Schlüsselereignisse

Gedanken über Europa und die Demokratie

Was kann man tun für eine bessere Welt? Ist die westliche Demokratie glaubhaft? Und: Sind europäische Werte Heuchelei? Ein prägendes Ereignis regt zum Nachdenken an: über Europa, Demokratie und die Menschen.

Das Studium prägt jeden von uns unterschiedlich. Nach drei oder fünf Studienjahren können wir uns nicht mehr an alles erinnern, was wir erlebt haben, wohl aber an einzelne Schlüsselereignisse. Ein solches Ereignis fand für mich während der Sitzung eines Seminars über internationale Herausforderungen statt. Wir hatten damals die Gelegenheit, mehr über eine Reihe von autokratischen Herrschern aus Afrika und dem Orient zu erfahren. Manche von denen haben in Westeuropa studiert, sind später in ihren Heimatländern Diktatoren geworden, oder haben sogar Völkermord begangen. Der Dozent sagte uns diesbezüglich: „Wer solche Pläne hat, sollte jetzt bitte mein Seminar verlassen.“ Wir haben gelacht, es erhob sich natürlich niemand.

Ein Jahr später gab mir ein Gespräch mit einem Kommilitonen aus dem Ausland Anlass zum Nachdenken. Es gäbe keine europäischen Werte, vielmehr sei das nur Rhetorik und Heuchelei, war die Überzeugung meines Gesprächspartners. In der EU würden zyprische Sparer „demokratisch“ enteignet und die Ausländer als Menschen zweiter Klasse betrachtet. Wo sei denn bitte hier die sogenannte Freiheit, Solidarität und Gleichheit der Menschen zu finden? „Und was heißt schon ‚Demokratie‘, dass jeder das tut, was er will? Soll ich mich deshalb ausziehen und nackt durch Bonn laufen?!“, fragte er mich.

Es waren nicht seine Einstellungen, die mich nachdenklich machten. Das eigentliche Problem dabei ist, dass unsere Einstellungen von den eigenen Erfahrungen und Beobachtungen beeinflusst werden. Die persönlichen Einstellungen können nicht entweder falsch oder richtig sein, sie sind einfach von dem geprägt, was wir erlebt haben.

Dieses Gespräch fand im späten Herbst 2013 statt. Zu der Zeit las man in den Zeitungen, dass ein Dutzend von deutschen Dschihadisten in Syrien unterwegs ist, um dort zu kämpfen. Personen, die sicherlich einigen von uns mal als Nachbarn, Schulkameraden oder spontane Bekanntschaft begegnet sind. Das Bundesinnenministerium zeigte sich besorgt, dass die dorthin eingereisten Personen ideologisiert und kampfbereit nach Deutschland zurückkehren würden.

Mancher könnte sich zurecht fragen: Wie kann es sein, dass Westeuropa die Gelegenheit gehabt hat, bei der Ausbildung zukünftiger Diktatoren mitzuwirken? Wie kann es sein, dass Kommilitonen, die mit uns zusammen studieren, an den Werten Europas zweifeln, und wir das nicht mal wissen? Wie kann es sein, dass Menschen, die in einem demokratischen Land geboren wurden, sich entscheiden, zu den Waffen zu greifen, um diese möglicherweise gegen den Westen zu richten? Offenbar machen wir etwas falsch. Aber was? Ich glaube, wir reden zu wenig miteinander.

Es sind, wie oben erwähnt, die Erfahrungen, die einen prägen und seine Einstellungen beeinflussen. „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“, pflegte ein ehemaliger Student der Uni Bonn zu glauben. Wenn wir miteinander nicht genug reden, wie sollte man in der Lage sein, das Handeln, das Empfinden und die Verwandlung unserer Mitmenschen zu verstehen? Geschweige denn zu wissen, dass jemand Hilfe oder einfach ein gutes Wort braucht. Smalltalk und Oberflächlichkeit sind heute angesagt. Und wenn man so gut vernetzt ist, und fünfzig Leute am Tag trifft, die einem fünfzigmal sagen „Gut, danke, und dir?“, dann ist man am Ende des Tages nicht unbedingt schlauer. Mehr Ehrlichkeit, mehr Interesse füreinander, das brauchen wir.

Eine friedliche, eine bessere Welt braucht Weltbürger und Weltbürgerinnen, die mit offenen Augen durch das Leben gehen. Was bedeutet das? Das bedeutet mehr Interesse für unsere Mitmenschen zu zeigen, mehr miteinander zu reden. Ja, wir versuchen bereits, morgens mit halb offenen Augen unsere Vorlesungen und Seminare zu erreichen, oder auch nicht. Aber, dass unsere Augen nicht wirklich offen sind, zeigen nicht nur die oben erwähnten Beispiele, sondern alles in der Welt, dessen Fortbestehen nicht erwünscht ist: Intoleranz, Gewalt, Extremismus, Krieg.

Vieles auf dieser Welt passiert aus einem erstaunlich simplen Grund: Weil wir es zulassen. Und es ist deutlich einfacher, in unserer Umgebung ehrliches Interesse und Verantwortung für unsere Mitmenschen zu zeigen, als sich später zu fragen, wie denn aus X plötzlich Y geworden ist, wieso man nach Syrien „reisen“ möchte und warum die viel beachtete Demokratie des Westens von Gleichgesinnten infrage gestellt wird.

In prominenter Gesellschaft

Bekannte Gesichter an der Uni Bonn

Seit ihrer Gründung im Jahr 1818 haben Tausende von Studierenden die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität besucht und hier ihr Studium durchlaufen – darunter auch einige prominente Vertreter. Als fleißige Stipendiaten oder als Bummler und Tagträumer haben sie hier ihre Studentenzeit verbracht. Ob nun als Grundlage für ihre Karriere oder als Zwischenstopp auf dem Weg zu anderen Berufungen – zu dieser Zeit war noch nichts entschieden und die späteren Karrieren standen bei den meisten noch in den Sternen. Für alle aktuellen Studierenden, die von Ruhm, Macht oder Prominentendasein träumen, besteht also noch Hoffnung, es ihnen gleich tun zu können. Also ranhalten – vor allem mit Blick auf den bescheidenen Frauenanteil, wären ein paar neue Köpfe in der illustren Gruppe sicher eine erstrebenswerte Sache.

Ihm verdankt die Stadt Bonn den Regierungssitz der Bundesrepublik. Wahrscheinlich hat Konrad Adenauer die Stadt während seines Jura-Studiums an der Rheinischen Friedrich-Wilhems – Universität  lieben gelernt, das er vom vierten Semester an, ab dem Herbst 1985, in hier zu Ende brachte.  Während seiner Zeit als Student war er Mitglied des Katholischen Studentenvereins Arminia in der Kaiserstraße und hörte dort auf den Biernamen „Toni“. Nach sechs Semestern legte er 1897 das erste juristische Staatsexamen mit der Note „gut“ ab. Kein Wunder, dass er die Stadt in schöner Erinnerung behalten hat!

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben schrieb den Text zum Lied der Deutschen, dessen dritte Strophe heute als deutsche Nationalhymne gesungen wird. Das Handwerkszeug für das Verfassen bedeutungsschwerer Texte lernte der spätere Germanistik-Dozent wohl während seines Studiums in Bonn von 1818 bis 1821. Nachdem er sein „Erststudium“ der Theologie in Göttingen noch „mit wenig Geld und Lust“ begonnen hatte, inspirierte ihn die Begegnung mit dem Märchenbruder Jacob Grimm zum Studium der Germanistik und Deutschen Philologie und er wechselte kurz darauf an die frisch gegründete Universität in Bonn. Seit 1819 war er Mitglied der „Alten Bonner Burschenschaft, auch „Allgemeinheit“ genannt, in der seine nationalen Ideale geteilt wurden, die  jedoch deshalb 1820 in Folge der Karlsbader Beschlüsse aufgelöst wurde. 1821 zog Fallersleben weiter nach Berlin.
Er ist vielleicht der weltweit bekannteste Student der Bonner Universität: Karl Marx kam 1835 im Alter von 17 Jahren nach Bonn und studierte hier nach dem Willen seines Vaters Rechtswissenschaften und Kameralistik (ein Verfahren der Buchführung). Er genoss offenbar das „wilde Studentenleben“, zumindest wurde er wegen „nächtlichen Lärmens und Trunken­heit“ verurteilt und es wurde gegen ihn wegen „Tragen eines Säbels“ ermittelt. Außerdem soll er sich in seinem Studienjahr in Bonn einem „poetischen Kränz­chen“ angeschlossen haben, das wegen radikaler politischer Ideen von der Polizei überwacht wurde. Da seine Noten sich nach dem ersten Semester deutlich verschlechterten, musste er auf Druck seines Vaters nach einem Jahr 1836 an die Universität von Berlin wechseln.

