Nackt im Grünen

Eine Hochschulgruppe gewinnt mit blanken Hintern die Wahl

Muss das denn wirklich sein? Mit nackten Popos in Plakatgröße wollte die Grüne Hochschulgruppe zur Wahl des Studierendenparlaments (SP) motivieren. Werbung mit Konzept oder Auffallen um jeden Preis?

„Nur um aufzufallen war es jetzt auch nicht“, sagt Jakob Horneber. Ihm gehört einer der blanken Hintern auf dem Plakat. Angelehnt an das berühmte Foto der „Kommune 1“ aus dem Jahr 1967 sind darauf fünf Männer und zwei Frauen der Grünen Hochschulgruppe (GHG) nackt an einer Wand zu sehen, „KISSinger MY ASS“ steht darunter. Gegen die geplante Professur zu Ehren des ehemaligen amerikanischen Nationalen Sicherheitsberaters und Außenministers Henry Kissinger zogen die Grünen blank. Kissinger ist umstritten, gilt seinen Kritikern als Kriegsverbrecher, da er in seiner Amtszeit „den Militärputsch in Chile (1973), der in unsägliche Gewalt ausartete, maßgeblich unterstützt sowie die Bombardierung der neutralen Staaten Laos und Kambodscha im Vietnamkrieg forciert“ hatte, schreibt der Allgemeine Studierendenausschuss der Uni.
Sie hätten nach „einem irritierenden Element, das nichts mit Bomben zu tun hat“ gesucht, sagt Heraldo Hettich, ebenfalls Mitglied der GHG. Mitte Januar, kurz vor den SP-Wahlen, seien die Plakatentwürfe eigentlich schon fix gewesen – mit einer „Kriegsszene“ gegen die Kissinger-Professur. Dann habe sich die Hochschulgruppe spontan zum Nacktbild entschieden: „Wir machen das.“

Darum geht es: Das Wahlplakat der ghg-campus:grün.

Darum geht es: Das Wahlplakat der ghg-campus:grün.

Ideengeber Heraldo wollte ursprünglich eigentlich ein Nackfoto auf einem Fahrrad machen, um auf andere Themen der Grünen wie die Fahrradwerkstatt hinzuweisen. Doch dann kam es anders. Einen Kontrapunkt wollten sie setzen: friedliche Adamskostüme statt Krieg; wehrlose, sich ergebende Körper statt Bomben und Panzer. Naja, „das sind jetzt die theoretischen Überlegungen“, sagt Heraldo. Irgendwie wollte man natürlich „auch provokativ sein, um dem Thema Aufmerksamkeit zu schenken“, so Jakob. „Wir sind bisher durch Nacktheit ja auch nicht in Erscheinung getreten.“
So trafen sich die Freiwilligen in Jakobs Wohnung, im Wohnzimmer wurde die Heizung hochgedreht, und kurz darauf fielen die Hüllen. „Das wichtige war, dass alle, die dabei waren, mitgemacht haben. Da hat dann auch niemand so besonders auf die anderen geachtet, sondern sich eher auf sich selbst konzentriert“, sagt Jakob.
Die blanken Hintern verschafften der GHG und ihrem Thema sogar überregionale Presse, die Welt und auch Sat.1 berichteten. Dennoch: Bei 13,2 Prozent Wahlbeteiligung hat auch die nackte Haut nicht viel bewegt. „87 Prozent der Wahlberechtigten ist das wohl am Arsch vorbei gegangen“, sagt Heraldo.
Dass durch die Nackedeis jemand peinlich berührt worden sei, wie es Vertreter anderer Hochschulgruppen befürchteten, will Heraldo nicht gelten lassen: „Ach, das ist doch albern! In jeder BH-Werbung springen einem die Möpse doch schon entgegen.“ Auch dass das nackte Engagement den Beteiligten in Zukunft Schwierigkeiten bereiten könnte, glaubt er nicht. Stattdessen sagt er mit Blick auf die konservativen Plakate der anderen Hochschulgruppen: „Da merkt man den Unterschied zwischen den Jusos und uns: Wir sind um unsere Themen bemüht, die Jusos um ihre Karriere.“

Beugen sich für die akut der gesellschaftlich-spießigen Konvention: Jakob Horneber und Heraldo Hettich lassen die Hosen an.

Beugen sich für die akut der gesellschaftlich-spießigen Konvention: Jakob Horneber und Heraldo Hettich lassen die Hosen an.

„Da ist eins zum anderen gekommen“

Die Situation im Studierendenparlament eskaliert

Jusos und RCDS wollen die Mehrheit in den SP-Ausschüssen. Geht nicht, findet der Ältestenrat. Geht doch, finden die Jusos. Geht doch nicht, findet das Verwaltungsgericht Köln. Grüne, Piraten und Liberale finden, der SP-Präsident müsse abtreten. Und der findet, er habe doch alles richtig gemacht.

Michael Fengler hat das Zeug zum Karriere-Sozi. Er studiert Jura, beherrscht Smalltalk und schulterklopfende Gemütlichkeit. Michael ist Chef der Jusos in Bonn Hardtberg und Mitglied in der Juso-Hochschulgruppe. Er macht bei internationalen Wettbewerben mit, schaut ernst mit Anzug und verschränkten Armen in die Kamera. Er rettet als Vereinsvorsitzender ein Schwimmbad am Platz und gibt Zeitungsinterviews. Er arbeitet als studentische Hilfskraft in einer Kanzlei, hat ein gut gepflegtes Xing-Profil und einen festen Händedruck. Michael Fengler ist einer von denen, die ihren Weg gehen werden, die wohl keine Fehler machen. Und doch ist im Bonner Studierendenparlament (SP) die Hölle los, seit Michael dort zum Präsidenten gewählt worden ist. Inzwischen läuft ein Verfahren gegen die Bonner Studierendenschaft vor dem Verwaltungsgericht Köln, die Stimmung im SP ist vergiftet, ein Misstrauensvotum gegen Präsident Michael gescheitert. Und der sagt, er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen.
Der SP-Präsident, auch erster Sprecher genannt, ist die Galionsfigur des Studierendenparlaments. Er leitet die Sitzungen und repräsentiert das SP – „unparteiisch und sachgemäß“, so schreibt es die Geschäftsordnung vor. Für Michael bedeutete die Wahl zum Präsidenten Ende Januar Neuland. War er im Jahr zuvor noch „normales“ Mitglied der Juso-Fraktion im SP und hatte, wie er sagt, als „einer der Wortführer“ gern auch mit Verve gestritten, saß er nun in der Funktion des unparteiischen Organisators am SP-Mikrofon. Das sei aber genau das, „was [er] persönlich für eine Fähigkeit von [sich] halte, nämlich dass [er] sehr gut so organisatorisch, sachlich und einfach verwaltungsmäßig arbeiten kann“, sagt Michael.
Das sehen einige Mitglieder des SP inzwischen ganz anders. Denn in der konstituierenden Sitzung des neuen Studierendenparlaments Ende Januar peitschten Jusos und der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) einen Antrag durch, der ihnen in den Ausschüssen des Parlaments die absolute Mehrheit sicherte: Statt fünf Mitgliedern sollten die meisten Ausschüsse nun sieben Mitglieder haben, Jusos und RCDS hätten statt mit je einem dann mit je zwei Abgesandten dort gesessen – also die Mehrheit der Ausschussmitglieder gestellt. Das Problem bei der Sache: In der Satzung des Studierendenparlaments steht eindeutig: Fünf Mitglieder.
Jusos und RCDS argumentierten, sie hätten im SP laut Wahlergebnis gemeinsam eine Mehrheit von einem Sitz, in den Ausschüssen spiegele sich diese Mehrheit bei gestellten zwei von fünf Mitgliedern aber nicht wieder. Das sei, so die Jusos, verfassungswidrig und müsse sich ändern. Und so erweiterten Jusos und RCDS kurzerhand die Ausschüsse im Handstreich um zwei Mitglieder – gegen die Satzung. Ob es wirklich RCDS- und Juso-Stimmen waren, die den Antrag mit einer Stimme Mehrheit durch die geheime Abstimmung brachten, kommentiert Michael so: „Jeder kann sich ausrechnen, wie es gewesen sein könnte.“

„Quis ut deus?“ – Michael Fengler von der Juso-Hochschulgruppe ist der Präsident des Bonner Studierendenparlaments.

