Der Ton macht die Musik

Interview mit Chorvorstand Magdalena

Magdalena Möhlenkamp ist Mitglied im Vorstand des Chores des Collegium musicum. Sie studiert Jura an der Uni Bonn und saß auch schon für die Juso-Hochschulgruppe im Studierendenparlament.

Der Streit mit dem Rektorat entzündete sich an der Neubesetzung des Akademischen Musikdirektors. Warum wurde die Stelle überhaupt frei?

Der Akademische Musikdirektor konnte seine Ausgaben bisher immer selbst verantworten und war frei in seiner künstlerischen Betätigung. Mit der Abschaffung des Forums für kulturelle Zusammenarbeit im letzten Jahr wurden ihm diese Hoheiten per Rektoratsbeschluss entzogen. Herr Kellinghaus musste sich von heute auf morgen alles genehmigen lassen: Egal ob der Einkauf von Stiften, die Miete eines Veranstaltungsorts oder das Konzertprogramm. Alles musste mit einer neu implementierten Kulturintendanz abgestimmt werden. Damit kann ein Musiker mit eigenen Vorstellungen natürlich nur schwer leben, da hat Herr Kellinghaus dann gekündigt.

Wieso bestanden Chor und Orchester auf ein Probedirigat?

Im musikalischen Bereich ist ein Probedirigat allgemein üblich. Ensemble und Dirigent erhalten die Gelegenheit, sich gegenseitig zu beschnuppern, gewissermaßen wird die Harmonie gegenseitig ausgetestet. Dabei ist die musikalische Arbeit entscheidend, nicht die schriftliche Bewerbungsmappe. Deshalb ist für uns auch eine Berufungskommission unverzichtbar, besetzt mit Experten aus verschiedenen Fachbereichen. Musikwissenschaftler, Musikpraktiker, Mitglieder der Universitätsverwaltung und eben auch Studierende sollen ihr Votum abgeben. Die Beteiligung von Studierenden sollte dabei für eine demokratische Hochschule selbstverständlich sein. Genauso ist es bei der Besetzung von André Kellinghaus ja auch geschehen.

Wie war das mit dem Rausschmiss aus den Proberäumen?

Zunächst wurde André Kellinghaus von der Uni-Leitung aufgefordert, alle Schlüssel zurückzugeben. Dann kamen die Hausmeister und tauschten die Schlösser zu den Probenräumlichkeiten im Collegium musicum aus. Offiziell hieß es, es habe Unregelmäßigkeiten bei der Schlüsselvergabe gegeben habe. Darüber staunen selbst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Collegium musicum. Eine unfassbare Überreaktion, die ihresgleichen sucht. Studentische Musiker wurden buchstäblich ausgesperrt. Wir wandten uns dann an die Universitätsverwaltung, um als studentische Kulturgruppe einen Antrag auf Nutzung der Aula zu stellen. Daraufhin wurde uns mitgeteilt, Chor und Orchester dürften in diesem Semester nicht in die Aula. Jetzt wurde es endgültig absurd. Dabei hatte sich sogar ein Professor angeboten, die Schlüsselgewalt für uns zu übernehmen.

Der Chor hat sich einen Interimsdirigenten gewinnen können. Wie läuft/lief die Zusammenarbeit ab? Was passiert jetzt, wo der neue Dirigent da ist?

Ja, wir hatten großes Glück, in dieser Notsituation vom AStA und der Gesellschaft zur Förderung des studentischen Musizierens finanziell unterstützt zu werden. Wir wollten auf jeden Fall weiter Musik machen und das Auseinanderbrechen der Ensembles verhindern! Im Chor fiel die Wahl auf Ansgar Eimann, der in Köln Schulmusik und Chorleitung studiert hat und ein großartiger Dirigent ist. Und vor allem auch ein unfassbar guter Sänger. Sich seinen Dirigenten selbst aussuchen zu können, motiviert natürlich ungemein. Darum gibt’s bei den Semesterabschlusskonzerten auch ein anspruchsvolles A capella-Programm. Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, unser Konzert auch mit unserem Dirigenten zu singen.

Macht die Initiative „Generalpause – nein danke!“ jetzt Schluss?

Wir haben in den letzten Wochen 5666 Unterschriften für den Erhalt des Collegium musicum gesammelt. Studierende, Ehemalige und Kulturinteressierte von überall her unterstützen uns. Dies gilt jetzt umso mehr, wo das Rektorat entschieden hat, das Collegium musicum abzuschaffen. Wie genau die neuen Strukturen aussehen sollen, ist bisher nicht bekannt. Von studentischer Mitbestimmung und Garantien für künstlerische Freiheiten und einer ausreichender Finanzausstattung ganz zu schweigen. Dieses Semester hat uns Musikern gezeigt: Wir fühlen uns der Universität zugehörig und wollen dorthin zurück. Aber nicht um jeden Preis. So schnell lassen wir uns nicht entmutigen, schließlich geht es hier um unsere Kulturlandschaft.

Aus mit der Sprache

Die Uni Bonn lässt Studierende verstummen

Durch den Sparzwang an der Philosophischen Fakultät spitzt sich die Sprachkurs-Situation am Institut für Orient- und Asienwissenschaften immer mehr zu. Mittlerweile müssen selbst Islamwissenschaftler um ihren Platz im Arabisch-Kurs bangen.

Patricia Janitzki und Christina Baetzel sind empört. So hatten die beiden sich ihr Studium der Islamwissenschaften nicht vorgestellt. „Wenn ich hier bleibe, verringern sich meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt“, so Christina. „Entweder das Problem lässt sich institutsintern regeln oder ich muss wechseln.“ Christina, die bereits Magistra der Skandinavistik ist, studiert mittlerweile im vierten Semester den Zwei-Fach-Bachelor „Islamwissenschaft (Nahostsprachen)“ am Institut für Orient- und Asienwissenschaften (IOA) der Uni Bonn. Patricia studiert im selben Semester das Kernfach Asienwissenschaften, in dem man ebenfalls einen islamwissenschaftlichen Schwerpunkt wählen kann. Diese Studiengänge bestehen neben historischen und kulturellen Modulen zur Region Westasien hauptsächlich aus dem Studium der islamwissenschaftlichen Sprachen Arabisch, Persisch und/oder Türkisch. Als Lingua Franca der islamischen Welt, und eine der weltweit am meisten gesprochenen Sprachen, wird Arabisch von den meisten Islamwissenschaftlern gewählt, gilt es doch als Grundlage für diesen Studiengang. Doch genau hier liegt das Problem, nicht nur für Patricia und Christina, sondern vermutlich auch für etliche andere Asienwissenschaftler mit diesem Schwerpunkt:
Wegen finanzieller Einsparungen an der Philosophischen Fakultät wurden Sprachkurs-Kontingente am IOA zum Wintersemester 2013/14 radikal gekürzt. Konkret heißt das, dass Arabisch – genau wie alle Sprachen, die am IOA im Rahmen des Bachelors im  Kernfach studiert werden können – nicht mehr wie vorher zwei- oder sogar dreizügig, sondern nur noch mit einem Kurs geführt werden darf. Im IOA war bereits vorher klar, dass dies den Bedarf bei Weitem nicht decken werden würde. Prof. Dr. Dagmar Glaß, die am Institut seit neun Jahren für den Arabisch-Unterricht verantwortlich ist, erklärt: „Die Abteilung Islamwissenschaft und Nahostsprachen hatte das Dekanat vor Ende des Studienjahres 2012/13 in einem Brief auf die im WS 2013/14 zu erwartenden Probleme für die Studierenden und von uns betreuten Studienschwerpunkte aufmerksam gemacht, denn Arabisch hat für zwei Bachelor-Studienschwerpunkte und zwei Master-Schwerpunkte eine Schlüsselrolle – leider erfolglos!“