Die gleiche Fächerkombination wie Marx hatte auch Heinrich Heine, der 1819 sein Studium in der gerade einmal ein Semester alten Universität Bonn begann. Das Studium wurde dem späteren Dichter und Schriftsteller, der sich zu dieser Zeit noch Harry nannte, von seinem vermögenden Onkel finanziert. Genau wie Fallersleben traf Heine zur Zeit der vormärzlichen Studentenbewegung in Bonn ein und schloss sich ebenfalls im Jahr seiner Immatrikulation der Verbindung „Allgemeinheit“ an, in der seine Ansichten geteilt wurden und an deren Ausflügen er teilnahm. Wegen seiner Teilnahme an einem Fackelzug ins Siebengebirge zum Gedenken der Völkerschlacht von Leipzig, wurde er durch das akademische Gericht der Bonner Universität verhört. Da sowohl die Rechts- wie auch die Kameralwissenschaften ihn nicht sonderlich interessierten, belegte er im ersten Semester nur die eine juristische Pflichtvorlesung. Viel mehr interessierten ihn hingegen die Geschichte der Deutschen Sprache und die Poesie, die Geschichte des Deutschen Reiches und Literaturwissenschaften, in denen er Vorlesungen bei August Wilhelm Schlegel und Ernst Moritz Arndt besuchte. Im Wintersemester 1820 wechselte er an die Universität nach Göttingen.

Zu den großen Namen, mit denen die Universität Bonn sich rühmen kann, gehört auch der Philosoph und Philologe Friedrich Nietzsche, der als 20-Jähriger im Wintersemester 1864/65 sein Studium der klassischen Philologie und evangelischen Theologie hier begann. Die Burschenschaft Frankonia verließ er bereits nach einem Jahr wieder, da ihm das Verbindungsleben nicht zusagte, genauso wie sein zweites Studienfach Theologie, das er nach dem ersten Semester abbrach und sich ganz der klassischen Philologie widmete. Da Nietzsche mit seiner Lage in Bonn generell unzufrieden war, wechselte er schon 1865 mit seinem Philologieprofessor nach Leipzig.

Auf der langen Liste der prominenten Absolventen der Bonner Uni ist Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles eine der wenigen Frauen. Sie begann 1990 ein Studium der Politikwissenschaft, Philosophie und Germanistik, das sie nach 20 Semestern als Magistra Artium beim heutigen Rektor der Universität Jürgen Fohrmann abschloss. Während ihres Studiums war sie bereits für einen Bundestags­abgeordneten tätig und war zudem von 1995 bis 1999 Bundesvorsitzende der Jusos. 2004 begann sie noch ein Promotionsstudium in Germanistik, welches sie jedoch 2005, wegen ihrer Tätigkeit im Bundestag, einstellte.

Mit 18 Jahren nahm 1877 der Prinz und spätere Kaiser Wilhelm II. an der von seinem Großvater gegründeten Universität in Bonn sein Studium auf. Wilhelm, der keinen akademischen Abschluss machen, sondern sich hauptsächlich ein Grundlagenwissen aneignen sollte, studierte hier vier Semester lang und besuchte dabei Veranstaltungen in Staats- und Völkerrecht, Nationalökonomie, Philosophie, Kunstgeschichte, Germanistik, Archäologie, allgemeiner Geschichte und auch in Physik und Chemie. 1878 wurde er Corpsschleifenträger der schlagenden Studentenverbindung Borussia Bonn, bei der er von da an den Großteil seiner Zeit verbrachte. Zum Unmut seiner Mutter, die angeblich vermerken ließ: „Zum nachhaltigen Arbeiten müßte man Wilhelm anhalten – da er von Natur aus ein solcher Bummler und Tagedieb ist.“ Wilhelm hingegen empfand seine Studienzeit in Bonn als die unbeschwerteste Zeit seines Lebens und rühmte später die Mitgliedschaft bei den Borussen als die „beste Erziehung, die ein junger Mann für sein späteres Leben bekommen kann.“  Mit Blick auf die historischen Folgen ein Urteil, das heute wohl angezweifelt werden darf.

Nicht schön, aber wahr: Auch Joseph Goebbels, der Reichspropagandaleiter im Dritten Reich, war 1917 bis 1918 Student der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität. Dort immatrikulierte er sich für die Fächer Altphilologie, Germanistik und Geschichte. Er war Mitglied der katholischen Studentenverbindung Unitas und erhielt vom Albertus- Magnus-Verein auch eine Art Stipendium. 1918 wechselte Goebbels über die Universitäten Freiburg, Würzburg und München nach Heidelberg, wo er 1922 promovierte.

Auch der bekannteste bekennende Bonner Guido Westerwelle absolvierte dort ab dem Jahr 1980 sein Studium der Rechtswissenschaften. Im gleichen Jahr trat der FDP bei und gehörte zu den Mitbegründern der Jungen Liberalen, deren Bundesvorsitzender er ab 1983 war. 1987 beendete er sein Studium mit dem juristischen Staatsexamen. Nach dem Referendariat am Amts- und Landgericht Bonn folgte 1991 sein zweites juristisches Staatsexamen.
Ulrich Wickert, der als Mr. Tagesthemen bekannt wurde, begann nach seinem Abitur 1961 ein Jurastudium in Bonn. Hier engagierte er sich unter anderem als AStA-Sportreferent und gründete das Ballettstudio der Universität. 1962 ging er mit einem Fulbright-Stipendium in die USA, wo er begann, sich für Politische Wissenschaften zu interessieren und sein bisheriges Berufsziel Diplomat verwarf. Nach seiner Rückkehr nach Bonn legte er daher seinen Schwerpunkt auf die Politikwissenschaften und schloss 1968 sein Studium mit dem Staatsexamen ab. Durch Zufall gelang ihm kurz später der Einstieg in den Fernsehjournalismus. Um 1966 schrieb Wickert außerdem für die akut-Redaktion.

Ein Studium an der Universität Bonn scheint ein gutes Sprungbrett für eine Karriere bei den Tagesthemen zu sein: Auch Wickerts Nachfolger Tom Buhrow, der die Sendung von 2006 bis 2013 moderierte, hat in der damaligen Bundeshauptstadt studiert, und zwar Geschichte, Politikwissenschaften und (man lese und staune) Rheinische Landeskunde. Dass er Journalist werden wollte, wusste er bereits nach seinem Abitur 1978, sodass er schon während seines Studiums für die Lokalredaktion des Bonner Generalanzeigers in Siegburg arbeitete. Sein Studium schloss er 1984 mit dem Magisterexamen ab und begann kurz darauf sein Volontariat beim WDR.

Auch Konrad Duden, der Vater des nach ihm benannten Rechtschreib-Wörterbuchs der deutschen Sprache, studierte ab 1846 vier Semester Geschichte, Germanistik und klassische Philologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. In dieser Zeit war auch er Mitglied der Studentenverbindung Germania. Nach vier Semestern brach er sein Studium jedoch ab, vermutlich aus finanziellen Gründen und wurde Hauslehrer. 1854, also sechs Jahre später, holte er mit besonderer Genehmigung, und vermutlich mit einer sanierten Haushaltskasse, sein Staatsexamen in Bonn nach.
Die beiden Comedians und Schauspieler Bastian Pastewka und Bernhard Hoëcker waren bereits während ihrer Studienzeit in Bonn befreundet und machten gemeinsame Auftritte als „Comedy Crocodiles“. Pastewka begann 1992 nach seinem Zivildienst ein Studium der Pädagogik, Germanistik und Soziologie, verließ die Uni aber bereits 1993 ohne Abschluss. Hoëcker studierte von 1993 bis 1996 Volkswirtschaftslehre bis zum Vordiplom (vergleichbar mit dem Bachelor-Abschluss), bevor auch er sich voll und ganz seiner Bühnentätigkeit widmete.

Bekannte Söhne der Alma Mater (I)

Interview mit Günter Verheugen

Die Uni Bonn hat viele berühmte Söhne. Einer davon ist Günter Verheugen, ehemaliger EU-Kommissar und ex-Vizepräsident der Europäischen Kommission. Im Interview mit der akut spricht er über Politik und Demos im Hofgarten.

Guten Tag, Herr Verheugen. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben!
Sie haben an der Universität Bonn Politische Wissenschaft, Soziologie und Geschichte studiert. Heute haben viele junge Leute Probleme, sich für ein Studienfach zu entscheiden. Ging es Ihnen so ähnlich oder war Ihre Fächerkombination sozusagen Ihre Berufung?