„Quis ut deus?“ – Michael Fengler von der Juso-Hochschulgruppe ist der Präsident des Bonner Studierendenparlaments.

Die anderen Hochschulgruppen liefen zunächst Sturm, und dann zum Ältestenrat. Dieser ist das interne Streitschlichtungsgremium der verfassten Studierendenschaft und eigentlich genau für solche Streitfälle zuständig. Der Ältestenrat urteilte: „Der Beschluss des Studierendenparlaments verstößt eindeutig“ gegen die Satzung der Studierendenschaft und sei damit aufgehoben. Und wer die Satzung verändern will, braucht eine Zweidrittelmehrheit im Parlament – für Jusos und RCDS allein unerreichbar. Das Urteil des Ältestenrats war somit eine Klatsche für die beiden Hochschulgruppen, und Fünfer-Ausschüsse blieben zunächst Fünfer-Ausschüsse.
Der RCDS, dessen zusätzliche Stimme im Ausschuss auf diese Weise gekippt wurde, bezeichnete den Gang zum Ältestenrat als „angemessenen Rahmen“ für die Kontroverse und beugte sich dem Urteil. Die Jusos hingegen reagierten vergrätzt: Man habe die übrigen Hochschulgruppen im Vorhinein über die eigenen rechtlichen Bedenken informiert, dass es verfassungswidrig sei, wenn die Ausschüsse nicht die Parlamentsmehrheiten widerspiegelten. Alle hätten über den Juso-Plan Bescheid gewusst. Zwar habe man – abgesehen vom RCDS – keine Einigung erzielen können, aber mit einer Beschwerde beim Ältestenrat hätten die Jusos nicht gerechnet, besonders nicht vom eigenen Koalitionspartner, den Grünen. Schließlich habe dann der Ältestenrat „mit einer für uns juristisch absolut nicht nachvollziehbaren Begründung“ den SP-Beschluss aufgehoben, sagt Frederik Traut, Fraktionssprecher der Jusos.
Dann ging auf einmal alles ganz schnell: Innerhalb weniger Tage nach der Bekanntgabe des Ältestenratsbeschlusses holten die Jusos zum Rundumschlag aus – diesmal allerdings vor Gericht. Die Juso-Fraktion im SP klagte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln gegen den Beschluss des Ältestenrats. Und damit das ganze schneller geht, beantragten sie auch noch den „Erlass einer einstweiligen Sicherungsanordnung“, um sich ihr zusätzliches Ausschussmitglied sofort zu verschaffen. Gegner des Antrags waren der Ältestenrat, das SP – und gleich die gesamte Bonner Studierendenschaft.
Selbst die älteren Semester im Studierendenparlament haben Mühe, sich an eine solche politische Auseinandersetzung zu erinnern, die die Hochschulgruppen vor Gericht austrugen. Dementsprechend fielen auch die Reaktionen aus: Die Piraten-Hochschulgruppe verurteilte die Juso-Aktion „auf das Schärfste“, der RCDS sprach von einer „Schlammschlacht“, die Lust bemängelte das „machtpolitische Hickhack“, das die Grünen „unnötig und unsinnig“ nannten.
Juso-Fraktionschef Traut sagt, man habe das eigene Anliegen der Juso-RCDS-Mehrheit in den Ausschüssen als viel zu wichtig erachtet, „als dass wir uns mit der Begründung des ÄR hätten zufrieden geben können“. Die Zeit habe gedrängt und das Verwaltungsgericht sei die „einzige Möglichkeit [gewesen], noch weiter zu handeln“. Er sieht auch beim AStA-Vorsitz Verantwortung für die Eskalation – der habe die Kompetenz gehabt, die Abstimmung als rechtswidrig zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht jedenfalls lehnte den Juso-Antrag krachend ab und stärkte dem Ältestenrat den Rücken: Die Fraktionen im SP könnten nicht einfach „mit einfacher Mehrheit die in der Satzung der Studierendenschaft grundsätzlich vorgegebene Größe der Ausschüsse so zu modifizieren, bis das Ergebnis ‚passt‘“, heißt es im Gerichtsbeschluss. Und mit Blick auf die vermutete Verfassungswidrigkeit der SP-Satzung: Die Juso-Hochschulgruppe „unterliegt einem Irrtum, wenn sie meint, die Verfassungsmäßigkeit einer Norm könne je nach Zusammensetzung des Studierendenparlaments variieren“.
Ein zusätzliches Geschmäckle bekommen Klage und Antrag der Jusos dadurch, dass sie aus der Feder ihres unparteiischen SP-Präsidenten Michael Fengler stammen. Jener Michael Fengler, den eine parteiübergreifende Mehrheit im Parlament kurz zuvor noch zum ersten Sprecher gewählt hatte, verfasste wenig später den Schriftsatz, um eben dieses Parlament zu verklagen, dessen oberster Repräsentant er ist. Michael sieht das entspannt: „Ich habe eben einen Schriftsatzentwurf geschrieben, und der Fraktionssprecher konnte den übernehmen oder auch nicht.“ Spaß mache ihm das nicht, er habe aber „aufgrund [s]einer juristischen Vorkenntnisse keine Hemmungen, da zu sagen: Gut, wenn wir uns nicht einigen können, dann müssen wir uns eben streiten.“
Er finde es zwar wichtig, dass sich auch politische Gremien mit derartigen Konflikten auseinandersetzen, sagt Michael. Doch das habe „natürlich einen Riesen-Nachteil, denn politische Willensbildung muss nicht unbedingt dem entsprechen, was das eigene Rechtsempfinden ist. […] Ich glaube einfach, dass man sich an der Stelle nicht darauf verlassen kann, dass die Politik es schon richten wird.“ So wählten die Jusos den Gang zum Gericht. Eine Einstellung, mit der er sich aus Sicht der anderen Fraktionen „als Mitglied des Präsidiums, erst recht als 1. Sprecher, untragbar gemacht“ habe, wie etwa die Grünen erklären. Es habe den Anschein, dass Michael weniger an konstruktiver Arbeit des SP interessiert sei, sondern „sein ganzes Handeln – nicht nur in dieser Angelegenheit – eher daran orientiert, irgendwelche Mätzchen abzuziehen“, heißt es aus der Liberalen Hochschulgruppe.
Vorläufiger Höhepunkt der Auseinandersetzung war schließlich der Versuch, Michael durch einen neuen SP-Präsidenten zu ersetzen. Ronny Bittner von der Piraten-Hochschulgruppe ließ sich aufstellen, erhielt auch die relative Mehrheit der Stimmen. Doch die absolute Mehrheit aller Stimmen wäre nötig gewesen – und Michael Fengler blieb SP-Präsident. „Offensichtlich waren tatsächlich einige Mitglieder […] des Hauses der Ansicht, dass vielleicht ein anderer SP-Sprecher besser wäre. Das ist eine Botschaft, die ich wahrgenommen habe“, sagt er, bezeichnet die Abstimmung aber als „politisches Manöver“. Auch einen Rücktritt lehnt er ab, „weil ich nicht einräumen werde, etwas falsch gemacht zu haben – weil ich nichts falsch gemacht habe. […] Die politische Bewertung ist natürlich immer eine zweite Sache, aber ich sage mal: Die rein formale, da habe ich alles richtig gemacht und mache nach wie vor alles richtig.“
Michael setzt nach dem gescheiterten juristischen Versuch nun doch ganz auf eine politische Lösung: „Da muss jede Seite auf den anderen zugehen.“ Es wäre besser gewesen, die Ausschussbesetzung bei der konstituierenden Sitzung zu verschieben, um erst mit den anderen Hochschulgruppen „nochmal intensiv zu reden und so zu reden, dass man auch eine Lösung findet“, sagt er. Erst durch die Ausschussbesetzung sei der Zeitdruck entstanden, der die Jusos zur Klage gezwungen habe. „Da ist eins zum anderen gekommen.“
Die Jusos jedenfalls haben nun einen Antrag beim AStA gestellt: Sie hoffen, dass sie als Teil des Parlaments die Kosten für das verlorene Gerichtsverfahren nicht selbst zahlen müssen, sondern die gesamte Studierendenschaft die Rechnung übernimmt.