Problematisch wird es in Folge dessen vor allem für all diejenigen, die sich im Kernfach zunächst für eine andere Nahostsprache entschieden, so wie Patricia. Sie hat ihr Studium mit Türkisch begonnen und freiwillig schon seit dem ersten Semester auch noch Persisch belegt – selbstverständlich in der Erwartung, Arabisch ab dem dritten Semester hinzuwählen zu können, denn sie weiß: „Arabischkenntnisse sind bis auf wenige Unis in Deutschland eine Voraussetzung, um einen Master in Islamwissenschaften zu belegen.“ Sie hat sich bei der Planung ihres Studiums an die Empfehlung gehalten, die sich bis heute als Musterstudienverlauf auf der Homepage des IOA findet und in der für Asienwissenschaftler mit ihrem Schwerpunkt zwei Optionen vorgeschlagen werden: Erstens, eine der islamwissenschaftlichen Sprachen Arabisch oder Persisch sechs Semester lang zu studieren oder aber zweitens, (und dafür hatte Patricia sich entschieden) mit einer der beiden Sprachen zu beginnen und die zweite ab dem dritten Semester dazuzunehmen.
Doch Pustekuchen! Wegen der Streichungen kann das IOA längst nicht mehr allen Interessierten erlauben, an den Arabischkursen teilzunehmen. „Aufgrund des Sparzwanges wird einleuchten, dass ab WS 2013/14 die Priorität auf denjenigen Anfängern liegen muss, die den „IOA-hauseigenen“ Bachelor-Studiengang, also den Bachelor „Asienwissenschaften“, studieren und hier ihr Studium mit Arabisch beginnen. Denn nur diese Gruppe hat die Möglichkeit, im Laufe des Bachelors das für den Master „Asienwissenschaften“ mit dem Schwerpunkt Islamwissenschaft nötige Sprachniveau zu erlangen“ so Professor Glaß. Für Patricia gilt zwar die erste Bedingung, aber eben nicht die zweite, und das bedeutet, dass sie, obwohl sie sich an die Regeln des IOA gehalten hat, theoretisch nicht die Voraussetzungen für einen Master mit ihrem Schwerpunkt mitbringen wird – weder an der Uni Bonn noch an den meisten anderen Unis. Und das, obwohl zu einer sinnvollen, kompatiblen und für den Arbeitsmarkt tauglichen Sprachkombination geraten wird: „Aus fachlicher Sicht ist es sinnvoll, Arabisch als die grundlegende Islamsprache mit einer anderen Islamsprache, vor allem Persisch oder Türkisch, zu kombinieren“, so Frau Prof. Dr. Glaß selbst.

Doch damit nicht genug: Denn aus den Arabischkursen werden nun nicht nur diejenigen ausgeschlossen, die sich nicht für Arabisch als erste ihrer Sprachen entschieden haben, sondern auch „die Wiederholer“, also alle, die Arabisch noch einmal von vorn beginnen wollen, weil sie die Klausuren bei den ersten Anläufen nicht bestanden haben. Vor allem aber betrifft es auch die, die den Zwei-Fach-Bachelor Islamwissenschaft studieren, dessen Titel „Nahostsprachen“ zumindest vermuten lässt, dass dabei mehrere derer erlernt werden können. In der Realität ist im Studienverlaufsplan jedoch nur eine Sprache vorgesehen, die drei Semester gelernt werden soll. Christina, die ebenfalls mit Türkisch angefangen hat, wollte Arabisch trotzdem freiwillig belegen und empört sich: „Es ist peinlich, sich Islamwissenschaftler zu nennen, ohne jegliche Arabischkenntnisse!“ Die jetzige Planung sei einfach „zu kurz gedacht“, in Anbetracht der Tatsache, dass diese Kenntnisse für Quellenkunde essentiell und für Master und Dissertation fast überall Voraussetzung sind. Sie findet, dass man nicht dafür bestraft werden solle, wenn man mehr machen möchte. Ärgerlich sei zudem, dass viele Studierende Arabisch schon nach wenigen Wochen wieder abbrechen, weil es ihnen zu schwer ist, es dann aber zu spät für andere Studierende sei, nachzurücken.

Professor Glaß bedauert diesen Zustand, weist die Schuld aber vom Institut: „Wir als Lehrende bekommen vor Beginn des Wintersemesters keine Informationen über die Anfängerzahlen in unseren Sprachen. Immer erst am ersten Unterrichtstag im Wintersemester sehen wir dann die reale Nachfrage. So ist im WS 2013/14 dann auch das eingetreten, worauf wir im Vorfeld nachweislich aufmerksam gemacht haben: Eine zu hohe Nachfrage nach einer reduzierten Plätzezahl.“ Dabei sei die Abteilung Islamwissenschaft/Nahostsprachen den Arabisch-Interessierten sogar noch entgegengekommen und habe neben den Kernfächlern auch die Erstsemester im Zwei-Fach-Bachelor Islamwissenschaften voll berücksichtigt. Damit sei das Limit der Einzügigkeit, also, dass nur ein Kurs unterrichtet werden soll, bereits um 50 % überschritten worden. Sie bedauert, dass diese Mischorganisation in Zukunft nicht weiter möglich sein wird und weitere Abstriche erforderlich sein werden: „Wie es momentan aussieht, wird die Situation im kommenden Wintersemester 2014/15 noch dramatischer, wenn die Nachfrage nach Arabisch so bleibt oder weiter steigt.“ Im Zuge der Einsparungen stünden jetzt nämlich auch noch sogenannte Stellenfreisperrungen aus, von denen auch eines der beiden Arabischelektorate, also die Stelle eines Arabischdozenten, zumindest für ein Semester betroffen sein wird. Momentan befindet sich das Institut im Gespräch mit dem Dekanat, um eine Lösung für das Problem zu finden, denn von den Sprachen des IOA sei laut Glaß nicht nur Arabisch damit konfrontiert. Schon die Zwei-Jahres-Befristung der Lektorate und der generelle Mangel an qualifizierten Lehrkräften hatten es schwierig gemacht, die Standards, für die die Uni Bonn auf dem Gebiet der orientalischen und asiatischen Sprachen bekannt ist, zu halten, bemängelt Glaß. Doch die sich jetzt abzeichnenden zusätzlichen Schwierigkeiten bergen nach ihrer Ansicht tatsächlich Risiken in mehrerlei Hinsicht und könnten ihrer Einschätzung nach der Bonner Islamwissenschaft und Arabistik in der Zukunft tatsächlich zu schaffen machen.

Für Patricia und Christina ist klar: So bietet das Studium an der Uni Bonn für sie keine Perspektive. Nach mehreren Beratungen an Fachlehrstühlen anderer Unis haben sie entschieden, ihren Bachelor hier zu Ende zu bringen und dann die Uni zu wechseln. Damit das möglich ist, versuchen sie, sich Arabisch nun selbstständig mit Hilfe eines Lehrbuchs beizubringen und wollen durch kostenpflichtige Sprachkurse aufrüsten, um das nötige Arabisch-Niveau für einen Master zu erlangen. Davon, dass ihre Motivation hier absolut nicht auf fruchtbaren Boden fällt, sind sie enttäuscht:
„Im Nachhinein würde ich mich heute leider nicht mehr für die Uni Bonn entscheiden“, stellt Patricia resigniert fest.

Lehrerpult und Pausenhof

Neues aus der Fachschaft Lehramt

Nachdem die Fachschaftsinitiative-Lehramt etwa ein Jahr lang in Vorbereitung und Planung gesteckt hat, konnte mit der Wahl im Januar 2014 endlich eine offizielle Fachschaftsarbeit legitimiert werden. Bisher sind auch alle Mitglieder voller Motivation. Wie das langfristig weitergehen wird, bereitet allerdings schon Sorge.

Jonas Kahn, Vorsitzender der Fachschaftsvertretung, freut sich sehr über die Möglichkeit, nun als offizielle Fachschaft auftreten zu können. Er ist zufrieden: „Die Fachschaftsarbeit läuft prima und auf Hochtouren!“ Neben mehreren Gesprächen mit dem Bonner Zentrum für Lehrerbildung (BZL), hat die Fachschaft in den letzten Wochen ihre erste Paukerparty organisiert und bietet regelmäßige Sprechstunden in der Alten Sternwarte in Poppelsdorf an.

Mit dem Mentorat, dem vom BZL eingerichteten – und bezahlten – Hilfsangebot für Lehrämtler, ist ebenfalls eine engere Zusammenarbeit geplant. Jonas wünscht sich eine gute Möglichkeit zur Ergänzung der Kompetenzen. „Wir als Fachschaft werden immer einen eher erfahrungsbezogenen Hintergrund haben und die praktischen Programmpunkte setzen.“ Als Beispiele dafür nennt er Ersti-Fahrten und Ausflüge, Führungen, ein BASIS-Bootcamp. „Die Mentoren sind dafür in manchen studiumsrelevanten Fragen besser geschult – aber letztlich eben bezahlte Kräfte des BZL.“

In der Pfingstwoche sind Vertreter der Fachschaft im Rahmen einer überregionalen Veranstaltung zum Lehramts-Master und dem Praxissemester in Dialog mit anderen Fachschaften von Universitäten aus Nordrhein-Westfalen getreten. Da in Bonn zum kommenden Wintersemester erstmals wieder ein Master im Lehramt möglich wird, ist die Fachschaft bestrebt, sich besonders für gutes Gelingen und „das Wohl der Studierenden“ einzusetzen, so FS-Vorsitzender Jonas.