Nein, überhaupt nicht! Ich hab das studiert, worauf ich Lust hatte! Einen Beruf hatte ich zu der Zeit übrigens schon gelernt. Ich war bereits ausgebildeter Redakteur und meine Absicht war natürlich, nach dem Studium zu diesem Beruf zurückzukehren. Ich wollte eine journalistische Karriere machen.

Das heißt also, dass Sie gar nicht in die Bundeshauptstadt Bonn gekommen waren, um in die Politik zu gehen?

Überhaupt nicht! Ich war zwar zu der Zeit schon politisch tätig; ich war aktiv bei den Jungdemokraten – das war damals die Jugendorganisation der FDP – aber  die Idee, dass die Politik mein Beruf werden könnte, hatte ich während meines Studiums nicht.

Und wie ist Ihnen dann der Einstieg in die Politik gelungen?

Gelungen gar nicht, das kam auf mich zu! Ich saß im Politikwissenschaftlichen Seminar in dieser alten Villa in der Lennéstraße , eines Nachmittags Ende Oktober 1969, und da kam die Sekretärin von Professor Bracher, dem Professor damals, ganz aufgeregt herein und fragte: „Ist hier ein Verheugen? Da ist der Minister am Telefon.“  Am Telefon war Genscher. Der war gerade Innenminister geworden, und er sagte: „Können Sie morgen mal bei mir vorbeikommen? Ich hab was mit Ihnen zu besprechen.“  Und da machte er mir das Angebot, für ihn im Bundesinnenministerium zu arbeiten.

Und wie haben Sie reagiert?

Ich sagte, dass das nicht ginge, weil ich noch an meiner Doktorarbeit schrieb und die erstmal fertig werden sollte. Doch er antwortete: „Ach, das machen Sie doch nebenbei und außerdem dauert diese Regierung nicht so lange und mit mir machen Sie eine einmalige Erfahrung.“ Und so habe ich mich rumkriegen lassen. Aber diese beiden Annahmen – einen Doktor nebenbei und eine kurzlebige Regierung – waren beide grundfalsch.

Wie war Genscher denn auf Sie aufmerksam geworden?

Er kannte mich schon durch meine politische Arbeit. Aber weshalb er glaubte, dass ich der richtige Mann für seine Öffentlichkeitsarbeit war, weiß ich bis heute nicht. Aber es hat funktioniert.

Sie haben ja Ende der Sechziger hier in Bonn studiert. Das waren sicher wilde und sehr politische Zeiten. Wie war es in den 1968ern an der Uni?

Ich war nicht aktiv in der Studentenbewegung. Ich hab mich auch nie mit Hochschulpolitik beschäftigt oder für den AstA kandidiert. Ich war sehr aktiv, aber auf einem anderen Feld. Deshalb ging das, was an der Uni politisch abging, zwar nicht an mir vorbei, ich war aber kein direkter Teil davon. Beeinflusst hat es mich sehr – wie alle zu dieser Zeit – aber es war nicht so, dass ich zu dem, was man damals APO nannte (Außerparlamentarische Opposition, Anm. der Red.) dazugehörte. An Demonstrationen hat man natürlich teilgenommen, das gehörte sich so. Zum Beispiel gegen die Notstandsgesetze.

War das die große Demo im Hofgarten?

Ja, da waren viele. Es war ein Riesenrummel. Bald zogen Demonstrationszüge durch die ganze Stadt. Das verteilte sich dann hinterher. Jedenfalls landete ich am Ende mit ein paar tausend anderen vor dem Innenministerium in der Rheindorferstraße. Da standen wir und haben skandiert: „Benda“, also der damalige Innenminister, „wir kommen“. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich wenig mehr als ein Jahr später da drin sitze, hätte ich ihn ausgelacht.

Mittlerweile sind Sie ja selbst Honorarprofessor und sehen das universitäre Geschehen aus der anderen Perspektive. Was fällt Ihnen denn an der heutigen Situation im Vergleich zu damals auf?

Ich habe mich anfangs sehr schwer getan, die neue Zeit vollständig zu begreifen. Das Studium ist heute ganz anders. Es ist viel reglementierter. Die Studierenden müssen viel konzentrierter arbeiten. Die Leistungsnachweise sind viel strenger als das zu meiner Zeit war. Insgesamt ist mein Eindruck, dass das Studium heute viel mehr der direkten Vorbereitung auf einen Beruf dient, als das zu meiner Zeit noch der Fall war.

Würden Sie bezüglich der Studierenden der Aussage zustimmen, dass die heutige Generation eine unpolitische Generation ist?

Nein. Also ich habe natürlich auch einen Masterstudiengang in Politischer Wissenschaft, bei denen sollte man annehmen, dass sie sich dafür interessieren. Niemals habe ich den Eindruck gehabt, dass wir eine unpolitische junge Generation haben. Sie ist anders politisch. Sie hat andere Ausdrucksformen und sie will nicht in Parteimühlen zermahlen werden.

Sie waren auch lange Jahre als EU-Kommissar und stellvertretender EU-Kommissionspräsident in Brüssel tätig. Eine Karriere in der EU ist heute das Ziel vieler Politikstudenten.  Was können Sie solchen Studierenden raten?

Das stimmt, aber eine Karriere in den europäischen Institutionen ist schwierig. Wer dort Beamter werden möchte, muss durch ein sehr hartes Auswahlverfahren gehen. Dreisprachigkeit ist dort heute gefragt, Englisch und Französisch sind ein Muss. Die Konkurrenz ist riesig, im Augenblick haben Deutsche auch nicht die allerbesten Chancen.

Warum?

Weil immer noch ein personeller Nachholbedarf aus neuen Mitgliedsländern besteht.  Also sollte sich niemand ausschließlich auf EU-Institutionen fixieren, wenn der künftige Arbeitsort in Brüssel sein soll. Es gibt auch andere Möglichkeiten in Brüssel: unendlich viele Institutionen, Verbände, Consultancies, Think Tanks,…

Haben Sie selbst denn in Ihrem Studium schon Schwerpunkte in Internationalen Beziehungen oder Europa gelegt?

Nein, Europa war damals nicht mein Thema. Ich muss auch ehrlich gestehen, dass mich das damals nicht sonderlich interessiert hat. Ich fand während des Studiums Internationale Beziehungen viel spannender. Das hat sich später als ein Vorteil erwiesen, weil ich ja auch noch ein paar Jahre im Auswärtigen Amt war. Erst in den Neunziger-Jahren packten mich europäische Fragen so richtig.

Sie haben selbst eine Vielzahl an wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht und sind ja auch letztendlich an die Universität zurückgekehrt. Was liegt Ihnen näher? Angewandte Politik oder Politische Wissenschaft?

Ich war mit Leib und Seele Politiker, aber als ich vor vier Jahren in Brüssel aufhörte, entschied ich, meine aktive politische Zeit zu beenden. Ich wollte mich jedoch nicht völlig zurückziehen, sondern es reizte mich, mein Wissen an Studenten weiterzugeben. Wenn Sie mich aber fragen, was leichter ist, Politik oder Wissenschaft, kriegen Sie eine klare Antwort: Es ist wesentlich einfacher, über Politik zu schreiben, zu reden, sie zu analysieren und Politiker zu kritisieren, als Politik selber zu machen. Das ist sehr viel schwerer.

Eine letzte Frage: Was ist Ihnen bei Ihrer Studienzeit in Bonn am schönsten in Erinnerung geblieben?

Die Freiheit! Das können Sie sich wahrscheinlich heute so nicht  vorstellen. Das Studium bot große Freiheiten, vielleicht sogar zu viele Freiheiten. Ich hätte etwas zielbewusster arbeiten können, aber ich habe dafür alles Mögliche außerhalb meiner eigenen Fächer gehört, weil es mich schlicht interessierte. Das war sehr bereichernd und ich bin froh, dass ich das machen konnte. Zudem war und ist Bonn wirklich eine sehr schöne Stadt. Ja, meine Studienzeit war toll!

Vielen herzlichen Dank für das Interview, Herr Verheugen!

