LEUTE Johannes Fröse fällt auf. Der Bonner Student ist durch seinen außergewöhnlichen Kleidungsstil ein Hingucker. Im Interview spricht er über seinen Spitznamen, Hochzeitsanzüge und sein Selbtsbewusstsein.
INTERVIEW PHILIPP BLANKE
AKUT Ich bin wegen deiner beiden Namen ein wenig verwirrt. Soll ich dich mit John oder Johannes ansprechen?
JOHN Ich stelle mich natürlich in der Regel mit John vor. Das hat immer viel mit Internationalität zu tun. Wenn ich in den USA bin zum Beispiel, dann sage ich halt John.
AKUT Warum der Wechsel?
JOHN Das war eine Zeit, in der ich mehr angefangen habe, soziale Netzwerke zu nutzen und online zu sein. Und da überlegt man sich halt ein Konzept. Das soll jetzt aber nicht wie ein Marketingkonzept klingen.
AKUT Sondern?
JOHN Naja, die Leute nennen mich einfach John. Auch meine Freunde nennen mich so. Es ist ein Spitzname.
AKUT Aber du hast dich Ihnen ja dann auch so vorgestellt.
JOHN Ich würde es nicht machen, wenn es nicht angenommen werden würde. Ich muss damit klarkommen, dass die Leute mich nennen, wie sie mich nennen wollen – solange es sich nicht künstlich anfühlt, hab ich damit kein Problem.
AKUT Du hast nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Verwaltung der Städteregion Aachen geleistet. Wie hat dich das geprägt?
JOHN Ich habe dort eine professionelle Umgebung kennengelernt. Vor allem, wie man an politische Probleme herangeht.
Auch mein Kleidungsstil hat sich dort entwickelt. Denn ich habe mich gefragt: Muss ich jetzt jeden Tag Hemd und Sakko tragen?
AKUT Von da an hast du dich auch mit Mode beschäftigt?
JOHN Genau. Ich habe in einem Umfeld gearbeitet, in dem ich repräsentieren musste. Ich war halt Mitarbeiter der Städteregion Aachen, und habe das entsprechend ernst genommen.
AKUT War das eher eine Anpassung an dein Umfeld, oder deine innere Überzeugung?
JOHN In den ersten drei Monaten war es definitiv Anpassung. Dann habe ich aber gemerkt, dass ich mich im Sakko einfach wohler fühle als im Pulli.
AKUT Neben deinem Studium arbeitest du als Verkaufsberater bei Peek & Cloppenburg. Wie berätst du die Leute?
JOHN Das ist etwas, was ich natürlich lernen musste. Ich habe das früher nur für mich gemacht und geschaut, welche Farben oder Schnitte mir gefallen. Jetzt muss ich darauf achten, was meinen Kunden gefällt. Welchen Geschmack haben sie? Und da merkt man, dass Mode nicht das Wichtigste auf der Welt ist.
AKUT Warum?
JOHN Wenn ich einen Kunden habe, der einen Hochzeitsanzug sucht, dann muss es nicht der perfekte Anzug sein. Es muss nur ein Anzug sein, in dem er sich wohlfühlt.
AKUT Gibt es einen guten Geschmack?
JOHN Nein, es gibt nur populären Geschmack – solcher, der Leuten gefällt. Ich habe lediglich einen Geschmack, der mir besser gefällt als anderen.
Ich bin da einfach auch oberflächlich. Ich mag die schönen Dinge im Leben. Für mich ist ein guter Anzug dasselbe wie eine gute Uhr oder ein guter Scotch.
AKUT Würdest du den Charakter einer Person ihrer Oberfläche vorziehen?
JOHN In meinem persönlichen Umfeld definitiv, ja. Ich kann nur nicht verleugnen, dass es bei mir diese Oberflächlichkeit gibt.
AKUT Wann kam dir die Idee zu »Everyday Excellence«?
JOHN Für mich war das schon immer das, was ich haben wollte. Es waren zwei Gegebenheiten. Ich war auf einem Wochenendseminar während meines FSJ. Es war auf dem Land und ziemlich langweilig. Ich habe dann ein Outfit zusammengestellt und ein Foto von mir gemacht. Und das ist eine Momentaufnahme gewesen, die für mich das Gefühl von »Everyday Excellence« verkörpert hat: aus den Umständen immer das Beste rausholen.
AKUT Das heißt konkret?
JOHN Ich möchte immer das Gefühl haben, jederzeit rausgehen zu können und alles machen zu können. In die Oper gehen, in eine Kunstausstellung, oder einen Kaffee trinken. Einfach etwas breiter zu leben.
AKUT Ist deine Facebookseite dann ein Appell, sich mehr für Mode und Drinks zu interessieren? In diesem Sinne dann breiter zu denken?