Auf ihrer Homepage, die durch Rubriken wie „Kollegium“, „Lehrerpult“, oder „Spickzettel“ bereits erahnen lässt, wer sich dahinter verbirgt, bieten sie neben aktuellen Informationen unter der „Ersti-Hilfe“ eine beantwortete Liste häufiger Fragen von Studienanfängern an.

Johanna Schumacher, stellvertretende Vorsitzende der Fachschaftsvertretung, zieht positive Bilanz: „Es läuft alles ziemlich gut, dafür, dass es die Fachschaft erst seit so kurzer Zeit gibt.“

Bei all dem Aufwind bereitet dem Fachschafts-Kollegium eines aber Sorge: da viele der Fachschaftler bereits in naher Zukunft in den Master starten oder ins Ausland gehen, ist die Frage nach Kontinuität und Engagement der jüngeren Generationen äußerst präsent. Ungern würden sie erst zu den nächsten Wahlen Neuinteressierte ins kalte Wasser schmeißen. Jonas plädiert daher an engagierte Kommilitonen: „Wir würden uns wünschen, dass schon jetzt deutlich mehr Interessierte zu den Sprechstunden und – noch wichtiger – zu den Sitzungen kommen.“

Infokasten

Wer sich für eine Mitarbeit in der Fachschaft Lehramt interessiert, kontaktiert diese unter fslehramt@uni-bonn.de oder besucht die öffentliche Sitzung des Fachschaftsrates: jeden Mittwoch, 18 Uhr, im Erdgeschoss der Poppelsdorfer Allee 15.

„It‘s an honor to be a Bonner“

Interview mit Kissinger-Professor Dr. James Bindenagel

Heiß umstritten, nun bald da: Zum Wintersemester 14/15 erfolgt erstmals eine Besetzung der Henry-Kissinger-Stiftungsprofessur für Governance und Internationale Sicherheit – durch Prof. Dr. Bindenagel. Welche Motivation ihn an die Uni treibt und wie er zu den Vorwürfen Kissinger gegenüber steht, hat er im Interview beschrieben. Die Übersetzung erfolgte durch Stefanie Oymann, Assistenz Ambassador Bindenagel.

Was gilt für Sie als Motivation, an einer Universität zu lehren?

Eine Universität ist ein einzigartiger Ort, der intellektuelle Debatten, rigorose Analyse, Kritik und einen freien Meinungsausstausch fordert und fördert und sie in einem geschützten Raum stattfinden lässt. Ich komme in der Erwartung nach Bonn, mich mit den Studierenden, der Fakultät und der Universität auszutauschen. Und ich freue mich darauf! In meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Diplomat habe ich mehr als 30 Jahre damit verbracht, mich mit Deutschland auseinanderzusetzen. Mit diesem Erfahrungswert kann ich einen wertvollen Beitrag leisten, was den Umgang mit Diplomatie und Verhandlungen angeht. Ich kann Studierenden helfen, sich in dieses sehr komplexe und schwierige Arbeitsumfeld und die damit verbundenen Herausforderungen im Bereich der internationalen Sicherheit einzufinden, denen sie sich ja stellen müssen, wenn sie den Abschluss ihres Studiums erreicht haben und in diesem Feld arbeiten wollen. Dabei geht es meines Erachtens einerseits um die Rolle der Diplomatie in Fragen der Konfliktprävention und -bewältigung, andererseits aber auch um die Analyse konkreter Situationen und die damit einhergehende Frage, welche Fähigkeiten erforderlich sind, um eine Situation beurteilen zu können und sich eindringlich für die Verteidigung demokratischer Prinzipien einzusetzen. Das immer vor dem Hintergrund der Tatsache, dass solche Entscheidungen selten in entspannter Atmosphäre, sondern eigentlich immer unter großer Anspannung und undurchsichtiger Problemlagen zwischenmenschlicher Konflikte gefunden werden müssen. Diese Auseinandersetzung wird für die Studierenden aber sicherlich sehr hilfreich für ihren weiteren Lebens- und Arbeitsweg sein.

Was gilt für Sie als Motivation zur Annahme der Kissinger Professur?

Meine erste Anstellung in Deutschland war die eines US-Army-Offiziers. Ich war in der Nähe des sogenannten „Fulda-Gap“ bei Coburg eingesetzt, um unsere westdeutschen Verbündeten bei der Verteidigung gegen einen drohenden, durch die Sowjetunion vorgetragenen, Angriff zu unterstützen. Nachdem ich diesen Einsatz in der Army vollbracht hatte, entschied ich mich für einen beruflichen Werdegang im Bereich der Diplomatie, um einen Beitrag zu leisten, solche Konflikte zu lösen, beziehungsweise sie bestenfalls zu verhindern. Während meiner beruflichen Laufbahn war ich als Repräsentant der Vereinigten Staaten in Bonn und Ost-Berlin auf beiden Seiten des geteilten Deutschland und geteilten Europa tätig. Nach dem Fall der Mauer kehrte ich durch mein Amt als amerikanischer Botschafter nach Bonn zurück. Während dieser geschichtsträchtigen Zeit, als Deutschland noch geteilt war und Ost-Europa von einem kommunistischen Regime kontrolliert wurde, habe ich mich intensiv mit der Konfrontation zwischen Westdeutschland und der Sowjetunion auseinandergesetzt. Ich habe den USA in meiner Funktion als Diplomat über die Ereignisse rund um die demokratische Revolution in der DDR und den damit einhergehenden den Fall der Berliner Mauer 1989 berichtet, habe mit Deutschland und Europa an der Etablierung des Euro und der NATO Mitgliedschaft für Deutschlands Nachbarländer gearbeitet, die heute einen Schutzraum für die Baltischen Länder und Polen gewährleisten und mich für eine nachträgliche Entschädigung der Holocaust-Opfer und Zwangsarbeiter eingesetzt. In diesem Zusammenhang habe ich mit Frankreich, Deutschland und Österreich drei Abkommen verhandelt. Zusätzlich habe ich mich erfolgreich für ein globales Verbot für den Handel mit sogenannten Blutdiamanten eingesetzt, die dazu dienten, die Rebellen in den Bürgerkriegsregionen in Liberia, Sierra Leone und Angola zu finanzieren. Eine Konfliktlösung, die zur damaligen Zeit niemand für möglich gehalten hätte. Diese Punkte des deutsch-amerikanischen Verhältnisses überschneiden sich mit der Rolle von Dr. Henry Kissinger als Außenminister und seinen Beiträgen im Bereich der Diplomatie und der Debatte um Strategische Sicherheit.

Wie ist Ihre Haltung gegenüber den Vorwürfen bezüglich der Namensgebung/-widmung zu Ehren Kissingers?

Eine Universität ist ein Ort um zu lernen, es ist kein Gerichtssaal voll mit Staatsanwälten und Anklägern – und es gibt auch keine Verteidiger. Bei der Untersuchung des Vermächtnisses und den historischen Errungenschaften von Dr. Kissinger, die sich über eine sehr lange, sehr ereignisreiche und vor allem sehr schwierige Phase geschichtlicher und politischer Ereignisse zieht, sollten die Studierenden genauestens die historischen Hintergründe, Problemlagen und Rückschlüsse, die zur damaligen Zeit möglich waren, in Betracht ziehen – ebenso wie die Prozesse der Entscheidungsfindung, so wie es auch in allen ernsthaften Nachforschungen immer der Fall ist. Nur so kann man sich ein nachträgliches, fundiertes Urteil erlauben, anstatt ein Vorurteil zu fällen, dass sich auf eine oder zwei Episoden bezieht, die nicht vollumfänglich untersucht wurden. Natürlich ist es dabei wichtig, ein Verständnis für moralischen und ethischen Überlegungen zu entwickeln, aber die Realität, mit der man sich bei der politischen Entscheidungsfindung konfrontiert sieht, ist unglaublich undurchsichtig und verwirrend. Die entscheidende Frage ist: Was ist die klügste Vorgehensweise, wenn man alle Überlegungen und möglichen Szenarien in Betracht zieht und dabei vorhersehbare Konsequenzen erwägt, die ein Handeln oder auch Nicht-Handeln nach sich ziehen. Für Studierende – und für Praktiker – ist es wichtig, die Komplexität der politischen Entscheidungsfindung zu verstehen und daraus Theorien sowie praktische Handlungsweisen zu entwickeln, um Konflikten vorzubeugen oder sie zu lösen, ohne dabei die eigenen Prinzipien zu verraten.

