Für drei Groschen in die Oper

KULTURTICKET  Diesen November, zu Beginn der kalten Jahreszeit, wenn Hofgartenwiese und alter Zoll keine Option mehr für eine entspannte und günstige Abendgestaltung darstellen, bieten die „Drei- Groschen- Wochen“ eine günstige Möglichkeit für die Studierendenschaft die bunte Theaterwelt Bonns kennen zu lernen. Aber worum geht’s?

Ersti-Survival-Guide

HERZLICH WILLKOMMEN Das Wintersemester hat begonnen, das heißt vor allem, dass die Uni wieder jede Menge neue Erstis begrüßt. Du bist neu an der Uni? Dann sind hier zehn (nicht ganz so seriöse) Tipps, die deinen Einstieg in den Uni-Alltag erleichtern könnten.

VON CHARLOTTE KÜMPEL

1. Hol’ dir eine Ersti-Tüte.
Der vermutlich wichtigste Tipp auf dieser Liste. Er gilt übrigens nicht nur für Erstis, sondern für jeden, der auf Gratis-Sachen steht. Jedes Semester aufs Neue werden Ersti-Tüten im Innenhof des Hauptgebäudes sowie im Juridicum verteilt, die meistens zwar zu 80% aus Flyern und Coupons bestehen, aber auch überlebenswichtige Dinge wie pizza.de-Kugelschreiber, Chips oder Energy Drinks enthalten. Um eine der begehrten Tüten zu bekommen, muss man jedoch meistens ganz schön lange anstehen, aber von nix kütt nix!

2. Bei einem leckeren Kölsch lernt man schnell Leute kennen.

Du hast die Ersti-Woche verpasst undkennst noch keine Kommilitonen? Keine Sorge, damit bist du nicht allein. Als Studierender hast du am laufenden Band (alkoholbasierte) Möglichkeiten, neue Leute kennenzulernen. Wenn deine Fachschaft cool ist, bietet sie auch während des Semesters Kneipentouren oder Flunkyballturniere an. Außerdem hat man jedes Semester die Chance, den sogenannten „Kneipenbachelor“ zu machen.

3. Finde dich mit BASIS ab.
Ganz ehrlich, BASIS ist schrecklich. Es gibt keinen Bonner Studierenden, der noch nicht an dem Vorlesungsverzeichnis verzweifelt ist. Grundsätzlich gilt: du bekommst fast nie, was du willst. Das hast du wahrscheinlich bereits bei der Veranstaltungsbelegung für das erste Semester erlebt.
120 Bewerber auf 30 Plätze? Standard. Falls du auch nur einen Kursplatz bekommen hast, den du wirklich haben wolltest, dann kannst du dich bereits ziemlich glücklich schätzen. Manchmal muss man die schlimmen Dinge im Leben einfach akzeptieren!

4. Lass dich auf jeden Fall mal vom Alle-mal-malen-Mann malen.
Alle mal was? Auch wenn dir dieser Mann noch kein Begriff ist, wirst du spätestens nach deinem ersten Abend in einer Bonner Kneipe wissen, wer gemeint ist. Auf den Bildern des Alle-mal-malen-Manns könnte man zwar meinen, dass die gemalten Personen immer eine gewisse Ähnlichkeit zueinander aufweisen, jedoch sollte sich jeder von der lokalen Berühmtheit zumindest einmal porträtieren lassen. Wenn er also auf seinem kleinen Fahrrad angefahren kommt und in die Runde „Alle mal malen, hier?“ fragt, dann sag bloß nicht nein.

5. Es gibt keine Anwesenheitspflicht mehr.
Nutze diese Tatsache, zumindest in deinem ersten Semester. Während man bis vor zwei Jahren nur zweimal pro Kurs im Semester fehlen durfte, reicht es heute schon fast, nur zweimal hinzugehen. Zugegeben, wenn du den Kurs bestehen möchtest, dann reicht das vielleicht nicht. Aber es nimmt dir auch keiner übel, wenn du am morgen nach deiner Fachschaftsparty nicht um 8 Uhr in der Vorlesung sitzt. Lerne, Prioritäten zu setzen!

6. Sag immer ja zu Bonuskarten!
Bonuskarten sind toll. Sie vermitteln dir das Gefühl, dass du als Stammkunde wirklich wichtig bist. Ob Kaffee, Bücher oder Frisörbesuch: beim elften Mal ist’s umsonst! Eine gute Marketingstrategie mit dem Ziel, den Kunden zu halten. Es funktioniert. Studierende lieben Gratis- Sachen! In meinem Portmonnaie befinden sich grundsätzlich mehr Bonuskarten als Geld, und ich freue mich jedes Mal, wenn ich sie einlösen kann. Daher lautet der sechste Tipp dieser Liste: Nimm jede Bonuskarte, die du kriegen kannst!

7. Die ULB ist kein Laufsteg.
Oder doch? Wenn man im Lesesaal sitzt, um für anstehende Klausuren zu lernen oder seine Hausarbeit zu schreiben, könnte man schnell den Eindruck bekommen, dass es sich bei der ULB nicht um eine Bibliothek, sondern um das Casting für die nächste Staffel von Germany’s Next Topmodel handelt. Sehen und gesehen werden ist hier anscheinend für viele das Motto. Andauernd stolzieren balzende Männlein und Weiblein an einem vorbei, eingehüllt in eine Duftwolke, die so enorm ist, dass man sie auf der Zunge schmecken kann. Hohe Schuhe sind hier auch keine Seltenheit, was besonders bei den Personen nervt, die alle zehn Minuten für eine wohlverdiente Kaffeepause rausrennen. Dabei lässt es sich in gemütlichen Klamotten doch viel besser lernen!
Und wenn wir schon dabei sind: Wenn du keinen Laptop dabeihast, dann blockier bitte keine Plätze mit Steckdose!

8. Sei kein Schleimer.
Eigentlich sollte dieser Punkt klar sein, aber es kommt wirklich immer wieder vor. Anders als in der Schule gibt es in der Uni keine Kopfnoten. Am Ende zählt nur deine Prüfungsleistung. Den meisten Dozenten ist es egal, wer du bist, denn für sie bist du nur eine personifizierte Matrikelnummer von vielen. Also vermeide es, in der Vorlesung sinnlose Fragen zu stellen, nur um dem Dozenten zu zeigen, dass es dich gibt. Es sei denn, du möchtest, dass deine Kommilitonen von dir genervt sind.