E-Learning – Uni am Computer

Für uns Digital Natives optimal. Oder?

E-Learning ist im Kommen. Wir fragen: Wie sinnvoll sind die neuen Methoden, und müssen wir beim E-Learning nicht auch auf etwas verzichten?

Zunächst etwas Input: Was ist E-Learning überhaupt? Michael Kerres, Pionier des E-Learnings im deutschsprachigen Raum, definiert E-Learning als „Lernangebote, bei denen digitale Medien für die Präsentation und Distribution von Lerninhalten und / oder zur Unterstützung zwischenmenschlicher Kommunikation zum Einsatz kommen.“
Es gibt unterschiedliche Arten des E-Learnings, wobei an deutschen Hochschulen vor allem das sogenannte „Blended Learning“ praktiziert wird – eine Kombination aus Präsenzvorlesungen und virtuellen Lerneinheiten.
Auch an der Universität Bonn gibt es Aktivitäten in diesem Bereich. In Zusammenarbeit mit dem Bund-Länder-Programm „Qualitätspakt Lehre“ entwickelt und erweitert die Universität momentan den differenzierten Einsatz von E-Learning-Angeboten, vor allem in Form des Blended Learnings. Mit der didaktischen und elektronischen Aufbereitung von beispielsweise E-Klausuren oder digitalen Lehr- und Lernmedien ist das Team der eCampus-Plattform beauftragt.
Das Ziel des E-Learning-Angebots sieht Pressesprecher Dr. Andreas Archut darin, „einen hohen Qualitätsstandard zu erreichen“.
Voraussichtlich zum Sommersemester 2014 sollen Aufzeichnungen von Vorlesungen in erste Veranstaltungen versuchsweise integriert werden, die technischen Vorbereitungen dazu befinden sich in der Umsetzungsphase.
Noch weiter gehen Universitäten, die sich dafür entscheiden, ihre Lehrangebote in Form von sogenannten Massive Open Online Courses (Moocs) öffentlich zu machen, sodass nicht nur ihre eigenen Studierenden, sondern ein quasi unbeschränkter Interessentenkreis kostenlos darauf zugreifen kann. Vorreiter dabei sind ausgerechnet die Eliteuniversitäten Stanford und Harvard, deren Kurse normalerweise nur einer ausgewählten und begüterten Minderheit zugänglich sind. Auf der Internetseite www.edx.org kann jeder kostenlos auf Vorlesungen der besten Universitäten der Welt zugreifen, sich anschließend beim sogenannten Peer-to-peer-Learning mit anderen Teilnehmern austauschen und am Ende des Moocs sogar eine Prüfung mit Zertifikat ablegen.

 

Pro

E-Learning ist voll cool

Digitale Formen des Lernens sind in einer Zeit, in der das Internet uns überallhin begleitet und viele auch im Hörsaal konstant online sind, nur ein logischer Schritt.
Formen des E-Learnings bieten verschiedene Vorteile und können den Uni-Alltag erheblich erleichtern. Vor allem wenn Präsenzveranstaltungen aus welchen Gründen auch immer nicht besucht werden können, bieten digitale Vorlesungen eine gute Möglichkeit zur Nacharbeit. Ob im Krankheitsfall, bei Veranstaltungsüberschneidungen, bei Studierenden mit Kind oder Jobs mit festen Arbeitszeiten – Onlinekurse sorgen für eine freiere Zeiteinteilung und mehr Flexibilität.
Auch wenn man konkrete Teile einer Vorlesung nicht gleich beim ersten Hören verstanden hat oder vor der Klausur noch einmal wiederholen und die Mitschriften vervollständigen will, können Lernangebote im Internet sehr nützlich sein.
Genau wie mit freiwilliger Anwesenheit wird auch durch die Möglichkeit, online zu lernen, den Studierenden Selbstständigkeit und Eigenverantwortung im Studium zugetraut.
Universitäten können durch die neuen Methoden darüber hinaus Kosten für Personal und Räume sparen.
Gleichzeitig bieten online abrufbare Vorlesungen die Möglichkeit der Evaluation. Denn wenn eine Vorlesung eloquent und inhaltlich gut gemacht ist, geht man auch gerne hin, während hingegen langweilige und schlechte Veranstaltungen in nicht-virtueller Form so oder so im Laufe des Semesters immer leerer werden. Wenn sie online zugreifbar wären, ließe sich wenigstens herausfinden, ob es sich um ein generelles Desinteresse der Studierenden handelt oder ob die Massenabwesenheit wegen anderer Verpflichtungen zustande kommt und die Veranstaltung zumindest nachgehört wird.
Über das eigene Fach hinaus kann man über freie Vorlesungen aber auch in andere Fachgebiete hineinhören und sich so – wie von den Unis so oft gefordert – „über den Tellerrand“ hinaus bilden und zudem auch Themen vertiefen, die an der eigenen Uni überhaupt nicht angeboten werden.
Dozenten verschiedener Unis können vom Material anderer profitieren und interessierte Studierende sowie Wissbegierige aller Art können durch die digitale Lehre nicht nur ihr eigenes Studium vertiefen, sondern sogar in anderen Fachgebieten auf Vorträge auf hohem Niveau zugreifen und sich somit selbstständig weiterbilden.

Contra

Mehr Zwischenmenschlichkeit wagen!

Was wäre das für ein Studium, wenn es darin bestünde, alleine am Schreibtisch zu sitzen und auf einen Bildschirm zu starren, auf dem irgendein Professor, den du noch nie persönlich getroffen hast, seinen Stoff runterspult, und zwar für dich und tausend andere Mitstudierenden, die du aber nicht kennst, weil sie an ihren Computer gefesselt sind, vielleicht am anderen Ende Deutschlands?
Das ist natürlich übertrieben. E-Learning bedeutet nicht, dass jede Universität zur Fernuni wird. Dadurch dass ein großer Teil der Lern- und Lehrmaterialen sowie ganze Vorlesungen über das Internet verfügbar sind, besteht die Gefahr der Isolation jedoch durchaus. Keine gemeinsamen Vorlesungsbesuche mit Kommilitonen, keine Gruppenarbeiten, keine Referate. Vor allem problematisch dabei ist, dass durch mangelnden persönlichen Kontakt und Austausch Fragen ungeklärt und Missverständnisse vielleicht sogar unbemerkt bleiben. Die Studierenden werden überfordert mit einem Überangebot an Materialen und Dateien, während die Professoren in schwach bis gar nicht besetzten Hörsälen referieren.
Zu befürchten ist außerdem, dass E-Learning-Materialen vor allem technisch und weniger didaktisch aufgearbeitet werden. Für manche Fächer und Inhalte ist E-Learning zudem schlichtweg ungeeignet, beispielsweise für das Erlernen mündlicher Fremdsprachenkompetenz.
Hinzu kommt, dass E-Learning ein hohes Maß an Selbstdisziplin, Eigenmotivation und Zeitmanagement erfordert. Obwohl das natürlich Grundvoraussetzungen im Studium sein sollten, können zeitunabhängig abrufbare Materialien die unter Studierenden sowieso schon weit verbreitete Aufschiebe-Mentalität zusätzlich fördern.
Für die meisten jungen Studierenden ist die Medienkompetenz, die E-Learning-Angebote fordern, zwar kein Problem, ältere (Gast-)Hörer könnten daran jedoch scheitern und würden so von der Weiterbildungsmöglichkeit ausgeschlossen.
Die Einführung von E-Learning-Angeboten erfordert zudem anfänglich hohe finanzielle und zeitliche Investitionen.