Hinzu kommt, dass die Namenswidmung durch Deutschland und die Bonner Universität auch dem persönlichen Leben von Henry Kissinger Rechnung trägt. Als geborener Deutscher flüchtete er vor dem nationalsozialistischen Regime und dessen Ziel der Auslöschung der Juden aus Europa. Er hat seine Laufbahn der Weiterentwicklung der liberalen Demokratie verschrieben. Unvollkommene oder auch fehlerhafte Entscheidungen in schwer beherrschbaren Situationen, die sich durch zwangsläufig eingeschränkte Zeithorizonte und politische Handlungsspielräume kennzeichnen, sind kein ausreichender Grund, um einen Mann zu verurteilen, der sich zeitlebens für den Frieden, die Verhinderung des Ausbruchs eines Nuklearkriegs und die Verteidigung unterdrückter Menschen eingesetzt hat. Diese positiven Errungenschaften in Verbindung mit der Beendigung des Vietnamkriegs, seinem Beitrag zum Friedensprozess im Mittleren Osten und der Öffnung eines friedlichen Aufstiegs Chinas, sind der Grund – trotz möglicherweise berechtigter Kritik an manchen seiner Entscheidungen – warum Henry Kissinger der Friedensnobelpreis verliehen wurde. Einige der heutigen Spannungen zwischen Vietnam und China oder auch die verfahrenen Probleme im Mittleren Osten zeigen doch, wie komplex und schwierig der Umgang mit menschlichen Erfahrungen in oft sehr irrationalen Konflikten ist – trotz der gutgläubigen Bemühungen wohlwollender Verhandlungspartner (so wie John Kerry im Camp David).

Der Universität wird vorgeworfen, auch zur Errichtung einer Putinprofessur bereit zu sein, sollte eine solche gestiftet werden. Wie stehen Sie dazu?

Es gibt weder eine moralische noch eine andere Vergleichbarkeit zwischen dem feindseligen Verhältnis zwischen der EU und Russland und den transatlantischen Beziehungen mit geteilten Wertvorstellungen, denen ich mich verschrieben habe und zu dem damit verbundenen Erhalt von Frieden und Prosperität in Westeuropa und dem heutigen vereinten Europa ich beigetragen habe. Ich würde die Frage stellen, weshalb eine ähnliche Position Präsident Putin honorieren sollte, der die liberale demokratische Grundordnung herausgefordert hat, die seit 1945 den Grundstein für Frieden in Europa bildet und dabei friedliche Abkommen der Sicherheitskonferenzen in Helsinki untergräbt. Mit der Verschiebung von Grenzen durch die Anwendung von Gewalt, ohne Respekt für international geltendes Recht und Abkommen, denen auch Russland zugestimmt hat, mit der Zersplitterung und gebietsweisen Annektierung von Teilen der Ukraine, durch die Errichtung eines Prinzips des ethnischen Nationalismus, mit dem Russland der Ukraine droht und der Destabilisierung der Baltischen Staaten und Zentralasiens, bringt er das gesamte Europa in eine äußerst riskante und schwierige Situation. Die Europäer können sich noch gut daran erinnern, zu welchen Kosten und mit welchem Aufwand Frieden, wirtschaftlicher Wohlstand und geltendes Recht errungen wurden. Visionäre der europäischen Kohle- und Stahlgemeinschaft und des Europavertrags, der die Vereinigten Staaten und den Marshallplan unterstützt, haben damals eine Garantie für Frieden erreicht, die mit jahrzehntelangen Bedingungen verknüpft waren. Unterstützt das Verhalten Putins diese hart erarbeiteten Prinzipien der Europäischen Union, die sich für friedvolle Konfliktlösungen und die Weiterentwicklung der ökonomischen Wohlstands einsetzen? Russland und Europa sollten nach einem friedlichen, konstruktiven Verhältnis streben. Die unter Ihnen, die nach der Wiedervereinigung von Europa 1990 geboren wurden, wurden in eine Zeit des demokratischen Friedens hineingeboren. Aber dieser Frieden kam erst zustande, nachdem den Kriegen Europas vor hundert Jahren eine gesamte Generation junger Menschen zum Opfer fiel. Vor 70 Jahren haben die Amerikaner gekämpft und gelitten – darunter mein Vater – viele sind gestorben, damit Sie und auch ich heute in Frieden leben können. Ich kam nach Deutschland als amerikanischer Offizier, um Westdeutschland gegen die sowjetische Bedrohung zu verteidigen, die Osteuropa besetzt hatte und 17 Millionen Menschen mit einer Diktatur unterdrückte, die eingeschlossen waren hinter einer Mauer und erschossen wurden, wenn sie flüchten wollten. Vor 25 Jahren hat die chinesische Regierung demonstrierende Studierende niedergeschossen. Ich war in Ost-Berlin eingesetzt, als einige Monate später mutige Deutsche in der DDR dabei geholfen haben, die Berliner Mauer zu stürzen – aber ohne die Anwendung von Gewalt! Danach haben sich die Vereinigten Staaten in Zusammenarbeit mit Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion  dafür eingesetzt, Deutschland in Frieden zu vereinigen. Die Verfassung der Vereinigten Staaten beginnt mit den Worten: „Wir, das Volk der Vereinigten Staaten, von der Absicht geleitet, unseren Bund zu vervollkommnen, die Gerechtigkeit zu verwirklichen, die Ruhe im Innern zu sichern, für die Landesverteidigung zu sorgen, das allgemeine Wohl zu fördern und das Glück der Freiheit uns selbst und unseren Nachkommen zu bewahren, setzen und begründen diese Verfassung für die Vereinigten Staaten von Amerika.“ Seit 70 Jahren arbeiten die Vereinigten Staaten mit ihren europäischen Verbündeten daran, diese Errungenschaften auch für Europa zu erhalten – und Henry Kissinger hat dabei eine wichtige Rolle gespielt. Das ist unser Vermächtnis. Es war mit großen Belastungen für die transatlantischen Partner verbunden, für Amerikaner und Europäer. Das dürft ihr niemals vergessen! Es ist an Euch, es zu beschützen.

Was sind Ihre Hoffnungen, Ziele und Sorgen bezüglich Ihrer Zukunft in Bonn?

Ich hoffe, dass ich mit der Fakultät der Universität Bonn einen Beitrag leisten kann, Deutschlands Rolle im Spannungsfeld internationaler Sicherheit zu debattieren. Eine Debatte, die Bundespräsident Gauck und die Minister von der Leyen und Steinmeier initiiert haben und bei der es insbesondere um die Bedeutung von Deutschlands Verantwortung in diesem Bereich geht.

Haben Sie einen persönlichen Bezug zur Stadt Bonn?

Ich habe einige Jahre in Bonn gelebt, während ich für die Amerikanische Botschaft tätig war und freue mich darauf, nun ein drittes Mal nach Bonn zurück zu kehren. Ich habe schon oft beobachtet, dass der Ausspruch zutrifft: „It‘s an honor to be a Bonner!“ Ich mag es, am Rhein entlang zu radeln und durch die Altstadt in der Nähe der Bonner Universität zu schlendern.

Haben Sie eine Botschaft an die Studierenden?

Ich dränge die Studierenden dahingehend, sich bestmöglich anzustrengen, um von ihren Professoren zu lernen, dabei Fragen zu stellen und die besondere Möglichkeit zu nutzen, Ideen zu erforschen. Außerdem sollten sie auf jeden Fall Spaß haben!

Schlüsselereignisse

Gedanken über Europa und die Demokratie

Was kann man tun für eine bessere Welt? Ist die westliche Demokratie glaubhaft? Und: Sind europäische Werte Heuchelei? Ein prägendes Ereignis regt zum Nachdenken an: über Europa, Demokratie und die Menschen.