9. Lade dir nützliche Apps herunter.
Dein bester Freund in langweiligen Pflichtvorlesungen: dein Smartphone. Traurig, aber wahr. Neben den bekannten Apps wie Instagram und Snapchat gibt es jedoch noch weitere Apps, die auf deinem Handy nicht fehlen sollten. Mit der Uni Bonn-App kannst du beispielsweise schon mal den Mensaplan checken um deine Mittagspause zu planen. Dank der Jodel-App weißt du immer, was an der Uni gerade los ist und mit Scanner-Apps kannst du schnell und einfach die Mitschriften deines Kommilitonen in ein PDF umwandeln, falls du in der letzten Vorlesung gefehlt hast (natürlich nur, wenn du vorher gefragt hast).

10. Last but not least:
Lass deinen Abipulli zuhause! Diesen Fehler haben wahrscheinlich schon viele bei der Einschreibung begangen. Abipullis sollten, auch wenn das Abimotto deiner Stufe noch so lustig war und er ja so gemütlich ist, wirklich nur zuhause getragen werden. Wirklich jeder hier hat Abitur, da es nun mal die Voraussetzung für das Studium ist. Den Abipulli zur Vorlesung zu tragen ist also ungefähr so, als würdest du deinen Studentenausweis an einer Kette um den Hals tragen.

 

Die Macht der Gene

RUBRIK BONN, DEINE LEHRENDEN Die Forschung von Prof. Dr. Martin Reuter verbindet die Psychologie mit der Molekulargenetik. Im AKUT-Gespräch macht er deutlich, dass die Psychologie schon lange nicht mehr in den psychoanalytischen Kinderschuhen steckt und mittlerweile eine gestandene Naturwissenschaft ist.

INTERVIEW LINNÉA NOETH

 

AKUT Gemeinhin wird die Psychologie nicht unbedingt mit genetischer Forschung assoziiert. Wie passen die beiden Themenfelder zusammen?

REUTER Die Psychologie beschäftigt sich hauptsächlich mit menschlichem Verhalten. Hier setzt auch die Verhaltensgenetik an, die erforscht, inwiefern ein Phänotyp – ein bestimmtes Merkmal eines Menschen – durch Umwelteinflüsse oder eben die Gene beeinflusst wird. Mit Hilfe statistischer Methoden kann man dann die Stärke dieser beiden Varianzquellen schätzen. Eine Determinante, die unser Verhalten entscheidend beeinflusst, ist unsere Persönlichkeit. Erblichkeitsschätzungen für Persönlichkeitseigenschaften, wie z.B. Extraversion oder Ängstlichkeit, liegen ungefähr bei fünfzig Prozent, was belegt, dass die Variation im Verhalten, die man in einer bestimmten Situation zeigen kann, sehr stark von der Persönlichkeit beeinflusst wird. Zum Beispiel wird eine extravertierte Person gewiss eher auf das Angebot eingehen, spontan auf eine Party zu gehen, als eine introvertierte Person.

AKUT Was haben unsere Gene damit zu tun?

REUTER Mittlerweile hat man viel Evidenz, die darauf hinweist, dass Phänotypen wie Persönlichkeit, Intelligenz, aber auch psychopathologische Erkrankungen wie Depression stark genetisch bedingt sind. Deswegen ist es meiner Meinung nach notwendig, zu wissen, welche Gene genau den statistisch errechenbaren „genetischen Anteil“ ausmachen. Wenn man weiß, weshalb Menschen sich in ihrer Anfälligkeit für Krankheiten unterscheiden, kann man auf dieser Basis auch an Medikamenten forschen, die spezifisch zu den Patienten passen.

AKUT Das klingt plausibel. Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie in diesem Gebiet forschen?

REUTER Nach meiner Promotion in Würzburg ging ich als Postdoc zurück nach Gießen, wo ich zuvor studiert hatte. Der Lehrstuhlinhaber für differentielle und Persönlichkeitspsychologie hatte zu der Zeit die Vision, die Psychologie und die Molekulargenetik zusammenzuführen und hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, ein molekulargenetisches Labor aufzubauen.

AKUT Dann stammt die Idee der Verknüpfung von Molekulargenetik und Psychologie also aus Gießen?

REUTER Nein, es gab schon vorher Kollegen in der Psychologie, die sich mit Molekulargenetik beschäftigt haben. Im Unterschied zu uns haben sie die Gen-Proben aber nicht selbst ausgewertet, sondern haben die Proben zur Analyse in Fremdlabors geschickt. Gerade in der Genetik finde ich es wichtig, dass man weiß, was genau man da macht. Jemand, der sich lediglich theoretisch mit der Thematik auseinandersetzt, der seine Proben zur Analyse an andere Labore schickt, hat überhaupt nicht die Möglichkeit, aktiv am Forschungsprozess mitzuwirken oder neue Ideen zu entwickeln. Man kann sich dann auch nie sicher sein, ob die Ergebnisse, die man von kommerziellen Firmen erhält, korrekt sind. Und das ist ein Risiko, das man nur ungern eingehen sollte.

AKUT Wie ging es für Sie weiter, nachdem Ihre Arbeit in Gießen beendet war?

REUTER Als ich vor zehn Jahren den Ruf nach Bonn erhalten habe, war es für mich klar, dass das ganze Engagement, welches ich in Gießen in die genetische Forschung gesteckt hatte, nicht umsonst gewesen sein sollte. Also habe ich mich um Forschungsgelder bemüht, um hier in Bonn wenigstens auf minimalem Niveau forschen zu können. Mittlerweile sind wir aber so weit, dass wir Massenspektrometrie nutzen oder Klonierungsexperimente durchführen können. Man kann sagen, dass sich der Standard, über den wir hier in Bonn verfügen, deutlich von anderen Laboren in diesem psychologischen Forschungsgebiet abhebt.

AKUT Sie beschäftigen sich mit „Persönlichkeit, Intelligenz und Kreativität“. Wie hängen diese drei Aspekte zusammen?

REUTER Persönlichkeit ist viel mehr als das, was ein Persönlichkeitstest misst. Ähnlich ist es mit Intelligenz. Wer versucht, eine ihm oder ihr bekannte Person zu beschreiben, nutzt dazu auch Worte wie „clever“ oder „schlau“ – doch diese Attribute werden in Persönlichkeitstests kaum gemessen. Wie auch der Persönlichkeitsforscher Guilford schon sagte, gehören aber kognitive Fähigkeiten wie auch Kreativität mit zum Gesamtbild der Persönlichkeit. Auch soziale Intelligenz ist ein wichtiger Forschungsgegenstand – nur ist die Forschung hierzu nicht allzu erfolgreich, weil man sie nicht so gut messen kann. Das, was man gemeinhin als Intelligenz versteht, ist auch interdisziplinär von Belang, wie z.B. für die Ökonomie und Wirtschaftspsychologie, die Arbeits- und Organisationspsychologie. Denn mittlerweile weiß man, dass Intelligenz einer der besten Prädiktoren für Berufserfolg ist.