Das Haus, das Verrückte macht

Die Leiden des Magisters K.

Nach dem abgeschlossenen Magisterstudium promovieren – eigentlich kein Problem. Dumm nur, wenn die Bürokratie und die Bologna-Reform dazwischenfunken.

Donnerstag, 12.7.2012:
Ich erhalte mein Magisterprüfungszeugnis. Da ich promovieren will, bleibe ich eingeschrieben.

Wintersemester 2012/13:
Ich einige mich mit Herrn Professor Dr. B. auf ein Thema für meine Dissertation, erarbeite eine Gliederung derselben und beginne mit den Recherchen.

Donnerstag, 14.2.2013:
Ich überweise den Sozialbeitrag für das Sommersemester 2013. Nichts deutet auf irgendeine Abweichung vom altgewohnten Prozedere hin.

März 2013:
Ich warte auf die üblichen Unterlagen (Studentenausweis etc.) für das Sommersemester.

Dienstag, 26.3.2013:
Die Unterlagen sind noch nicht angekommen. Voll Misstrauen gegen die Post suche ich das Studentensekretariat auf, um nachzufragen. Man teilt mir mit, dass die Magisterstudiengänge ausgelaufen sind und ich daher vor der Wahl stehe, mich exmatrikulieren zu lassen (und mein Geld zurückzuerhalten) ODER mich in Evangelische Theologie umschreiben zu lassen, das letzte Fach, in dem es den Magisterstudiengang noch gibt. Tue ich keins von beidem, werde ich am 1. April (offizieller Semesterbeginn) automatisch exmatrikuliert, erhalte aber den Sozialbeitrag NICHT zurück (bis auf den Anteil für das Semesterticket, auf Antrag beim AStA). Dies wäre auch (ohne Vorwarnung!) geschehen, wenn ich mich nicht bzw. erst nach dem 1. April erkundigt hätte. Da ich als katholische Karteileiche das Ansinnen, mich – und sei es nur pro forma – für Evangelische Theologie einzuschreiben merkwürdig finde, erbitte ich Bedenkzeit.

Mittwoch, 27.3.2013:
Ich bin wieder im Studentensekretariat und teile meinen Wunsch mit, in Evangelische Theologie umgeschrieben zu werden. Da die normale Einschreibefrist längst verstrichen ist, kostet mich dies fünf Euro Verspätungsgebühr. Man schickt mich zum Bezahlen zur Universitätskasse. Die Universitätskasse schickt mich zurück ins Studentensekretariat, um ichweißnichtmehrwasfüreinformular zu holen. Ich gehe ins Studentensekretariat, hole ichweißnichtmehrwasfüreinformular, gehe damit zur Universitätskasse und darf bezahlen. Anschließend begebe ich mich gemäß den Anweisungen des Studentensekretariats zur Evangelisch-Theologischen Fakultät. Sie ist nicht zugänglich, Kontakt mit den Insassen nur über eine Sprechanlage möglich. Eine Frauenstimme teilt mir mit, ich solle morgen wiederkommen.

Donnerstag, 28.3.2013:
Ich stehe wieder vor der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Eine Männerstimme erklärt mir, ich sei falsch informiert worden, Sprechzeiten seien Dienstags und Freitags, diesen Freitag aber nicht, da es Karfreitag sei. Ich gehe ins Studentensekretariat, erzähle meine Geschichte und erhalte die gewünschten Unterlagen. Auf dem Studentenausweis steht „Angestr. Abschluß* Magister Theologiae – Studienfach Evang. Theologie – Fsem. 1“. Die Einschreibung bei der Evangelisch-Theologischen Fakultät könne ich im Laufe des Semesters nachholen, angeblich hat man mir dies bereits so erklärt. Wenn ich die Betreuungsvereinbarung mit meinem Dozenten habe, soll ich wiederkommen und mich in den Promotionsstudiengang umschreiben lassen.
*sic

Dienstag, 23.4.2013:
Professor Dr. B.s erste Sprechstunde im Semester. Ich erfahre, dass es die fraglichen Formulare im Internet auf der Dekanatsseite gibt, ich solle sie ausfüllen und zum Unterschreiben in die nächste Sprechstunde bringen.

Dienstag, 30.4.2013:
Die Sprechstunde fällt wegen Krankheit aus.

Dienstag, 7.5.2013:
Der genesene Professor Dr. B. unterschreibt die Betreuungsvereinbarung und den Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase.

Mittwoch, 8.5.2013:
Ich will den Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase im Dekanat abgeben, erkenne aber zuvor, dass ich den als Anlage geforderten Nachweis über ein abgeschlossenes Studium (=Magisterprüfungszeugnis) vergessen habe mitzunehmen. Gut, mein Fehler, aber wie töricht müsste ein Dozent sein, einen Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase zu unterschreiben, wenn er nicht WEISS, dass der Student das Studium abgeschlossen hat??? Ein bisschen mehr Vertrauen der Universität zu den eigenen Professoren könnte sicher nicht schaden.

Donnerstag, 9.5.2013:
Christi Himmelfahrt.

Dienstag, 14.5.2013:
Ich suche das Studentensekretariat auf und zeige meine Betreuungsvereinbarung vor. Man teilt mir mit, die Mitarbeiterin, die mir gesagt hatte, die Unterschrift des Betreuers genüge, um mich in den Promotionsstudiengang umzuschreiben, arbeite nicht mehr hier. Ich bräuchte auch die Unterschrift des Dekanats. Dass ich im Falle meiner automatischen Exmatrikulation mein Geld nicht zurückbekommen hätte stimme auch nicht, da sei ich falsch informiert worden. Ich schlage die Wartezeit (Sprechstunde des Studentensekretariats 10-12 Uhr, des Dekanats 14-15 Uhr) tot und suche das Dekanat auf, wo ich ja ohnehin meinen Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase abgeben muss (das Zeugnis habe ich diesmal dabei). Im Dekanat teilt man mir nach einem Blick auf das Zeugnis mit, die Zulassungsgrenze zur Promotion von 2,5 gelte nicht nur für die Gesamtnote der Magisterprüfung (2,3), sondern AUCH für die Note der Magisterarbeit (3,1). Da diese schlechter sei, müsse ich einen Antrag an den Promotionsausschuss schreiben, um eine Ausnahmegenehmigung zu erbitten. Auch eine Befürwortung des Betreuers sei nötig. Ich verabschiede mich perplex. Zu Hause durchforste ich noch einmal die Promotionsordnung, die ich mir längst besorgt hatte. Dort heißt es in § 7, Abs. 2: „Ein qualifizierter Abschluß* im Sinne von Abs. 1 liegt vor, wenn mindestens die zweitbeste Note erreicht wurde.“
*sic

Abläufe der Universitätsbürokratie (vereinfachte Darstellung).

Abläufe der Universitätsbürokratie (vereinfachte Darstellung).