Zur Person

Günter Verheugen, Jahrgang 1944, war von 1999 bis 2004 EU-Kommissar für Erweiterung, von 1999 bis 2010 EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie und Vizepräsident der Europäischen Kommission. Er studierte nach einer Redakteursausbildung zwischen 1965 und 1969 in Köln und Bonn Politische Wissenschaft, Soziologie und Geschichte. Direkt nach seinem Studium wurde er Referatsleiter für Öffentlichkeit im Bundesinnenministerium unter Hans-Dietrich Genscher, mit dem er später ins Bundesaußenministerium wechselte. 1982 trat der FDP-Politiker aus seiner Partei aus, nachdem diese die sozial-liberale Koalition beendet und eine neue Koalition mit der CDU eingegangen war. Noch im selben Jahr wechselte Verheugen zur SPD. Seit seinem Rückzug aus der Politik im Jahr 2007 ist Günter Verheugen Honorarprofessor für Europäisches Regieren an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.

E-Learning – Uni am Computer

Für uns Digital Natives optimal. Oder?

E-Learning ist im Kommen. Wir fragen: Wie sinnvoll sind die neuen Methoden, und müssen wir beim E-Learning nicht auch auf etwas verzichten?

Zunächst etwas Input: Was ist E-Learning überhaupt? Michael Kerres, Pionier des E-Learnings im deutschsprachigen Raum, definiert E-Learning als „Lernangebote, bei denen digitale Medien für die Präsentation und Distribution von Lerninhalten und / oder zur Unterstützung zwischenmenschlicher Kommunikation zum Einsatz kommen.“
Es gibt unterschiedliche Arten des E-Learnings, wobei an deutschen Hochschulen vor allem das sogenannte „Blended Learning“ praktiziert wird – eine Kombination aus Präsenzvorlesungen und virtuellen Lerneinheiten.
Auch an der Universität Bonn gibt es Aktivitäten in diesem Bereich. In Zusammenarbeit mit dem Bund-Länder-Programm „Qualitätspakt Lehre“ entwickelt und erweitert die Universität momentan den differenzierten Einsatz von E-Learning-Angeboten, vor allem in Form des Blended Learnings. Mit der didaktischen und elektronischen Aufbereitung von beispielsweise E-Klausuren oder digitalen Lehr- und Lernmedien ist das Team der eCampus-Plattform beauftragt.
Das Ziel des E-Learning-Angebots sieht Pressesprecher Dr. Andreas Archut darin, „einen hohen Qualitätsstandard zu erreichen“.
Voraussichtlich zum Sommersemester 2014 sollen Aufzeichnungen von Vorlesungen in erste Veranstaltungen versuchsweise integriert werden, die technischen Vorbereitungen dazu befinden sich in der Umsetzungsphase.
Noch weiter gehen Universitäten, die sich dafür entscheiden, ihre Lehrangebote in Form von sogenannten Massive Open Online Courses (Moocs) öffentlich zu machen, sodass nicht nur ihre eigenen Studierenden, sondern ein quasi unbeschränkter Interessentenkreis kostenlos darauf zugreifen kann. Vorreiter dabei sind ausgerechnet die Eliteuniversitäten Stanford und Harvard, deren Kurse normalerweise nur einer ausgewählten und begüterten Minderheit zugänglich sind. Auf der Internetseite www.edx.org kann jeder kostenlos auf Vorlesungen der besten Universitäten der Welt zugreifen, sich anschließend beim sogenannten Peer-to-peer-Learning mit anderen Teilnehmern austauschen und am Ende des Moocs sogar eine Prüfung mit Zertifikat ablegen.

 

Pro

E-Learning ist voll cool

Digitale Formen des Lernens sind in einer Zeit, in der das Internet uns überallhin begleitet und viele auch im Hörsaal konstant online sind, nur ein logischer Schritt.
Formen des E-Learnings bieten verschiedene Vorteile und können den Uni-Alltag erheblich erleichtern. Vor allem wenn Präsenzveranstaltungen aus welchen Gründen auch immer nicht besucht werden können, bieten digitale Vorlesungen eine gute Möglichkeit zur Nacharbeit. Ob im Krankheitsfall, bei Veranstaltungsüberschneidungen, bei Studierenden mit Kind oder Jobs mit festen Arbeitszeiten – Onlinekurse sorgen für eine freiere Zeiteinteilung und mehr Flexibilität.
Auch wenn man konkrete Teile einer Vorlesung nicht gleich beim ersten Hören verstanden hat oder vor der Klausur noch einmal wiederholen und die Mitschriften vervollständigen will, können Lernangebote im Internet sehr nützlich sein.
Genau wie mit freiwilliger Anwesenheit wird auch durch die Möglichkeit, online zu lernen, den Studierenden Selbstständigkeit und Eigenverantwortung im Studium zugetraut.
Universitäten können durch die neuen Methoden darüber hinaus Kosten für Personal und Räume sparen.
Gleichzeitig bieten online abrufbare Vorlesungen die Möglichkeit der Evaluation. Denn wenn eine Vorlesung eloquent und inhaltlich gut gemacht ist, geht man auch gerne hin, während hingegen langweilige und schlechte Veranstaltungen in nicht-virtueller Form so oder so im Laufe des Semesters immer leerer werden. Wenn sie online zugreifbar wären, ließe sich wenigstens herausfinden, ob es sich um ein generelles Desinteresse der Studierenden handelt oder ob die Massenabwesenheit wegen anderer Verpflichtungen zustande kommt und die Veranstaltung zumindest nachgehört wird.
Über das eigene Fach hinaus kann man über freie Vorlesungen aber auch in andere Fachgebiete hineinhören und sich so – wie von den Unis so oft gefordert – „über den Tellerrand“ hinaus bilden und zudem auch Themen vertiefen, die an der eigenen Uni überhaupt nicht angeboten werden.
Dozenten verschiedener Unis können vom Material anderer profitieren und interessierte Studierende sowie Wissbegierige aller Art können durch die digitale Lehre nicht nur ihr eigenes Studium vertiefen, sondern sogar in anderen Fachgebieten auf Vorträge auf hohem Niveau zugreifen und sich somit selbstständig weiterbilden.

Contra

Mehr Zwischenmenschlichkeit wagen!

Was wäre das für ein Studium, wenn es darin bestünde, alleine am Schreibtisch zu sitzen und auf einen Bildschirm zu starren, auf dem irgendein Professor, den du noch nie persönlich getroffen hast, seinen Stoff runterspult, und zwar für dich und tausend andere Mitstudierenden, die du aber nicht kennst, weil sie an ihren Computer gefesselt sind, vielleicht am anderen Ende Deutschlands?
Das ist natürlich übertrieben. E-Learning bedeutet nicht, dass jede Universität zur Fernuni wird. Dadurch dass ein großer Teil der Lern- und Lehrmaterialen sowie ganze Vorlesungen über das Internet verfügbar sind, besteht die Gefahr der Isolation jedoch durchaus. Keine gemeinsamen Vorlesungsbesuche mit Kommilitonen, keine Gruppenarbeiten, keine Referate. Vor allem problematisch dabei ist, dass durch mangelnden persönlichen Kontakt und Austausch Fragen ungeklärt und Missverständnisse vielleicht sogar unbemerkt bleiben. Die Studierenden werden überfordert mit einem Überangebot an Materialen und Dateien, während die Professoren in schwach bis gar nicht besetzten Hörsälen referieren.
Zu befürchten ist außerdem, dass E-Learning-Materialen vor allem technisch und weniger didaktisch aufgearbeitet werden. Für manche Fächer und Inhalte ist E-Learning zudem schlichtweg ungeeignet, beispielsweise für das Erlernen mündlicher Fremdsprachenkompetenz.
Hinzu kommt, dass E-Learning ein hohes Maß an Selbstdisziplin, Eigenmotivation und Zeitmanagement erfordert. Obwohl das natürlich Grundvoraussetzungen im Studium sein sollten, können zeitunabhängig abrufbare Materialien die unter Studierenden sowieso schon weit verbreitete Aufschiebe-Mentalität zusätzlich fördern.
Für die meisten jungen Studierenden ist die Medienkompetenz, die E-Learning-Angebote fordern, zwar kein Problem, ältere (Gast-)Hörer könnten daran jedoch scheitern und würden so von der Weiterbildungsmöglichkeit ausgeschlossen.
Die Einführung von E-Learning-Angeboten erfordert zudem anfänglich hohe finanzielle und zeitliche Investitionen.

Das Haus, das Verrückte macht

Die Leiden des Magisters K.

Nach dem abgeschlossenen Magisterstudium promovieren – eigentlich kein Problem. Dumm nur, wenn die Bürokratie und die Bologna-Reform dazwischenfunken.

Donnerstag, 12.7.2012:
Ich erhalte mein Magisterprüfungszeugnis. Da ich promovieren will, bleibe ich eingeschrieben.