AKUT Sie wollen Ihre Grundlagenforschung mit Anwendungsfragen verknüpfen, die auch das Arbeitsleben betreffen. Aktuell führen Sie ein Forschungsprojekt zum Thema „Burnout“ durch. Worum geht es da?

REUTER Das Problem ist, dass in den Medien zwar immer wieder über Burnout berichtet wird – dabei ist „Burnout“ bisher noch keine anerkannte Diagnose. Wer den Verdacht hat, an einem Burnout zu leiden, wird von den behandelnden Ärzten oder Therapeuten meist als „depressiv“ eingestuft. Das liegt daran, dass die Krankenkassen die Leistungen nur bei der Diagnose „Depression“, nicht aber bei „Burnout“ übernehmen.

AKUT Glauben Sie, dass sich das in Zukunft ändern könnte?

REUTER Ehrlich gesagt, nein. Es gibt einige Arbeitgeber oder Funktionäre im Gesundheitswesen, die es als nachteilig ansehen würden, wenn sich mehr Patienten mit ihrem Anliegen zum Arzt trauten. Die soziale Stigmatisierung, die die „Depression“ heute immer noch mit sich bringt, entsteht bei Patienten, die davon ausgehen, an Burnout zu leiden, nämlich nicht so schnell. Trotzdem sind viele Psychiater auch davon überzeugt, dass es sich bei Burnout „nur“ um eine Vorstufe der Depression handle, da sich die Symptome teilweise überschneiden.

AKUT Wie sehen Sie das?

REUTER Meiner Meinung nach besteht ein Unterschied zwischen Burnout und Depression. Ein Burnout-Patient wird seine Symptome nämlich immer auf seine Arbeit oder sein Studium zurückführen. Früher unterschied man in der Psychiatrie die „endogene“ von der „exogenen“ Depression; wobei unter die endogene Depression so etwas wie plötzlich auftretende Melancholie fällt. Bei einer exogenen Depression weiß der Patient genau, weshalb es ihm schlecht geht. Er kennt also die Ursache für sein Leiden.

AKUT Gibt es denn eine Methode, um herauszufinden, ob sich Depression und Burnout unterscheiden?

REUTER Genau daran forschen wir aktuell. In unserem Projekt testen wir genetische Marker rein depressiver Patienten gegen die von Burnout-Patienten und solchen, die von beidem betroffen sind. Als Kontrollgruppe nehmen wir eine Stichprobe aus der Bevölkerung. Wobei man die arbeitende Bevölkerung gar nicht so richtig als Vergleich heranziehen kann, weil viele bereits ein Burnout-Problem haben. Wenn es uns gelingen sollte, Genorte zu finden, die ausschließlich bei Patienten mit Burnout vorkommen, aber nicht bei den depressiven oder gesunden Probanden, haben wir zumindest einen Hinweis darauf, dass es sich nicht um dieselbe Erkrankung handelt.

AKUT Was sind die Anzeichen dafür, dass man einen Burnout haben könnte?

REUTER Wenn man bemerkt, dass man seine Emotionen nicht mehr so spürt wie früher, oder plötzlich kein Interesse mehr an Dingen hat, die man vorher gern getan hat. Ein wichtiges Symptom ist, dass man nicht mehr effektiv arbeiten kann und sich antriebslos fühlt. Wichtig ist, dass man so früh wie möglich Hilfe sucht – egal wie unangenehm einem der Arztbesuch vorkommen mag. Stigmatisierung zu fürchten ist in keinem Fall zielführend.

 

Rabenmutter Alma Mater

AKADEMISCHE KARRIERE Wer nach dem Studium danach strebt, im Lohn und Brot der Alma Mater zu stehen, der muss sich umschauen. Denn nicht immer garantiert eine akademische Karriere die finanzielle Sicherheit, die man sich von der nährenden Mutter wünschen würde.

VON LARS SCHÄFERS

Die Universität als gütige Mutter. Sie nährt uns mit kostbarem Wissen. Sie lindert unseren Bildungshunger, ohne uns je satt zu machen. Die Alma Mater gilt als Hort höchster Bildung und ist seit dem Mittelalter Ort und Symbol für das unermüdliche Streben des menschlichen Geistes nach Erkenntnis. Wem das Forschen schon während der Studienzeit Freude bereitet hat und wer nach dem Studium noch immer wissen will, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, steht vor der Option einer akademischen Karriere. Bleibt der Student seiner Alma Mater treu oder löst er sich von ihrer nährenden Brust, um anderswo sein Karriereglück zu suchen?

Willkommen im Wissenschaftsprekariat
An der Uni bleiben, eine Doktorarbeit schreiben und als wissenschaftliche Hilfskraft, oder besser noch als wissenschaftlicher Mitarbeiter, arbeiten – ein reizvoller Weg für alle, die ihren Wissenshunger zum Beruf machen wollen. Doch wird die Alma Mater dann nicht selten zur Rabenmutter.
Die Rede ist vom sogenannten „akademischen Prekariat“: Befristete Arbeitsverträge, Teilzeitstellen und der größte Sorgenfaktor: Nach einer Frist von maximal 12 Jahren sollte die Professur oder eine andere Dauerstelle erreicht sein, oder es ist endgültig vorbei mit dem Traum einer akademischen Karriere bis zur Rente. Grundlage dieser Arbeitssituation ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (Wiss-ZeitVG), das Sonderarbeitsrecht der wissenschaftlichen Hilfskräfte, Mitarbeiter und Assistenten. Die Befristungs- und Sonderregeln dieses Gesetzes bedeuten mangelnde Planungssicherheit und unklare Perspektiven. Mit Doktortitel und Lehrbefugnis ins Prekariat: So sieht der berufliche Fahrplan für nicht wenige aus. Denn es gibt weit weniger Professur-Stellen als wissenschaftlichen Nachwuchs. Der Traum von einer akademischen Karriere ist also schnell ausgeträumt, insbesondere für denjenigen, der eigentlich gar keine Professur anstrebt, sondern im akademischen Mittelbau seinen Platz im Dienst an der Wissenschaft sieht. Das ist ein skandalöser Zustand für ein Land, das Exzellenzinitiativen startet und „Bildungsrepublik“ sein will.

