Auseinandersetzung – 18 Jahre lang konnten Studentinnen kostenlos eine Psychotherapie in Anspruch nehmen – dank einer Kooperation des AStA mit einer Frauenberatung. Mittlerweile ist diese Partnerschaft beendet und wird von einem Untersuchungsausschuss überprüft.
von Alexander Grantl
Wer zum ersten Mal Studierenden begegnet, die sich im SP oder im AStA engagieren, erwartet vielleicht edle Menschen, denen die Angelegenheiten ihrer 35.000 Mitstudierenden am Herzen liegen. Menschen, die sich mit den irren Eigentümlichkeiten studentischer Selbstverwaltung befassen, um die Bedingungen für ihre Kommilitonen und Kommilitoninnen noch besser zu gestalten. Es gibt diese Menschen. Nur manchmal gehen sie zwischen denen unter, die vor allem sich selbst profilieren oder bloß andere provozieren möchten. Und noch häufiger sind die Fälle, die sich gar nicht in diese Schubladen stecken lassen – weil sich die Motivationen der Akteure nicht einfach in »gut« und »böse« einteilen lassen. Wie in diesem Fall:
1996 begann der AStA eine Zusammenarbeit mit der Frauenberatung TuBF e. V. in der Altstadt. Der AStA richtete einen Fonds ein, der es einer begrenzten Zahl von Studentinnen ermöglichen sollte, Therapieangebote der TuBF fast kostenlos zu nutzen. Voraussetzung war, dass die Studentinnen die Kosten einer Therapie nicht selbst hätten zahlen können. Ansprechen sollte diese Möglichkeit vor allem Studentinnen, die eine Karriere im Staatsdienst anstrebten, als Lehrerin oder Juristin etwa. Denn für sie kann eine psychotherapeutische Behandlung in der gesundheitlichen Vorgeschichte den Werdegang beeinträchtigen.
Die Kooperation lief – von einer Pause im Jahr 2010 abgesehen – über 18 Jahre lang sehr gut, sagt die TuBF, die ganze Zeit habe es nie Probleme gegeben. Im Dezember 2014 beschließt das Studierendenparlament (SP) jedoch, den Vertrag zu kündigen – auf die Empfehlung des damaligen AStA-Vorsitzenden Jonas Janoschka (GHG) hin. Der Vertrag endet im Juni 2015. »Der AStA hatte Rückmeldungen von Studentinnen bekommen, die mit den Leistungen der TuBF nicht zufrieden gewesen sind«, sagt Jonas. In den Haushaltsjahren 2013 bis 2015 hatte der AStA über 20.000 Euro an die TuBF gezahlt. Man wolle den Vertrag zwar kündigen, gleichzeitig aber mit der TuBF über eine weitere Zusammenarbeit verhandeln. Doch die TuBF will offenbar keine weitere Kooperation, im Juli teilt sie der neuen AStA-Vorsitzenden Lillian Bäcker schließlich mit, dass wegen Personalmangels in der TuBF zunächst keine Zusammenarbeit mehr möglich sei.
»Die Begründung des AStA, zu kündigen, war für uns nicht nachvollziehbar – wir verstehen nicht, wo das Problem liegt«, sagt Marita Blauth von der TuBF und betont: »Es gab nie irgendwelche Unstimmigkeiten!«
Als die Zusammenarbeit beendet wird, arbeitet jedoch schon ein Untersuchungsausschuss, der im Juni vom Studierendenparlament mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Er soll die »durch die Kooperation mit dem Verein TuBF entstandenen Unklarheiten klären« – wie es im Beschlusstext heißt. Insbesondere solle geprüft werden, inwieweit der Studierendenschaft durch die Zusammenarbeit Schaden entstanden sei, ob fahrlässig mit Geldern der Studierenden umgegangen worden sei und – »inwieweit durch Verhalten der TuBF gegenüber der Studierendenschaft Betrug vorliegt«.
Erstmals seien Anfang 2015 Unstimmigkeiten aufgefallen, sagt Matthias Rübo (RCDS), der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses. Er sitzt auch dem Kassenprüfungsausschuss vor: »Bei der Kassenprüfung des Haushaltsjahres 2013/2014 haben wir bemerkt, dass es wahnsinnig viele Rechnungen der TuBF gibt. Nur: Es sind eigentlich keine richtigen Rechnungen.« Auf den Dokumenten seien die Matrikelnummern der behandelten Studentinnen aufgeführt – jedoch, bis auf drei Ziffern, geschwärzt. Daneben seien die Zeitpunkte der Therapiestunden und der Geldbetrag aufgeführt, den der AStA habe zahlen müssen.