JOHN So philosophisch würde ich das jetzt nicht sehen. Es geht um Mode, Design und Lifestyle. Das sind interessante Sachen, aber nichts Weltbewegendes. Es geht mir ums Inspirieren, weniger ums Appellieren. Wem es gefällt, dem gefällt es.
AKUT Wann gab es den zweiten Moment?
JOHN Ich war in Berlin und bin am Potsdamer Platz spontan in die Bar des Hotels The Ritz-Carlton gegangen. Da hat sich dann mein Interesse für Barkultur entwickelt.
AKUT Was fasziniert dich an einer Hotelbar?
JOHN Die Atmosphäre vor allem. Ich fühle mich dort durch dieses Kommen und Gehen von Menschen sehr inspiriert.
AKUT Du bist in deinem ersten Semester zu BIMUN gegangen. Was hat dich dort hingezogen?
JOHN Da waren einfach gute und überzeugende Leute. Diese institutionelle Organisation mit einem Vorstand, und die damit verbundene Verantwortung.
AKUT Wie hast du dich dort engagiert?
JOHN Hauptsächlich in der Medienarbeit. Ich mag das einfach, weil ich gerne viel rede.
AKUT Was machst du heute dort?
JOHN Ich bin für drei Jahre ins Kuratorium gewählt worden und dort für die PR-Beratung zuständig.
AKUT Woher kommt dein Interesse für Politik?
JOHN Einmal das FSJ und zwei Bücher. 1984 von George Orwell, und eine wenig akademische Zitatesammlung von Marx, die ich während meiner Beschäftigung mit der DDR gelesen habe. Das war in der achten Klasse.
AKUT Warum hast du dich schlussendlich für ein Politikstudium entschieden?
JOHN Ich habe auch überlegt, ein duales Studium in der Verwaltung zu machen, was karrieretechnisch wohl am sinnvollsten gewesen wäre – aber das war mir relativ egal. Es wäre mir zu trocken gewesen.
AKUT Wie gehst du mit Erwartungen um, die andere an dich stellen?
JOHN Also grundsätzlich mache ich nur das, was mir gefällt. Ich tue etwas nicht, weil ich damit Geld verdienen kann, oder es für meine Karriere gut ist. Jeder erfüllt natürlich gerne Erwartungen, aber man kann es halt nicht. Ich bin einfach davon überzeugt, dass mein Studium, BIMUN, und die Facebookseite mich weiterbringen. Und ja, ich habe auch Zukunftsangst. Jeder der behauptet es nicht zu haben ist verblendet oder lügt.
AKUT Bist du selbstbewusst?
JOHN Im Sinne der Reflexion über mich selbst: Ja. Im Sinne von Selbstsicherheit: Nicht unbedingt. Jemand, der sehr selbstsicher auftritt, der handelt dann, ohne Zweifel daran zu haben. Und die habe ich definitiv. Klar, es braucht auch Selbstsicherheit, um meine Outfits zu kombinieren und zu tragen. Aber Selbstbewusstsein klingt immer so kritikresistent. Das bin ich nicht.
AKUT Wie fühlt sich das an, wenn dir jemand sagt, dass er dich nicht mag?
JOHN Ich finde das erstmal amüsant, weil man damit rechnen muss, und weil man es kennt. Bei einer Konferenz habe ich das mal erlebt. Am letzten Tag sagte mir die Person: »Eh, du bist schon so ein ziemlich arrogantes Arschloch, ne? Und ich bin auch nicht die einzige, die so denkt.«
AKUT Und was hast du dann gesagt?
JOHN Ich war erstmal überrascht, denn sie hat es dann ja lange zurückhalten können. Ich hab ihr dann gesagt, sie sei nicht die erste. Und klar, da berührt es einen. Ich bin nicht eiskalt und auch nur ein Mensch. Aber davon lasse ich mich ja nicht abhalten.
AKUT Wieso gibst du nicht nach und passt dich an?
JOHN Weil mich mein Stil selber antreibt und ich es selber für mich brauche. Ich denke, dass ich nicht wirklich jemanden mit dem Tragen eines Sakkos verletze. Es ist doch vollkommen egal, was Leute tragen. Es geht nicht um den Klimawandel oder Syrien. Die Person, die mich da dumm anguckt, mit der habe ich ja nichts zu tun. Also, wo habe ich sie verletzt oder ihre Freiheit eingeschränkt?
AKUT Was ist dein Ausgleich für diese Ablehnungen?
JOHN Der Ausgleich ist der Ausgleich. Wenn ich mich abends auf einen Drink hinsetze, ist das für mich der Ausgleich. Ich fühle mich gut damit. ◄