Eine Novelle ohne viel Neues
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kämpft schon lange für eine grundlegende Erneuerung des WissZeitVG. Ihre Kernforderungen lauten unter anderem: Absicherung der Promotionsphase, Perspektiven für Postdocs, Mindeststandards für befristete Arbeitsverträge, die Einrichtung von Dauer- und Vollzeitstellen im Mittelbau sowie eine familienfreundlichere Ausgestaltung der Karrierewege an den Unis. Letzter Punkt ist besonders wichtig, nicht nur für den heute so gut ausgebildeten weiblichen Nachwuchs in der Wissenschaft: Mit Fristverträgen fehlt die Sicherheit für eine Familiengründung und wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert. Kein Wunder also, dass laut amtlicher Statistik über 70 Prozent der Nachwuchswissenschaftlerinnen und auch etwa 45 Prozent der Professorinnen kinderlos sind. Auch bei den männlichen Kollegen sieht es nicht viel besser aus. Auch die Politik ist sich dieser Missstände bewusst, eine Novellierung des WissZeitVG wurde immerhin im Dezember vom Deutschen Bundestag beschlossen. Seither muss für jede Befristung wenigstens ein echter Sachgrund vorliegen. Für Nachwuchswissenschaftler mit minderjährigen Kindern können sich die 12 Jahre Maximalbeschäftigungsdauer nun um zwei Jahre je Kind erhöhen. Auch soll die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses künftig genauer statistisch erfasst und untersucht werden. Doch reicht das aus? Die GEW sieht die Novelle zwar als „Etappensieg“, viele ihrer Kernforderungen wurden allerdings nicht umgesetzt.

Karriereplanung mit Idealismus und Hintertürchen
Wer eine akademische Karriere anstrebt, braucht vor allem eines: Eine ordentliche Portion Idealismus. Ebenso eine tiefe Liebe zur Forschung, eine unermüdliche Neugier nach Erkenntnis, das Streben nach Exzellenz sowie nachhaltige Freude am wissenschaftlichen Arbeiten und Publizieren. Und wer weiß, vielleicht ringt sich die Politik eines Tages auch dazu durch, eine wirklich grundlegende Reform des WissZeitVG anzugehen. „Dauerstellen für Daueraufgaben“, ein Kernslogan der GEW, scheint die dringlichste Forderung zu sein. Dabei geht es nicht um die vollständige Ersetzung befristeter Arbeitsverhältnisse – gerade bei Qualifizierungsstellen für Doktoranden und Habilitanden ist eine (adäquate) Befristung sachgemäß. Besser wäre aber, wenn sie grundsätzlich immer auch mit der Tenure-Track-Option, der Zusage einer Dauerstelle, wenn bestimmte Zielvereinbarungen erreicht wurden, verbunden ist. Zur Frage, ob befristet oder unbefristet in der Wissenschaft, sollte es demnach um ein Sowohl als-auch gehen.
Trotz allem: Jeder, der eine wissenschaftliche Karriere anstrebt, sollte sich jederzeit noch das Hintertürchen einer außeruniversitären Tätigkeit mit entsprechender Kontakt- und Beziehungspflege offenhalten. Manchmal müssen eben auch die treuesten Diener der Wissenschaft, die Nesthäkchen der geliebten Alma Mater, flügge werden.

Mein liebes Bonn, …

BETRIFFT: HEIMAT Früher oder später muss jeder einmal Abschied nehmen. Von einer ehemaligen Hauptstadt in die aktuelle. Oder auch vom kleinen B ins große B. Ich sage bye bye Bonn und hallo Berlin!

VON DOMINIQUE MÜLLER

Mein liebes Bonn, it’s time to say goodbye. Nach stolzen 23 Jahren habe ich mich nun von dir verabschiedet. Ich will ehrlich zu dir sein, besonders schwer ist es mir nicht gefallen. Das bedeutet jetzt aber nicht, dass ich mich während der langen Zeit nicht wohlgefühlt habe. Ganz im Gegenteil eigentlich.
Ich hatte eine schöne Zeit! Aber irgendwann ist halt einfach mal Zeit für etwas Neues. Und ich finde, das kannst du mir eigentlich nicht verübeln.
Du hast wirklich sehr viele schöne Ecken. Ich sag nur Rhein, Universität und Hofgarten, Südstadt, Sternstraße oder Alter Zoll. Nicht zu vergessen das Siebengebirge, das zwar offiziell nicht zu dir gehört, aber ja um die Ecke liegt. Nicht umsonst reisen die Touris dafür an. Und auch wenn du leider zu oft nur als Geburtstort von Beethoven gesehen wirst, hast du doch wesentlich mehr zu bieten. Hinzu kommt, dass du ja echt schon sehr viel erlebt hast und eine spannende Vergangenheit als Bundeshauptstadt vorweisen kannst. Das ist schon echt etwas Besonderes. Es waren ja immerhin stolze 41 Jahre. Ich weiß gar nicht, ob dir überhaupt bewusst ist, welche wichtige Rolle du in der Geschichte Deutschlands und unserer Demokratie gespielt hast. In Bonn wurde schließlich das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland unterschrieben. Darauf kann man schon stolz sein. Auch wenn ich die ersten 20 Jahre meines Lebens in Königswinter und nicht in Bonn gewohnt habe – immerhin recht nah an der Grenze – warst du schon immer der Ort an den ich gefahren bin, wenn ich gesagt habe „Ich fahr‘ mal in die Stadt“. Es hat sich also fast so angefühlt, als wohnte ich in Bonn. Die letzten drei Jahre durfte ich dann in der wunderschönen Südstadt verbringen. Da ist ja ein Haus schöner als das andere. Wirklich klasse!
So schön du auch bist, bin ich doch sehr froh, dass du so nah am ebenfalls schönen Köln gelegen bist. Um ehrlich zu sein bin ich nämlich mehr der Großstadttyp.
Klar, du zählst auch als eine, aber Köln ist da mit seinen knapp über einer Million Einwohnern einfach noch mal eine etwas andere Liga. Nicht dass man in Bonn nichts unternehmen könnte, aber in Köln wird nun mal, vor allem für junge Leute, mehr geboten. Gerade was die abendlichen Aktivitäten betrifft.
Auch wenn ich jetzt eine neue Stadt mein Zuhause nenne und mich dort sehr, sehr wohl fühle, so wirst du doch immer irgendwie meine Heimat bleiben. Ich bin hier aufgewachsen, zur Schule und zur Uni gegangen und verbinde viele Erinnerungen mit dir! Nicht zuletzt, weil meine Eltern noch hier wohnen, werde ich dir ab und an einen Besuch abstatten und einen ausgiebigen Rheinspaziergang machen oder ins Museum gehen. Die Museumsmeile gehört nämlich definitiv zu meinen Lieblingsorten. Und weil „Lass uns Freunde bleiben“ einfach keiner gerne hört, sag ich einfach: Mach’s gut Bonn!
Ich bin ja nicht aus der Welt und schaue ab und an noch mal vorbei. Versprochen!

