WOHNEN Ein Projekt bringt Studierende mit Vermietern zusammen, die ihnen günstig ein Zimmer zur Verfügung stellen. Dafür helfen die jungen Leute ihren Vermietern im Alltag.
VON MAIKE WALBROEL
Zunächst mag das etwas seltsam klingen: Madita Ridder wohnt mit einer fremden älteren Dame zusammen und zahlt keine Miete, sondern nur die Nebenkosten für ihr Zimmer. Sie hat sich mit ihrer Mitbewohnerin darauf geeinigt, dass sie ihr regelmäßig im Haushalt hilft; zum Beispiel, indem sie putzt. »Ich harke Laub oder bügele auch mal«, erzählt die 19-Jährige, die im Oktober für ihr Studium der katholischen Theologie aus Ostwestfalen nach Bonn gezogen ist. Viele Studierende bekommen die Wohnraumknappheit zu spüren und ziehen wegen der hohen Mietpreise in eine WG oder in eines der Wohnheime. Madita hingegen hat sich bewusst für »Wohnen für Hilfe« entschieden. »In einer Stadt, in der ich noch niemanden kannte, wollte ich nicht alleine wohnen. Mit Fremden in einer WG zu leben, kam für mich auch nicht infrage«, sagt sie.
Es sind ganz verschiedene Gründe, aus denen sich Studierende bei Lilian Brandt, der Koordinatorin des Projekts in Bonn, melden. Die AStA-Mitarbeiterin betreut seit Dezember 2014 »Wohnen für Hilfe« in Bonn. Das Wohnprojekt gibt es bereits in vielen deutschen Städten. Vor allem in den Universitätsstädten verbreitet es sich rasch. »In Köln gibt es ›Wohnen für Hilfe‹ seit elf Jahren«, sagt Brandt. Von den dortigen Vermittlungszahlen ist Bonn noch weit entfernt. »In Köln werden pro Jahr ungefähr 70 bis 80 Studierende vermittelt.« Das mag auch daran liegen, dass sich Brandt ohne Unterstützung der Stadt Bonn alleine um die Organisation von »Wohnen für Hilfe« kümmert. Sie wirbt für das Projekt, ist Ansprechpartnerin für interessierte Vermieter und Studierende und vermittelt diese schließlich. Die Stadt Bonn sei sehr zurückhaltend, da man Probleme mit unseriösen Vermietern befürchte. »Natürlich hört man da immer das Klischee vom alten Mann, bei dem eine junge Studentin einzieht«, sagt Brandt. »Ich kann meine Hand nicht für jeden ins Feuer legen.« Als Koordinatorin besucht sie daher alle potenziellen Vermieter und macht sich ein eigenes Bild von ihnen und ihrem Zuhause.
Bei einem ersten Gespräch lernen sich Vermieter und Studierende kennen. Lilian Brandt achtet bei der Auswahl der Paare auf gemeinsame Interessen und Vorstellungen. Sie hilft auch beim Abschluss des Vertrags. In diesem wird festgehalten, ob für das bereitgestellte Zimmer Kosten anfallen und welche Art von Hilfe vorgesehen ist. Interessierte können auf einem Anmeldebogen angeben, welche Aufgaben sie sich zutrauen oder, ob sie bestimmte Arbeiten ablehnen. »In der Regel einigt man sich auf eine Stunde Arbeit pro bewohntem Quadratmeter«, sagt Brandt. Meistens sind die Vermieter ältere Menschen, die Hilfe bei Einkäufen oder im Garten brauchen. Manche wünschen sich aber auch »nur« Gesellschaft.
»Im Prinzip können sich auch jüngere Leute mit Wohnraum melden, die Hilfe brauchen – wie Alleinerziehende oder Menschen mit Behinderung«, sagt Brandt. Bisher sei dies in Bonn aber noch die Ausnahme. »Kaum ein Studierender hat vormittags Zeit, ein Kind zu betreuen.«
Bei den Studierenden sei »Wohnen für Hilfe« schon nach kurzer Zeit bekannt gewesen. »Mittlerweile übersteigt die Nachfrage das Angebot. Es dürften gerne noch mehr Vermieter sein«, sagt Brandt. Derzeit sind circa 15 bis 20 Prozent der Vermieter männlich; bei den Studierenden ist das Geschlechterverhältnis ausgewogen.
»Viele Kommilitonen finden es interessant, so zu wohnen«, sagt Madita, »man muss aber auch der Typ dafür sein.« Bei fremden Menschen einzuziehen, die zudem noch deutlich älter sind als man selbst, schreckt einige ab. Außerdem muss man die Wünsche des Mitbewohners berücksichtigen – er oder sie ist schließlich zugleich der Vermieter. Maditas Mitbewohnerin beispielsweise möchte nicht, dass fremde Leute in ihre Wohnung kommen. »Meine Vermieterin hat mir vor meinem Einzug gesagt, dass sie nicht möchte, dass Besuch kommt«, sagt sie. Darauf habe sie sich dann eingestellt und es sei kein Problem für sie.
Beim ersten Treffen sei es hilfreich, wenn Vermieter und Studierende einen Draht zueinander finden. »Wichtig ist, dass die Chemie stimmt«, so Brandt. »Dann kann man auch über alles sprechen.«
Auch nach dem Einzug berät sie die Projekt-Teilnehmer und vermittelt gegebenenfalls bei Konflikten. Studentin Madita ist sehr zufrieden mit ihrer Wohnsituation. »Es war vor allem in den ersten Monaten toll, um in Ruhe in Bonn anzukommen, die Stadt zu erkunden und neue Leute kennenzulernen.« Sie ist sich sicher, dass »von diesem gemeinsamen Wohnen beide Seiten profitieren«. ◄
MEHR DAZU: Mehr Informationen zu »Wohnen für Hilfe« gibt’s online unter wohnenfuerhilfe.info