Wintersemester 2012/13:
Ich einige mich mit Herrn Professor Dr. B. auf ein Thema für meine Dissertation, erarbeite eine Gliederung derselben und beginne mit den Recherchen.

Donnerstag, 14.2.2013:
Ich überweise den Sozialbeitrag für das Sommersemester 2013. Nichts deutet auf irgendeine Abweichung vom altgewohnten Prozedere hin.

März 2013:
Ich warte auf die üblichen Unterlagen (Studentenausweis etc.) für das Sommersemester.

Dienstag, 26.3.2013:
Die Unterlagen sind noch nicht angekommen. Voll Misstrauen gegen die Post suche ich das Studentensekretariat auf, um nachzufragen. Man teilt mir mit, dass die Magisterstudiengänge ausgelaufen sind und ich daher vor der Wahl stehe, mich exmatrikulieren zu lassen (und mein Geld zurückzuerhalten) ODER mich in Evangelische Theologie umschreiben zu lassen, das letzte Fach, in dem es den Magisterstudiengang noch gibt. Tue ich keins von beidem, werde ich am 1. April (offizieller Semesterbeginn) automatisch exmatrikuliert, erhalte aber den Sozialbeitrag NICHT zurück (bis auf den Anteil für das Semesterticket, auf Antrag beim AStA). Dies wäre auch (ohne Vorwarnung!) geschehen, wenn ich mich nicht bzw. erst nach dem 1. April erkundigt hätte. Da ich als katholische Karteileiche das Ansinnen, mich – und sei es nur pro forma – für Evangelische Theologie einzuschreiben merkwürdig finde, erbitte ich Bedenkzeit.

Mittwoch, 27.3.2013:
Ich bin wieder im Studentensekretariat und teile meinen Wunsch mit, in Evangelische Theologie umgeschrieben zu werden. Da die normale Einschreibefrist längst verstrichen ist, kostet mich dies fünf Euro Verspätungsgebühr. Man schickt mich zum Bezahlen zur Universitätskasse. Die Universitätskasse schickt mich zurück ins Studentensekretariat, um ichweißnichtmehrwasfüreinformular zu holen. Ich gehe ins Studentensekretariat, hole ichweißnichtmehrwasfüreinformular, gehe damit zur Universitätskasse und darf bezahlen. Anschließend begebe ich mich gemäß den Anweisungen des Studentensekretariats zur Evangelisch-Theologischen Fakultät. Sie ist nicht zugänglich, Kontakt mit den Insassen nur über eine Sprechanlage möglich. Eine Frauenstimme teilt mir mit, ich solle morgen wiederkommen.

Donnerstag, 28.3.2013:
Ich stehe wieder vor der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Eine Männerstimme erklärt mir, ich sei falsch informiert worden, Sprechzeiten seien Dienstags und Freitags, diesen Freitag aber nicht, da es Karfreitag sei. Ich gehe ins Studentensekretariat, erzähle meine Geschichte und erhalte die gewünschten Unterlagen. Auf dem Studentenausweis steht „Angestr. Abschluß* Magister Theologiae – Studienfach Evang. Theologie – Fsem. 1“. Die Einschreibung bei der Evangelisch-Theologischen Fakultät könne ich im Laufe des Semesters nachholen, angeblich hat man mir dies bereits so erklärt. Wenn ich die Betreuungsvereinbarung mit meinem Dozenten habe, soll ich wiederkommen und mich in den Promotionsstudiengang umschreiben lassen.
*sic

Dienstag, 23.4.2013:
Professor Dr. B.s erste Sprechstunde im Semester. Ich erfahre, dass es die fraglichen Formulare im Internet auf der Dekanatsseite gibt, ich solle sie ausfüllen und zum Unterschreiben in die nächste Sprechstunde bringen.

Dienstag, 30.4.2013:
Die Sprechstunde fällt wegen Krankheit aus.

Dienstag, 7.5.2013:
Der genesene Professor Dr. B. unterschreibt die Betreuungsvereinbarung und den Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase.

Mittwoch, 8.5.2013:
Ich will den Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase im Dekanat abgeben, erkenne aber zuvor, dass ich den als Anlage geforderten Nachweis über ein abgeschlossenes Studium (=Magisterprüfungszeugnis) vergessen habe mitzunehmen. Gut, mein Fehler, aber wie töricht müsste ein Dozent sein, einen Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase zu unterschreiben, wenn er nicht WEISS, dass der Student das Studium abgeschlossen hat??? Ein bisschen mehr Vertrauen der Universität zu den eigenen Professoren könnte sicher nicht schaden.

Donnerstag, 9.5.2013:
Christi Himmelfahrt.

Dienstag, 14.5.2013:
Ich suche das Studentensekretariat auf und zeige meine Betreuungsvereinbarung vor. Man teilt mir mit, die Mitarbeiterin, die mir gesagt hatte, die Unterschrift des Betreuers genüge, um mich in den Promotionsstudiengang umzuschreiben, arbeite nicht mehr hier. Ich bräuchte auch die Unterschrift des Dekanats. Dass ich im Falle meiner automatischen Exmatrikulation mein Geld nicht zurückbekommen hätte stimme auch nicht, da sei ich falsch informiert worden. Ich schlage die Wartezeit (Sprechstunde des Studentensekretariats 10-12 Uhr, des Dekanats 14-15 Uhr) tot und suche das Dekanat auf, wo ich ja ohnehin meinen Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase abgeben muss (das Zeugnis habe ich diesmal dabei). Im Dekanat teilt man mir nach einem Blick auf das Zeugnis mit, die Zulassungsgrenze zur Promotion von 2,5 gelte nicht nur für die Gesamtnote der Magisterprüfung (2,3), sondern AUCH für die Note der Magisterarbeit (3,1). Da diese schlechter sei, müsse ich einen Antrag an den Promotionsausschuss schreiben, um eine Ausnahmegenehmigung zu erbitten. Auch eine Befürwortung des Betreuers sei nötig. Ich verabschiede mich perplex. Zu Hause durchforste ich noch einmal die Promotionsordnung, die ich mir längst besorgt hatte. Dort heißt es in § 7, Abs. 2: „Ein qualifizierter Abschluß* im Sinne von Abs. 1 liegt vor, wenn mindestens die zweitbeste Note erreicht wurde.“
*sic

Abläufe der Universitätsbürokratie (vereinfachte Darstellung).

Abläufe der Universitätsbürokratie (vereinfachte Darstellung).

Donnerstag, 16.5.2013:
Ich besuche das Master- und Doktorandencolloquium von Professor Dr. B. und erkläre ihm anschließend die neue Situation. Er ist bereit, die Befürwortung zu schreiben, ich könne sie am Dienstag in seinem Sekretariat abholen. Mein eigener Antrag könne formlos sein. Eine Bemerkung meinerseits über die Promotionsordnung kommentiert er mit einem resigniertem: „Papier ist geduldig.“

Dienstag, 21.5.2013:
Ich bekomme in Professor Dr. B.s Sekretariat einen an den Prodekan addressierten Briefumschlag ausgehändigt. Das Dekanat hat bis zum 27.5. Pfingstferien.

Montag, 27.5.2013:
Ich gebe im Dekanat meinen Antrag auf Ausnahmegenehmigung, den Briefumschlag von Professor Dr. B., den Antrag auf Zulassung zur Qualifikationsphase, die Betreuungsvereinbarung und eine Kopie meines Magisterprüfungszeugnisses ab. Man nimmt alles freundlich entgegen und teilt mir mit, dass der Promotionsausschuss das nächste Mal am 1. Juli tagt; ich werde dann so bald wie möglich informiert.

Donnerstag, 4.7.2013:
Noch keine Benachrichtigung. Ich wende mich nach dem Doktorandencolloquium an Professor Dr. B.; er weiß auch noch nichts, vermutet Überlastung des Dekanats wegen einer Fakultätssitzung und nimmt an, dass die Benachrichtigung „heute oder morgen“ in der Post ist. Dass der Antrag abgelehnt würde, kann er sich „eigentlich nicht vorstellen.“

Montag, 8.7.2013:
Immer noch keine Benachrichtigung. Ich suche das Dekanat auf. Man teilt mir mit, die Promotionsausschusssitzung sei leider auf Oktober verschoben worden, möglicherweise fände sie aber auch früher statt. Ich würde dann informiert.

Dienstag, 9.7.2013:
Ich suche das Studentensekretariat auf. Man erklärt mir, ich könne auch für das nächste Semester Magisterstudent in der Evang. Theologie bleiben und mich dann auch rückwirkend in den Promotionsstudiengang einschreiben lassen. Immerhin!