Das Rektorat auf dem heißen Stuhl

FRAGERUNDE Am 23. Mai und 15. Juni stellten sich Rektor Prof. Hoch und Mitglieder des Rektorats den Fragen der Studierendenschaft. Die wichtigsten Fragen und Antworten haben wir hier zusammengefasst.

VON MAX DIETRICH

ONLINE-VORLESUNGEN
Gibt es das Bestreben, die Aufzeichnung und Bereitstellung von Vorlesungen im Internet zu verbessern?
Die Universität stellt mit dem Projekt „Veranstaltungsaufzeichnung und Live-Übertragung“ die nötige Infrastruktur auf eCampus bereit. Für die Aufzeichnung selbst gibt es mobile Lösungen. Die Entscheidung, diese Möglichkeiten zu nutzen, liegt jedoch bei Fakultäten. Eine allgemeine Ausstattung aller Hörsäle mit der nötigen Technik wird jedoch zunächst nicht stattfinden und hat in den Augen des Rektorats auch keine Priorität.

SCHLIESSUNG DER ZB MED
Wie steht das Rektorat zur Schließung der ZB MED?
In den Augen des Rektorats wäre ein Fortbestand der ZB MED wünschenswert. Allerdings kann die Universität auf die Leibniz-Gemeinschaft selbst keinen Einfluss nehmen und eine direkte Assoziation mit den Plakatkampagnen und Demonstrationen ist ihr auch nicht möglich.

RENOVIERUNG
Wie steht es mit der Renovierung des Poppelsdorfer Schlosses?
Ist der Einbau einer Kuppel (Bericht in AKUT-Ausgabe Nr. 340) realistisch?
Das Problem im Fall des Poppelsdorfer Schloss ist, dass man dieses schon vor einiger Zeit an den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (kurz BLB) weitergegeben hat. Man muss sich so nicht um Belange wie den Brandschutz kümmern, hat aber auch wenig Einfluss über Angelegenheiten wie die Restaurierung. Beim BLB gibt es kaum Bestreben, in die Liegenschaften zu investieren, auch die dazu nötige Kooperation von Finanz- und Wirtschaftsministerium des Landes NRW macht schnelle Lösungen unwahrscheinlich.
Was den Plan von Frank Asbeck hinsichtlich des Einbaus einer Glaskuppel angeht, ist man beim Rektorat skeptisch. Zum einen ließe sich eine öffentliche Nutzung des Schlosses kaum mit dem Lehr- und Forschungsbetrieb vereinbaren, zum anderen stellen sich in Sachen Statik und Denkmalschutz schwerwiegende Bedenken.

BASIS
Was wird getan, um die vielen Probleme von BASIS zu beheben?
Viele Punkte, die von der Studierendenschaft kritisiert werden, etwa das korrekte Einpflegen der Raumnutzung, liegen in der Verantwortung der Studiengangsmanager. Die Qualität ist hier von Fakultät zu Fakultät sehr verschieden. Es gibt kein Bestreben, die Dozenten zur Nutzung des Systems zu verpflichten, jedoch steigen die Nutzerzahlen unter anderem durch das Angebot von Schulungen stark an.

BIBLIOTHEK
Welche Pläne hat die Universität für die Bibliothek der Philosophischen Fakultät, nachdem der geplante Neubau auf dem Gelände des Viktoriakarrees gescheitert ist?
Das Rektorat bespricht hier gerade verschiedene Optionen mit allen Beteiligten. Die erste ist ein Neubau an anderer Stelle, was jedoch bis zu zehn Jahren dauern könnte. Die zweite wäre die Anmietung geeigneter Gebäude, was jedoch aus statischen Gründen schwierig ist. Die dritte und wahrscheinlichste Option ist der Umzug in das Erdgeschoss des Hauptgebäudes, wozu jedoch andere Bereiche ausziehen müssten. Dies könnte man im Zuge einer abschnittsweisen Renovierung des Hauptgebäudes erreichen, indem die jeweiligen Bereiche dann ihre Räume mit denen der Bibliothek tauschen.

Hausmitteilung

Liebe Leserinnen und Leser,

oft gehört, aber immer noch gern gesagt: Ein frohes neues Jahr! Wir nehmen den Jahreswechsel zum Anlass, gute Vorsätze gleich anzugehen und starten dabei mit Veränderungen in unserem Layout.

Inhaltlich bieten wir euch – wie gehabt – alle Neuigkeiten rund um Universität und Stadt in drei Ressorts an. Im Ressort „Parlament“ erfahrt ihr Neues über eure studentische Vertretung. Diesmal geht es dabei besonders um die Wahlen: Nicht nur die Wahlbeteiligung sinkt erfahrungsgemäß leider von Jahr zu Jahr. Diesmal ist auch die Anzahl der zur Wahl antretenden Listen gesunken – die grüne Hochschulgruppe – campus:grün darf nicht teilnehmen. Zu spät haben sie dafür ihre Liste eingereicht, entschieden Wahlausschuss und Ältestenrat letztlich. Alles rund um das spektakuläre, wie auch erschreckende Hin und Her lest ihr im Ressort „Parlament“.

Auch im Ressort „Universum“ findet ihr verschiedene Skandale, die sich an der Uni zugetragen haben: Während im Hauptgebäude Spannervorfälle auf den Toiletten für Trubel sorgen, sind Studierende am Institut für Orient- und Asienwissenschaften bestürzt über eine undurchdachte Studienstruktur sowie eine erschreckend schlechte Beratungs- und Informationspolitik vonseiten der Universität.

Auch in der Stadt ist einiges los: Wir beschäftigen uns in dieser Ausgabe verstärkt mit Integration und der Zukunft Europas. Eine Reportage über die Bogida-Demonstationen sowie Gedanken über den Umgang mit Flüchtlingen und Möglichkeiten zur Initiative findet ihr im Ressort „Alltagskultur“. Eines hat sich mit dem Jahreswechsel nicht verändert: Wir freuen uns stets auf Rückmeldungen zu Inhalt und Layout, auf Lobeshymnen oder Verrisse an
redaktion@akut-bonn.de.

Viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe wünscht

Julia Faber

Weniger Farbe im Spiel

Die GHG darf nicht zur SP-Wahl antreten – Weniger Farbe, weniger Inhalte? Nach einem ewigen Hin- und Her wurde beschlossen, dass die Grüne Hochschulgruppe nicht an der SP-Wahl teilnehmen darf – als bis dahin noch stärkste Gruppe.

Von Julia Faber

Weniger Farbe im Spiel

Weniger Farbe im Spiel – Foto: lupo/pixelio.de, Alexander Grantl; Montage: akut

Am 17. Dezember war Listenschluss: Heißt, an diesem Tag mussten alle, die zur Wahl des Studierendenparlaments (SP) antreten wollen, ihre Listenbewerbung beim Wahlausschuss einreichen. Bei der SP-Sitzung am gleichen Abend verkündete der Wahlausschuss dann das für viele erschreckende Ergebnis: Nur fünf Listenbewerbungen seien fristgerecht eingereicht worden, die Bewerbung der Grünen Hochschulgruppe ghg-campus:grün sei zu spät eingereicht worden. Es folgte ein nervenaufreibendes Hin- und Her: Nachdem der Wahlausschuss ursprünglich entschieden hatte, die GHG nicht zuzulassen, erklärte der Ältestenrat diese Entscheidung aufgrund eines Formfehlers für ungültig. Der Wahlausschuss selbst stellte anschließend fest, dass sich die Liste beim Ablaufen der Frist bereits im Raum befand – er korrigierte seine Entscheidung.

Doch das Ganze ging noch weiter: Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) reichte daraufhin einen Antrag beim Ältestenrat ein, der die Grünen in letzter Konsequenz von der Wahl ausschloss. Luc Kerren, Vorsitzender des RCDS Bonn, nennt als Motiv dafür den Schutz der Studierendenschaft: „Da die Begründung juristisch nicht stichhaltig war, brachten wir einen Antrag vor dem Ältestenrat ein. Wohl in dem Wissen, dass die Wahl sonst anfechtbar wäre und so auf die Studierendenschaft durch eine mögliche Anfechtbarkeit der Wahl eine personelle und finanzielle Belastung zukommen könnte. Die Arbeit im Studentenparlament und in den Gremien wäre so zum Erliegen gekommen.“

Die Liste undogmatischer StudentInnen (LUST) bezeichnet das Ganze in einer Stellungnahme als „Hochmesse des Formalismus“. Die LUST betont dabei, dass durch die Nicht-Zulassung nun „zahlreichen Studierenden ihre Möglichkeit zur Mitarbeit im SP“ genommen werde. Aus Gründen der Fairness und um gemeinsam weiter an „Projekten wie der kritischen Auseinandersetzung mit der Kissinger-Professur weiterarbeiten zu können“, plädiert die LUST dafür, „dass GHG-Mitglieder auch ohne Fraktion im Studierendenparlament von einer linken AStA-Koalition in die entsprechenden Ämter gewählt werden“. Auch Georg Rolshoven von der LHG bedauert die Nichtberücksichtigung der ghg. Seine Hochschulgruppe schätze „das Engagement zahlreicher Mitglieder der grünen Hochschulgruppe im AStA“ sowie „den (hochschul-)politischen Diskurs im Studierendenparlament, auch wenn die Meinungen bezüglich einiger Themen nicht gerade kongruent waren.“ Dieses Bedauern reicht allerdings nicht ganz so weit: „Ob die Hochschulgruppe ein ausgeprägtes Engagement im AStA an den Tag gelegt hat, ist hier nicht entscheidend. Insofern können wir die Entscheidungen des Wahlausschusses und des Ältestenrates nachvollziehen.“

Der RCDS weist den Vorwurf, mit der Ausschlussforderung der stärksten Gruppe demokratiefeindlich agiert zu haben, entschieden zurück. Dies sei mitunter auch deshalb absurd, „weil wir uns an Regeln halten, die für alle Hochschulgruppen gelten“, so Luc Kerren.

Ob Formalismus oder Regelbewusstsein – fest steht, dass nun die Gruppe mit den meisten Sitzen nicht zur SP-Wahl antreten darf. Im Hinblick auf die ohnehin schon geringe Wahlbeteiligung durchaus bedenklich. 

 

»Selbstdelegitimierung vom Feinsten«

Die Grüne Hochschulgruppe ist sauer Die bis dahin stärkste Gruppe im Studierendenparlament darf nicht antreten. Wegen drei fraglichen Sekunden und zwei Ausschüssen, die lieber Formvorschriften als das große Ganze in den Blick nehmen. So sehen es die Grünen. Warum sie trotzdem nicht klagen werden, erfahrt ihr in diesem Interview.

Interview: Hanno Magnus

Jakob Horneber

Jakob Horneber ist für die flüchtigen Verhältnisse der Hochschulpolitik ein Urgestein. Er amtierte von März 2011 bis August 2012 als Vorsitzender des AStA und war zuvor seit März 2010 Finanzreferent. Zuletzt war er einer von vier studentischen Senatoren im Senat, dem höchsten Gremium an der Universität. Jetzt möchte er den Ärger der grünen Hochschulgruppe in der akut artikulieren. Zum Interview erscheint er – stilecht – etwas zu spät.

 

