Wie man in Bonn an eine Wohnung kommt

Die Wohnungsnot in Bonn ist besonders für Studierende groß, denn die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen und WG- Zimmern ist riesig, das Angebot hingegen hält sich leider in Grenzen. Das musste ich am eigenen Leib erfahren.

„Das ist es! Die Wohnung ist perfekt.“ – es gibt wohl kaum einen Satz, den ich im vergangenen halben Jahr öfter gesagt habe. Wohnungssuche während des Semesters: Ein Traum, aber nur für die Vermieter. Die stehen nämlich den Massen überlegen gegenüber, haben die große Auswahl und können es sich so leisten, den Studierenden tief in die Tasche zu greifen. So gestalteten sich die Wochen, die ich gemeinsam mit meinem Freund auf Wohnungssuche verbrachte, äußerst spannend. 8,48 Euro kostet der Quadratmeter Wohnfläche in Bonn momentan, das ist mehr als das Mittelmaß NRWs und 2,50 Euro teurer als der bundesweite Durchschnitt. Trotzdem müssten sich ein paar passende Quadratmeter doch irgendwo finden lassen?

15-Wohnungsnot

Zugegeben, ich bin ein wirklich kontaktfreudiger, offener Mensch. Bei der ersten Wohnungsbesichtigung im Mai musste ich allerdings feststellen, dass sich das im Kontext relativiert. Denn im Rahmen einer Massenbesichtigung treffe ich nicht allzu gern auf etwa 20 Konkurrenten um eine 40m²-Wohnung. Gelegen in der Bonner Weststadt und mit 590 Euro Warmmiete genau richtig für meinen Freund und mich. Die Wohnung war schön, wenn auch sehr klein und unter dem Dach gelegen. Ich fragte den Vermieter nach meinen Chancen, die Wohnung zu bekommen. Er zog mich etwas zur Seite, fragte nach einer Elternbürgschaft und dem Beruf meines Freundes und sagte mir dann, dass meine Chancen sehr viel höher wären, wenn ich bereit wäre, 1000 Euro unter der Hand zu zahlen. Ich war wirklich geschockt. Dieses Geld konnte und wollte ich nicht bezahlen. Am nächsten Tag bekam ich eine Absage. Jemand anderes konnte und wollte. Ein paar Tage später stand der nächste Besichtigungstermin ins Haus. Dieses Mal ging es um eine 48m² Altbau-Wohnung in der Nähe des Juridicums für 630 Euro warm. Ich war pünktlich da und wartete 15 Minuten, bis ich den Vermieter anrief. Er gab sich überrascht, brauchte einen Moment, um meinen Namen einzuordnen, und sagte mir dann, dass wir den Termin verschieben müssten. Er habe vergessen, mir Bescheid zu sagen. Ich war sauer, schluckte meinen Ärger aber runter. Vier Tage später stand ich wieder dort, wartete dieses Mal zehn Minuten, bis er auftauchte. Die Wohnung war alles andere als wohnlich, sondern eher enorm verwohnt, würde aber auch unrenoviert übergeben werden. Alles in allem nicht optimal, aber die Lage entschädigte für vieles. Nach zehn Minuten Besichtigung fiel mir auf, gar kein Badezimmer gesehen zu haben. Ich fragte nach, der Vermieter nickte und erklärte mir, dass das Bad ausgelagert sei. Es läge eine Etage höher und wir müssten es uns mit den Studierenden aus der oberen Etage teilen, aber wir Studenten hätten ja Zeit und Geduld. Ich lachte, aber mehr aus Verzweiflung. Für jeden Toilettengang aus der Wohnung raus, mein eigenes Klopapier unter dem Arm, die Treppe rauf und hoffen, dass gerade frei ist — nein, danke. Was mich erstaunte, war, dass der Vermieter sich überhaupt keine Mühe machte, mir die Wohnung schön zu reden, denn Nachfrage gab es wohl genug. Nach diesem Termin war ich unmotiviert und ein bisschen hoffnungslos, denn auf die vielen Anfragen, die wir online verschickt hatten, bekamen wir nur sehr selten eine Antwort.  In der Zeitung fand ich eine tolle Anzeige über eine 45m²-Wohnung in Kessenich für 540 Euro warm. Die Wohnung hätte sogar Panoramafenster, hieß es im Anzeigentext. Vor Ort betrat ich die im Erdgeschoss gelegene Wohnung und musste zugeben: die Panoramafenster waren wirklich toll. Leider sind sie ebenerdig gelegen und zeigen den Blick auf einen zur benachbarten Versicherung gehörenden Parkplatz. Wenn ich also morgens die Rollos hochzöge, stünde direkt auf der anderen Seite das erste Auto und dessen Fahrer könnte mich dann durch die Panoramafenster im Schlafanzug bewundern. Meine Ansprüche hatte ich schon runter geschraubt, aber in einem Schaufenster wollte ich trotzdem nicht wohnen.

In den folgenden Wochen plätscherten die Wohnungsbesichtigungen vor sich hin. Die Absagen häuften sich ins Unzählbare. Irgendwann hatte ich mir in fast jedem Bonner Stadtteil eine Wohnung angeguckt und könnte mittlerweile einen ausführlichen Reiseführer schreiben oder Städtetouren anbieten. Wir sind dann dazu übergegangen uns vermehrt im Freundeskreis umzuhören, ob jemand jemanden kennt, der jemanden kennt, der… Und tatsächlich hatten wir Glück:  Eine Freundin meines Mitbewohners wollte raus aus ihrer 56m²-Wohnung am Rande der Südstadt und nach einigem Hin und Her sind wir jetzt stolze Mieter unserer gemütlichen vier Wände. Was bleibt sind vier anstrengende Monate der Suche und detaillierte geografische Kenntnisse über Bonn. Und die Erkenntnis: Hartnäckigkeit ist alles. Wer dran bleibt, der wird auch fündig. Irgendwann.