Donnerstag, 16.5.2013:
Ich besuche das Master- und Doktorandencolloquium von Professor Dr. B. und erkläre ihm anschließend die neue Situation. Er ist bereit, die Befürwortung zu schreiben, ich könne sie am Dienstag in seinem Sekretariat abholen. Mein eigener Antrag könne formlos sein. Eine Bemerkung meinerseits über die Promotionsordnung kommentiert er mit einem resigniertem: „Papier ist geduldig.“

Dienstag, 21.5.2013:
Ich bekomme in Professor Dr. B.s Sekretariat einen an den Prodekan addressierten Briefumschlag ausgehändigt. Das Dekanat hat bis zum 27.5. Pfingstferien.

Montag, 27.5.2013:
Ich gebe im Dekanat meinen Antrag auf Ausnahmegenehmigung, den Briefumschlag von Professor Dr. B., den Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase, die Betreuungsvereinbarung und eine Kopie meines Magisterprüfungszeugnisses ab. Man nimmt alles freundlich entgegen und teilt mir mit, dass der Promotionsausschuss das nächste Mal am 1. Juli tagt; ich werde dann so bald wie möglich informiert.

Donnerstag, 4.7.2013:
Noch keine Benachrichtigung. Ich wende mich nach dem Doktorandencolloquium an Professor Dr. B.; er weiß auch noch nichts, vermutet Überlastung des Dekanats wegen einer Fakultätssitzung und nimmt an, dass die Benachrichtigung „heute oder morgen“ in der Post ist. Dass der Antrag abgelehnt würde, kann er sich „eigentlich nicht vorstellen.“

Montag, 8.7.2013:
Immer noch keine Benachrichtigung. Ich suche das Dekanat auf. Man teilt mir mit, die Promotionsausschusssitzung sei leider auf Oktober verschoben worden, möglicherweise fände sie aber auch früher statt. Ich würde dann informiert.

Dienstag, 9.7.2013:
Ich suche das Studentensekretariat auf. Man erklärt mir, ich könne auch für das nächste Semester Magisterstudent in der Evang. Theologie bleiben und mich dann auch rückwirkend in den Promotionsstudiengang einschreiben lassen. Immerhin!

Donnerstag, 5.9.2013:
Die Unterlagen für das Wintersemester 2013/14 kommen an. Immerhin. Ich bin nun also Evangelischer Theologe im 2. Fachsemester.

Montag, 14.10.2013:
Beginn des Wintersemesters. Noch keine Nachricht vom Promotionsausschuss.

Montag, 4.11.2013:
Immer noch nichts. Ich suche das Dekanat auf, es hat geschlossen.

Dienstag, 5.11.2013:
Ich suche das Dekanat auf. Man teilt mir mit, die Promotionsausschusssitzung habe noch nicht stattgefunden, sie fände aber „definitiv“ am 13. November statt, „also nächste Woche“ (die Dame muss mir angesehen haben, dass mir auf der Zunge lag zu fragen: „13. November welchen Jahres?“). Ich würde dann sofort informiert.

Montag, 18.11.2013:
Nach wie vor keine Benachrichtigung. Ich suche das Dekanat auf, „Guten Tag, K. ist mein Name, ich war vor zwei Wochen…“ „Ist angenommen!“ Die schriftliche Bestätigung bekomme ich wegen Computerproblemen in einer Woche. „Aha. Na ja,“ sage ich, „nach sechs Monaten kommt es da jetzt auch nicht mehr drauf an.“ „Genau!“, antwortet die Dame und lächelt so freundlich, dass ich kurz nach Verlassen des Dekanats den Impuls verspüre, zurück zu gehen und zu sagen: „Entschuldigen Sie bitte vielmals, es waren ja nur fünfeinhalb! Nichts für ungut!“ Ich tue es dann aber doch nicht – und das erweist sich als richtig, denn:

Montag, 2.12.2013:
Noch keine Benachrichtigung. Ich suche das Dekanat auf. An seiner Tür hängt ein Zettel (wörtlich): Am Freitag, 29.11.2013 ist das Promotionsbüro geschlossen. Am Montag, 02.12.2013 fällt die Sprechstunde aus.

Dienstag, 3.12.2013:
Ich suche das Dekanat auf. Ich erfahre, das der Dekan letzte Woche nicht da war, mein Antrag jetzt aber „zur Unterschrift bereit liegt.“ Ich hätte gedacht, dass er (der Antrag) das schon seit dem 27.5. tut (siehe oben), aber gut…

Samstag, 7.12.2013:
DIE PROMOTIONSBESTÄTIGUNG TRIFFT EIN! Ich will mich gewiss nicht beklagen, aber warum datiert die Unterschrift des Dekans auf den 29.11.2013?

Montag, 9.12.2013:
Ich suche das Studentensekretariat auf. Fünf Minuten später verlasse ich es im 1. Fachsemester des Promotionsstudienganges Geschichte. Mein Theologen-Ausweis wird einbehalten.

FINIS

Probieren vorm Studieren

Student for one week oder gleich student for life?

Die Schule ist aus – nun heißt es: Raus in die Welt! Ein Studium verspricht spannende Möglichkeiten, sich selbst zu erleben. Neue Stadt, neue Leute, neuer Schwung – doch wohin eigentlich? Viele SchülerInnen sind mit diesen Fragen zum Ende ihrer Schulzeit überfordert.

Der Erziehungswissenschaftler Wilhelm Heitmeyer spricht davon, dass die Entscheidungsfreiheit moderner Gesellschaften gleichzeitig auch Entscheidungszwänge mit sich bringt. Das erleben auch viele Schüler und Schülerinnen so, die Angebote der Schulen bieten da keine finale Lösung an. Trotz Versuchen, Schule und Hochschule besser zu vernetzen und das häufige Gefühl der Orientierungslosigkeit zu verringern, liegt die Studienabbruchquote an deutschen Hochschulen im Jahr 2010 bei 28 Prozent. Solche Zahlen wie die der Hochschul-Informations-System GmbH weisen unbarmherzig auf die große Problematik der Qual der Wahl hin.

Im Jahr 2009 entstand in Freiburg daher der Gedanke, ein Projekt zugunsten der Vernetzung von Studierenden und Studieninteressierten zu entwickeln. Zwei Jahre später ging das Konzept „Student for one week“ als Online-Plattform ans Netz und als Idee an die Schulen und Hochschulen Deutschlands.

Das Konzept scheint simpel: Studierende registrieren sich und erklären sich bereit, Studieninteressierten einen Einblick in ihr Studium und Uni-Leben zu ermöglichen. Das umfasst die Begleitung in den Hörsaal ebenso wie zum abendlichen Hochschulsport oder in den Irish Pub. Natürlich können sich die TeilnehmerInnen selbst überlegen, wie sie die gemeinsame Zeit gestalten. Im Idealfall wird auch eine Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt. Den Initiatoren ist aber bewusst, dass dies nicht immer funktionieren kann. Das Matching ist nach der Registrierung über Steckbriefe auf der Plattform möglich. Damit der willige Student oder die Studentin abgesehen vom Gute-Tat-Gefühl dabei nicht ganz leer ausgeht, gibt es neben einer individuell vereinbarten Aufwandsentschädigung auch ein Zertifikat, auf dem das Engagement bestätigt und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung bekräftigt wird.