Das Studium prägt jeden von uns unterschiedlich. Nach drei oder fünf Studienjahren können wir uns nicht mehr an alles erinnern, was wir erlebt haben, wohl aber an einzelne Schlüsselereignisse. Ein solches Ereignis fand für mich während der Sitzung eines Seminars über internationale Herausforderungen statt. Wir hatten damals die Gelegenheit, mehr über eine Reihe von autokratischen Herrschern aus Afrika und dem Orient zu erfahren. Manche von denen haben in Westeuropa studiert, sind später in ihren Heimatländern Diktatoren geworden, oder haben sogar Völkermord begangen. Der Dozent sagte uns diesbezüglich: „Wer solche Pläne hat, sollte jetzt bitte mein Seminar verlassen.“ Wir haben gelacht, es erhob sich natürlich niemand.

Ein Jahr später gab mir ein Gespräch mit einem Kommilitonen aus dem Ausland Anlass zum Nachdenken. Es gäbe keine europäischen Werte, vielmehr sei das nur Rhetorik und Heuchelei, war die Überzeugung meines Gesprächspartners. In der EU würden zyprische Sparer „demokratisch“ enteignet und die Ausländer als Menschen zweiter Klasse betrachtet. Wo sei denn bitte hier die sogenannte Freiheit, Solidarität und Gleichheit der Menschen zu finden? „Und was heißt schon ‚Demokratie‘, dass jeder das tut, was er will? Soll ich mich deshalb ausziehen und nackt durch Bonn laufen?!“, fragte er mich.

Es waren nicht seine Einstellungen, die mich nachdenklich machten. Das eigentliche Problem dabei ist, dass unsere Einstellungen von den eigenen Erfahrungen und Beobachtungen beeinflusst werden. Die persönlichen Einstellungen können nicht entweder falsch oder richtig sein, sie sind einfach von dem geprägt, was wir erlebt haben.

Dieses Gespräch fand im späten Herbst 2013 statt. Zu der Zeit las man in den Zeitungen, dass ein Dutzend von deutschen Dschihadisten in Syrien unterwegs ist, um dort zu kämpfen. Personen, die sicherlich einigen von uns mal als Nachbarn, Schulkameraden oder spontane Bekanntschaft begegnet sind. Das Bundesinnenministerium zeigte sich besorgt, dass die dorthin eingereisten Personen ideologisiert und kampfbereit nach Deutschland zurückkehren würden.

Mancher könnte sich zurecht fragen: Wie kann es sein, dass Westeuropa die Gelegenheit gehabt hat, bei der Ausbildung zukünftiger Diktatoren mitzuwirken? Wie kann es sein, dass Kommilitonen, die mit uns zusammen studieren, an den Werten Europas zweifeln, und wir das nicht mal wissen? Wie kann es sein, dass Menschen, die in einem demokratischen Land geboren wurden, sich entscheiden, zu den Waffen zu greifen, um diese möglicherweise gegen den Westen zu richten? Offenbar machen wir etwas falsch. Aber was? Ich glaube, wir reden zu wenig miteinander.

Es sind, wie oben erwähnt, die Erfahrungen, die einen prägen und seine Einstellungen beeinflussen. „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“, pflegte ein ehemaliger Student der Uni Bonn zu glauben. Wenn wir miteinander nicht genug reden, wie sollte man in der Lage sein, das Handeln, das Empfinden und die Verwandlung unserer Mitmenschen zu verstehen? Geschweige denn zu wissen, dass jemand Hilfe oder einfach ein gutes Wort braucht. Smalltalk und Oberflächlichkeit sind heute angesagt. Und wenn man so gut vernetzt ist, und fünfzig Leute am Tag trifft, die einem fünfzigmal sagen „Gut, danke, und dir?“, dann ist man am Ende des Tages nicht unbedingt schlauer. Mehr Ehrlichkeit, mehr Interesse füreinander, das brauchen wir.

Eine friedliche, eine bessere Welt braucht Weltbürger und Weltbürgerinnen, die mit offenen Augen durch das Leben gehen. Was bedeutet das? Das bedeutet mehr Interesse für unsere Mitmenschen zu zeigen, mehr miteinander zu reden. Ja, wir versuchen bereits, morgens mit halb offenen Augen unsere Vorlesungen und Seminare zu erreichen, oder auch nicht. Aber, dass unsere Augen nicht wirklich offen sind, zeigen nicht nur die oben erwähnten Beispiele, sondern alles in der Welt, dessen Fortbestehen nicht erwünscht ist: Intoleranz, Gewalt, Extremismus, Krieg.

Vieles auf dieser Welt passiert aus einem erstaunlich simplen Grund: Weil wir es zulassen. Und es ist deutlich einfacher, in unserer Umgebung ehrliches Interesse und Verantwortung für unsere Mitmenschen zu zeigen, als sich später zu fragen, wie denn aus X plötzlich Y geworden ist, wieso man nach Syrien „reisen“ möchte und warum die viel beachtete Demokratie des Westens von Gleichgesinnten infrage gestellt wird.

In prominenter Gesellschaft

Bekannte Gesichter an der Uni Bonn

Seit ihrer Gründung im Jahr 1818 haben Tausende von Studierenden die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität besucht und hier ihr Studium durchlaufen – darunter auch einige prominente Vertreter. Als fleißige Stipendiaten oder als Bummler und Tagträumer haben sie hier ihre Studentenzeit verbracht. Ob nun als Grundlage für ihre Karriere oder als Zwischenstopp auf dem Weg zu anderen Berufungen – zu dieser Zeit war noch nichts entschieden und die späteren Karrieren standen bei den meisten noch in den Sternen. Für alle aktuellen Studierenden, die von Ruhm, Macht oder Prominentendasein träumen, besteht also noch Hoffnung, es ihnen gleich tun zu können. Also ranhalten – vor allem mit Blick auf den bescheidenen Frauenanteil, wären ein paar neue Köpfe in der illustren Gruppe sicher eine erstrebenswerte Sache.

Ihm verdankt die Stadt Bonn den Regierungssitz der Bundesrepublik. Wahrscheinlich hat Konrad Adenauer die Stadt während seines Jura-Studiums an der Rheinischen Friedrich-Wilhems – Universität  lieben gelernt, das er vom vierten Semester an, ab dem Herbst 1985, in hier zu Ende brachte.  Während seiner Zeit als Student war er Mitglied des Katholischen Studentenvereins Arminia in der Kaiserstraße und hörte dort auf den Biernamen „Toni“. Nach sechs Semestern legte er 1897 das erste juristische Staatsexamen mit der Note „gut“ ab. Kein Wunder, dass er die Stadt in schöner Erinnerung behalten hat!

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben schrieb den Text zum Lied der Deutschen, dessen dritte Strophe heute als deutsche Nationalhymne gesungen wird. Das Handwerkszeug für das Verfassen bedeutungsschwerer Texte lernte der spätere Germanistik-Dozent wohl während seines Studiums in Bonn von 1818 bis 1821. Nachdem er sein „Erststudium“ der Theologie in Göttingen noch „mit wenig Geld und Lust“ begonnen hatte, inspirierte ihn die Begegnung mit dem Märchenbruder Jacob Grimm zum Studium der Germanistik und Deutschen Philologie und er wechselte kurz darauf an die frisch gegründete Universität in Bonn. Seit 1819 war er Mitglied der „Alten Bonner Burschenschaft, auch „Allgemeinheit“ genannt, in der seine nationalen Ideale geteilt wurden, die  jedoch deshalb 1820 in Folge der Karlsbader Beschlüsse aufgelöst wurde. 1821 zog Fallersleben weiter nach Berlin.
Er ist vielleicht der weltweit bekannteste Student der Bonner Universität: Karl Marx kam 1835 im Alter von 17 Jahren nach Bonn und studierte hier nach dem Willen seines Vaters Rechtswissenschaften und Kameralistik (ein Verfahren der Buchführung). Er genoss offenbar das „wilde Studentenleben“, zumindest wurde er wegen „nächtlichen Lärmens und Trunken­heit“ verurteilt und es wurde gegen ihn wegen „Tragen eines Säbels“ ermittelt. Außerdem soll er sich in seinem Studienjahr in Bonn einem „poetischen Kränz­chen“ angeschlossen haben, das wegen radikaler politischer Ideen von der Polizei überwacht wurde. Da seine Noten sich nach dem ersten Semester deutlich verschlechterten, musste er auf Druck seines Vaters nach einem Jahr 1836 an die Universität von Berlin wechseln.