Donnerstag, 5.9.2013:
Die Unterlagen für das Wintersemester 2013/14 kommen an. Immerhin. Ich bin nun also Evangelischer Theologe im 2. Fachsemester.

Montag, 14.10.2013:
Beginn des Wintersemesters. Noch keine Nachricht vom Promotionsausschuss.

Montag, 4.11.2013:
Immer noch nichts. Ich suche das Dekanat auf, es hat geschlossen.

Dienstag, 5.11.2013:
Ich suche das Dekanat auf. Man teilt mir mit, die Promotionsausschusssitzung habe noch nicht stattgefunden, sie fände aber „definitiv“ am 13. November statt, „also nächste Woche“ (die Dame muss mir angesehen haben, dass mir auf der Zunge lag zu fragen: „13. November welchen Jahres?“). Ich würde dann sofort informiert.

Montag, 18.11.2013:
Nach wie vor keine Benachrichtigung. Ich suche das Dekanat auf, „Guten Tag, K. ist mein Name, ich war vor zwei Wochen…“ „Ist angenommen!“ Die schriftliche Bestätigung bekomme ich wegen Computerproblemen in einer Woche. „Aha. Na ja,“ sage ich, „nach sechs Monaten kommt es da jetzt auch nicht mehr drauf an.“ „Genau!“, antwortet die Dame und lächelt so freundlich, dass ich kurz nach Verlassen des Dekanats den Impuls verspüre, zurück zu gehen und zu sagen: „Entschuldigen Sie bitte vielmals, es waren ja nur fünfeinhalb! Nichts für ungut!“ Ich tue es dann aber doch nicht – und das erweist sich als richtig, denn:

Montag, 2.12.2013:
Noch keine Benachrichtigung. Ich suche das Dekanat auf. An seiner Tür hängt ein Zettel (wörtlich): Am Freitag, 29.11.2013 ist das Promotionsbüro geschlossen. Am Montag, 02.12.2013 fällt die Sprechstunde aus.

Dienstag, 3.12.2013:
Ich suche das Dekanat auf. Ich erfahre, das der Dekan letzte Woche nicht da war, mein Antrag jetzt aber „zur Unterschrift bereit liegt.“ Ich hätte gedacht, dass er (der Antrag) das schon seit dem 27.5. tut (siehe oben), aber gut…

Samstag, 7.12.2013:
DIE PROMOTIONSBESTÄTIGUNG TRIFFT EIN! Ich will mich gewiss nicht beklagen, aber warum datiert die Unterschrift des Dekans auf den 29.11.2013?

Montag, 9.12.2013:
Ich suche das Studentensekretariat auf. Fünf Minuten später verlasse ich es im 1. Fachsemester des Promotionsstudienganges Geschichte. Mein Theologen-Ausweis wird einbehalten.

FINIS

Probieren vorm Studieren

Student for one week oder gleich student for life?

Die Schule ist aus – nun heißt es: Raus in die Welt! Ein Studium verspricht spannende Möglichkeiten, sich selbst zu erleben. Neue Stadt, neue Leute, neuer Schwung – doch wohin eigentlich? Viele SchülerInnen sind mit diesen Fragen zum Ende ihrer Schulzeit überfordert.

Der Erziehungswissenschaftler Wilhelm Heitmeyer spricht davon, dass die Entscheidungsfreiheit moderner Gesellschaften gleichzeitig auch Entscheidungszwänge mit sich bringt. Das erleben auch viele Schüler und Schülerinnen so, die Angebote der Schulen bieten da keine finale Lösung an. Trotz Versuchen, Schule und Hochschule besser zu vernetzen und das häufige Gefühl der Orientierungslosigkeit zu verringern, liegt die Studienabbruchquote an deutschen Hochschulen im Jahr 2010 bei 28 Prozent. Solche Zahlen wie die der Hochschul-Informations-System GmbH weisen unbarmherzig auf die große Problematik der Qual der Wahl hin.

Im Jahr 2009 entstand in Freiburg daher der Gedanke, ein Projekt zugunsten der Vernetzung von Studierenden und Studieninteressierten zu entwickeln. Zwei Jahre später ging das Konzept „Student for one week“ als Online-Plattform ans Netz und als Idee an die Schulen und Hochschulen Deutschlands.

Das Konzept scheint simpel: Studierende registrieren sich und erklären sich bereit, Studieninteressierten einen Einblick in ihr Studium und Uni-Leben zu ermöglichen. Das umfasst die Begleitung in den Hörsaal ebenso wie zum abendlichen Hochschulsport oder in den Irish Pub. Natürlich können sich die TeilnehmerInnen selbst überlegen, wie sie die gemeinsame Zeit gestalten. Im Idealfall wird auch eine Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt. Den Initiatoren ist aber bewusst, dass dies nicht immer funktionieren kann. Das Matching ist nach der Registrierung über Steckbriefe auf der Plattform möglich. Damit der willige Student oder die Studentin abgesehen vom Gute-Tat-Gefühl dabei nicht ganz leer ausgeht, gibt es neben einer individuell vereinbarten Aufwandsentschädigung auch ein Zertifikat, auf dem das Engagement bestätigt und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung bekräftigt wird.

Konkret beworben wird das Projekt durch Schul- und Hochschulvertreter. Diese werben an den jeweiligen Stellen für das Projekt und versuchen, weitere Vertreter zu akquirieren. Deutschlandweit gibt es derzeit etwa 50 Hochschulvertreter – für die Uni Bonn ist Julia Schächtle zuständig. Sie selbst studiert Ernährungswissenschaften und hat einen ganz persönlichen Bezug zum Projekt: Nachdem sie ein Semester in Hamburg studiert hatte, wollte sie über „Student for one week“ eine Woche ins Bonner Studierendenleben hineinschnuppern. Leider ergab sich mangels registrierter Studierender keine Möglichkeit für sie. Anreiz genug: „Ich fand es schade, diese Möglichkeit nicht zu haben und wollte mich dafür einsetzen, dass anderen eine solche Gelegenheit zukommt.“ Seit sie in Bonn studiert und auch als Hochschulvertreterin aktiv ist, hat sie auch bereits Schülerbesuch bekommen – und das mit Erfolg.
„Die Schülerin wird sich zum Sommersemester dieses Jahres an der Uni Bonn einschreiben“, freut sich Julia, ergänzt aber zugleich: „Ich hätte mich auch gefreut, wenn sie sich wegen der Erlebnisse gegen die Uni Bonn entschieden hätte, auch dann wäre das Programm hilfreich für sie gewesen.“

Hochschulvertreterin Julia Schächtle möchte mehr Bonner Studierende für das Projekt begeistern.

Hochschulvertreterin Julia Schächtle möchte mehr Bonner Studierende für das Projekt begeistern.

Mittlerweile umfasst das Netzwerk deutschlandweit knapp 1200 Studierende und etwa 1800 Studieninteressierte. In Bonn gibt es allerdings bisher trotz der großen Zahl von etwa 30.000 Studierenden erst sieben Registrierte aus drei Studiengängen. „Da ist noch Luft nach oben“, meint Andrea Grugel, Leiterin der Abteilung für Identifikation und Veranstaltung an der Uni Bonn.
Auch der Rektor und Vertreter des Alumni-Netzwerkes zeigen sich interessiert am Projekt und suchen gemeinsam mit Julia Schächtle nach Wegen, das Projekt unter Studierenden bekannt zu machen und langfristig auch mehr Schüler für die Idee einer solchen Schnupperwoche zu begeistern.

Alena Schmitz, Vorsitzende des AStA Bonn, zeigt sich ebenfalls interessiert an einer solchen Möglichkeit der Hilfestellung für Studieninteressierte. Im Rahmen der Projektvorstellung schlägt sie vor, ergänzend eine Plattform für den Austausch von Erfahrungsberichten einzurichten. So könne man gegenseitig von Erfahrungen über positive Erlebnisse auch gerade auch über Schwierigkeiten profitieren. Kritische Nachfragen zum Projekt gibt es hinsichtlich des Rechtsschutzes. Wer übernimmt die Verantwortung für Schüler unter 18 Jahren? Wie sollen die gemeinsamen Abende und der Einblick in den Studienalltag inklusive Kneipentour rechtlich abgesichert werden? Hinsichtlich dieser Fragen scheint auch Julia Schächtle überfragt.

Weitere Informationen zum „Studieren probieren“ und „Gastgeber sein“ gibt es auf der Homepage des Projekts
www.oneweekstudent.de. Und Probieren schadet schließlich nicht.