Konkret beworben wird das Projekt durch Schul- und Hochschulvertreter. Diese werben an den jeweiligen Stellen für das Projekt und versuchen, weitere Vertreter zu akquirieren. Deutschlandweit gibt es derzeit etwa 50 Hochschulvertreter – für die Uni Bonn ist Julia Schächtle zuständig. Sie selbst studiert Ernährungswissenschaften und hat einen ganz persönlichen Bezug zum Projekt: Nachdem sie ein Semester in Hamburg studiert hatte, wollte sie über „Student for one week“ eine Woche ins Bonner Studierendenleben hineinschnuppern. Leider ergab sich mangels registrierter Studierender keine Möglichkeit für sie. Anreiz genug: „Ich fand es schade, diese Möglichkeit nicht zu haben und wollte mich dafür einsetzen, dass anderen eine solche Gelegenheit zukommt.“ Seit sie in Bonn studiert und auch als Hochschulvertreterin aktiv ist, hat sie auch bereits Schülerbesuch bekommen – und das mit Erfolg.
„Die Schülerin wird sich zum Sommersemester dieses Jahres an der Uni Bonn einschreiben“, freut sich Julia, ergänzt aber zugleich: „Ich hätte mich auch gefreut, wenn sie sich wegen der Erlebnisse gegen die Uni Bonn entschieden hätte, auch dann wäre das Programm hilfreich für sie gewesen.“

Hochschulvertreterin Julia Schächtle möchte mehr Bonner Studierende für das Projekt begeistern.

Hochschulvertreterin Julia Schächtle möchte mehr Bonner Studierende für das Projekt begeistern.

Mittlerweile umfasst das Netzwerk deutschlandweit knapp 1200 Studierende und etwa 1800 Studieninteressierte. In Bonn gibt es allerdings bisher trotz der großen Zahl von etwa 30.000 Studierenden erst sieben Registrierte aus drei Studiengängen. „Da ist noch Luft nach oben“, meint Andrea Grugel, Leiterin der Abteilung für Identifikation und Veranstaltung an der Uni Bonn.
Auch der Rektor und Vertreter des Alumni-Netzwerkes zeigen sich interessiert am Projekt und suchen gemeinsam mit Julia Schächtle nach Wegen, das Projekt unter Studierenden bekannt zu machen und langfristig auch mehr Schüler für die Idee einer solchen Schnupperwoche zu begeistern.

Alena Schmitz, Vorsitzende des AStA Bonn, zeigt sich ebenfalls interessiert an einer solchen Möglichkeit der Hilfestellung für Studieninteressierte. Im Rahmen der Projektvorstellung schlägt sie vor, ergänzend eine Plattform für den Austausch von Erfahrungsberichten einzurichten. So könne man gegenseitig von Erfahrungen über positive Erlebnisse auch gerade auch über Schwierigkeiten profitieren. Kritische Nachfragen zum Projekt gibt es hinsichtlich des Rechtsschutzes. Wer übernimmt die Verantwortung für Schüler unter 18 Jahren? Wie sollen die gemeinsamen Abende und der Einblick in den Studienalltag inklusive Kneipentour rechtlich abgesichert werden? Hinsichtlich dieser Fragen scheint auch Julia Schächtle überfragt.

Weitere Informationen zum „Studieren probieren“ und „Gastgeber sein“ gibt es auf der Homepage des Projekts
www.oneweekstudent.de. Und Probieren schadet schließlich nicht.

Hilfe für Hilfskräfte

Nicolas Hensel kämpft für die Rechte der SHK

Als studentische Hilfskraft (SHK) wird man Teil des Universitätsbetriebs und hat dadurch entsprechende Rechte und Pflichten. Eine Projektstelle im AStA hat es sich zur Aufgabe gemacht, für diese Rechte zu streiten.

Eine Stelle als Studentische Hilfskraft (SHK) an einem der Institute der Uni ist für viele Studierende ein Traumjob, denn sie bietet eine Menge Vorteile: Eine Tätigkeit mit Bezug zum Studium, die sich gut im Lebenslauf macht und mit der man dazu auch noch Geld verdient.
Doch als SHK zu arbeiten ist eben auch ein Job, ein Beschäftigungsverhältnis wie andere auch und daher auch in vielen Fällen mit Anstrengung, Stress und Verantwortung verbunden.
Aber wer kümmert sich um die arbeitsrechtlichen Interessen der SHK und vertritt ihre Rechte? Immerhin treten wohl die wenigsten von ihnen für den Studentenjob einer Gewerkschaft bei, und eine Personalvertretung an der Uni gibt es bislang nicht.
Seit April 2013 beschäftigt sich Nicolas Hensel (21), Mitglied der Juso-Hochschulgruppe, genau mit dieser Aufgabe. Er besetzt die „Projektstelle Sozialpolitische Aufgaben“, die dem AStA-Vorsitz unterstellt und lokal im Zimmer des Referats für Hochschulpolitik in den AStA-Räumlichkeiten angesiedelt ist.
Nicolas studiert im vierten Semester Politik und Gesellschaft und Islamwissenschaft und ist seit  Januar 2013 Mitglied der Juso-HSG. Als ihm die Projektstelle angeboten wurde, die auf Initiative seiner Hochschulgruppe eingerichtet wurde, entschied er sich dafür, sie inhaltlich in die Richtung einer SHK-Vertretung zu definieren.

Nicolas Hensel bei der Arbeit.

Nicolas Hensel bei der Arbeit.

„Die Arbeit ist für mich eine gute Möglichkeit, mich an einem Punkt einzusetzen, wo Leute direkt betroffen sind. Es reizt mich, dass es hier nicht um das große Ganze geht, sondern dass es etwas Spezifisches ist.“
Seitdem ist er die Kontaktperson für die SHK. Er bietet in einer wöchentlichen Sprechstunde Beratung und Infomaterial bei arbeitsrechtlichen Fragen und Problemen. Seine Hauptaufgabe liegt jedoch in seinem eigenen Projekt – einer Umfrage unter allen SHK der Universität Bonn.
Dabei hatte er anfänglich mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen: Die Recherche gestaltete sich als arbeitsintensiv. Aufgrund von Datenschutz und einer fehlenden Zentralverwaltung der SHK musste Nicolas jedes Institut einzeln anschreiben und zusätzlich dazu die SHK, deren Adressen ihm bekannt waren – insgesamt also gut 300 Mails.
Dabei stieß er auch auf erhebliche Unterschiede zwischen den Instituten. Bei einigen werden die Hilfskräfte selbst auf den Homepages genannt, bei einigen ist gar nicht klar, wer überhaupt als SHK zählt, oder diese werden mehr oder weniger unter den Tisch fallen gelassen. Dementsprechend unterschieden sich auch die Rücklaufquoten. Von den insgesamt 2210 an der Uni angestellten Studentischen Hilfskräften (Stand Februar 2014) hat Nicolas bisher 367 Rückmeldungen erhalten.
Das Ziel der anonymen Umfrage ist es, sich ein Bild von der momentanen Situation der Hilfskräfte zu verschaffen. Die Fragen betreffen das Beschäftigungsverhältnis, die Stundenzahl, die generelle Zufriedenheit mit dem Job, aber auch mögliche Probleme wie beispielsweise mit der pünktlichen Überweisung von Zahlungen oder hinsichtlich der Verlängerung von Verträgen. Daraus soll dann eine aussagekräftige Statistik erstellt werden, mit der man auf empirischer Basis argumentieren kann. „Man könnte ja meinen, eine Umfrage beschreibt nur und verbessert nichts, doch sie kann auch als verstärktes Argument gegen die Uni dienen“, so Nicolas. Die bisherigen Ergebnisse seien übrigens „teilweise erfreulich, aber bekannte Probleme werden auch deutlich.“ So werden die SHK oft nicht über ihre Rechte informiert, zum Beispiel, dass sie Anspruch auf bezahlten Urlaub haben oder krankheitsbedingte Fehlstunden nicht nacharbeiten müssen.
Durch die Stelle lernt auch Nicolas selbst viel über Arbeitsrechtliches und macht außerdem erste Erfahrungen mit Gewerkschaftsarbeit. Teil seiner Stelle ist nämlich auch die Mitarbeit in der „Tarifini NRW“, einem Vernetzungstreffen von verschiedenen ASten, Hochschulgruppen und Gewerkschaften auf Landesebene. Gefordert wird dort unter anderem eine vollwertige Personalvertretung für studentische Beschäftigte auf Uni-Level und die Aufnahme der SHK in den Tarifvertrag der Länder.
Nicolas ist deshalb auch in Kontakt mit dem Rektorat der Uni Bonn, um zu verhandeln, inwieweit man hier Verbesserungen durchführen kann. Eine mittelfristige Möglichkeit wäre zum Beispiel ein Leitfaden zur Einstellung von SHK, durch den diese besser informiert werden würden.
Er ist dabei von der Wichtigkeit seiner Tätigkeit überzeugt: „Wir brauchen mehr Solidarität für Leute, die einen wichtigen Beitrag zum Ablauf an der Uni leisten.“
Auch wenn das Thema vielen trocken erscheinen mag, Nicolas merkt man die Begeisterung für seine Stelle an: „Für mich ist es eine super Möglichkeit, mein Studium direkt anzuwenden und das auch noch für einen guten Zweck. Das passt doch gut zusammen!“