Die gleiche Fächerkombination wie Marx hatte auch Heinrich Heine, der 1819 sein Studium in der gerade einmal ein Semester alten Universität Bonn begann. Das Studium wurde dem späteren Dichter und Schriftsteller, der sich zu dieser Zeit noch Harry nannte, von seinem vermögenden Onkel finanziert. Genau wie Fallersleben traf Heine zur Zeit der vormärzlichen Studentenbewegung in Bonn ein und schloss sich ebenfalls im Jahr seiner Immatrikulation der Verbindung „Allgemeinheit“ an, in der seine Ansichten geteilt wurden und an deren Ausflügen er teilnahm. Wegen seiner Teilnahme an einem Fackelzug ins Siebengebirge zum Gedenken der Völkerschlacht von Leipzig, wurde er durch das akademische Gericht der Bonner Universität verhört. Da sowohl die Rechts- wie auch die Kameralwissenschaften ihn nicht sonderlich interessierten, belegte er im ersten Semester nur die eine juristische Pflichtvorlesung. Viel mehr interessierten ihn hingegen die Geschichte der Deutschen Sprache und die Poesie, die Geschichte des Deutschen Reiches und Literaturwissenschaften, in denen er Vorlesungen bei August Wilhelm Schlegel und Ernst Moritz Arndt besuchte. Im Wintersemester 1820 wechselte er an die Universität nach Göttingen.

Zu den großen Namen, mit denen die Universität Bonn sich rühmen kann, gehört auch der Philosoph und Philologe Friedrich Nietzsche, der als 20-Jähriger im Wintersemester 1864/65 sein Studium der klassischen Philologie und evangelischen Theologie hier begann. Die Burschenschaft Frankonia verließ er bereits nach einem Jahr wieder, da ihm das Verbindungsleben nicht zusagte, genauso wie sein zweites Studienfach Theologie, das er nach dem ersten Semester abbrach und sich ganz der klassischen Philologie widmete. Da Nietzsche mit seiner Lage in Bonn generell unzufrieden war, wechselte er schon 1865 mit seinem Philologieprofessor nach Leipzig.

Auf der langen Liste der prominenten Absolventen der Bonner Uni ist Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles eine der wenigen Frauen. Sie begann 1990 ein Studium der Politikwissenschaft, Philosophie und Germanistik, das sie nach 20 Semestern als Magistra Artium beim heutigen Rektor der Universität Jürgen Fohrmann abschloss. Während ihres Studiums war sie bereits für einen Bundestags­abgeordneten tätig und war zudem von 1995 bis 1999 Bundesvorsitzende der Jusos. 2004 begann sie noch ein Promotionsstudium in Germanistik, welches sie jedoch 2005, wegen ihrer Tätigkeit im Bundestag, einstellte.

Mit 18 Jahren nahm 1877 der Prinz und spätere Kaiser Wilhelm II. an der von seinem Großvater gegründeten Universität in Bonn sein Studium auf. Wilhelm, der keinen akademischen Abschluss machen, sondern sich hauptsächlich ein Grundlagenwissen aneignen sollte, studierte hier vier Semester lang und besuchte dabei Veranstaltungen in Staats- und Völkerrecht, Nationalökonomie, Philosophie, Kunstgeschichte, Germanistik, Archäologie, allgemeiner Geschichte und auch in Physik und Chemie. 1878 wurde er Corpsschleifenträger der schlagenden Studentenverbindung Borussia Bonn, bei der er von da an den Großteil seiner Zeit verbrachte. Zum Unmut seiner Mutter, die angeblich vermerken ließ: „Zum nachhaltigen Arbeiten müßte man Wilhelm anhalten – da er von Natur aus ein solcher Bummler und Tagedieb ist.“ Wilhelm hingegen empfand seine Studienzeit in Bonn als die unbeschwerteste Zeit seines Lebens und rühmte später die Mitgliedschaft bei den Borussen als die „beste Erziehung, die ein junger Mann für sein späteres Leben bekommen kann.“  Mit Blick auf die historischen Folgen ein Urteil, das heute wohl angezweifelt werden darf.

Nicht schön, aber wahr: Auch Joseph Goebbels, der Reichspropagandaleiter im Dritten Reich, war 1917 bis 1918 Student der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. Dort immatrikulierte er sich für die Fächer Altphilologie, Germanistik und Geschichte. Er war Mitglied der katholischen Studentenverbindung Unitas und erhielt vom Albertus- Magnus-Verein auch eine Art Stipendium. 1918 wechselte Goebbels über die Universitäten Freiburg, Würzburg und München nach Heidelberg, wo er 1922 promovierte.

Auch der bekannteste bekennende Bonner Guido Westerwelle absolvierte dort ab dem Jahr 1980 sein Studium der Rechtswissenschaften. Im gleichen Jahr trat der FDP bei und gehörte zu den Mitbegründern der Jungen Liberalen, deren Bundesvorsitzender er ab 1983 war. 1987 beendete er sein Studium mit dem juristischen Staatsexamen. Nach dem Referendariat am Amts- und Landgericht Bonn folgte 1991 sein zweites juristisches Staatsexamen.
Ulrich Wickert, der als Mr. Tagesthemen bekannt wurde, begann nach seinem Abitur 1961 ein Jurastudium in Bonn. Hier engagierte er sich unter anderem als AStA-Sportreferent und gründete das Ballettstudio der Universität. 1962 ging er mit einem Fulbright-Stipendium in die USA, wo er begann, sich für Politische Wissenschaften zu interessieren und sein bisheriges Berufsziel Diplomat verwarf. Nach seiner Rückkehr nach Bonn legte er daher seinen Schwerpunkt auf die Politikwissenschaften und schloss 1968 sein Studium mit dem Staatsexamen ab. Durch Zufall gelang ihm kurz später der Einstieg in den Fernsehjournalismus. Um 1966 schrieb Wickert außerdem für die akut-Redaktion.

Ein Studium an der Universität Bonn scheint ein gutes Sprungbrett für eine Karriere bei den Tagesthemen zu sein: Auch Wickerts Nachfolger Tom Buhrow, der die Sendung von 2006 bis 2013 moderierte, hat in der damaligen Bundeshauptstadt studiert, und zwar Geschichte, Politikwissenschaften und (man lese und staune) Rheinische Landeskunde. Dass er Journalist werden wollte, wusste er bereits nach seinem Abitur 1978, sodass er schon während seines Studiums für die Lokalredaktion des Bonner Generalanzeigers in Siegburg arbeitete. Sein Studium schloss er 1984 mit dem Magisterexamen ab und begann kurz darauf sein Volontariat beim WDR.

Auch Konrad Duden, der Vater des nach ihm benannten Rechtschreib-Wörterbuchs der deutschen Sprache, studierte ab 1846 vier Semester Geschichte, Germanistik und klassische Philologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. In dieser Zeit war auch er Mitglied der Studentenverbindung Germania. Nach vier Semestern brach er sein Studium jedoch ab, vermutlich aus finanziellen Gründen und wurde Hauslehrer. 1854, also sechs Jahre später, holte er mit besonderer Genehmigung, und vermutlich mit einer sanierten Haushaltskasse, sein Staatsexamen in Bonn nach.
Die beiden Comedians und Schauspieler Bastian Pastewka und Bernhard Hoëcker waren bereits während ihrer Studienzeit in Bonn befreundet und machten gemeinsame Auftritte als „Comedy Crocodiles“. Pastewka begann 1992 nach seinem Zivildienst ein Studium der Pädagogik, Germanistik und Soziologie, verließ die Uni aber bereits 1993 ohne Abschluss. Hoëcker studierte von 1993 bis 1996 Volkswirtschaftslehre bis zum Vordiplom (vergleichbar mit dem Bachelor-Abschluss), bevor auch er sich voll und ganz seiner Bühnentätigkeit widmete.

Bekannte Söhne der Alma Mater (I)

Interview mit Günter Verheugen

Die Uni Bonn hat viele berühmte Söhne. Einer davon ist Günter Verheugen, ehemaliger EU-Kommissar und ex-Vizepräsident der Europäischen Kommission. Im Interview mit der akut spricht er über Politik und Demos im Hofgarten.

Guten Tag, Herr Verheugen. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben!
Sie haben an der Universität Bonn Politische Wissenschaft, Soziologie und Geschichte studiert. Heute haben viele junge Leute Probleme, sich für ein Studienfach zu entscheiden. Ging es Ihnen so ähnlich oder war Ihre Fächerkombination sozusagen Ihre Berufung?