akut  Es sind sich wohl alle einig. Die ganze Sache, die da abgelaufen ist, ist eine ziemliche Blamage. Die Frage ist nur: für wen?
Horneber  Zunächst einmal ist das meiner Ansicht nach eine Blamage für die Institution „Studierendenschaft“ als solche. Hier wird aus rein formalen Gründen eine Gruppe ausgeschlossen, die in den letzten Jahren zu den erfolgreichsten gehörte und die auch dieses Jahr bereit war, sich zu engagieren. Natürlich sind wir auch selbst schuld, wir hätten die Liste einfach früher abgeben müssen. Andererseits ist überhaupt nicht sicher, ob wir wirklich zu spät dran waren. Auf dieser Basis dann eine so weitreichende Entscheidung zu treffen, finde ich fragwürdig. Hier haben Wahlausschuss und Ältestenrat nicht klug gehandelt. Schon im Ablauf war einiges hoch problematisch. Schade ist aber vor allem, dass die inhaltliche Bedeutung der Entscheidung kaum berücksichtigt wurde, sondern nur Formalia den Ausschlag gaben. Wir haben nicht den Eindruck, dass Sinn und Zweck der angewandten Regeln auch mal hinterfragt wurden. Letztlich wären wir aber dennoch zugelassen worden, wenn der RCDS keine Beschwerde eingelegt hätte, um uns zu schaden. Leider hat sich der Ältestenrat hierbei instrumentalisieren lassen. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Ausgerechnet der Gruppe, die sich immer darüber beschwert, die Hochschulpolitik beschäftige sich nur mit sich selbst, ist jedes Mittel recht, um engagierte Studierende von der Mitarbeit auszuschließen. Da ist es wirklich nicht überraschend, wenn die Wahlbeteiligung ständig zurückgeht. Es haben also viele Akteure der Hochschulpolitik zum schlechten Gesamtbild beigetragen. Das ist Selbstdelegitimierung vom Feinsten.
akut  Du gibst euch selbst eine Teilschuld. Was genau hat denn bei Listenschluss bei euch so lange gedauert?
Horneber  Der Listenschluss wird traditionell ausgereizt – bei allen Hochschulgruppen. So weit ich weiß, ist keine der sechs Listen, die antreten wollten, vor dem letzten Tag abgegeben worden. Wir betreiben die Hochschulpolitik ja auch ehrenamtlich neben vielen anderen Verpflichtungen. Da kann es schon mal dauern, bis alle Kandidaturen und die Texte für die Wahlzeitung beisammen sind. Im Nachhinein wissen wir, dass wir lieber eine unvollständige Liste hätten abgeben sollen. Dann wäre die Frist gewahrt gewesen. Aber wir hatten ja nicht den Eindruck, dass wir zu spät waren. Unser Listenvertreter war anerkanntermaßen vor Fristende im Raum und hat lediglich die Unterlagen angeblich – hier steht Aussage gegen Aussage – drei Sekunden zu spät abgegeben. Das zeigt doch die Absurdität des Ganzen und auf welch dünnem Eis die Entscheidung gefällt wurde.
akut  Wieso klagt ihr nicht?
Horneber  Wir haben das ausgiebig abgewogen. Natürlich ist der erste Impuls: uns geschieht hier ein Unrecht, dagegen müssen wir vorgehen. Allerdings wurden im letzten Jahr viel zu oft die Gerichte bemüht oder Entscheidungen nur auf juristischer und nicht auf politischer Ebene ausgekämpft. Diesen Rückgriff auf Formalismen haben wir als Hochschulgruppe im letzten Jahr immer wieder kritisiert. Wir halten ihn für nicht sinnvoll und schädlich für die Hochschulpolitik. Es gibt offenbar Leute, die große Freude daran haben, anderen mit Pedanterie die Arbeit zu erschweren. Daher wollten wir uns bewusst nicht auf dieses Niveau begeben und jetzt unsererseits klagen. Dazu kommt, dass wir wenig gewinnen können: Sollten wir uns vor Gericht durchsetzen, würden die Wahlen annulliert und müssten dann wiederholt werden. Dieses Ergebnis reizt uns nicht, gerade im Hinblick auf die hohen Kosten für die Studierendenschaft. Dann gibt es natürlich auch noch ein rechtliches Restrisiko.
akut  Was wird jetzt auf der grünen Hochschulgruppe? Wird sie jetzt zerfallen?
Horneber  Im Gegenteil, so ein Ereignis lässt uns noch mehr zusammenwachsen. Auch beschränkt sich die Arbeit der grünen Hochschulgruppe nicht aufs Studierendenparlament. Viele unserer Projekte können in nächster Zeit ganz normal weiterlaufen. Wir werden sogar noch mehr Zeit dafür haben, da die zwar wichtige, aber oft mühsame und zeitraubende Arbeit im Studierendenparlament wegfällt. Insbesondere für Leute, die vor allem inhaltlich gestalten wollen, werden wir jetzt attraktiver.
akut  Werdet ihr Wahlkampf machen? Für wen?
Horneber  In erster Linie machen wir natürlich für uns selbst Wahlkampf. Wir werden ja zu den Gremienwahlen der Universität antreten. Das wird aber sparsamer ausfallen als in den letzten Jahren. Für die SP-Wahlen empfehlen wir nicht eine bestimmte Gruppe. Das wäre auch wenig sinnvoll, da wir überzeugt sind, dass wir als Gruppe Themen und Prioritäten haben, die die anderen so nicht bieten. Aber wir unterstützen unsere bisherigen Koalitionspartner Jusos, LUST und Piraten, damit die erfolgreiche Arbeit des AStA fortgesetzt werden kann. 

 

 

 