„Man hat nie wirklich Feierabend“

Interview mit Frau Dr. Jasmin Khosravie

Frau Dr. Khosravie, im Fokus Ihrer Forschungsarbeit steht die islamische Welt. Haben Sie eine besondere Verbindung zu diesem Raum?
Ja, im Mittelpunkt meiner Arbeit steht vor allem iranische Geschichte. Mein Zugang zu diesem Raum hat einen persönlichen Hintergrund – mein Vater kommt aus dem Iran. Ich habe mich aus mehreren Gründen entschieden, Islamwissenschaft zu studieren: Einer davon war, dass mir in meiner Schulzeit die Geschichte über den muslimisch geprägten Raum viel zu kurz kam. Ein andere war meine Leidenschaft fürs Sprachenlernen. Vor allem habe ich mich von Neugier und Interesse leiten lassen, als ich diese Entscheidung getroffen habe.

Sie lehren seit mehreren Jahren an der Universität Bonn und sind dort 2010 promoviert worden. Derzeit arbeiten Sie an Ihrer Habilitation. Was hat Sie motiviert, sich für eine wissenschaftliche Karriere zu entscheiden?
Ich habe mich für eine wissenschaftliche Karriere entschieden, als ich meine Doktorarbeit geschrieben habe. Es war von Anfang an klar, dass ich nach der Promotion weiter machen werde. Mir macht es wahnsinnig viel Spaß, mich intensiv mit einem Themenkomplex zu beschäftigen und tief in ein Thema einzutauchen.

Was schätzen Sie an Ihrer Tätigkeit als Forscherin an der Uni, welche Nachteile bringt diese Beschäftigung mit sich?
Was ich sehr schätze, ist die Freiheit. Die Freiheit, so arbeiten zu können, wie ich das möchte. Was ich ebenfalls schätze, ist der inspirierende Austausch und die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen – darauf möchte ich nicht verzichten. Außerdem ist die Uni ein Umfeld, in dem man ständig dazu lernt – auch abseits meines Fachs, das gefällt mir sehr.
Natürlich gibt es auch Nachteile. Als Mutter eines kleinen Kindes ist es immer kompliziert, Vollzeit Karriere zu machen. Es ist nicht immer einfach, überall präsent zu sein, zum Beispiel bei abendlichen Vorträgen oder an internationalen Konferenzen teilzunehmen. Andererseits erlaubt mir meine Forschungsarbeit flexibel zu sein, was die Kinderbetreuung wiederum auch einfacher macht.

Kann man von einem gewissen Druck sprechen, wenn man in der Forschung tätig ist?
Der Druck ist auf jeden Fall da. Druck, zu veröffentlichen, Druck, in der Fachwelt präsent zu sein, Druck, sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten zu hangeln und Anträge zu schreiben. Bei einer wissenschaftlichen Karriere hat man nie wirklich Feierabend. Man hat zwar viel Freiheit, aber die Frage ist: Wie geht man mit der Freiheit und dem gleichzeitigen Druck um?

Dr. Jasmin Khosravie hat Islamwissenschaften in Köln, Bonn und Toronto studiert. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte Irans und Mittelasiens, Gender Studies und die islamische Mystik. Frau Khosravie lehrt seit mehreren Jahren am Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn. 2010 wurde sie dort mit einer Arbeit über die iranische Publizistin Sedighe Doulatabadi promoviert. Derzeit arbeitet Dr. Jasmin Khosravie an ihrer Habilitation zu qajarischen Reiseberichten über Europa und leitet das vom Bundesbildungsministerium geförderte Forschungsprojekt “Europa von außen”.

Dr. Jasmin Khosravie hat Islamwissenschaften in Köln, Bonn und Toronto studiert. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte Irans und Mittelasiens, Gender Studies und die islamische Mystik. Frau Khosravie lehrt seit mehreren Jahren am Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn. 2010 wurde sie dort mit einer Arbeit über die iranische Publizistin Sedighe Doulatabadi promoviert. Derzeit arbeitet Dr. Jasmin Khosravie an ihrer Habilitation zu qajarischen Reiseberichten über Europa und leitet das vom Bundesbildungsministerium geförderte Forschungsprojekt “Europa von außen”.

Was inspiriert bzw. motiviert Sie bei der Forschungsarbeit?
Was mich inspiriert oder motiviert sind die Personen oder die Themenkontexte mit denen ich mich beschäftige. Ich bin fasziniert von meinen Forschungsobjekten bzw. -themen!

Sie sind die Leiterin des Projektes „Europa von außen gesehen – Formationen nahöstlicher Ansichten aus Europa auf Europa“. Das Projekt untersucht nahöstliche Perspektiven auf Europa in den Berichten von Reisenden vom 19. Jahrhundert bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Wie kam die Idee für dieses Forschungsvorhaben zustande?
Die Idee dazu kam durch meinen Kollegen Dr. Bekim Agai, der jetzt eine Professur an der Goethe-Universität Frankfurt hat. Er hat sich schon im Vorfeld des Projektes intensiv mit orientalischen Reiseberichten auseinandergesetzt. Als die Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für ein Forschungsprojekt mit dem Thema „Europa von außen“ bekannt wurde, hat er ein Konzept dafür erstellt. Wir wollen die heterogenen Bilder von Europa aus der nahöstlichen Perspektive betrachten. Dabei steht die Frage „warum“ im Mittelpunkt. Warum haben die Reisenden aus dem Nahen Osten genau diese Sachen über Europa geschrieben? Welche Funktion erfüllten diese Reiseberichte in der Heimat? Welche narrativen Strukturen lassen sich erkennen?
Bei der Analyse der Reiseberichte arbeitet unsere Projektgruppe mit arabischen, persischen, osmanischen und türkischen Texten.

Dieses Forschungsprojekt wird seit 2010 gefördert. Ist mittlerweile Ihr Forschungsteam zu der Ansicht gelangt, dass man von einer „nahöstlichen Sicht“ auf Europa sprechen kann, oder sind der Nahe und Mittlere Osten kulturell, politisch und historisch betrachtet viel zu heterogen dafür?
Man kann Gemeinsamkeiten an einer nahöstlichen Perspektive auf Europa aufzeigen, aber man muss in der Tat differenzieren. Eine Gemeinsamkeit wäre etwa das Bild von Europa als ein Ort der Zivilisation, des technischen Fortschrittes, der Mobilität.

Das bedeutet, Europa wurde als Modell betrachtet?
Ja, als ein Modell für militärischen und technischen Fortschritt sowie auch für das Bildungssystem. Die politischen Systeme Europas wurden von den Reisenden ebenfalls thematisiert und bewertet. Manch persischer Reisender bewunderte die konstitutionelle Monarchie in England, kritisierte aber das politische System Frankreichs. Dennoch, das Bild von Europa war sehr zwiespältig. Viele ägyptische Reisende etwa haben Europa zwar für moderne Technologien geschätzt, aber es gleichzeitig als Kolonialmacht wahrgenommen, als Unterdrücker.

