Hausfrau oder Bundeskanzlerin

Bekannte Absolventin Literatur- und Politikwissenschaft hat Andrea Nahles an der Uni Bonn studiert. Mittlerweile ist die 45-Jährige Bundesministerin für Arbeit und Soziales. Im E-Mail-Interview beschreibt sie ihren Weg von der Uni in die Politik.

Interview JONAS JOSSEN & SOPHIE LEINS

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Foto: Wahlkreisbüro Andrea Nahles

AKUT   Frau Nahles, Sie sind in Weiler (Kreis Mayen – Koblenz) in Rheinland-
Pfalz aufgewachsen. Was hat Sie dazu bewogen, an der Universität Bonn zu studieren?

NAHLES   Es war die nächste Uni mit einer germanistischen Fakultät, die einen guten Ruf hatte.

AKUT   Wie haben Sie Ihre Studienzeit in Bonn in Erinnerung behalten?

NAHLES   Ich habe gute Erinnerungen an meine Zeit im Studentenwohnheim in der Riemenschneiderstraße. Ich habe sehr viel gelernt und bin auch menschlich gewachsen in den Jahren bei Herrn Prof. Fohrmann. Und ich habe immer – von Anfang an – nie nur studiert, sondern schon bald viel Zeit in meine politische Arbeit reingesteckt. Das war manchmal schade, weil: »echtes Studentenleben« gab es bei mir kaum.

AKUT   Stehen Sie heute noch in Verbindung mit der Universität in Bonn?

NAHLES   Ja. Ab und an habe ich Kontakt zu Kommilitonen und natürlich zu Herrn Prof. Fohrmann.

AKUT   Sie sind ein »Arbeiterkind«. Hatte das Auswirkungen auf Ihr Studium? An welchen Stellen? Glauben Sie, dass sich die Chancen, als Kind von Nicht-Akademikern ein Studium zu absolvieren, seit Ihrem Studium in den 1990er-Jahren verbessert haben?

NAHLES   Ich bin nach der Grundschule erst einmal auf die Realschule gegangen, obwohl ich sehr gute Noten hatte. Meine Eltern hatten sich nicht zugetraut, sowohl meinen Bruder als auch mich studieren »zu lassen«. Aus finanziellen Erwägungen! Zum Glück haben sie mich dann aber doch unterstützt.

Leider hat sich die Situation für Arbeiterkinder seitdem noch nicht wirklich verbessert – sie sind an unseren Hochschulen nach wie vor unterrepräsentiert.

AKUT   Sie haben 20 Semester studiert. Heute wird Studierenden oft vermittelt, dass man das Studium möglichst schnell hinter sich bringen muss. Was halten Sie persönlich von dieser Denkweise?

NAHLES   Ich habe nicht wirklich 20 Semester studiert. Ich habe jahrelang mein Studium ausgesetzt, weil ich 1995 zur Bundesvorsitzenden der Jusos gewählt wurde. Das Studium zügig zu machen ist okay. Aber es sollte doch auch Luft für gesellschaftliches Engagement geben – das ist nicht befriedigend gelöst heute, glaube ich.

AKUT   Waren Sie während Ihres Studiums auch in der Hochschulpolitik aktiv?

NAHLES   Nein. Ich habe mich zwar einmal in der Fachschaft der Politikwissenschaften engagiert, doch da ich landespolitisch und später bundespolitisch aktiv war, blieb dafür einfach keine Zeit.

AKUT   Sie selbst haben Literatur- und Politikwissenschaften studiert. Von Vielen sind Fächer dieser Art als »brotlos« verschrien. Was raten Sie angehenden Geistes- und Sozialwissenschaftlern von heute? Würden Sie noch einmal die gleichen Fächer studieren?

NAHLES   Ja. Das war damals auch schon als »brotlos« gebrandmarkt. Alle meine Kommilitonen, die ich kannte, haben aber gute Jobs bekommen. Also: das machen, was einem entspricht, wo man sich gerne für ins Zeug legen will. Alles andere ist Mist!

AKUT   Inwiefern hat Ihr Studium Sie auf Ihre Karriere als Politikerin vorbereitet?

NAHLES   Ich habe »denken« gelernt, wie ich es vorher nie vermittelt bekommen habe. Alles, was ich gelernt habe, brauch’ ich heute jeden Tag.

AKUT   Als Berufswunsch haben Sie als Abiturientin angeblich noch »Hausfrau oder Bundeskanzlerin« angegeben. Heute sind Sie Mutter und Ministerin. Haben sich damit beide Wünsche ein Stück weit erfüllt?

Glauben Sie, dass sich viele Frauen heute noch zwischen Karriere und Kindern/dem Familienleben zu Hause entscheiden müssen?

NAHLES   Ja. Ich bin froh mit meinem Job und Muttersein. Karriere und Kinder sind heute möglich, aber immer noch anstrengend. Es lohnt sich dennoch!  

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