Kommentar: Ah oh! – Zum Wahlkampf bei den Teletubbies

Von Florian Eßer

Illustration: Florian Eßer

Illustration: Florian Eßer

Teletubbieland (BONN/akut): Sogar der kindergesichtigen Sonne ist das Kichern vergangen, als es kurz vor der Wahl des XXXVII. KiKa-Parlamentes vom 19. bis zum 22. Januar zum Eklat kam. Allem Anschein nach wird die kommende Wahl nämlich ohne die ‚Grüne Partei Teletubbieland‘ (GPTL) stattfinden, wie der Ältestenrat beschlossen hatte. Grund für dieses Urteil ist gewesen, dass Dipsy, Spitzenkandidat der GPTL, die Liste seiner Partei nicht fristgerecht eingereicht hatte. Drei Sekunden zu spät sei diese bei Noo-Noo, Staubsauger und Leiter des Wahlausschusses, eingegangen. „Drei %*@!§ Sekunden!“, brüllt Dipsy, dessen Antenne aufgeregt wackelt. „Das ist überhaupt nicht belegbar, da frage ich mich doch wirklich, wer hat da an der Uhr gedreht?“ Nach einem längeren Hin und Her sei zunächst beschlossen worden, das Urteil zu revidieren und die GPTL doch noch zur Wahl zuzulassen. Doch zerstörte ein Antrag des ‚Rings Kindlich-Demokratischer Teletubbies‘ (RKDT) die anfängliche Freude bald. Diesem Antrag, die GPTL doch noch vom Wahlgeschehen auszuschließen, wurde vom Ältestenrat und dem Wahlausschuss schließlich stattgegeben. „Die Entscheidung des Ältestenrates ist unzumutbar“, kommentiert Dipsy die unzumutbare Entscheidung des Ältestenrates. „Die Wahl kann ich mir jedenfalls an den Hut stecken“, seufzt der leidenschaftliche Politiker, der vermutet, dass der Antrag des RKDT pure Berechnung statt Prinzipientreue ist.
Unterdessen geht der Wahlkampf weitestgehend ungestört weiter: Die Spitzenkandidierenden der verbliebenen Parteien, Po, Laa-Laa und Tinkiwinky, präsentierten bei der Tubbiefantenrunde am 14. Januar ihre Wahlkampffilmchen auf den in ihren Bäuchen integrierten Fernsehapparaten. „Die Filme können ohne Zeitgefühl verstanden werden und sollen der Fantasiewelt von Kindern bis maximal fünf Jahren entsprechen“, weiß Wahlexpertin Frau Vicky PeDia im Gespräch zu berichten. Geworben wird um die Gunst der Wähler, möglichst viele von ihnen sollen an den Wahltagen an die Urnen gelockt werden. 33.636 Teletubbies sind wahlberechtigt, aber nicht zwingend motiviert,  diese Berechtigung zu nutzen. Bei der letzten Wahl im Jahr 2014 waren es nur knapp 4.000 von ihnen, die ihre Stimme für eine der Parteien abgegeben hatten. PeDia weiß über das mangelnde Interesse an den Wahlen Bescheid. Anstatt im kleinen, aber dennoch wichtigen, Rahmen von ihrem Recht auf demokratische Abstimmungen Gebrauch zu machen, „spielen sie mit ihren Lieblingsspielzeugen, treffen sich, singen, kochen, backen, schlafen im Teletubbie-Haus oder gehen ähnlichen Aktivitäten nach“, so die Expertin. Woran das liegen mag? Man möchte mutmaßen, dass die Forderungen der Parteien sowie die Verbesserung des Hochschulwesens im Teletubbieland die Angesprochenen nicht ansprechen würden, dabei „hat die verwendete ‚Babysprache‘ den Vorteil, dass es die Sprachform der Kleinkinder ist, die sie verstehen“, erklärt PeDia unter Berufung auf die Quellenverweise ihrer Website.
Warum die Wahlbeteiligung dennoch am Existenzminimum dahinsiecht, bleibt also ein Rätsel. Faulheit muss es wohl sein, betrachtet man den zeitlichen Aufwand der Stimmabgabe von gefühlten drei Sekunden. Die selbe Zeitspanne, die Dipsy die Kandidatur kostete, könnte den Teletubbies, die es nicht zur Wahlurne schaffen, einiges mehr abverlangen. Auf dem Spiel steht die Repräsentation der eigenen Meinung in einem Parlament, welches die Interessen von möglichst allen Teletubbies vertreten soll. Um dies zu gewährleisten, ist eine Beteiligung seitens der Wahlberechtigten jedoch unumgänglich: „Die Sonne wird bald untergehen, die Teletubbies sagen auf Wiedersehen.“
Packen wir den Spaß und die Teletubbies aber einmal beiseite und widmen uns der Realität, die von Zeit zu Zeit ohnehin jegliche Satire in den Schatten stellt. Wenn drei Sekunden, die nicht einmal komplett bestätigt sind, weil man sich darüber streitet, ob überhaupt irgendjemand auf die Uhr geguckt hat, ausreichen, damit eine Hochschulgruppe von der Wahl des Studierendenparlamentes ausgeschlossen wird, dann ist das an sich schon genug Satire – alleine schon ein Witz. Zum Schießen. Dabei sollte man meinen, dass Witze nicht mehr lustig sind, wenn man sie erklärt. Ganz im Ernst: Wer wundert sich noch darüber, dass die Wahlbeteiligung auf Zimmertemperatur liegt? Auf den hochschulpolitischen Äckern herrscht Dürre, keine Frage, aber wenn der Wahlkampf nun selber schon zur Vogelscheuche wird, hässlich genug, um noch mehr potentielle Wähler von den Urnen fernzuhalten, dann ist die Schuld dafür nicht alleine bei den Wahlberechtigten zu suchen, sondern auch bei denen, die von diesen gewählt werden wollen. Wenn Parteien wegen der Zeitspanne eines Wimpernschlages ausgeschlossen werden, dann nimmt man damit auch den Studierenden die Möglichkeit, ihre Interessen im SP vertreten zu sehen. Wer erhofft sich was davon? Gönnen wir uns einen Augenblick, geschätzte drei Sekunden, um ein wenig zu spekulieren… Es gibt doch zwei Möglichkeiten. Erstens, diejenigen, die ihre Stimme der Grünen Hochschulgruppe gegeben hätten, wählen eine andere Partei, und dann muss man sich fragen, ob sich da nicht jemand selber eine Grube gegraben hat, oder zweitens, die selben potentiellen Grünenwähler wählen überhaupt niemanden, was der Wahlbeteiligung letztlich komplett die Schuhe ausziehen würde.
Möglichkeiten, die Beteiligung zu senken, gibt es also etliche: Eine Kritikfähigkeit wie der Kreml, ein Demokratiegefühl wie nordkoreanische Diktatoren, die Tatsache, dass Parteimitglieder einander verklagen, was nun wirklich kein Witz ist, und, jetzt einmal zusammengefasst: Ein Wahlkampf, schmutziger als die Spannervorfälle auf den Unitoiletten.
Auch wenn alle Zeichen das Gegenteil vermuten ließen, ist eine Beteiligung an den Wahlen deswegen dieser Tage wichtiger als je zuvor. Wer sich über die Weltpolitik aufregen kann und zu jedem Geschehnis auf der Erdkugel eine Meinung hat, dem sollte es wohl auch möglich sein, seine Meinung im Rahmen des Möglichen zu vertreten, vor Ort Dinge zu ändern, statt den Kopf in den Wolken und den Hintern auf der Couch zu haben. In der letzten Ausgabe der akut war das große Thema, dass wir Studenten und Studentinnen unengagiert, unpolitisch, unmotiviert und ganz generell uninteressiert seien. Jetzt gibt es die Möglichkeit, dass Gegenteil zu beweisen. Mir persönlich reicht nämlich ein „Un“ auf der Welt.
Für die Grünen mag es zwar „Wahl, winke, winke“ heißen, aber für den Rest von uns heißt es „Zeit für wahli, wahli!“. Denn so humorvoll, wie man mit ihr umgehen mag, so ernst ist die Parlamentswahl für eine Verbesserung unserer Studienbedingungen. Also alle fleißig wählen, wir sind ja schließlich keine Kinder.

 

Florian Eßer studiert Germanistik und Psychologie und ist großer Teletubbies-Fan. Davon, jemanden vom Spielen auszuschließen, hält er nichts.