Wie wurden die Gesellschaftssysteme Europas betrachtet?
Das Gesellschaftssystem ist unterschiedlich bewertet worden, was vor allem damit zusammenhing, aus welcher sozialen Schicht bzw. aus welchem Milieu die Reisenden kamen. Die persönliche, religiöse oder politische Haltung spielt dabei auch eine Rolle. Es gab sehr konservative Reisende, es gab auch Personen, die sehr liberal eingestellt waren. Es gab Reisende, die bei der Betrachtung Europas sagten: „Genauso sollen wir das machen“, es gab aber auch viel Kritik und Ablehnung, im Hinblick auf Moral etwa. Hier muss dann immer geschaut werden, wer die Reisenden waren und welche Funktion die übermittelten Europabilder zu Hause erfüllen sollten.

Überwiegt in diesem Zusammenhang ein bestimmtes Bild von Europa, das durch Europareisende aus dem Nahen Osten geschaffen wurde?
Eine positive Wahrnehmung Europas überwiegt. Man kann das aber nicht an den Ländern festmachen, aus denen die Reisenden kommen. Die soziale Schicht ist wichtig und die Kreise in denen man sich in Europa bewegt hat, nicht unbedingt das Land, aus dem man kommt.

Haben Sie eine Vermutung, inwieweit sich das aktuelle nahöstliche Europabild von dem Europabild der Reisenden aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg unterscheidet?
Es ist sehr viel passiert in den letzten Jahrzehnten – um diese Frage zu beantworten, wäre ein eigenes Forschungsprojekt nötig. Aber meine Vermutung ist, dass bestimmte Sachen unverändert geblieben sind. Auf Deutschland speziell bezogen, ist besonders die Begeisterung der Iraner für die deutsche Technik unverändert geblieben. Auch das Bild der westlichen Frau ähnelt bisweilen nach wie vor den Aussagen von Reisenden des frühen 20. Jahrhunderts, wenig reflektiert und verhaftet in Stereotypen.

Was vermissen Sie in der westlichen medialen Auseinandersetzung mit dem Iran?
Ich vermisse den Willen, sich wirklich ernsthaft damit zu beschäftigen, was dort passiert. Journalisten greifen allzu oft auf Altbekanntes zurück, schließlich ist es einfacher, das zu schreiben, was andere auch schreiben. Das Hauptproblem sehe ich darin, dass man immer noch versucht, die nahmittelöstlichen Gesellschaften durch die Brille der Religion verstehen zu wollen oder Erklärungsansätze für bestimmte Phänomene im Islam zu suchen. Zudem wird zu wenig auf die kulturelle Heterogenität des Raumes und auch des Islam eingegangen. Der Islam in Marokko ist anders als der Islam in Libanon, Iran oder gar Indonesien.

Ihr Forschungsfeld umfasst ebenfalls Genderfragen in der islamischen Welt beziehungsweise in Iran. Was an diesem Forschungsfeld interessiert Sie besonders?
Ich interessiere mich für die Geschichte der Frauenbewegung und für die Kontexte Geschlecht, Macht und Sexualität. Ich finde die Entwicklungen in den jeweiligen Ländern sehr spannend. Bezüglich der iranischen Frauenbewegung interessieren mich die Anfänge der Bewegung, der soziale und politische Kontext, in dem die Bewegung arbeitete und wie sie was erreicht hat.

Gab es bisher Erkenntnisse mit Bezug auf die Frauenrolle in der iranischen Gesellschaft, die Sie überrascht haben?
Eigentlich nicht. Ich hatte von Anfang an kulturelle Einblicke, die andere so vermutlich nicht haben. In meiner Forschung bin ich eher in meiner Wahrnehmung bestätigt worden. Interessant ist, dass mein Publikum oft erstaunt ist, wenn ich durch meine Vorträge zeigen kann, dass die westlichen Stereotypen wenig Bestand haben und dass es unzählige Grauschattierungen zwischen dem Schwarz und Weiß in den Köpfen gibt. Diese Stereotypen sagen mehr über „uns“ aus als über die „anderen“.

Zum Schluss möchten wir Sie noch fragen, ob Sie eine Botschaft für die Bonner Studierenden haben?
Ich möchte meinen Studenten sagen, dass eine längere Reise, ein Semester im Ausland oder eine Sprachreise nie verlorene Zeit sein kann. Ich rate den jungen Studenten, schaut euch die Welt an. Widmet euch der Fremde, reist und redet mit den Menschen!

In Bonn erlebt & In Bonn entdeckt

In Bonn erlebt

Wer ist hier seltsam…?

In Bonn erlebt_sw

Als BewohnerIn einer WG erlebt man fast täglich Kurioses. Meistens bedingt durch die eigenen Mitbewohner. Ich hatte sechs davon…
Im letzten Sommer mache ich mich morgens gegen elf Uhr mit meiner besten Freundin auf den Weg zum Netto nebenan. Das Wetter ist schön, die Sonne scheint. Nach einem Mini-Einkauf entscheiden wir uns an der Kasse noch für ein Wassereis auf die Hand. Als wir in der Schlange stehen, entdecke ich einen meiner Mitbewohner. Barfuß und in Boxershorts und T-Shirt schlendert er durch die Obst-Abteilung. Die Haare verwuschelt, die Augen noch verschlafen klein. Ganz offensichtlich ist er gerade erst aufgestanden. Wir müssen lachen. Draußen vor dem Eingang treffen wir ihn wieder. Er mustert uns, sieht das Wassereis und sagt im Vorbeigehen: „Oh Gott, ihr seid schon seltsam. Zum Frühstück ein Wassereis…“

In Bonn entdeckt

Ein richtiger Geheimtipp ist das „Food from Zanzibar“ in der Wolfstraße in der Altstadt. In gemütlicher Atmosphäre kann man dort ab 17 Uhr ein typisch afrikanisches Essen genießen. Vor allem für eine Kneipentour in der Altstadt ist der Laden perfekt, da es alle Gerichte auch zum Mitnehmen gibt. Bei gutem Wetter kann man sogar draußen sitzen. Auch die Inneneinrichtung ist an das ostafrikanische Land angepasst. Alles ist in warmen Farben gehalten und auch die Musik passt perfekt ins Bild. Die ostafrikanischen Spezialitäten sind geschmacklich eine willkommene Abwechslung. Die Karte bietet vom kleinen Snack über einige vegetarische Gerichte bis hin zu einer großen Auswahl an Fleischgerichten alles, was das Herz begehrt. Besonders beliebt ist das Kuku na Wali Maharage, das aus Hühnchenfilet in Sansibar-Sauce und Kokos-Curry besteht. Auf jeden Fall zu empfehlen ist der Zanziburger, der mit Pommes gereicht wird, die in Masalasauce eingelegt sind. Für den europäischen Gaumen ein absolutes Highlight. Und da kein Gericht mehr als 10 Euro kostet, kann man es sich guten Gewissens bei einem kühlen Mango-Bier schmecken lassen.

Der berühmteste Sohn der Stadt

Du kannst ihm nicht entkommen

Er verfolgt dich, begegnet dir, wenn du am wenigsten damit rechnest: Zack, da ist er wieder mit seiner grimmigen Miene und dem wirren Haar. Und dabei wolltest du nur ganz harmlos die Straße überqueren. Aber nein, da konnte ein Künstler mal wieder nicht umhin, sein Idol an irgendeiner Hauswand zu verewigen. Im Folgenden eine kleine Auswahl künstlerischer Huldigen an das große Genie in Bonn. Auch schon entdeckt? Kein Wunder, lange suchen muss man da nicht.

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