Nein, überhaupt nicht! Ich hab das studiert, worauf ich Lust hatte! Einen Beruf hatte ich zu der Zeit übrigens schon gelernt. Ich war bereits ausgebildeter Redakteur und meine Absicht war natürlich, nach dem Studium zu diesem Beruf zurückzukehren. Ich wollte eine journalistische Karriere machen.

Das heißt also, dass Sie gar nicht in die Bundeshauptstadt Bonn gekommen waren, um in die Politik zu gehen?

Überhaupt nicht! Ich war zwar zu der Zeit schon politisch tätig; ich war aktiv bei den Jungdemokraten – das war damals die Jugendorganisation der FDP – aber  die Idee, dass die Politik mein Beruf werden könnte, hatte ich während meines Studiums nicht.

Und wie ist Ihnen dann der Einstieg in die Politik gelungen?

Gelungen gar nicht, das kam auf mich zu! Ich saß im Politikwissenschaftlichen Seminar in dieser alten Villa in der Lennéstraße , eines Nachmittags Ende Oktober 1969, und da kam die Sekretärin von Professor Bracher, dem Professor damals, ganz aufgeregt herein und fragte: „Ist hier ein Verheugen? Da ist der Minister am Telefon.“  Am Telefon war Genscher. Der war gerade Innenminister geworden, und er sagte: „Können Sie morgen mal bei mir vorbeikommen? Ich hab was mit Ihnen zu besprechen.“  Und da machte er mir das Angebot, für ihn im Bundesinnenministerium zu arbeiten.

Und wie haben Sie reagiert?

Ich sagte, dass das nicht ginge, weil ich noch an meiner Doktorarbeit schrieb und die erstmal fertig werden sollte. Doch er antwortete: „Ach, das machen Sie doch nebenbei und außerdem dauert diese Regierung nicht so lange und mit mir machen Sie eine einmalige Erfahrung.“ Und so habe ich mich rumkriegen lassen. Aber diese beiden Annahmen – einen Doktor nebenbei und eine kurzlebige Regierung – waren beide grundfalsch.

Wie war Genscher denn auf Sie aufmerksam geworden?

Er kannte mich schon durch meine politische Arbeit. Aber weshalb er glaubte, dass ich der richtige Mann für seine Öffentlichkeitsarbeit war, weiß ich bis heute nicht. Aber es hat funktioniert.

Sie haben ja Ende der Sechziger hier in Bonn studiert. Das waren sicher wilde und sehr politische Zeiten. Wie war es in den 1968ern an der Uni?

Ich war nicht aktiv in der Studentenbewegung. Ich hab mich auch nie mit Hochschulpolitik beschäftigt oder für den AstA kandidiert. Ich war sehr aktiv, aber auf einem anderen Feld. Deshalb ging das, was an der Uni politisch abging, zwar nicht an mir vorbei, ich war aber kein direkter Teil davon. Beeinflusst hat es mich sehr – wie alle zu dieser Zeit – aber es war nicht so, dass ich zu dem, was man damals APO nannte (Außerparlamentarische Opposition, Anm. der Red.) dazugehörte. An Demonstrationen hat man natürlich teilgenommen, das gehörte sich so. Zum Beispiel gegen die Notstandsgesetze.

War das die große Demo im Hofgarten?

Ja, da waren viele. Es war ein Riesenrummel. Bald zogen Demonstrationszüge durch die ganze Stadt. Das verteilte sich dann hinterher. Jedenfalls landete ich am Ende mit ein paar tausend anderen vor dem Innenministerium in der Rheindorferstraße. Da standen wir und haben skandiert: „Benda“, also der damalige Innenminister, „wir kommen“. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich wenig mehr als ein Jahr später da drin sitze, hätte ich ihn ausgelacht.

Mittlerweile sind Sie ja selbst Honorarprofessor und sehen das universitäre Geschehen aus der anderen Perspektive. Was fällt Ihnen denn an der heutigen Situation im Vergleich zu damals auf?

Ich habe mich anfangs sehr schwer getan, die neue Zeit vollständig zu begreifen. Das Studium ist heute ganz anders. Es ist viel reglementierter. Die Studierenden müssen viel konzentrierter arbeiten. Die Leistungsnachweise sind viel strenger als das zu meiner Zeit war. Insgesamt ist mein Eindruck, dass das Studium heute viel mehr der direkten Vorbereitung auf einen Beruf dient, als das zu meiner Zeit noch der Fall war.

Würden Sie bezüglich der Studierenden der Aussage zustimmen, dass die heutige Generation eine unpolitische Generation ist?

Nein. Also ich habe natürlich auch einen Masterstudiengang in Politischer Wissenschaft, bei denen sollte man annehmen, dass sie sich dafür interessieren. Niemals habe ich den Eindruck gehabt, dass wir eine unpolitische junge Generation haben. Sie ist anders politisch. Sie hat andere Ausdrucksformen und sie will nicht in Parteimühlen zermahlen werden.

Sie waren auch lange Jahre als EU-Kommissar und stellvertretender EU-Kommissionspräsident in Brüssel tätig. Eine Karriere in der EU ist heute das Ziel vieler Politikstudenten.  Was können Sie solchen Studierenden raten?

Das stimmt, aber eine Karriere in den europäischen Institutionen ist schwierig. Wer dort Beamter werden möchte, muss durch ein sehr hartes Auswahlverfahren gehen. Dreisprachigkeit ist dort heute gefragt, Englisch und Französisch sind ein Muss. Die Konkurrenz ist riesig, im Augenblick haben Deutsche auch nicht die allerbesten Chancen.

Warum?

Weil immer noch ein personeller Nachholbedarf aus neuen Mitgliedsländern besteht.  Also sollte sich niemand ausschließlich auf EU-Institutionen fixieren, wenn der künftige Arbeitsort in Brüssel sein soll. Es gibt auch andere Möglichkeiten in Brüssel: unendlich viele Institutionen, Verbände, Consultancies, Think Tanks,…

Haben Sie selbst denn in Ihrem Studium schon Schwerpunkte in Internationalen Beziehungen oder Europa gelegt?

Nein, Europa war damals nicht mein Thema. Ich muss auch ehrlich gestehen, dass mich das damals nicht sonderlich interessiert hat. Ich fand während des Studiums Internationale Beziehungen viel spannender. Das hat sich später als ein Vorteil erwiesen, weil ich ja auch noch ein paar Jahre im Auswärtigen Amt war. Erst in den Neunziger-Jahren packten mich europäische Fragen so richtig.

Sie haben selbst eine Vielzahl an wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht und sind ja auch letztendlich an die Universität zurückgekehrt. Was liegt Ihnen näher? Angewandte Politik oder Politische Wissenschaft?

Ich war mit Leib und Seele Politiker, aber als ich vor vier Jahren in Brüssel aufhörte, entschied ich, meine aktive politische Zeit zu beenden. Ich wollte mich jedoch nicht völlig zurückziehen, sondern es reizte mich, mein Wissen an Studenten weiterzugeben. Wenn Sie mich aber fragen, was leichter ist, Politik oder Wissenschaft, kriegen Sie eine klare Antwort: Es ist wesentlich einfacher, über Politik zu schreiben, zu reden, sie zu analysieren und Politiker zu kritisieren, als Politik selber zu machen. Das ist sehr viel schwerer.

Eine letzte Frage: Was ist Ihnen bei Ihrer Studienzeit in Bonn am schönsten in Erinnerung geblieben?

Die Freiheit! Das können Sie sich wahrscheinlich heute so nicht  vorstellen. Das Studium bot große Freiheiten, vielleicht sogar zu viele Freiheiten. Ich hätte etwas zielbewusster arbeiten können, aber ich habe dafür alles Mögliche außerhalb meiner eigenen Fächer gehört, weil es mich schlicht interessierte. Das war sehr bereichernd und ich bin froh, dass ich das machen konnte. Zudem war und ist Bonn wirklich eine sehr schöne Stadt. Ja, meine Studienzeit war toll!

Vielen herzlichen Dank für das Interview, Herr Verheugen!