»Diese Geldbeträge sind seit Jahren einfach vom AStA überwiesen worden – ohne Prüfung, ob die Rechnungen der TuBF korrekt sind«, erklärt
Matthias. Pro Behandlungsstunde forderte die TuBF 45 Euro. Mit den geschwärzten Matrikelnummern und den Daten der Therapiestunden könne der Kassenprüfungsausschuss aber nicht viel anfangen. Die TuBF hielt sich mit diesem Vorgehen jedoch genau an die Richtlinie, die sie 2010 mit dem AStA vereinbart hatte und die vom SP beschlossen wurde. Demnach muss es dem AStA ausreichen, dass ihm die fast komplett geschwärzte Kopie eines Studentinnenausweises zugesandt wird – nur die letzten drei Ziffern der Matrikelnummer und das laufende Semester müssen zu erkennen sein.
Jonas, der mittlerweile stellvertretender AStA-Vorsitzender ist, hält das für ausreichend: »Anhand der Ausweise konnten wir schon nachvollziehen, dass es Bonner Studentinnen waren. Und wir konnten auch sehen, welche Behandlung wie lange dauerte.« Dass man aus Datenschutzgründen keine genauen Angaben hat bekommen können, sei selbstverständlich, erklärt die AStA-Vorsitzende Lillian Bäcker (Juso-HSG): »Dennoch mussten uns die einzelnen Abrechnungen, wenn auch pseudonymisiert, ja zugesendet werden.«
Für die TuBF sei es von Beginn an eine Voraussetzung gewesen, dass die Studentinnen auch dem AStA gegenüber anonym bleiben, erklärt Blauth: »Das hat auch über Jahre gut funktioniert. Wir haben eine Form gefunden, die für den AStA und auch für uns in Ordnung war.« Dass nun ein Untersuchungsausschuss die Angelegenheit prüft, könne sie nicht verstehen. Hat die TuBF den AStA Therapiestunden bezahlen lassen, die nie stattgefunden haben? »Nein«, antwortet Blauth entschlossen, »wenn der Landesrechnungshof das prüfen würde, würden wir selbstverständlich alle Daten, auch Namen, offenlegen. Mit dem AStA war das jedoch eindeutig nicht verabredet.«
Der Untersuchungsausschuss sieht aber noch einen weiteren Vorgang kritisch: Die Therapiekosten sollten laut der Richtlinie von TuBF und AStA nur Studentinnen erstattet werden, die die Behandlung nicht vollständig selbst hätten zahlen können. Doch wie wurde der finanzielle Hintergrund einer Studentin überprüft? Das übernahm die TuBF selbst. »Über den Erstattungsanspruch entscheidet ein von der TuBF einzusetzender Ausschuss«, heißt es in der Richtlinie. »Die TuBF hat dem AStA gegenüber nie überprüfbar begründet, warum eine Studentin nun Anspruch auf Erstattung der Kosten hat«, bemängelt Matthias.
Wie genau hat die TuBF überprüft, ob eine Studentin ihre Therapie tatsächlich nicht selbst bezahlen konnte? »Wir haben das im privaten Gespräch geklärt – so, wie wir das mit unseren anderen Klientinnen auch machen«, sagt Blauth von der TuBF. Dabei hätten sie sich keine Belege, wie etwa Kontoauszüge, zeigen lassen.
Im AStA sieht man die Arbeit des Untersuchungsausschusses sehr kritisch: »Ich finde es unverantwortlich, dass der Ausschuss unbelegte Vorwürfe in der öffentlichen Wahrnehmung wie Tatsachen erscheinen lässt«, so Jonas. Es sei vollkommen legitim, dass ein Ausschuss prüfe, ob etwas schiefgelaufen sei, doch den strafrechtlichen Begriff »Betrug« zu verwenden, halte er für falsch. »Am Ende ist es die Aufgabe des SP, zu entscheiden, wie man das bewertet und welche Lehren man daraus zieht.« Lillian befürchtet, dass gar die Reputation der Studierendenschaft leiden könnte.
Matthias betont: »Natürlich kann ich nicht abschließend beurteilen, ob ein Betrug vorlag, ich studiere Mathematik und nicht Jura.« Man wolle jedoch juristische Unterstützung in den Ausschuss holen. Am Ende, es könnte Dezember oder Januar werden, wolle der Ausschuss dem SP dann Empfehlungen vorlegen, wie mit der Angelegenheit umzugehen sei.
Ob bis dahin alle Unklarheiten geklärt werden können, ist fraglich und hängt von der Kooperationsbereitschaft aller Beteiligten ab. ◄