Hilfe für Hilfskräfte

Nicolas Hensel kämpft für die Rechte der SHK

Als studentische Hilfskraft (SHK) wird man Teil des Universitätsbetriebs und hat dadurch entsprechende Rechte und Pflichten. Eine Projektstelle im AStA hat es sich zur Aufgabe gemacht, für diese Rechte zu streiten.

Eine Stelle als Studentische Hilfskraft (SHK) an einem der Institute der Uni ist für viele Studierende ein Traumjob, denn sie bietet eine Menge Vorteile: Eine Tätigkeit mit Bezug zum Studium, die sich gut im Lebenslauf macht und mit der man dazu auch noch Geld verdient.
Doch als SHK zu arbeiten ist eben auch ein Job, ein Beschäftigungsverhältnis wie andere auch und daher auch in vielen Fällen mit Anstrengung, Stress und Verantwortung verbunden.
Aber wer kümmert sich um die arbeitsrechtlichen Interessen der SHK und vertritt ihre Rechte? Immerhin treten wohl die wenigsten von ihnen für den Studentenjob einer Gewerkschaft bei, und eine Personalvertretung an der Uni gibt es bislang nicht.
Seit April 2013 beschäftigt sich Nicolas Hensel (21), Mitglied der Juso-Hochschulgruppe, genau mit dieser Aufgabe. Er besetzt die „Projektstelle Sozialpolitische Aufgaben“, die dem AStA-Vorsitz unterstellt und lokal im Zimmer des Referats für Hochschulpolitik in den AStA-Räumlichkeiten angesiedelt ist.
Nicolas studiert im vierten Semester Politik und Gesellschaft und Islamwissenschaft und ist seit  Januar 2013 Mitglied der Juso-HSG. Als ihm die Projektstelle angeboten wurde, die auf Initiative seiner Hochschulgruppe eingerichtet wurde, entschied er sich dafür, sie inhaltlich in die Richtung einer SHK-Vertretung zu definieren.

Nicolas Hensel bei der Arbeit.

Nicolas Hensel bei der Arbeit.

„Die Arbeit ist für mich eine gute Möglichkeit, mich an einem Punkt einzusetzen, wo Leute direkt betroffen sind. Es reizt mich, dass es hier nicht um das große Ganze geht, sondern dass es etwas Spezifisches ist.“
Seitdem ist er die Kontaktperson für die SHK. Er bietet in einer wöchentlichen Sprechstunde Beratung und Infomaterial bei arbeitsrechtlichen Fragen und Problemen. Seine Hauptaufgabe liegt jedoch in seinem eigenen Projekt – einer Umfrage unter allen SHK der Universität Bonn.
Dabei hatte er anfänglich mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen: Die Recherche gestaltete sich als arbeitsintensiv. Aufgrund von Datenschutz und einer fehlenden Zentralverwaltung der SHK musste Nicolas jedes Institut einzeln anschreiben und zusätzlich dazu die SHK, deren Adressen ihm bekannt waren – insgesamt also gut 300 Mails.
Dabei stieß er auch auf erhebliche Unterschiede zwischen den Instituten. Bei einigen werden die Hilfskräfte selbst auf den Homepages genannt, bei einigen ist gar nicht klar, wer überhaupt als SHK zählt, oder diese werden mehr oder weniger unter den Tisch fallen gelassen. Dementsprechend unterschieden sich auch die Rücklaufquoten. Von den insgesamt 2210 an der Uni angestellten Studentischen Hilfskräften (Stand Februar 2014) hat Nicolas bisher 367 Rückmeldungen erhalten.
Das Ziel der anonymen Umfrage ist es, sich ein Bild von der momentanen Situation der Hilfskräfte zu verschaffen. Die Fragen betreffen das Beschäftigungsverhältnis, die Stundenzahl, die generelle Zufriedenheit mit dem Job, aber auch mögliche Probleme wie beispielsweise mit der pünktlichen Überweisung von Zahlungen oder hinsichtlich der Verlängerung von Verträgen. Daraus soll dann eine aussagekräftige Statistik erstellt werden, mit der man auf empirischer Basis argumentieren kann. „Man könnte ja meinen, eine Umfrage beschreibt nur und verbessert nichts, doch sie kann auch als verstärktes Argument gegen die Uni dienen“, so Nicolas. Die bisherigen Ergebnisse seien übrigens „teilweise erfreulich, aber bekannte Probleme werden auch deutlich.“ So werden die SHK oft nicht über ihre Rechte informiert, zum Beispiel, dass sie Anspruch auf bezahlten Urlaub haben oder krankheitsbedingte Fehlstunden nicht nacharbeiten müssen.
Durch die Stelle lernt auch Nicolas selbst viel über Arbeitsrechtliches und macht außerdem erste Erfahrungen mit Gewerkschaftsarbeit. Teil seiner Stelle ist nämlich auch die Mitarbeit in der „Tarifini NRW“, einem Vernetzungstreffen von verschiedenen ASten, Hochschulgruppen und Gewerkschaften auf Landesebene. Gefordert wird dort unter anderem eine vollwertige Personalvertretung für studentische Beschäftigte auf Uni-Level und die Aufnahme der SHK in den Tarifvertrag der Länder.
Nicolas ist deshalb auch in Kontakt mit dem Rektorat der Uni Bonn, um zu verhandeln, inwieweit man hier Verbesserungen durchführen kann. Eine mittelfristige Möglichkeit wäre zum Beispiel ein Leitfaden zur Einstellung von SHK, durch den diese besser informiert werden würden.
Er ist dabei von der Wichtigkeit seiner Tätigkeit überzeugt: „Wir brauchen mehr Solidarität für Leute, die einen wichtigen Beitrag zum Ablauf an der Uni leisten.“
Auch wenn das Thema vielen trocken erscheinen mag, Nicolas merkt man die Begeisterung für seine Stelle an: „Für mich ist es eine super Möglichkeit, mein Studium direkt anzuwenden und das auch noch für einen guten Zweck. Das passt doch gut zusammen!“

„Man hat nie wirklich Feierabend“

Interview mit Frau Dr. Jasmin Khosravie

Frau Dr. Khosravie, im Fokus Ihrer Forschungsarbeit steht die islamische Welt. Haben Sie eine besondere Verbindung zu diesem Raum?
Ja, im Mittelpunkt meiner Arbeit steht vor allem iranische Geschichte. Mein Zugang zu diesem Raum hat einen persönlichen Hintergrund – mein Vater kommt aus dem Iran. Ich habe mich aus mehreren Gründen entschieden, Islamwissenschaft zu studieren: Einer davon war, dass mir in meiner Schulzeit die Geschichte über den muslimisch geprägten Raum viel zu kurz kam. Ein andere war meine Leidenschaft fürs Sprachenlernen. Vor allem habe ich mich von Neugier und Interesse leiten lassen, als ich diese Entscheidung getroffen habe.

Sie lehren seit mehreren Jahren an der Universität Bonn und sind dort 2010 promoviert worden. Derzeit arbeiten Sie an Ihrer Habilitation. Was hat Sie motiviert, sich für eine wissenschaftliche Karriere zu entscheiden?
Ich habe mich für eine wissenschaftliche Karriere entschieden, als ich meine Doktorarbeit geschrieben habe. Es war von Anfang an klar, dass ich nach der Promotion weiter machen werde. Mir macht es wahnsinnig viel Spaß, mich intensiv mit einem Themenkomplex zu beschäftigen und tief in ein Thema einzutauchen.

Was schätzen Sie an Ihrer Tätigkeit als Forscherin an der Uni, welche Nachteile bringt diese Beschäftigung mit sich?
Was ich sehr schätze, ist die Freiheit. Die Freiheit, so arbeiten zu können, wie ich das möchte. Was ich ebenfalls schätze, ist der inspirierende Austausch und die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen – darauf möchte ich nicht verzichten. Außerdem ist die Uni ein Umfeld, in dem man ständig dazu lernt – auch abseits meines Fachs, das gefällt mir sehr.
Natürlich gibt es auch Nachteile. Als Mutter eines kleinen Kindes ist es immer kompliziert, Vollzeit Karriere zu machen. Es ist nicht immer einfach, überall präsent zu sein, zum Beispiel bei abendlichen Vorträgen oder an internationalen Konferenzen teilzunehmen. Andererseits erlaubt mir meine Forschungsarbeit flexibel zu sein, was die Kinderbetreuung wiederum auch einfacher macht.

Kann man von einem gewissen Druck sprechen, wenn man in der Forschung tätig ist?
Der Druck ist auf jeden Fall da. Druck, zu veröffentlichen, Druck, in der Fachwelt präsent zu sein, Druck, sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten zu hangeln und Anträge zu schreiben. Bei einer wissenschaftlichen Karriere hat man nie wirklich Feierabend. Man hat zwar viel Freiheit, aber die Frage ist: Wie geht man mit der Freiheit und dem gleichzeitigen Druck um?