Zur Person

Günter Verheugen, Jahrgang 1944, war von 1999 bis 2004 EU-Kommissar für Erweiterung, von 1999 bis 2010 EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie und Vizepräsident der Europäischen Kommission. Er studierte nach einer Redakteursausbildung zwischen 1965 und 1969 in Köln und Bonn Politische Wissenschaft, Soziologie und Geschichte. Direkt nach seinem Studium wurde er Referatsleiter für Öffentlichkeit im Bundesinnenministerium unter Hans-Dietrich Genscher, mit dem er später ins Bundesaußenministerium wechselte. 1982 trat der FDP-Politiker aus seiner Partei aus, nachdem diese die sozial-liberale Koalition beendet und eine neue Koalition mit der CDU eingegangen war. Noch im selben Jahr wechselte Verheugen zur SPD. Seit seinem Rückzug aus der Politik im Jahr 2007 ist Günter Verheugen Honorarprofessor für Europäisches Regieren an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.

In Bonn erlebt & In Bonn entdeckt

In Bonn erlebt

Immer wieder ein Erfolg

Wenn Quichotte und René Deutschmann die Glocke zu ihrem berühmten Poetry Slam „Raus mit der Sprache“ in der Beueler Schauspielhalle läuten, so nehmen Heerscharen Kulturwütiger die Mühe auf sich, über die Brücke auf die andere Rheinseite zu radeln. Die Reise an diesem Sonntagabend Ende Mai hat sich gelohnt, in der „Dead or Alive“-Ausgabe des Slams treten drei längst totgeglaubte Dichter der Weltgeschichte gegen vier moderne Slammer an. Und selbst Satan gibt sich die Ehre, steigt mit abgehackten Bewegungen aus den Tiefen der Theaterkulisse empor und rezitiert dabei in verstörendster Manier den Schriftsteller Alfred Döblin. Reihum präsentieren die Künstler ihre gut fünfminütigen Texte. Nachdem das Publikum sich so durch ein abwechslungsreiches Programm geklatscht hat, das einen Bogen von der Liebe, über soziale Tabus, virtuelle Netzwerke, griechische Mythologie bis hin zu experimenteller Lyrik spannt, besteigt am Ende der Finalrunde ein schlaksiger Kerl in Turnhemd und Pluderhose das Podest. Herzlichen Glückwunsch an den barfüßigen Andy Strauß aus Münster! Wir freuen uns, denn es ist irgendwie beruhigend, dass die lebendigen Dichter sich im Kampf um die Gunst der Zuschauer gegen die altehrwürdigen Genies behaupten konnten. Neue, irre Ideen überzeugten auf der kleinen Bühne an diesem Tag mehr als die kunstvolle Ausstaffierung à la William Shakespeare – der nun, wie seine Kollegen, in sein Grab zurücksteigen muss.

Von Hannah Rapp und Laura Breitkopf

In Bonn entdeckt

Zwischen zwei Uni-Seminaren mal schnell etwas essen gehen? Oder hungrig nach einem Stadtbummel irgendwo einkehren? Da habe ich einen Tipp! „Iss dich glücklich“ heißt das kleine Restaurant in der Franziskanerstraße direkt am Koblenzer Tor am Uni-Hauptgebäude. Seit vier Jahren bieten die Inhaber hier schon persische Küche zu moderaten Preisen an. Wer nicht gerade zur Mittagszeit kommt, findet sicher einen Platz. Die Karte bietet warme und kalte Gerichte für drei bis zehn Euro an. Besonders zu empfehlen ist die hausgemachte Curry-Creme- Suppe für vier Euro. Dazu hat der Gast die Auswahl zwischen verschiedenen frischgepressten Säften, die in Smoothie-Konsistenz serviert werden. Die meisten Gerichte haben die Inhaber an den deutschen Gaumen angepasst und bereiten sie fettreduzierter als im Originalrezept zu. Alle Gerichte bieten eine tolle Alternative zu Burger, Pizza und Co.!

Von Lauren Ramoser

Smart phone, dumb people

Alles, was man nicht sieht, wenn man nur aufs Handy schaut

Wenn man ab und an von seinem Smartphone aufsieht, kann man in seiner urbanen Umgebung jede Menge entdecken: Die Rede ist von Streetart – kleine Kunstwerke an Stromkästen, Hausfassaden und Laternenpfählen, mal politisch, mal sozialkritisch, mal einfach nur lustig.

Sie befinden sich auf unseren täglichen Routen durch Bonn. Auf dem Weg zur Uni oder auf dem Weg nach Hause verstecken sie sich vor dem flüchtigen Blick, doch fallen sie eines Tages ins Auge und man fragt sich: Moment, war das schon immer da?

Viele der Streetart-Pieces in Bonn stammen von dem Künstler 1zwo3, der die Straßen der Stadt, und nun auch diese Seite, mit seinen humoristischen Bildern schmückt. Rechtlich bewegt er sich dabei in einer Grauzone. Da er nicht in die Grundstruktur von Gebäuden eingreift, gilt sein Handeln nicht als Vandalismus. „Bilder malen, ausschneiden und nachts an Stromkästen, Unterführungen und Notausgänge kleistern“, gilt als sein Hobby, beruflich ist er im Grafik- und Designbereich tätig. Vorzugsweise zeichnet er Tiere oder Helden, die er mit menschlichen Marotten verbindet. „Vermenschlichung und Alltägliches lassen die Figuren normal erscheinen, was im vollständigen Gegensatz zu dem steht, wie wir sie von Kindesbeinen auf kennen lernen“, so 1zwo3.

Also einfach mal das Handy in der Tasche lassen und Augen auf – denn Streetart ist auf jeden Fall interessanter als das zwanzigste Foto von irgendeinem Mittagessen eines entfernten Bekannten.

In diesem Sinne: Guten Appetit beim Augenschmaus.

Ein Hoch auf Bonn!

Wenn schon nicht Bundeshauptstadt, wenigstens eine Hymne

Jede hippe und junge Stadt braucht heutzutage ein Lied, welches das eigene Lebensgefühl besingt. Da hat nun auch Bonn nachgezogen. Also aufgepasst, Bonn! Hier kommt der Bonn Song!

Mit dem Song feiert die Stadt sich selbst und seine Bewohner, die das Projekt tatkräftig unterstützten. Insgesamt sind im Bonn Song rund 30.000 Stimmen von Bonner Bürgerinnen  und Bürgern zu hören. Daneben griffen auch Lokalberühmtheiten zum Mikro, um ihre Heimat zu besingen. Darunter sind illustre Namen zu finden wie Bernd Stelter, Konrad Beikircher und Bernhard Hoecker.

Damit hat der Bonn Song alles, was eine Hymne braucht:Die Promis für etwas Glamour, Kinder und Senioren für etwas Menschlichkeit, glitzernde Stadtpanoramen für etwas Flair und eine Maultrommel für etwas Beat. Das ist emotional und mitreißend!

Für den Bonn Song wurde die Stadt auf Hochglanz poliert. So gehört es sich natürlich für ein Video, das die Stadt repräsentiert. Ach, wie schön ist Bonn! Der glitzernde Rhein, die glänzende Poppelsdorfer Allee und das strahlende Poppelsdorfer Schloss als Krönung. All das kann man im Musikvideo bewundern. Aber Achtung, wer lichtempfindliche Augen hat, sollte lieber eine Sonnenbrille tragen. Bei all dem Glitzer besteht Blendungsgefahr!

Auch die Universität wird erwähnt, schließlich ist die besungene Stadt ja auch Universitätsstadt. Das muss man natürlich zeigen. So sitzen also gut gelaunte, hübsche Studentinnen auf der Hofgartenwiese, die bezeugen, wie studentisch authentisch man hier lebt.

Und für alle, die Bonn nicht kennen, werden nochmal alle Attraktionen aufgezählt: Der Rhein, der Blick auf das Siebengebirge, die Goldenen Bärchen, Karneval und natürlich Beethoven! Aber auch für die Alteingesessenen gibt es noch einen neuen Fakt im Bonn Song. Die schönste Stadt Italiens ist Bonn am Rhein! Na gut, es gibt eine Menge italienische Restaurants und Eisdielen und betrachtet man die Karte NRWs, liegt Bonn im Süden, also Mailand oder Madrid – oder Bonn – Hauptsache Italien!
Neben Kitsch, Rheinromantik und immer wieder Beethoven hat der Bonn Song aber doch eine Daseinsberichtigung, denn ein Drittel des Erlöses, der durch den Verkauf der CDs erwirtschaftet wird, geht an den Bonner Verein „Bunter Kreis“, der schwerkranke Kinder und deren Familien unterstützt. Also wohl doch: Ein Hoch auf Bonn!