Dr. Jasmin Khosravie hat Islamwissenschaften in Köln, Bonn und Toronto studiert. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte Irans und Mittelasiens, Gender Studies und die islamische Mystik. Frau Khosravie lehrt seit mehreren Jahren am Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn. 2010 wurde sie dort mit einer Arbeit über die iranische Publizistin Sedighe Doulatabadi promoviert. Derzeit arbeitet Dr. Jasmin Khosravie an ihrer Habilitation zu qajarischen Reiseberichten über Europa und leitet das vom Bundesbildungsministerium geförderte Forschungsprojekt “Europa von außen”.

Dr. Jasmin Khosravie hat Islamwissenschaften in Köln, Bonn und Toronto studiert. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte Irans und Mittelasiens, Gender Studies und die islamische Mystik. Frau Khosravie lehrt seit mehreren Jahren am Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn. 2010 wurde sie dort mit einer Arbeit über die iranische Publizistin Sedighe Doulatabadi promoviert. Derzeit arbeitet Dr. Jasmin Khosravie an ihrer Habilitation zu qajarischen Reiseberichten über Europa und leitet das vom Bundesbildungsministerium geförderte Forschungsprojekt “Europa von außen”.

Was inspiriert bzw. motiviert Sie bei der Forschungsarbeit?
Was mich inspiriert oder motiviert sind die Personen oder die Themenkontexte mit denen ich mich beschäftige. Ich bin fasziniert von meinen Forschungsobjekten bzw. -themen!

Sie sind die Leiterin des Projektes „Europa von außen gesehen – Formationen nahöstlicher Ansichten aus Europa auf Europa“. Das Projekt untersucht nahöstliche Perspektiven auf Europa in den Berichten von Reisenden vom 19. Jahrhundert bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Wie kam die Idee für dieses Forschungsvorhaben zustande?
Die Idee dazu kam durch meinen Kollegen Dr. Bekim Agai, der jetzt eine Professur an der Goethe-Universität Frankfurt hat. Er hat sich schon im Vorfeld des Projektes intensiv mit orientalischen Reiseberichten auseinandergesetzt. Als die Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für ein Forschungsprojekt mit dem Thema „Europa von außen“ bekannt wurde, hat er ein Konzept dafür erstellt. Wir wollen die heterogenen Bilder von Europa aus der nahöstlichen Perspektive betrachten. Dabei steht die Frage „warum“ im Mittelpunkt. Warum haben die Reisenden aus dem Nahen Osten genau diese Sachen über Europa geschrieben? Welche Funktion erfüllten diese Reiseberichte in der Heimat? Welche narrativen Strukturen lassen sich erkennen?
Bei der Analyse der Reiseberichte arbeitet unsere Projektgruppe mit arabischen, persischen, osmanischen und türkischen Texten.

Dieses Forschungsprojekt wird seit 2010 gefördert. Ist mittlerweile Ihr Forschungsteam zu der Ansicht gelangt, dass man von einer „nahöstlichen Sicht“ auf Europa sprechen kann, oder sind der Nahe und Mittlere Osten kulturell, politisch und historisch betrachtet viel zu heterogen dafür?
Man kann Gemeinsamkeiten an einer nahöstlichen Perspektive auf Europa aufzeigen, aber man muss in der Tat differenzieren. Eine Gemeinsamkeit wäre etwa das Bild von Europa als ein Ort der Zivilisation, des technischen Fortschrittes, der Mobilität.

Das bedeutet, Europa wurde als Modell betrachtet?
Ja, als ein Modell für militärischen und technischen Fortschritt sowie auch für das Bildungssystem. Die politischen Systeme Europas wurden von den Reisenden ebenfalls thematisiert und bewertet. Manch persischer Reisender bewunderte die konstitutionelle Monarchie in England, kritisierte aber das politische System Frankreichs. Dennoch, das Bild von Europa war sehr zwiespältig. Viele ägyptische Reisende etwa haben Europa zwar für moderne Technologien geschätzt, aber es gleichzeitig als Kolonialmacht wahrgenommen, als Unterdrücker.

Wie wurden die Gesellschaftssysteme Europas betrachtet?
Das Gesellschaftssystem ist unterschiedlich bewertet worden, was vor allem damit zusammenhing, aus welcher sozialen Schicht bzw. aus welchem Milieu die Reisenden kamen. Die persönliche, religiöse oder politische Haltung spielt dabei auch eine Rolle. Es gab sehr konservative Reisende, es gab auch Personen, die sehr liberal eingestellt waren. Es gab Reisende, die bei der Betrachtung Europas sagten: „Genauso sollen wir das machen“, es gab aber auch viel Kritik und Ablehnung, im Hinblick auf Moral etwa. Hier muss dann immer geschaut werden, wer die Reisenden waren und welche Funktion die übermittelten Europabilder zu Hause erfüllen sollten.

Überwiegt in diesem Zusammenhang ein bestimmtes Bild von Europa, das durch Europareisende aus dem Nahen Osten geschaffen wurde?
Eine positive Wahrnehmung Europas überwiegt. Man kann das aber nicht an den Ländern festmachen, aus denen die Reisenden kommen. Die soziale Schicht ist wichtig und die Kreise in denen man sich in Europa bewegt hat, nicht unbedingt das Land, aus dem man kommt.

Haben Sie eine Vermutung, inwieweit sich das aktuelle nahöstliche Europabild von dem Europabild der Reisenden aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg unterscheidet?
Es ist sehr viel passiert in den letzten Jahrzehnten – um diese Frage zu beantworten, wäre ein eigenes Forschungsprojekt nötig. Aber meine Vermutung ist, dass bestimmte Sachen unverändert geblieben sind. Auf Deutschland speziell bezogen, ist besonders die Begeisterung der Iraner für die deutsche Technik unverändert geblieben. Auch das Bild der westlichen Frau ähnelt bisweilen nach wie vor den Aussagen von Reisenden des frühen 20. Jahrhunderts, wenig reflektiert und verhaftet in Stereotypen.

Was vermissen Sie in der westlichen medialen Auseinandersetzung mit dem Iran?
Ich vermisse den Willen, sich wirklich ernsthaft damit zu beschäftigen, was dort passiert. Journalisten greifen allzu oft auf Altbekanntes zurück, schließlich ist es einfacher, das zu schreiben, was andere auch schreiben. Das Hauptproblem sehe ich darin, dass man immer noch versucht, die nahmittelöstlichen Gesellschaften durch die Brille der Religion verstehen zu wollen oder Erklärungsansätze für bestimmte Phänomene im Islam zu suchen. Zudem wird zu wenig auf die kulturelle Heterogenität des Raumes und auch des Islam eingegangen. Der Islam in Marokko ist anders als der Islam in Libanon, Iran oder gar Indonesien.

Ihr Forschungsfeld umfasst ebenfalls Genderfragen in der islamischen Welt beziehungsweise in Iran. Was an diesem Forschungsfeld interessiert Sie besonders?
Ich interessiere mich für die Geschichte der Frauenbewegung und für die Kontexte Geschlecht, Macht und Sexualität. Ich finde die Entwicklungen in den jeweiligen Ländern sehr spannend. Bezüglich der iranischen Frauenbewegung interessieren mich die Anfänge der Bewegung, der soziale und politische Kontext, in dem die Bewegung arbeitete und wie sie was erreicht hat.

Gab es bisher Erkenntnisse mit Bezug auf die Frauenrolle in der iranischen Gesellschaft, die Sie überrascht haben?
Eigentlich nicht. Ich hatte von Anfang an kulturelle Einblicke, die andere so vermutlich nicht haben. In meiner Forschung bin ich eher in meiner Wahrnehmung bestätigt worden. Interessant ist, dass mein Publikum oft erstaunt ist, wenn ich durch meine Vorträge zeigen kann, dass die westlichen Stereotypen wenig Bestand haben und dass es unzählige Grauschattierungen zwischen dem Schwarz und Weiß in den Köpfen gibt. Diese Stereotypen sagen mehr über „uns“ aus als über die „anderen“.

Zum Schluss möchten wir Sie noch fragen, ob Sie eine Botschaft für die Bonner Studierenden haben?
Ich möchte meinen Studenten sagen, dass eine längere Reise, ein Semester im Ausland oder eine Sprachreise nie verlorene Zeit sein kann. Ich rate den jungen Studenten, schaut euch die Welt an. Widmet euch der Fremde, reist und redet mit den Menschen!